Licht und Dunkelheit von Diracdet (Teil 6 des Detektiv Conan-Noir Crossovers) ================================================================================ Kapitel 8: Kirika Yuumura ------------------------- Hallo an alle Lesenden,^^ da sind wir wieder, und wie versprochen, nun erstmal mit dem Aufeinandertreffen Kirika-Conan, welches, wie angekündigt ein paar grad-zahlige Kapitel andauern wird. ;] Zunächst einmal aber wieder ein ganz großes Dankeschön an die Kommentatoren vom letzten Kapitel. Ja, es hat etwas von einer Schlossführung, aber eigentlich ist es Heijis... 'Variante', an Informationen ran zu kommen. Und ein wenig Kunst wird auch immer dabei sein, so viel steht fest. ^.~ Und natürlich vieles zum Fall... ich hoffe, er gefällt euch, es wird wohl der bisher umfangreichste in meiner Reihe. ^///^ So, im Prinzip genug Vorrede... ich versuche davon abzulenken, dass ich eine gewisse Nervosität verspüre, was das angekündigte Gespräch angeht. Für die nicht-Noir-Kenner, ich erzähle größtenteils nur die offiziellen Fakten zu Kirika dieser Geschichte nach, wenn euch das eine oder andere verwundern sollte... es ist echt so und noch nicht meine wirren Gedanken... die sind mehr der Hintergrund, dass dieses Gespräch überhaupt stattfindet. XD Also dann, ich wünsche viel Spaß beim Lesen und bis nächste Woche.^^ LG, Diracdet Kapitel 8: Kirika Yuumura Alle drei starrten verwirrt auf den großen Blumentopf an der Tür, der scheinbar einen Menschen hinter sich verbarg. Es waren nur die Beine unter dem Jeansrock samt den Turnschuhen noch zu erkennen, sowie an den beiden Seiten des weißen Porzellans die von der Masse leicht geröteten Hände einer jungen Frau. „Äh... Guten Tag?“, fragte der Professor höflich wie verwundert, während die anderen beiden im Moment sprachlos wirkten, was sie von dem Anblick halten sollten. „Ah... äh hallo...“ Verkrampft schien sich die Person hinter der Pflanze Luft verschaffen zu wollen. Plötzlich drängte sich ein Kopf mit leicht verwuselten, schwarzen Haaren an der rechten Seite vorbei. Kirika lächelte verlegen, sah gar nicht genau zu den Leuten ihr gegenüber. Allmählich war ihr die Blume doch zu groß und schwer geworden. „H-hallo!“, sagte sie schließlich noch, bevor sie ein paar Schritte durch den Raum zu einer nahegelegenen Ecke machte, an der sie das Krankengeschenk auf den Boden stellte. Dann putzte sie kurz die Reste von Erde von ihrer Jacke, drehte sich behände auf den Zehenspitzen wieder um und stand wieder vor der erstaunten Gruppe. „Guten Tag, nochmal.“ Mit einer höflichen Verbeugung begrüßte sie den Professor und Ai auf der einen Seite, bevor sie sich dem Patienten zuwendete, den Kopf leicht schief legte und sanft lächelte. „Hallo, Conan!“ Der Junge blickte zuerst verwirrt auf das Mädchen, das kaum älter als Ran wirkte, dafür aber fast kindlich naiv. Dann wandte er sich, da er es als sinnlos erachtete, sie erkennen zu wollen in seinem Zustand, an die anderen Beiden, die ihn ja eh aufklären wollten. Diese zuckten aber, als Reaktion auf seinen fragenden Blick, auch nur unwissend mit den Schultern. 'Wer... wer ist diese Frau?' „Äh... hallo. Verzeihung... aber... im Moment bin ich... nicht so gut darin, meine Freunde zu erkennen... denn wissen Sie...