Cruel Nature von Rhyo ================================================================================ Kapitel 15: Die schöne Lure --------------------------- Die schöne Lure An ihrem ersten Schultag haben Keisuke und Shizuka zwar schon am Unterricht teilgenommen, aber ihnen fehlen immer noch die Bücher und Arbeitsmaterialien für das neue Schuljahr. „Das wird nicht gerade billig“, sagt Miho verbittert, als sie Keisuke Geld reicht, doppelt soviel wie es gewöhnlich kosten würde, aber Shizuka braucht all die Sachen ja auch. „Ähm, das muss doch nicht sein! Ich habe auf meinem Konto noch genug Geld, davon kann ich das Zeug, dass für mich ist, bezahlen“, versucht Shizuka, Miho zu überreden, aber diese verneint. Eigentlich ist es schade, dass Shizuka erst an das Erbe von ihren Eltern kommt, wenn sie volljährig ist, denkt Keisuke; unvorstellbar, was man sich mit dem ganzen Geld alles kaufen könnte. Jetzt versucht Shizuka, Miho zu versprechen, ihr das Geld irgendwann zurückzugeben, aber ohne Erfolg. Miho antwortet nämlich: „Nein, das geht alles in Ordnung so. Dass es etwas enger wird, war mir schon klar, als wir dich hier aufgenommen haben. Du musst gar nichts zurückzahlen. Außerdem hilfst du mir im Haushalt mehr als dreimal so viel wie die beiden Jungs.“ Shizuka kichert, und Keisuke sieht beschämt zu Boden. Sie fragt ihn ja auch fast nie, ob sie Hilfe bei etwas braucht. „Normalerweise würde ich ja selbst zu einem Bücherladen gehen, aber ich muss gleich zur Arbeit. Der Zettel mit den Büchernummern und so liegt auf dem Tisch im Wohnzimmer. Wir sehen uns dann heute Abend!“ Dann geht sie aus dem Haus, und macht sich auf den Weg zur Arbeit. Etwas später, im Buchladen, kauft Keisuke die Schulbücher und bezahlt eine ordentliche Summe dafür, als sie wieder auf der Straße sind fragt Shizuka ihn: „Sollen wir jetzt direkt schon wieder nach Hause gehen? Oder noch ein bisschen rumlaufen?“ Keisuke versteht nicht, was sie mit „Rumlaufen“ meint: „Wo willst du denn hin?“ „Erstmal was essen“, antwortet Shizuka fröhlich; „Wollen wir wieder ins Café 'Lexy' gehen?“ Dahin schon wieder? Dieses mal nickt Keisuke. Als er das letzte mal dort war, ist auch nichts passiert, also macht er sich etwas weniger Sorgen. Im Café bestellt Keisuke sich einen Kakao, und Shizuka ein Stück Käsekuchen. Der muskulöse, gebräunte Mann verschwindet in der Küche um die Bestellung durchzugeben. „Warum hast du dir nur was zu Trinken bestellt?“, fragt Shizuka. Keisuke seufzt: „Es haben nicht alle soviel Geld wie du...“ Nebenbei muss er nichts essen oder trinken, außer Blut, aber das kann er ihr ja wohl schlecht sagen. Jetzt betritt ein Mädchen das Café. „Das ist doch Yuri!“, flüstert Shizuka, warum auch immer sie flüstert. „Ja, ihren Eltern gehört das Café“, gibt Keisuke in normaler Lautstärke zurück. Ein paar alte Leute, die an einem Tisch in der Nähe von der Tür sitzen, begrüßen Yuri herzlich und winken ihr zu. Sie grüßt zurück, und sieht dann ihre Schulkameraden ein paar Tische weiter sitzen und sie anstarren. „Hey, ihr kommt mich besuchen!“, ruft sie freudestrahlend und springt zu ihnen mit einem Satz. Shizuka schaut sie verdutzt an: „Du... Du kannst wirklich weit springen...!