Grandia II: Der Pfad zur Seele von Ghaldak (Eine Tragödie in 5 Akten) ================================================================================ Kapitel 6: Liligau ------------------ Wir gingen heraus und während wir gingen, erzählte Elena ihre Geschichte. Es war ein Kampf, sie ganz zu erfahren, da ich merkte, dass sie sich schämte. Ich jedoch wollte es wissen. Es war ein Schock für sie gewesen, mich fallen zu sehen. Dann aber hatte das Monster in ihre Richtung gefaucht und sie bekam es mit der Angst zu tun. Sie rannte ins Dunkel, stürzte fast einen Abgrund herab und versteckte sich dann in einem Gebüsch, wo sie zitternd ausharrte und jedes Waldgeräusch für einen herannahenden Feind hielt. Schließlich stand sie auf, kehrte zum Zelt zurück und fand mich blutend auf dem Boden liegend, das Monster verschwunden. "Und dann habe ich versucht, dich zu heilen, aber es wollte nicht... wollte nicht. Meine Magie, meine Macht, sie war wie verschwunden. Ich stand da und verzweifelte und versuchte es immer wieder." Sie war den Tränen nahe. Es grenzte schier an ein Wunder, dass der Rauch des Feuers eine vorbeiziehende Gruppe Kardinalsritter anlockte, die sich dann meiner annahmen und sich um meine Wunden kümmern konnten, ehe es zu spät war. So gesehen hatte ich ein irrsinniges Glück. Elena hingegen litt Höllenqualen, wenn sie nur zurückdachte. Den Rest des Weges verbrachte ich damit, sie zu trösten. "Ich lebe doch.“, sagte ich ihr, „Also nimm es dir nicht so zu Herzen. War Skye da und suchte Hilfe? Kam Millenia hervor, um zu kämpfen? Es ist alles nicht deine Schuld. Es ist nicht deine Schuld." Sie erwiderte nichts darauf. Schweigend gingen wir nebeneinander her, dann sahen wir sie. Meine Aufmerksamkeit galt auf einmal ganz der Bestie. Die bullige Gestalt lehnte vor uns an einer Mauer, die Lanze lässig im Arm haltend. Ich sah, dass es sie noch nicht gereinigt hatte, sie war immer noch blutverklebt - mit meinem Blut, wie mir klar wurde. Meine Gedärme ballten sich zusammen und ich trat schützend vor Elena. Wir erstarrten. Sie stand vor uns, mitten in Liligau. Nun bemerkte und betrachtete sie uns. Die Bestie grunzte. "Aaaaah", sagte sie. "Am Leben." Dann stockte sie, während wir uns beide mit unseren Blicken zersiebten. "Bin Mareg. Bin auf der Jagd. Nicht nach dir." Sie wollte sich abwenden, als ich vorstürmte. Plötzliche Wut übermannte mich. "Was soll das?“, schrie ich, „Warum hast du uns angegriffen? Warum wolltest du mich töten? Das Mädchen! Mich!" Mein hasserfüllter Blick beeindruckte ihn nicht im Geringsten. Er blickte auf mich herab, bis ich innehielt und er sagte: "Man erlegt Melfice nicht mit Wattebäuschchen." Mehr gab es für ihn nicht zu erklären, sodass er sich von uns abwandte, während ich in mich zusammenbrach. Melfice. Tausend Eindrücke überfluteten mich, während Elena langsam aus ihrer Starre erwachte. Der Name löste so viel bei mir aus, was sie verwirrte und sie erreichte mich wieder, als sie sprach: "Er hat sich nicht einmal entschuldigt" Sie blickte ihm nach, ehe sie anschloss: „Ein gruseliger Mann“. Wenig später brachen wir wieder auf. Nachdem meine Wunden so gut verwachsen waren, gab es keinen Grund mehr, in Liligau zu bleiben, weswegen unser nächstes Reiseziel Mirmau hieß. Der Weg dorthin verlief ohne große Probleme, nur hieß das leider nicht, dass ich mir keine Sorgen um Elena machen brauchte. Jede Nacht suchten sie Alpträume heim und hinderten sie, zu schlafen. Sie verlor mit jedem Tag mehr Kraft, wurde mürrischer und schweigsamer und zugleich immer anhänglicher. Man konnte leicht sehen, dass sie bereits viel zu lange auf dem Zahnfleisch kroch. Ich tröstete sie damit, dass wir es bald geschafft haben würden, begannen doch hinter Mirmau doch schon die Berge, an deren Spitze die Kathedrale von St. Heim majestätisch über das Umland thronen sollte. Dort mussten wir hinauf und, das wurde mir bald klar, dann würde sie wieder aus meinem Leben verschwinden. Meine kleine Elena. Hoffentlich ging es ihr dann besser. Als wir Mirmau erreichten, wurden wir durch die Aussicht auf Sauberkeit und gutes Essen so euphorisch, dass wir uns umgehend in die Herberge stürzten. Bald schon saßen wir vor dampfenden Tellern, während wir redeten. „Uns steht schon bald ein Aufstieg bevor.“, erzählte ich ihr, „Wenn wir morgen in aller Frühe aufbrechen, dann können wir morgen gegen Nachmittag oder Abend bei der Kathedrale sein.“ – „Gut“, antwortete sie schwach, weswegen ich anfügte. „Warst du schon einmal in den Bergen?“ – „Ja, in den Inor-Bergen. Damals…“ Sie schien nicht viel dazu sagen zu wollen und als ich an ihre Freundinnen dachte, erkannte ich, dass Heimaterinnerungen wohl nicht die beste Wahl waren. Ich wechselte das Thema. „Wie geht es dir denn? Mit Millenia, meine ich.“, fragte ich sie stattdessen und sie lächelte schwach. „Es ist, als würde sie mich immerzu beobachten. Sie spricht mit mir… besonders dann, wenn ich ihr zuhören muss. Ich habe seltsame Träume, Alpträume jede Nacht. Sie schickt mir Bilder… Bilder…“ Sie blickte mich an und schien bei meinem Anblick den Faden zu verlieren. „Das Schlimmste ist aber, dass sie auch da ist, wenn sie nichts sagt. Das ist fast noch schlimmer. Dann habe ich das Gefühl, jederzeit könnte sie wieder irgendwas tun… oder aber sie ist zufrieden, was ich mache und…“ Sie stockte. „Was sagt sie denn?“, fragte ich sie, doch sie zuckte nur mit den Schultern. „Ich höre ihr nicht zu.“ – „Warum nicht?“ – „Sie ist Valmar. Da muss jedes Wort falsch sein.“ Ihr Blick sagte mir, dass Skye recht gehabt hatte. Seltsamerweise entlockte mir dieser Gedanke ein Lächeln. „Ach, Elena.“ Ich legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Du bist tapfer. Morgen musst du noch durchstehen, dann hast du es geschafft. Und nun komm, lass uns schlafen gehen. Es wird noch einmal anstrengend werden.“ Sie nickte, doch wollte sie sich nicht bewegen. Ich stockte. „Alles in Ordnung?“, fragte ich sie. Sie blickte mich an, ehe sie nickte. „Ja, es ist nur…“ Sie suchte die richtigen Worte. „Ryudo, wenn wir in St. Heim sind… wenn ich wieder ich selbst bin… würdest du dann ein Eis mit mir essen gehen?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)