“ Er brach ab, als sich Kirikas Miene leicht verfinsterte, dann aber einer melancholischen, ja mitleidvollen Phase wich. Schließlich schüttelte sie ganz schwach den Kopf. „Du musst dich nicht entschuldigen, Conan. Ich habe Ran und die anderen bereits draußen auf dem Flur getroffen und sie haben mir von... den Folgen... erzählt.“ 'Sie kennt Ran? Vielleicht eine Mitschülerin... von ihr... Aber was hat sie mit mir zu schaffen? Und was soll dieser Blumentopf?' Analog ging diese Frage auch Professor Agasa und Ai durch den Kopf. Sie hatte dabei ein komisches Gefühl. 'Eigentlich kann es keine Mitschülerin sein, weil immer noch Schule ist... und sie trägt keine Uniform, wirkt eher als ginge sie gar nicht mehr zur Schule.' „Sind Sie... eine Freundin von Ran?“ „Mhm...“ nickte Kirika nur verhalten zu Ai. „Eine ehemalige Mitschülerin. ... du solltest es aber auch nicht, Conan.“ Während der erste Satz eine direkte Antwort war, auf die nun alle endlich glaubten den Namen des unbekannten Gastes zu erfahren, war sie im zweiten Satz auf einmal wieder mit ihren Gedanken ganz wo anders. Niemand schien so recht zu wissen, woran sie dabei dachte. „Was... sollte ich nicht?“ „Dich dafür entschuldigen...“ Ihre Stimme wurde etwas ruhiger, gedämpfter, nachdenklicher. „Es ist schwer... manchmal... auch für Leute bei klarem Verstand, ihre Freunde zu erkennen. Du solltest dich nicht entschuldigen, dass du es in deinem Zustand nicht kannst... Allein dieser Gedanke... ist schon mehr wert als manche oberflächliche Freundschaft ohne... wahren Tiefgang...“ Conan starrte sie mit geöffnetem Mund an. Eben noch das unbeholfene, naiv wirkende Mädchen, nun sprach sie fast wie eine alte Dame, die ihren Kindern Weisheiten fürs Leben erteilte... und gar nicht mal banale Kleinigkeiten. 'Was... was ist das für eine Person?' „Verzeihung, Fräulein...“, begann der Professor schließlich etwas ungeduldig die alles entscheidende Frage in den Raum zu stellen. „Sie scheinen Conan zu kennen, aber wie Sie offenbar schon wissen, er Sie nicht, und wir beide haben Sie noch nie gesehen... also... Wer sind Sie eigentlich, wenn ich fragen darf?“ Kirika schrak aus ihrer kurzen lethargischen Art hoch, sah peinlich berührt zum alten Mann, verbeugte sich zappelig mehrfach vor ihm. „Ah... hab ich mich nicht vorgestellt, entschuldigen Sie bitte! Also ich heiße Kirika. Kirika Yuumura.“ Conan meinte ein kurzes Bild bei dem Namen vor Augen zu haben... der Ausschnitt eines Bildes... ein Mund, ein paar mit knallrotem Lippenstift versehene Lippen, die ein Wort stumm umrandeten. 'Nein.' Mehr nicht. Im Kontext ergab das für ihn die Aussage: 'Ich heiße Kirika Yuumura – Nein.' Was sollte das nun wieder bedeuten... War das eine Lüge? Oder verwechselte er eine spontane Erinnerung seines Unterbewusstseins, die ihm bei dem Namen kam, mit einer Antwort auf ihre Aussage? Und wem gehörten die Lippen? Definitiv keiner Person, die in diesem Raum war... einer Frau... einer Frau, die mit ihrem Lippenstift nicht unbedingt dezent umging, sondern durchaus gewillt war... damit ihr äußeres darzustellen... vielleicht jemand vom Theater... oder eine Schauspielerin... Dem Professor und Ai sagte der Name sehr wohl etwas. Zu genau war das Gespräch mit Jodie nach dem Mordfall im 'Le Grand Success' in Erinnerung. Da waren sie, Ran, Sonoko und Conan dieser Person, Kirika Yuumura begegnet. Dieser Person, zu der das FBI selbst keine Informationen finden konnte. Die vermutlich unter dem Namen gar nicht existierte... eine... 