Cruel Nature von Rhyo ================================================================================ Kapitel 13: Sanary High ----------------------- Sanary High Am Tag darauf bleiben Shizuka und Keisuke zu Hause, denn die Anmeldung an der neuen Schule steht noch aus, und Miho muss arbeiten, sodass sie nicht dort hingehen kann. „Ich freue mich total auf die Sanary High!“, ruft Shizuka munter, und Keisuke antwortet nur: „Schlimmer als unsere vorherige Schule kann sie ja kaum sein...“ Sie sieht ihn lächelnd an. Keisuke mag ihre positive Einstellung, er ist selbst auch sehr aufgeregt. Auf der neuen Schule würde niemand die beiden kennen, also könnten sie noch einmal ganz von vorne anfangen... Schließlich ist der Tag gekommen: Schon früh morgens verabschiedet Miho sich mit den Worten: „Ich gehe dann mal eure neue Schule besuchen. Eigentlich müsstet ihr beide angenommen werden, Zeugnisse und sowas habe ich alles dabei.“ Dann macht sie sich zu Fuß auf den Weg. Das die Sanary High näher an Keisukes Haus liegt, gefällt ihm gut. Jetzt muss er nicht mehr mit dem Schulbus fahren, und er kann länger schlafen. „Glaubst du, dass wir in eine Klasse kommen?“, fragt Shizuka ihn leicht besorgt, während sie zwei Tassen Tee ins Wohnzimmer bringt und auf den Tisch stellt. „Ich hoffe mal...“, seufzt Keisuke und nimmt sich eine Tasse. Es wäre viel leichter für ihn, wenn sie zusammen in eine Klasse gehen. Dann würde er sich nicht so stark wie ein Neuzugang fühlen, und er hätte jemanden, den er gut kennt. Außerdem macht Shizuka sich für gewöhnlich immer schnell beliebt. Die Klassenkameraden würden ihn schon mögen, wenn sie wissen, dass er eng mit ihr befreundet ist. „Warum trinkst du nicht?“, fragt Shizuka, die ihre Tasse schon ausgetrunken hat. Keisuke blickt das unattraktive Getränk an. Tee ist so ziemlich das letzte, was er jetzt trinken möchte, aber weil sie sich schon soviel Mühe gemacht hat, ihm auch etwas einzufüllen, ist er mal nicht so. Er nimmt einen tiefen Schluck des scheußlichen Getränks und verbrennt sich fast die Zunge dabei, woraufhin Shizuka anfängt zu lachen. Die beiden albern noch eine ganze Weile rum, ohne sich weiter Gedanken zu machen, da klingelt urplötzlich das Telefon. Keisuke springt auf und geht ran. Shizuka bittet ihn durch eine Geste, den Lautsprecher anzuschalten, damit sie mithören kann. Nachdem er das getan hat, spricht er in den Hörer: „Hallo?“ Er hört die Stimme seiner Schwester antworten: „Hey! Ich bin's.“ Keisuke ist überrascht: „Miho? Von wo rufst du an?“ „Von der Schule, ihr habt hier ein Telefon, dass man gegen eine Gebühr benutzen kann...“ Das hört man gerne, so einen Service hatte die alte Schule nicht. „Ich habe gerade mit dem Direktor gesprochen. Er ist ein sehr netter Mann.“ „Was hat er gesagt?!“, rufen Keisuke und Shizuka gleichzeitig in den Hörer. „Ähm, ihr seid angenommen! Aber ihr sollt auch direkt herkommen, damit ihr schon am Unterricht teilnehmen könnt.“ „Sind Shizuka und ich in einer Klasse?“, will Keisuke wissen. Zum Glück bejaht Miho die Frage, sodass er sich darum schon mal keine weiteren Sorgen machen muss. Aber trotzdem ist es irgendwie komisch, dass sie jetzt schon kommen sollen. Sind denn schon alle Angelegenheiten geregelt? Er fragt Miho danach, aber sie geht nicht darauf ein: „Beeilt euch bitte herzukommen. Ich habe euch den Weg ja gestern erklärt. Wir wollen doch einen guten Eindruck machen. Oder?