Grandia II: Der Pfad zur Seele von Ghaldak (Eine Tragödie in 5 Akten) ================================================================================ Kapitel 11: Die Insel Garland (1) --------------------------------- Der Blick aus der Ferne ließ mich erahnen, was mir mit schwindender Entfernung immer klarer wurde: Garland selbst hatte sich kaum verändert. Ein schweigsamer Ort aus Sandstein und Spinnweben, über dem der ewige Rauch der Kamine hing. Es war kalt geworden, kälter als in Schlesien, und es kam mir ein bisschen so vor, als würde es bald regnen. Doch das Wetter blieb. Ich konnte es fühlen. Garland, Stadt und Insel, beide waren zu einem Museum geworden, zu einer Kulisse vergangener Tage. Je näher ich kam, desto sicherer war es, dass es eine Geisterstadt war, auch wenn der Rauch noch von Menschen sprach. Dies war ein Ort, der mehr Gräber kannte als Gesichter. Fünf Jahre hatten eine Wunde gerissen, die nicht verheilen konnte, und nun betrat ich mit Elena und Mareg die mir einst so bekannte Erde. Ich erzählte eine Geschichte. „Garland ist die Stadt einer Totemfigur. Sie wurde von Rittern gebaut, die diesem Totem ihr Leben anvertrauten und von ihr auf Kraft und Weisheit hofften. Sie beherrschten diese Stadt und bauten einen Schrein in den Bergen. Nichts auf dieser Insel funktionierte ohne sie. Sie nannten sich nach ihrem sagenhaften Begründer ‚Orden von Garila’. Als Melfice durchdrehte, nahmen sie ihr Schwert in die Hand und beschützten die Insel. Sie mussten dafür büßen.“ Ich seufzte. Mit diesen Worten waren so viele Gesichter verbinden. „Dieser Ort hier ist weitab der Kirche von Granas. Hier kennt man seine Missionare, doch im Totem erblickte man seinen näheren Gott. Elena, sei bitte vorsichtig.“ Ich hielt an und sah mich um. Häuser links und rechts und sicher auch Augen hinter den Fenstern. „Ich hoffe, in der Figur und im Ort eine Heilung für Elena zu finden. Melfice ist hier und jagt sicher den gleichen Schatz, der Rest der Insel ist nämlich wertlos. Unser Ziel muss es sein, das Totem zu finden und Melfice zu überleben, gleich in welcher Weise.“ Ich seufzte. War ich wirklich bereit? „Dazu möchte ich, dass wir uns trennen. Elena, der Orden hat hier im Ort eine Bibliothek… oder hatte sie zumindest einmal. Bitte versuche, dort Zugang zu finden, und wenn du dazu kommst, könntest du auch mit ein paar Leuten hier sprechen? Mit dir werden sie sicherlich eher sprechen wollen als mit uns.“ Elena nickte und vergrub sich in ihrer Robe. Ihr war kalt und diese Granas ferne Geisterstadt war ihr sicher unheimlich. „Mach dir bitte keine Sorgen“, versuchte ich sie aufzumuntern. „Hier bist du ohne uns sicherer als mit.“ Dann wandte ich mich Mareg zu. „Mareg und ich werden uns die hiesige Schenke ansehen. Wenn Melfice im Ort ist, dann soll er uns finden. Vielleicht helfen uns einige Bürger.“ Ich musste lachen, ehe ich mich Mareg zuwandte. In seinem Gesicht spiegelten sich andere Gefühle wieder. Er war kampfbereit. Für ihn ging es endlich los. „Elena, finde uns in der Taverne. Wenn wir nicht dort sind, gehe zum Schiff. Halte dich von der Herberge fern oder von meinem einstigen Haus. Ich fürchte, da wärst du nicht sicher.