'Auftragsmörderin!' „Himmel!“, flüsterte er so leise, dass ihn möglichst niemand hörte, schon gar nicht... sie. 'Was will denn so eine hier? Was hat sie mit Shinichi zu schaffen, außer ihn indirekt über Ran zu kennen? Und was soll das mit den Blumen? Shinichi, was geht hier vor sich?' Allmählich verstand er, was Ai vorhin gemeint hatte. Shinichi hatte sich in letzter Zeit mit seinen Problemen um die Organisation und drum herum noch mehr isoliert als früher. Nur in seinem Kopf herrschte wohl normalerweise die Klarheit all das zu ordnen, was die anderen verwirrte. Und nun... bezahlte er damit, dass ohne dieses Wissen ihm auch sein eigenes Leben wie ein kryptisches Werk vorkam. Der Sturz, oder vielleicht auch der ominöse Schlag zuvor hatten dem Computer, den sein Hirn darstellte, das Passwort genommen und nun war alles unlesbar geworden... unverständlich, ein Chaos, das jeden anderen zu überrumpeln drohte, mit der Gewalt die es dahinter verbarg. Die Gewalt hinter dem Wissen von Shinichi Kudo. Ai meinte, ihr Herz sei stehen geblieben... Ihr Körper erstarrte augenblicklich zu Eis, sie fühlte nichts mehr um sich, sie konnte sich keinen Millimeter bewegen, nicht mal ihr Gesicht verziehen, um die Angst anzudeuten, die von ihr Besitz ergriffen hatte. Sie starrte sie weiter nur verwundert, so reaktionslos an, als habe der Name keinerlei Bedeutung für sie. Dahingegen war ihr Gefühl, ihr Inneres, dabei den Geist aufzugeben. Während sie äußerlich fror, schien ihr Blut durch den nun wieder aufgekommenen, stärker und immer schneller werdenden Puls ihre Organe zu verbrennen. Schließlich reagierte ein Reflex, als ihr Körper meinte, in dieser Form bekäme sie nicht genug Luft für die Anstrengung ihres Herzens und sie musste einmal tief durch atmen, was fast einem Gähnen gleichkam. Im ganzen war ihr schwindlig, übel, Kaltschweiß bildete sich unter ihrem Hemd, und eine von Angst erfüllte Starre lähmte fast auch ihre Atmung. 'Es ist schlimmer!', stellte sie fest, um sich nur noch verängstigter mit beiden Händen an den Stuhl zu klammern. 'Es ist schlimmer... schlimmer als bei ihnen!' Dieses Gefühl, wenn sie, nachdem sie vor der Organisation floh, bekam, sobald einer der Männer in Schwarz in ihrer Nähe auftauchte... es konnte sich nicht messen mit dem Gefühl... IHR gegenüber zu sitzen. So hilflos hatte sie sich nicht einmal gefühlt, als sie im Keller ihres Labors auf ihren Tod wartete. 'Es ist halt nochmal etwas anderes... ob der Sensenmann hinter einem sein Gerät schleift... oder vor dir steht und... mit seinen stillen... täuschenden Augen auf dir ruht...' Der naive Blick, dieses ungestüme Lächeln, das alles konnte das Herz der jungen Forscherin nicht über eine untrügliche Wahrheit hinweg täuschen. 