“ „Danke!“, ist das einzige, was Yuri dazu sagt. Sie setzt sich zu ihnen, neben Keisuke, und die drei fangen an, etwas zu plaudern. „Das Café ist von deinen Eltern? Wohnst du auch hier?“, will Shizuka wissen. „Nein, wohnen tue ich woanders. Aber ich helfe Mama und Papa manchmal ein bisschen, denn wir haben sonst fast gar kein Personal. Gerade eben habe ich mir die Tiere im Tierladen neben uns angeguckt, und als ich wieder zurück gekommen bin, wart ihr auf einmal da.“ „Du kannst echt froh sein, noch Eltern zu haben...“, flüstert Shizuka, und Keisuke hat im Stillen das Gleiche gedacht. Seinen Eltern bei der Arbeit helfen? Das ist ein Privileg, das Waisenkinder nicht haben. Eine kurze Zeit lang scheint die Stimmung depressiv zu sein, aber Yuri ruft einfach: „Bin ich auch!“, und steht auf. Auf die fragenden Blicke von Keisuke und Shizuka sagt sie: „Ich rede mal mit Papa, wenn ich ihm sage, dass ihr meine Freunde seid, müsst ihr nichts bezahlen.“ Und sie verschwindet hinter dem Tresen bei ihrem Vater. Es ist ja kein Wunder, dass sie falsche Freunde bekommen hat, wenn sie jeden hier gratis essen lässt. Da wollten bestimmt viele Leute mit ihr befreundet sein. Shizuka schaut aus dem Fenster: „Ich würde mir gerne ein paar neue Klamotten kaufen... Was sagst du dazu?“ „Von mir aus“, antwortet Keisuke gleichgültig; „Sollen wir Yuri fragen, ob sie mitkommen will?“ „Yuri... Warum verkleidet sie sich eigentlich so komisch?“ „Das ist keine Verkleidung!“, ruft plötzlich Yuri, die wieder hergekommen ist. Shizuka schaut sie überrascht an: „Wirklich nicht?“ Daraufhin kommt Yuri nah zu Shizuka und hockt sich auf den Boden, damit Shizuka ihre Ohren untersuchen kann. Aber sie sitzt nur auf ihrem Stuhl und schaut sie verständnislos an: „Sag mal... Was machst du da unten?“ „Bist du blöd!“, ruft Yuri; „Du sollst meine Ohren untersuchen, damit du merkst, dass sie echt sind! Aber sei vorsichtig!“ Shizuka fängt an, an ihren Fuchsohren herumzufummeln, das geht eine halbe Minute so, da springt Yuri auf und fährt Shizuka an: „Was machst du da eigentlich?! Du sollst nur prüfen, ob sie echt sind!“ Shizuka rückt etwas nach hinten: „Woher soll ich wissen, ob die echt sind?!“ Keisuke kann das Lachen kaum noch unterdrücken. Die anderen Gäste schauen sie schon alle an. „Du bist echt... begriffsstutzig“, bringt Yuri hervor und geht zu ein paar anderen Gästen, die etwas bestellen wollen. „Frag sie nicht, ob sie mitkommen will“, bittet Shizuka Keisuke; „Irgendwie ist die mir unheimlich.“ Er nickt. Er findet sie zwar nicht unheimlich, aber sich so über Shizuka aufzuregen, das hätte auch nicht sein müssen. Die beiden stehen auf, und gehen Richtung Tür, da werden sie von Yuri noch einmal angesprochen: „Geht ihr schon?“ Shizuka schaut zu Keisuke, der, zur Lüge gedrängt, antwortet: „Wir gehen nach Hause.“ Etwas enttäuscht verabschiedet sich Yuri von ihnen, draußen fragt er Shizuka: „Wo sollen wir denn genau hingehen?“ Shizuka überlegt kurz, dann sagt sie: „Am besten zu 'Vestis'! Das ist der größte Laden in ganz Logaly, wenn es um Damenmode geht.