“ Keisuke seufzt, und Shizuka läuft ins Badezimmer. So, wie sie jetzt aussieht, will sie wohl nicht aus dem Haus gehen, aber das ganze kommt ja auch ziemlich unerwartet. Miho erklärt ihm, dass sie für heute nur etwas zu schreiben brauchen, den Rest wird sie im Laufe der Woche besorgen. Keisuke dankt ihr und verspricht, in spätestens einer halben Stunde da zu sein. Etwas mehr als einer halben Stunde später stehen die beiden vor dem Haupteingang der Sanary High. Der richtige Weg war leichter zu finden, als Keisuke dachte, denn trotz Mihos Erklärung hat er befürchtet, sie könnten sich verlaufen und zu spät kommen. Das Gebäude ist nicht gerade prachtvoll, eigentlich ziemlich monoton. Aber es hat viele Fenster, viel mehr als die vorherige Schule. „Wo müssen wir überhaupt hin?“, fragt Shizuka verwirrt. Oh! Das hat Miho ihm gar nicht gesagt... Die beiden beschließen, erst einmal reinzugehen. Die Eingangshalle ist aufgebaut wie eine Kreuzung. Shizuka schaut mit fragendem Blick umher. „Wo sind denn all die Schüler?“ „Die sind wohl im Unterricht“, ist Keisukes spontane Antwort, auch wenn er sich selbst nicht sicher ist. Plötzlich tritt seine Schwester aus der rechten Tür und begrüßt beide freundlich. „Euer Klassenzimmer ist Raum 72. Der Lehrer weiß, dass ihr kommt.“ Miho deutet auf die gläserne Tür, die vom Eingang nach links führt, und nervös geht Keisuke durch den Flur, dicht gefolgt von Shizuka, der man die Aufregung auch ansehen konnte. Fast am Ende des Korridors finden sie schließlich den Raum mit der Nummer 72, aus dem Stimmen zu hören sind. Keisuke fasst sich ans Herz und klopft an. Die Stimmen verstummen, und nach ein paar Sekunden öffnet eine Frau mit kurzen, schwarzen Haaren die Tür. „Wir... wir sind die...“, fängt Keisuke an, aber die Frau unterbricht ihn: „Ich weiß schon, wer ihr seid. Keisuke Valley und Shizuka Palma, richtig?“ Die beiden nicken. „Ich bin Frau Ophis. Kommt bitte hinein.“ Zögerlich folgen die beiden ihr in das Klassenzimmer, dass nicht allzu groß ist. „Stellt euch nach vorne“, fordert die Lehrerin die Neuzugänge auf. Die ganze Klasse starrt die beiden an, Keisuke blickt verlegen zu Boden. Die Lehrerin ergreift das Wort: „Das sind Shizuka Palma und Keisuke Valley. Sie gehen von jetzt an in diese Klasse.“ Die anderen Schüler schweigen und mustern ihre neuen Klassenkameraden interessiert. Auf einmal springt ein Mädchen in der ersten Reihe auf und ruft freudestrahlend mit lauter Stimme: „Keisuke! Du bist das!!!“ Shizuka sieht die beiden verwirrt an, und erst jetzt bemerkt Keisuke, wen er da vor sich sitzen hat. Lange orangene Haare, blutrote Augen und auffälliger Kopfschmuck in Form von Tierohren: Seine Lebensretterin Yuri. „Yuri Monou!“, donnert plötzlich Frau Ophis; „Setz dich sofort wieder hin!“ „Kennst du dieses Mädchen?“, flüstert Shizuka und Keisuke nickt. Er hat nicht damit gerechnet, sie nochmal wiederzutreffen, aber anscheinend werden sie von nun an sogar in die selbe Klasse gehen. „Und ihr beide sucht euch jetzt bitte auch einen Platz, damit die Französischstunde weitergehen kann.“ Seufzend machen Shizuka und Keisuke sich auf die Suche nach freien Stühlen. Dass er gut mit dieser Lehrerin auskommen wird, bezweifelt er stark. „Setzt ihr euch zu mir?