Cruel Nature von Rhyo ================================================================================ Kapitel 5: Geschenk von Verena ------------------------------ Geschenk von Verena Vampire haben besondere Fähigkeiten. Nur eins von vielen Dingen, die Keisuke gestern erfahren hat. Trotzdem lässt die Frage ihn nicht mehr los, was wohl seine Kraft ist. Wenn er überhaupt eine besitzt. Aber eigentlich müsste er eine haben, immerhin ist er auch ein Vampir. Müde starrt er an die Zimmerdecke. Weder weiß er, wie lange er geschlafen hat, noch, wie spät es überhaupt ist. In Gedanken geht er die Fähigkeiten der anderen nochmal durch: Mit dem Blick Leute in Schlaf versetzen, in die Zukunft sehen, Menschen kontrollieren. Was ist eigentlich Raitos Spezialfähigkeit? Keisuke bereut es, Verena gestern nicht danach gefragt zu haben. Hoffentlich kann ich irgendwas mächtiges, denkt Keisuke. Etwas kratzt und miaut an der Tür, und er steht auf, um sie zu öffnen. Leider stolpert er dabei über den Rucksack, der auf dem Boden liegt, und fällt hin. Er hat sich nichts gestoßen; trotzdem wäre es erstmal genug, wenn er nicht so ein Tollpatsch wäre. Langsam steht er auf und geht zur Tür. Kaum ist sie offen, stürmt Shya ins Zimmer, dicht gefolgt von einer Maus, die sie verfolgt. Ängstlich springt das Kätzchen auf den Kleiderschrank, sodass die Maus nicht an sie herankommt. Schon eine komische Katze, überlegt Keisuke; hat Angst vor Mäusen. Aber er selbst ist auch nicht besser. Schon ein komischer Vampir; weigert sich Menschen auszusaugen. Keisuke geht zum Schrank und nimmt die graue Maus auf die Hand, die durch lautstarkes Piepsen ihren Widerwillen deutlich macht. Mit dem Tier in der Hand geht er die Treppe runter, und bringt die Maus in den Vorgarten. Die Sonne ist schon aufgegangen, und sie strahlt ihm unangenehm auf die Haut. Er beeilt sich, zurück in das Haus zu gehen und macht sich auf den Weg ins Wohnzimmer, aber da ist keiner. In der Küche findet er schließlich Miho, die am Tisch sitzt und frühstückt. „Du bist zu Hause!“, ruft sie, als sie erschrocken aufsieht; „Ich dachte, du schläfst bei Shizuka!“ Als Keisuke am Tag davor nach Hause gekommen ist, war Miho schon im Bett. Also hat sie bis jetzt nichts von ihm bemerkt. „Ähm, ich habe doch gesagt, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich da schlafe...“, sagt Keisuke unsicher. „Ja, stimmt“, lächelt Miho und beißt herzhaft in ihr Brötchen; „Wie war die Party? Waren viele Freunde von dir da?“ „Nein, aber Vampire...“, sagt Keisuke müde. Miho lässt plötzlich ihr Brötchen fallen. Mit der mit Marmelade bestrichenen Seite unten fällt es auf die Küchenfliesen. „Vampire?“ Verdammt, kann er nicht aufpassen, was er sagt?! Wenn er Miho von den Cursers erzählt, dann würde sie sich endlos Sorgen machen! Keisuke beschließt, sie anzulügen: „Ähm, ja, es waren auch Vampire da. Aber keine bösen Vampire, sondern ganz nette! Ich habe mich mit ihnen angefreundet.“ „Wirklich?“, hakt Miho nach. „Jaaa... Du musst dir keine Sorgen machen“, sagt Keisuke. „Wenn du es sagst.“ Ihr Blick strahlt ein gewisses Misstrauen aus. „Übrigens hat Desmond Corin gestern Abend für dich angerufen“, erzählt sie; „Aber da warst du schon weg.“ Desmond? Der schon wieder? Keisuke hat so schon genug Probleme, da kann er Desmond wirklich nicht gebrauchen. „Hm... Seltsam, dass er noch so spät für dich angerufen hat“, sagt Miho nachdenklich, und hebt das Brötchen auf. Kurz darauf geht sie zum Mülleimer und lässt es hineinfallen. „Eigentlich nicht... Er weiß, dass ich ein Vampir bin“, gibt Keisuke zu. „Er weiß es? Hast du es ihm gesagt?“ Sie holt einen Lappen aus dem Schrank und macht ihn an der Spüle nass. Keisuke gibt keine Antwort. „Ist ja auch egal“, sagt Miho, während sie den Boden sauber macht; „Aber du solltest es nicht allen deinen Freunden erzählen.“ Miho denkt anscheinend, dass Keisuke und Desmond 'Freunde' sind. „Und meinem Freund hast du es auch gesagt...“ „Du meinst doch Ex-Freund, oder?“, antwortet Keisuke. Miho sieht schweigend auf den Boden. „Ich werde wohl nie einen gescheiten Mann finden...