“ Da Shizuka zu wissen scheint, wo es hingeht, folgt er ihr durch die Stadt, bis sie an einem großen, gelben Haus ankommen, mit vielen Schaufenstern. Eine Menge Leute gehen durch die automatischen Glastüren ein und aus, und über dem Eingang hängt ein mit bunten Leuchtkugeln dekoriertes Schild mit der Aufschrift „Vestis“. „Komm mit rein, Keisuke!“, ruft Shizuka und läuft rein. Es sagt ihm zwar nicht besonders zu, wenn er sich in einem Laden nur für Damenmode aufhält, immerhin sind dort auch fast nur Frauen drinnen, aber er will ihr diesen Gefallen mal tun. Im Geschäft durchsucht Shizuka eilig die Regale, und murmelt dabei irgendwelche unverständlichen Dinge vor sich hin. Keisuke steht daneben und schaut stumm zu. Schließlich zieht sie ein Kleidungsstück aus dem Regal und hält es vor ihren Körper. „Wie findet du das?“, fragt sie. Ein weißes, dünnes Kleid ohne Ärmel, für heiße Tage. Er ist sich nicht sicher, was er davon halten soll. „Ganz nett“, sagt er schließlich; „Aber es passt irgendwie nicht zu dir...“ „Echt?“, fragt Shizuka und schaut an sich herunter. Kurz danach hängt sie das Kleid enttäuscht wieder auf. Sie sagt ihm, dass sie etwas anderes suchen möchte, und schaut sich weiter um. Keisuke schaut ein bisschen umher. Hier gibt es wirklich nur Frauensachen, stellt er fest. Da kann er sich nicht mal umsehen... Jetzt fällt ihm hinten an der Kasse ein Gestell auf, an dem viele Sonnenbrillen hängen. Keisuke geht dorthin und sieht sie sich an. Die Sonnenbrillen hier wirken auch alle mehr oder weniger feminin... Aber vielleicht sollte er Miho eine kaufen? Dafür würde sein Geld noch reichen. Und dann müsste sie sich nicht immer seine ausborgen, er braucht sie ja eigentlich viel dringender. Gerade ist er dabei, sich eine Sonnenbrille für seine Schwester auszusuchen, da bemerkt er eine Frau neben sich, die die Kassiererin anspricht: „Ich würde dieses Shirt gerne zurückgeben. Ich habe gemerkt, dass es doch zu groß ist.“ Ein kalter Schauder jagt über Keisukes Rücken, denn diese Stimme kennt er. Langsam und unauffällig dreht er sich zu ihr. Die junge Frau hat blutrote, lange Haare und ist sehr schlank. Lure. Das darf nicht wahr sein... Wie kann er ihr hier begegnen? So viel Pech kann man doch gar nicht haben! „Hier haben Sie ihr Geld wieder“, sagt die Kassiererin und hält Lure ein paar Scheine hin, die sie annimmt. Ohne sich zu verabschieden wendet sie sich Keisuke zu. „Na sowas, wen man hier nicht alles trifft. Was hast du denn hier zu suchen?“ „Verschwinde, Curser! Bist du hier, um mich zu töten?!“, ruft Keisuke voller Angst. Ein paar Frauen sowie die Kassiererin schauen die beiden an, woraufhin Lure Keisuke den Mund zu hält: „Sag mal, spinnst du? Soll die ganze Welt erfahren, was wir sind?! Verhalte dich gefälligst unauffällig!“ Das war ja sonnenklar. Hier, in einem Geschäft mit so vielen Leuten, da wird sie ihn nicht töten, das würde zu viel Aufsehen erregen. Ohne noch ein Wort mit ihm zu wechseln, geht Lure in die Unterwäsche-Sektion und schaut sich dort um. Wo ist eigentlich Shizuka? Keisuke muss versuchen, sie so schnell es geht hier raus zu schaffen. Oder sollten sie lieber so lange wie möglich hier bleiben? Hier sind sie ja mehr oder weniger sicher... Keisuke grübelt noch, da sieht er Shizuka, die ein graues T-Shirt mit einem blauen Logo in den Händen hält: „Wie findest du das? Ein bisschen langweilig, aber man kann es eigentlich immer anziehen...