“, fragt Yuri in normaler Lautstärke, und erntet einen zornigen Blick von Frau Ophis. Keisuke bemerkt überrascht, dass die Plätze links und rechts von Yuri frei sind, also deutet er Shizuka an, sich mit ihm nach vorne zu setzen. Schließlich nimmt er links von Yuri Platz, und Shizuka rechts. Die Lehrerin fährt mit dem Unterricht fort, als hätte es keine Unterbrechung gegeben, aber anstatt ihr zuzuhören, denkt Keisuke über die Mädchen neben ihm nach. Yuri weiß, dass er ein Vampir ist. Womöglich wird sie es Shizuka sagen, und das muss Keisuke irgendwie verhindern. Er will er ihr selbst sagen, und niemand anderes soll das tun. Keisuke beschließt, erst nach der Stunde mit Yuri zu sprechen, denn am ersten Tag will er sich nicht gleich mit einer Lehrerin verscherzen. Als nach scheinbar endlos vielen Minuten endlich die Klingel ertönt, und die meisten Schüler aufstehen und den Raum verlassen, erklärt Yuri ihnen: „Jetzt ist große Pause. Wir haben gleich Mathe, also können wir direkt hier blieben.“ Anscheinend kann man es sich in dieser Schule aussuchen, ob man in den Pausen im Klassenraum bleibt oder auf den Schulhof geht. Auf seiner alten Schule hatte man diese Wahl nicht. „Du bist Yuri, oder?“, begrüßt Shizuka das Mädchen freundlich. Während der Stunde haben die drei fast überhaupt nichts sagen können. „Woher kennt ihr beiden euch denn?“, will Shizuka von ihr wissen. „Ich habe ihm das Leben gerettet!“, ruft Yuri glücklich. Oh nein, sie darf nichts weiter sagen, sonst erfährt Shizuka alles. Keisuke fügt hinzu: „Ja, wenn du mir damals kein Kleingeld für den Bus geliehen hättest, wäre ich echt gestorben. Dann hätte ich den Weg nach Hause zu Fuß laufen müssen.“ Shizuka fängt an zu lachen, und Yuri dreht sich mit fragendem Blick zu ihm um: „Was?“ Keisuke schüttelt leicht den Kopf und macht ihr so verständlich, dass Shizuka seine wahre Gestalt nicht kennt. Yuri scheint es verstanden zu haben, denn sie reagiert mit der Bitte: „Ich möchte mal mit Keisuke alleine reden, okay? Wir kommen gleich wieder.“ Shizuka nickt, ein bisschen enttäuscht. Yuri führt ihn hinaus in den Flur. Keisuke will anfangen, zu erklären, aber sie unterbricht ihn direkt: „Hier sind zu viele Leute, komm mit...“ Er folgt ihr in den Keller, wo sich eine staubige Bücherei befindet, aber niemand ist dort. „Hier können wir reden“, sagt Yuri und setzt sich auf einen Tisch. Keisuke setzt sich auf den Stuhl daneben und sagt zögerlich: „Du weißt, dass ich... ein Vampir bin.“ Yuri nickt: „Das Mädchen da soll es nicht erfahren, oder? Warum nicht?“ Keisuke flüstert: „Ihre Eltern wurden von einem Vampir getötet. Ich befürchte, dass sie mich dann hassen würde...“ Yuri sieht traurig zu Boden: „Dann ist sie aber keine gute Freundin...“ Er versteht gerade nicht, warum sie das so traurig macht, aber er hat auch eine Frage: „Wieso trägst du immer noch diese Verkleidung?“, und er deutet auf ihre Ohren und ihren Schwanz; „Spielst du immer noch Fuchsgöttin?“ Yuri sieht ihn durchdringend an: „Ich spiele nicht Fuchsgöttin! Die Dinger sind... Nunja, echt.“ Das kann ja wohl nicht wahr sein, denkt Keisuke, sie will ihm wohl einen Bären aufbinden? Er steht auf und untersucht ihre Fuchsohren mit den Fingern. Überrascht stellt er fest, dass sie echt sind! „Aufhören, das kitzelt!