“, flüstert sie traurig. Gerne würde Keisuke ihr etwas anderes sagen, aber leider stimmt es, dass Miho bisher immer nur Pech mit Männern gehabt hat. Er versucht, sie auf andere Gedanken zu bringen: „Hast du die Küche aufgeräumt? Es ist schön ordentlich hier.“ Miho nickt und geht wieder zum Mülleimer, dieses mal wirft sie den schmutzigen Lappen hinein. „Wenigstens habe ich heute frei“, seufzt sie; „Ich werde in die Stadt gehen und mir ein paar neue Klamotten holen. Kommst du mit?“ Ein nettes Angebot, aber heute möchte er lieber zu Hause bleiben. Außerdem kann shoppen mit Miho sehr anstrengend sein. Er schüttelt den Kopf und geht in sein Zimmer zurück. Shya ist inzwischen weg, also macht Keisuke seinen Computer an, damit er sein Onlinespiel weiterspielen kann. Nach ein paar Stunden klopft es an der Tür, und Miho kommt herein. Nachdem sie das Licht eingeschaltet hat, stellt sie etwas auf sein Bett. Keisuke steht auf: „Was ist das?“ Miho zuckt mit den Schultern: „Dieses Paket wurde gerade für dich abgegeben.“ Ein Paket für Keisuke? Er hat bisher noch nie ein Paket geschickt bekommen, und er wüsste auch nicht, von wem. Das einzige, was ihm möglich erscheint, ist, dass es sich um ein Geschenk von seinen Großeltern handelt. „Steht kein Absender darauf?“, will er wissen. „Nein“, antwortet Miho knapp; „Soll ich rausgehen? Oder darf ich sehen, was drin ist?“ „Natürlich darfst du es sehen, aber ich weiß selbst nicht, was es ist. Ich habe nichts im Internet bestellt oder so.“ Dann macht er sich daran, das Paket zu öffnen, aber er schafft es nicht, mit den Händen die Pappe aufzureißen. „Ich gehe dir eine Schere holen“, sagt Miho mit ein bisschen Mitleid im Gesicht. Solange sie weg ist, schaut Keisuke sich das Paket ein bisschen genauer an. Es ist ziemlich groß, und auch sehr schwer. Seine Schwester muss ja Bärenkräfte haben, dass sie es geschafft hat, das Ding die Treppe hochzuschleppen! Doch jetzt kommt sie schon wieder, mit einer Schere in der Hand. Rapide schneidet sie damit die Pappe auf, und öffnet den Karton. Als sie hineinsieht, weicht sie erschrocken zurück: „Keisuke!“ Keisuke fragt sich, was los ist, und schaut sich den Inhalt des Pakets an: Es liegen ungefähr zehn bis zwanzig Blutkonserven im Karton, alle dicht aufeinander gestapelt. Wer auch immer ihm das geschickt hat, Keisuke ist ihm dankbar. Dann entdeckt er einen Zettel, der zwischen den Plastikbeuteln liegt. „Steht da drauf, von wem das ist?“, fragt Miho und versucht, Keisuke über die Schulter zu schauen. „Warte, ich lese es mal vor...“, antwortet er, und fängt sofort an: „Dieses Blut ist für Keisuke, den Vampir. Es muss kühl gelagert werden, sonst verkümmert es. Ich habe zwischen uns eine Verbindung gespürt. Ich möchte nicht, dass du anfängt, wie die anderen, Menschen zu töten. Ich hoffe, von diesem Blut kannst du dich eine Weile ernähren. Bleib wie du bist. Verena.“ Miho lächelt Keisuke an: „Also hast du eben wirklich die Wahrheit gesagt, als du meintest, dass du dich mit Vampiren angefreundet hast. Das ist ja toll!“ Keisuke weiß nicht, was er sagen soll. Dieses Geschenk ist so besonders, Verena muss gewusst haben, dass Keisuke demnächst wahrscheinlich verhungern wird. Sie scheint so einiges zu wissen... „Miho, hilfst du mir, das Blut in den Eisschrank zu bringen?“, fragt er. „Ähm, klar.“ Keisuke würde wirklich gerne wissen, wo sie das Blut hergenommen hat. Ob sie auch Blutbanken plündert? Er beschließt, sie demnächst zu fragen. Aber von den Konserven wird er bestimmt ein paar Wochen leben können, er muss ja nur alle paar Tage eine trinken. Die Blutkonserven passen gerade noch in den Schrank, und Miho geht aus der Küche. Wahrscheinlich macht sie sich jetzt fertig, sie wollte ja shoppen gehen. Gerade überlegt Keisuke noch, ob er sich schon eine Blutkonserve nehmen soll, da sieht er einen Schatten an der Wand. Was ist das? Er geht zur Wand, doch der Schatten ist weg. Hat er sich das eingebildet? Leidet er schon so sehr unter Blutmangel? Eigentlich kann er sich das nicht vorstellen. „War bestimmt nur eine optische Täuschung oder sowas...“, flüstert er und nimmt sich etwas Blut aus dem Eisschrank. Na dann, Mahlzeit! Hosted by Animexx e.V. 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