“ Keisuke nickt, ohne sich das Kleidungsstück noch genauer anzuschauen. „Willst du es kaufen, und dann gehen?“ Shizuka sieht ihn beleidigt an: „Eigentlich möchte ich schon mehr als nur ein T-Shirt kaufen, wenn wir schon einmal hier sind. Ich bin nur zur Kasse gekommen, weil ich es dir zeigen wollte, du stehst ja zufällig hier.“ Mit diesen Worten geht Shizuka zurück und sieht sich Oberteile an. Keisuke fällt auf, dass Lure scheinbar verschwunden ist. Oh nein, das ist schlecht, er muss sie im Auge behalten, Immerhin gehört sie zur Curser-Gesellschaft, wer weiß, was sie anstellen wird. Schüchtern geht Keisuke zur Unterwäsche-Abteilung, in der quasi nur Lure steht, die sich gerade einen rosafarbenen BH ansieht. Sie bemerkt Keisuke recht schnell: „Was ist? Man kann ja nicht einmal in Ruhe neue Sachen kaufen...“ „Tut mir leid!“, entschuldigt sich Keisuke, und im nächsten Moment fragt er sich, warum er das eigentlich tut. Jetzt kommt Lure auf ihn zu: „Was ist denn? Willst du mir irgendetwas sagen?“, fragt sie lächelnd. Sie ist eigentlich sehr hübsch, nur schade, dass sie so ein Miststück ist. „Nur, dass du uns in Ruhe lassen sollst!“, sagt er wütend. Lure seufzt. Dann geht sie zu den Umkleidekabinen: „Komm mal mit!“ Das ist ihm jetzt wirklich zu dumm. Mit der Mörderin mitgehen? Mit der schönen Mörderin... Hm... „Mit dir gehe ich nicht!“, ruft er ihr nach. „Dann bleib eben da!“, ertönt ihre Stimme. Komische Antwort. Keisuke hat das Gefühl, wenn er ihr nicht folgt, wird er irgendetwas wichtiges verpassen. Außerdem kann sie ihm hier eh nichts tun. Er geht ihr hinterher, und sieht sie, wie sie vor einer Umkleidekabine steht. „Hier rein“, sagt sie und verschwindet da rein. Zögerlich folgt Keisuke ihr. Wenn sie irgendetwas versuchen würde, kann er immer noch schreien oder weglaufen, oder eben beides. In der Kabine setzt Lure sich auf den schwarzen Hocker: „Du nervst ehrlich gesagt ein bisschen. Du bist zwar süß, aber das gibt dir nicht das Recht, mir so auf den Keks zu gehen!“ „Das sagt die Richtige!“, entgegnet er wütend. Sie hat doch versucht, ihn umzubringen, ihn zu vergewaltigen und was noch alles. Da fällt ihm ein, dass er sich in einer Umkleidekabine alleine mit ihr befindet. Oh nein, was hat sie wohl vor? „Du musst wissen, ich will dich gar nicht umbringen. Dass wir uns heute hier begegnet sind, war nur ein Zufall.“ „Willst du nicht?“, fragt Keisuke ungläubig. „Nein“, antwortet sie schlicht; „Wir Cursers versuchen, die Menschheit auszurotten, nicht die Vampire. Du bist ein Vampir. Du bist mir egal.“ „Aber ich helfe Raito!“, sagt Keisuke hitzig. Was tut er da überhaupt? Warum versucht er, Lure zu überreden, ihn umzubringen? Erst jetzt merkt Keisuke, dass er da etwas total Unsinniges tut. „Du hilfst Raito?