'Du bist nichts als eine Mörderin... Du bist Noir! Der beste Profikiller, den es auf dieser Welt gibt. Mich kannst du nicht einlullen...' Es kam ihr fast wie eine heuchlerische Aussage in ihren Gedanken vor... Musste sie denn ihr etwas vorspielen? Wohl kaum, nach allem, was man über Noir hörte, könnte sie alle drei Anwesenden geräuschlos eliminieren und würde ohne eine Spur dieses Krankenhaus wieder verlassen. Sie brauchte sich gar nicht verstellen dafür... also warum tat sie es? Was... was überhaupt wollte sie verdammt nochmal von Conan? Ai spürte, wie ein Schweißtropfen von ihrer Stirn rann, wie sich... ganz langsam, etwas in der Verkrampfung löste, die ihren Körper gefangen hielt, und sie nun bewusst dem ungebetenen Besuch in die Augen sehen konnte... so sie sich denn traute. Ein dicker Kloß lag bei dem Gedanken in ihrem Hals, sie würde kein Wort sagen können jetzt... sie würde wohl nicht einmal schreien können, wenn sie jemand nun plötzlich irgendwie verletzen würde. Diese Frau... die für die Unwissenden so harmlos wirkte... für sie, die 'Wissende', war sie wie ein schwarzes Loch, wie ein großes eigenes Gravitationsfeld, das alles um sich herum mit seiner bloßen Existenz einfing, gefangen hielt und nie wieder los ließ. 'Das ist die Macht, die der Name Noir in der Welt derjenigen hat, die von ihrer Gnade abhängen. Dort ist sie die Scharfrichterin und unantastbar wie der Sensenmann höchstpersönlich. Noir... ist der Tod selbst. Und nun... steht er vor mir...' Mit einem tiefen, verzweifelten Seufzer und einem Ruck, der wohl mehr aus der Überzeugung der Hilflosigkeit, als aus irgendeiner Form von Mut keimte, hob sie den Kopf leicht, und fixierte die junge Frau wenige Meter vor ihr, nur um es augenblicklich zu bereuen. Kirika hatte sie nämlich auch fixiert, sie mit den tiefen, dunklen Augen erfasst, die Hände leicht verkrampft an der Seite baumelnd. Sie schien ihre Gedankengänge genau zu verfolgt zu haben und darauf nun zu reagieren. Anklage stand in ihrer Miene, nicht mal wirklich Wut, aber die Art von Einspruch, die ein Anwalt wohl seinem Kontrahenten zukommen ließ als... üble Nachrede... Verleumdung... Lüge... 'Du verurteilst mich, bevor du mich überhaupt einmal gesehen hast? Und verlangst Verständnis für deine Vergangenheit? Du hast ja nicht die geringste Ahnung... Miyano!' Das und nichts anderes las Ai daraus, und mit jedem Moment, den ihr Gehirn diesen Gedanke mehr verarbeitete, desto unmöglicher schien es ihr, ihr weiter in die Augen zu sehen. Dieses verurteilende... in ihrem Fall ja tödliche, was hindurch schimmerte, es drückte förmlich dem kleinen Mädchen die Luft ab, bis sie schließlich angewidert zur Seite starrte. Auch Kirika blinzelte daraufhin kurz, seufzte leise, wandte den Blick zum Patienten zurück. Conan hatte die ganze Szenerie beobachtet, seine Gedanken zu Ais Reaktion blieben im Hinterkopf erhalten, riefen ihn zur Vorsicht Kirika gegenüber... was sein Unterbewusstsein zumindest nicht verneinte... „Sie sehen aber gar nicht aus wie eine Mitschülerin.“ „Hm?“ Ihre Gedanken waren so bei der jungen Forscherin, dass sie gar nicht mehr wusste, was sie eben gesagt hatte und wie Conan wohl diesen Satz meinte. „Sie sagten, Sie seien eine Freundin von Ran und Sonoko. Sie wirken auch gar nicht viel älter als die beiden, tragen aber keine Schuluniform, obwohl es, so weit man mir sagte, wohl heute Dienstag und noch nicht mal Mittag ist.“ Einen Moment starrte sie ihn verwundert an, legte den Kopf erneut schief, betrachtete das neugierig seine Umwelt erforschende Gesicht und begann auf einmal, zuerst leise, dann lauter werdend, heftiger und schließlich aus vollem Herzen zu lachen. Ein freudiges Lachen, ein beruhigendes Lachen, ein... ehrliches Lachen, das nicht zuletzt Ai aufhorchen ließ. „Tut mir Leid, Conan, aber... das war so witzig.