“ Erinnerungen folgten, die ich so lange vergessen hatte, und der Gedanke, bei mir zu Hause vorbeizuschauen, kam mir in den Sinn. Doch was würde da auf mich warten? Doch nur Staub und Bilder, die ich nicht sehen wollte. „Nun denn“, sagte ich, „viel Erfolg.“ So ging es los. Wir hatten Garland betreten. Ich wusste noch nicht, ob wir es auch wieder verlassen würden. Die Zeit im Land war grausam. Wenig später saß ich in der Schänke, doch der Bierkrug, an dem ich mich festhielt, wollte mir nicht helfen. Es war doch wirklich alles… Die Rückkehr in die Heimat. Um mich herum Gesichter, die ich kannte und die mir nun böse Blicke zuwarfen. Niemand redete mit uns, niemand war bereit, uns zu helfen. Alle wollten sie nur, dass ich möglichst schnell wieder weg wäre, wenn nicht Schlimmeres. Nur Mareg war bei mir. Mein Fels in der Brandung. Ich konnte Millenia sehr gut verstehen, dass sie ihn mir zur Seite stellte. Hier auf Garland war ich nicht ich selbst. Ich musste schon gegen den Ort ankämpfen, gegen das, was er für mich bedeutete. Hier auch noch Melfice sehen zu müssen, das wäre wohl zuviel für mich. Er hätte wohl leichtes Spiel. Elena fand uns hier und rettete uns. „Da bist du“, begrüßte sie mich, „und eifrig am Arbeiten, wie ich sehe.“ Ich hatte sie nicht hereinkommen sehen, doch nun, da sie da war, wirkte sie wie ein frisches Lüftchen in diesem verstaubten Ort. „Was soll ich denn machen?“, fragte ich sie leidend, „Melfice kam nicht vorbei. Die Leute hier wissen nichts von ihm. Dafür kennen sie mich noch.“ Sie hatte kein Mitleid mit mir. „Kennen sie auch noch das Totem?“ – „Ja… doch…“ Ohne auf mich zu achten, entwendete sie mir meinen Krug und nahm einen Schluck. „Ich war beim Orden.“, erzählte sie dann. „und habe mit dem Hochmeister gesprochen. Ein sehr netter alter Mann. Er tat mir leid.“ Sie seufzte. „Eine traurige Geschichte. Er erzählte mir, dass alle ihre Ritter einen nutzlosen Tod starben. Achtundvierzig Mann mit ihrem ganzen Wissen. Damit war der Orden am Ende, wenn man von ein paar alten Männern absah. Er hatte bei der Verteidigung Garlands versagt. Das gab ihm den Rest.“ Sie schüttelte den Kopf. „Er führte mich durch die große Ordenshalle. Früher, sagte er, habe der Orden genug Nachwuchs gefunden, doch seit der Katastrophe wäre nichts mehr, wie es war. Am Totem wurde gezweifelt, neue Kämpfer fanden sich nicht. Der Rest des Ordens lebt nur noch in Erinnerungen an bessere Zeiten. Aaaaber…“, sie beendete ihren tristen Vortrag und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, „…ich habe mit dem Hochmeister über den Herrn Granas gesprochen. Ich denke, es gibt noch Hoffnung für diese Insel.“ ‚Und damit hast du wie unserer Mission gedient?’, wollte ich sie fragen, doch ich verkniff es mir. „Ich gratuliere“, sagte ich stattdessen. Sie erzählte auch schon weiter: „Das Totem hat die Gestalt eines Adlers. Woher es stammt, das wissen sie selbst nicht. Es wurde in einem Schrein in den Bergen aufbewahrt, doch als die Streiter fort waren, eroberten Monster die Wege zurück und der Schrein verfiel. Sie wissen selbst nicht, ob das Totem noch dort oben weilt.“ „Damit haben wir ein Ziel“, sagte ich mehr zu mir selbst. „Wenn wir morgen in aller Frühe aufbrechen…“ Bilder von dem Berg erschienen vor meinem geistigen Auge. Es würde nicht einfach werden. „… und hoffen wir, dass diesmal alles bald vorbei ist.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)