“ Lure fängt an zu lachen: „Also bitte, du hast deine Kraft an die Königin verloren. Der kann dich ja nicht mal mehr gebrauchen, und für uns bist du auch keine Gefahr. Deshalb kannst du ruhig weiterleben.“ Irgendwie ist Keisuke beruhigt. Aber das ändert nichts daran, dass diese Frau weiterhin eine Gefahr für Shizuka, Yuri, Miho, Desmond und all die anderen ist. Denn sie sind Menschen, und werden von den Cursers ohne zu Zögern getötet. „Würdest du dann bitte rausgehen?“, fragt sie halbwegs nett; „Ich will wirklich diesen BH anprobieren, aber wenn du möchtest, kannst du auch hier drinnen bleiben, wenn ich mich umziehe.“ Sie hat ein erotisches Grinsen aufgesetzt, und Keisuke spürt, wie er rot wird und verlässt eilig die Kabine. Er weiß nicht, was er von dieser Lure halten soll. Ist sie gut oder böse? Gibt es sowas wie 'gut' oder 'böse' überhaupt? „Wohl eher nicht“, lacht er, und sieht, wie Shizuka um die Ecke kommt, mit einem grünen Pullover im Arm: „Keisuke? Warum stehst du hier herum?“ „Nur so“, sagt er spontan. Ohne darauf einzugehen hängt Shizuka ihr Oberteil in die Kabine, die direkt neben Lures ist: „Ich probiere das mal an, ich bin nicht sicher, ob es passt...“ Dann macht sie den Vorhang zu, und nicht mehr als ein paar Sekunden später geht Lures Vorhang auf. Selbstbewusst tritt sie aus der Kabine, nur bekleidet mit einem blassen, rosafarbenen BH und einem Slip in derselben Farbe. „Na? Würdest du sagen, das sieht gut aus?“, fragt Lure lachend. Was soll Keisuke nur sagen? Ja, es sieht gut aus. Aber an ihr würde wohl alles gut aussehen, bei diesem Körper... Moment, was denkt er da überhaupt? Ganz langsam, sie ist eine Curser, eine Feindin... Jetzt betrachtet Lure sich selbst im Spiegel: „Nein, mein Teint ist zu dunkel dafür... Ich kann so helle Sachen einfach nicht tragen... Schade.“ Sie geht in die Kabine zurück und macht den Vorhang wieder zu. Kurze Zeit später kommt Shizuka aus ihrer Kabine heraus, der grüne Pullover, den sie trägt, sieht zwar nicht hässlich aus, aber auch nicht besonders schön. Normal eben. „Ich glaube, den werde ich mir nicht kaufen. Oder Keisuke? Auch wenn er schön weich ist, er ist zu teuer...“ Ohne eine Antwort abzuwarten geht sie auch wieder in ihre Kabine zurück, um sich wieder umzuziehen. Wirklich lustig, wie die beiden aneinander vorbeisehen, aber wie lange geht das noch gut? Lure kommt in ihren normalen, engen Sachen aus der Kabine heraus und spricht Keisuke an: „Du stehst ja immer noch hier. Hast wohl auf mich gewartet, was?“ Und sie kichert. Weil ihm einfach nicht einfällt, was er sagen soll, schaut er sie bloß stumm an. „Eigentlich...“, fängt sie an, und macht einen Schritt auf ihn zu; „habe ich heute Nacht nichts vor. Wenn du möchtest, können wir ja ein bisschen Spaß haben.“ Das ist doch nicht ihr Ernst? Keisukes Herz schlägt schneller, vor Aufregung, aber auch wenn sie extrem gut aussieht, mit ihr würde er es nicht tun. Sein erstes Mal soll aus Liebe geschehen, und für diese komische Lure ist Sex sicher nichts weiter, als eine plumpe, alltägliche Angelegenheit. Vielleicht hat sie ja sogar Geschlechtskrankheiten, auch wenn er sich nicht sicher ist, ob Vampire so etwas überhaupt bekommen können, geschweige denn, ob sie überhaupt an irgendetwas erkranken. Der andere Vorhang geht auf und Shizuka kommt in Alltagskleidung auf die beiden zu: „Oh, Keisuke.