“, hob sie abwehrend die Hände, immer noch vor sich hin schmunzelnd. „Du hast ja fast recht, es passt alles so wunderbar bis auf die Kleidung. Ich hab bereits vor ein paar Jahren mit der Schule aufgehört, bin ins Ausland gegangen – nach Frankreich – und erst vor kurzem wieder zurück gekommen. Ran und Sonoko gebe ich seitdem Nachhilfe in Französisch. Daher kenne ich sie.“ Sie hatte sich zwar etwas beruhigt, aber man konnte ihr die Amürsiertheit noch immer im Gesicht ablesen. „Wieso ist das witzig?“ Die Frage kam von Ai und sie selbst bereute sie bereits im nächsten Moment. Was dachte sie sich nur dabei? War sie gerade lebensmüde?! Sie wusste doch am besten... und sicher als einzige im Zimmer, wozu diese Frau fähig war... 'Nein... das... liegt wohl selbst außerhalb meines Wissens!', schien sie sich selbstironisch zu ohrfeigen. Aber diese leicht sarkastisch angehauchte Frage, die Kirikas Fröhlichkeit untergrub, ihr Lächeln fast als Lüge, als Maske hinstellte, konnte in diesem Fall ihr Schicksal besiegeln. Hatte sie das provoziert, weil es unmöglich dem entsprach, was sie über diese Person zu wissen glaubte? Der gutmütige Ausdruck verließ Kirikas Gesicht, als sie sich kurz zu Ai wendete. Etwas melancholisches nahm dort ihren Platz ein... 'Mitleid?' Die Besucherin legte den Kopf leicht schief, verkrampfte ihre Lippen, dass sie ein winziges Stück nach oben zeigten, ging die zwei Schritte auf Ai zu, die sich und ihre Finger nur noch fester in das Plastik der Stühle vergrub. Das wars... endgültig. Wenn sie es nicht hier erledigte, vor den Augen der Anderen, so würde sie sie später... irgendwo, irgendwann, wenn es niemand erwartete, töten. Sie rechnete mit ihrem Leben ab und musste fast erneut schmunzeln. Nach all den Strapazen um die Organisation, nach all den Mühen, mit denen Conan ihr Sicherheit vermitteln wollte, nachdem sie selbst, durch so viel Selbstüberwindung so weit war, sich wieder... ein Leben vorstellen zu können, hatte sie es nun weggeworfen, in einem Anflug von Größenwahn. Ausgerechnet gegenüber der Person, von der sie ganz genau wusste, was sie sich vorzustellen hatte. Dann stand sie vor ihr, beugte sich zu ihr runter und sah ihr direkt in die Augen. Sie waren wirklich unheimlich tief... und auch... leer. Das sah sie erst jetzt bei näherer Betrachtung. Nicht vollkommen leer, so wie Conans Augen momentan... aber... für ihr Alter einfach... zu leer. 'Wusste ich es doch... alles nur gespielt. Sie haben überhaupt keine Emotionen... wie erwartet.' Dann erschien doch ein leichtes Funkeln darin, als würde sich die durch das Fenster herein scheinende Sonne darin spiegeln. Kirika hob die Hand, der Professor sprang fast auf aus Angst. Wenn das, was Jodie damals gesagt hatte, stimmte... wozu war diese junge Frau dann womöglich fähig? Und... konnte er etwas dagegen unternehmen? Sie schien nicht großartig kräftig gebaut, eher zierlich. Andererseits hatte Conan erzählt, sie hätte kurzzeitig damals im Restaurant ihr wahres Gesicht gezeigt. Und der ernste Ausdruck von seinem Nachbarn ging ihm einfach nicht aus dem Kopf in diesem Moment. Shinichi war zu gut darin, Menschen einzuschätzen und umgekehrt, abgeklärt und überzeugt genug, um diese Szenerie richtig einzuordnen. 