“, schreit Yuri und schüttelt sich vor Lachen. Keisuke geht ein paar Schritte zurück. Unglaublich, sie scheint wirklich ein Fuchsmädchen zu sein. Aber wie kann es so etwas geben? Andererseits hat er damals auch nicht an die Existenz von Vampiren geglaubt, und sie gibt es auch. „Was hast du den Lehrern erzählt? Und den anderen Schülern?“, fragt Keisuke. „Ich habe ihnen die Wahrheit gesagt... Aber sie glauben mir nicht, und finden mich komisch. Sogar meine Freundinnen haben sich von mir abgewendet, als ich mit diesem verändertem Körper in die Schule zurück gekommen bin.“ „Heißt das, dass du nicht schon immer ein Fuchsmensch warst?“, fragt er sie interessiert. „Ich wurde zu einem gemacht!“, ruft sie kurz. Dann ist es mit ihr ja wie mit ihm, er hat sich auch über die Sommerferien gravierend verändert. Nur mit dem Unterschied, dass es bei ihm nicht so auffallend ist. „Was ist denn passiert?“, fragt er sie, aber sie winkt direkt ab: „Darüber will ich nicht reden, tut mir leid.“ Im ersten Moment fühlt Keisuke sich beleidigt, doch er kann es auch irgendwie verstehen. Er würde auch nicht mit jedem darüber sprechen wollen, wie er zum Vampir wurde. Die Klingel ertönt, und nachdem die beiden Schüler wieder in die Klasse kommen, geht der Unterricht weiter, mit dem Fach Mathematik. Gewiss nicht sein Lieblingsfach, genauer gesagt hat er in keinen Fach mehr Probleme, aber der Lehrer, Herr Umbala ist sehr freundlich, im Gegensatz zur strengen Französischlehrerin. Die Schule ist auf jeden Fall besser, als die alte, überlegt Keisuke. Sie hat einfach mehr Stil, interessante Schüler und irgendwie fallen ihm die meisten Fächer nicht mehr so schwer. Zwar sind viele Lehrer unsozial, aber das war auf der alten Schule ja auch so. Und wahrscheinlich auf allen anderen auch. Nach den vier Stunden, die sie noch hatten, verlassen Keisuke und Shizuka das Gebäude um sich auf den Weg nach Hause zu machen, aber er entdeckt Yuri, die hinter einem Baum steht und ihn zu sich winkt. „Shizuka, gehst du schon mal vor? Ich komme gleich nach“, sagt er, und lässt sie verwirrt stehen. Yuri möchte wohl noch einmal kurz mit ihm reden, bevor alle nach Hause gehen. „Keisuke, kommst du wieder mit nach unten, in die Bibliothek?“, fragt Yuri ihn. Er würde zwar ungern wieder ins Gebäude, aber da sie sich scheinbar dort wohl fühlt, willigt er ein. Die Bibliothek im Keller ist mal wieder leer, als sie reingehen. Yuri führt Keisuke nach hinten, zwischen die Regale. Sie sieht sich noch einmal um, ob auch wirklich niemand im Raum ist. „Was ich dir heute gesagt habe...“, fängt sie an; „Ich möchte dir erzählen, warum ich so geworden bin. Ich konnte bisher nur mit meinen Eltern darüber sprechen. Und du bist hier der erste, der mich ernst nimmt...“ Keisuke setzt sich hin und hört gespannt zu. „Ein Vampir hat mich zu dem gemacht, was ich bin...“, flüstert sie. „Was?“, ruft Keisuke erschrocken; „Wie kann das denn sein?“ „Du müsstest das doch wissen“, nörgelt sie; „Vampire haben besondere Fähigkeiten. Und ein Vampir hat mich in ein Fuchsmädchen verwandelt. Was ich dir jetzt erzähle, ist sehr privat. Irgendwie vertraue ich dir, Keisuke. Ich glaube, dass du mich verstehst. Kann ich anfangen?“ Keisuke nickt, und ist auf alle möglichen absurden Geschichten vorbereitet. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)