“ Lure schaut sie an: „Na sowas... Ist das deine Freundin?“ „Sie ist nicht meine Freundin!“, ruft Keisuke sauer, und Shizuka schweigt. „Siehst ja eigentlich ganz süß aus“, sagt Lure arrogant; „Schade, dass du ein Mensch bist.“ Nicht schon wieder, Lure darf Shizuka auf keinen Fall verraten, dass sie Vampire sind. Das will Keisuke ihr doch selbst schonend beibringen. „Mensch?“ Shizuka sieht fragend zu Keisuke, und Lure tut dasselbe. Er schüttelt den Kopf, als Lure ihn ansieht, und sie scheint verstanden zu haben: „Vergiss, was ich gesagt habe“, sagt sie genervt zu Shizuka. Mit diesen Worten verlässt sie den Laden nach draußen. „Wer ist das? Eine Freundin von dir?“, fragt Shizuka. „Ich... weiß nicht“, antwortet Keisuke ein bisschen verwirrt. Spontan entscheidet er, Lure zu folgen. „Warte hier! Bin gleich wieder da!“, ruft er, und lässt Shizuka im Geschäft stehen. Als er draußen ist, kann er gerade noch erkennen, wie sie in einer Gasse verschwindet. Keisuke beschließt, ihr hinterher zu rennen, selbst wenn es gefährlich ist. Es ist bereits dunkel draußen, was Keisuke aber wegen seiner Vampiraugen nicht weiter stört. Lure lehnt an einer Hauswand, und wartet scheinbar auf irgendwas. Keisuke geht einfach auf sie zu. Sie sieht ihn fragend an: „Du schon wieder? Ich hatte eben den Eindruck, du willst nichts von mir. Oder...“ Jetzt geht sie langsam, in einer Art Tanz auf ihn zu; „oder hast du deine Meinung geändert?“ Keisuke schluckt: „Nein, habe ich nicht... Ich wollte nur wissen, was du jetzt machst.“ Lure geht zurück, und lehnt sich wieder an die Wand: „Ich warte auf ein Opfer. Wir Cursers müssen, zusätzlich zu den Aufträgen der Königin, pro Tag drei Menschen töten. Normalerweise fahre ich dafür in eine andere Stadt, aber es ist schon Abend und es bleibt mir nicht mehr viel Zeit.“ „Was?!“, ruft Keisuke erschrocken, für einen Moment dachte er wirklich, dass sie gar nicht so böse ist, wie sie tut. Lure zuckt einfach mit den Schultern, als wäre sie völlig unbeteiligt. Dann kommt ein etwas älterer Mann die Gasse entlang. „Sie da!“, ruft Keisuke, aber Lure hält ihm den Mund zu, und dreht den jungen Vampir zu sich. „Ich hatte schon befürchtet, dass du mich behindern wirst...“, flüstert sie. Sie lässt seinen Mund los, aber bevor Keisuke wieder etwas rufen kann, hat sie schon ihre Lippen auf seine gepresst. Warum? Schon wieder tut sie das, obwohl er es nicht will... Sie ist grausam. Keisuke versucht, sich zu wehren, schafft es aber nicht. Sie löst den Kuss und schaut ihm in die Augen. Keisuke schaut hinein, ohne nachzudenken. Er spürt, wie er schwächer wird, langsam wird alles schwarz, und er sackt zu Boden. Vorschau auf Kapitel 16: Der Vampir macht einen Fehler, der bei ihm Angst vor sich selbst auslöst. Sogar wenn niemand ihn fürchtet, würde er am liebsten weglaufen. Die Sünde, die man sich selbst nicht verzeihen kann, wiegt am schwersten Kapitel 16: Katzenjammer Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)