'Sprich... sie ist gefährlich. Aber sie wird doch nicht... hier im Krankenhaus...' Ai zuckte zurück, presste sich verzweifelt an die Rückenlehne des Stuhls, als hoffte sie, durch diese hindurch sich nach hinten und dann irgendwo hin flüchten zu können, als die Hand der jungen Frau langsam auf ihren Kopf zu kam. Schließlich blieb ihr nur, die Augen zu schließen und das Ende abzuwarten. 'Es tut mir Leid!' Und dann spürte sie sie auf ihrem Kopf... die Hand des Todes. Es waren nur Gerüchte, die sich um Noir rankten, aber, so viel hatte Shiho einst mitbekommen. Vor vier Jahren, als Noir das letzte Mal wie aus dem Nichts auftauchte und 'wirkte', sollen mehrere Mafia-Clans rund um den Globus dran geglaubt haben. An diesen Fingern... klebte nicht einfach nur etwas Blut... es musste ein See sein... ein See aus Leichen voll, der binnen kürzester Zeit gefüllt wurde. Hunderte... Tausende? Das wusste wohl nicht mal sie selbst. Dann bewegte sie sich! Hin und her... Und langsam öffnete das kleine Mädchen die Augen, als sie merkte, dass sie immer noch lebte. Vor ihr stand immer noch Kirika, aber ihr Gesicht hat sich wieder zu einem ehrlicheren Lächeln wie vorhin verzogen. „Hm... Du bist irgendwie auch niedlich, weißt du das, Ai?“, grinste sie sie an, während sie weiter über den großen Haarschopf streichelte. „Was... zum...?“ Ihre großen Augen wurden im Moment nur noch größer... und über allem thronte diese Angst. Das könnte doch alles nur gespielt sein... sie hatte vielleicht doch schon ihr Leben weggeworfen und der Tod nur ihr etwas Aufschub gewährt... Als konnte sie ihre Gedanken ganz genau lesen, lachte Kirika verspielt auf, schüttelte leicht den Kopf. „Lass es mich so formulieren, dass du es verstehst... Meinungen... sind schwerer zu zerstören als Atomkerne.“ Was sollte das nun wieder? Conan und Agasa sahen sich verwundert an. Das berühmte Einstein-Zitat über Vorurteile und die Schwierigkeit, diese zu zerstreuen. Bezog sie das auf sich? Vielleicht. Es wäre sicher voreingenommen, über sie zu urteilen, bevor man sie nicht kennen gelernt hat, aber... war es nicht erwiesen, dass sie eine Mörderin war... also... „Ich fand es nur witzig, wie Conan argumentiert hat. Er hat eigentlich keine Erinnerungen, ist nur ein kleiner Junge und doch klingt die Überlegung eigentlich sehr souverän und durchdacht. Und die Pointe vom Ganzen ist, dass er vergessen hat, die banale Frage zu stellen, ob ich überhaupt zur Schule gehe. Das fand ich einfach witzig, ihr nicht?“ Conan war der erste, der diese Frage nach einer Weile kurz abnickte. „Ja... eigentlich schon ganz witzig... so wichtig tun und dann das offensichtlichste vergessen. Haha.“ Im zweiten Moment musste er selbst darüber lachen, was auch den Professor und Ai etwas beruhigte. Im Fall des kleinen Mädchens war es aber mehr, dass Kirika langsam die Hand von ihren Haaren nahm, sie noch einen Moment ansah, und dann aufstand, sich zum Patienten zurück wendete. Augenblicklich verfinsterte sich auch ihr Gesichtsausdruck wieder, als sie Conans Augen sah. 'So... leer...' Einige verdrängte Erinnerungen an früher machten sich breit... Sie verabscheute diesen Anblick, der ihr nur zu bekannt war. Sie konnte ihn nicht ertragen. Nicht bei der Person... die ihr vor kurzem erst... Sie wandte sich mit einem Ruck zur Seite, ging auf das große Fenster zu, riss es auf und atmete die befreiende Luft ein. „Dass die Krankenschwestern auch immer vergessen, ordentlich zu lüften. Es ist doch noch herrlichster Spätsommer draußen!“ Sie redete mehr zu sich selbst, versuchte, von ihren wahren Gedanken abzulenken. Nicht nur die Anderen... auch sich selbst. „Ja...“, stimmte Conan, fast fragend, zu. Darüber wollte sie doch jetzt bestimmt nicht reden. Sie war hier als Besucherin her gekommen, hatte ein, wie er fand, doch beeindruckendes und sicher nicht billiges Objekt als Geschenk mitgebracht... und doch schien sie nun lieber hinaus auf die Skyline Tokios starren zu wollen, als sich zu erklären. Wo sie eben doch noch so voller Tatendrang wirkte. Auch Conan war Ais abweisende... ja verängstigte Art, diese Antipathie gegenüber Kirika nicht entgangen. Nur konnte er sich darauf noch weniger einen Reim machen, als der Professor. Für ihn wirkte die junge Frau doch relativ normal mit einer gewissen Vorsicht halt... doch er kannte sie ja angeblich, also sollte er schon nicht vollkommen misstrauisch ihr gegenüber sein... Allerdings... war sie im Raum die Einzige, die von dieser Bekanntschaft etwas zu wissen schien... Gleichzeitig aber wusste sie offenbar Details über seinen Zustand und das von Sonoko und Ran, die sie also wohl wirklich kannte. Außerdem reagierten der Professor und Ai auf diesen Namen. Kirika Yuumura... In Conans Kopf drehte es sich wegen all dieser Gedankenstränge allmählich, bis ihn erneut so ein unangenehmer Schnitt durch den Kopf fuhr. „Aah.“ Er schimpfte leise, und doch konnten ihn alle genau hören und erst recht sehen, wie er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an der Stirn festhielt, mit beiden Händen diese, wie mit einem Schraubstock einklemmte. Auch Kirika sah erschrocken auf. In ihren Augen meinte der kleine Jungen für den Bruchteil einer Sekunde ein Funkeln zu erkennen, dass aber ebenso schnell wieder verflog. Auch Ai verfolgte ihn aus dem Augenwinkel. Etwas... irgendetwas hatte sie erregt. „Wie geht es dir?“ Als sich Conan zu der Frage wandte, hatte sich Kirika wieder weg gedreht. Sie sah ihn nun bewusst nicht an, sondern fixierte den blauen Himmel und die Wolkenkratzer der Metropole vor sich. Aber ihre Stimme war nervös geworden, hatte ihre Selbstsicherheit etwas verloren. „Ähm... es ist nicht schlimm. Die Verletzung am Kopf... ab und zu, wenn ich zu viel denke, scheint sie sich kurz zu melden, dass ich mich nicht so anstrengen soll aber ansonsten...“ „Nein.“ Wie eine scharfe Schere, und doch ohne jede Erregung, ohne jede Form von Betonung, von Befehl, die diesem Wort angemessen gewesen wäre, sondern wie eine reine, bewertungslose Feststellung, durchschnitt es Conans Worte, ließ ihn zusammen zucken. „Nein... das... das meine ich nicht...“ Sie wurde nun noch ruhiger, wirkte fast verträumt, als sie ihren Kopf auf die rechte geschlossene Hand stützte, und ihr Kinn ihre Lippen dadurch leicht nach oben drücke, ein Lächeln simulierte. „Das sind physische Probleme... Schmerzen, die vergehen können. Du hast außer dem Verband um deinen Kopf fast keine Zeichen äußerer Verletzungen, so weit ich das sehen kann, also... ist das nichts von Dauer. Wie geht es dir... psychisch... jetzt... in dieser Situation?“ Die Frage sorgte für eine unangenehme Ruhe im Krankenzimmer, tiefe, eindringliche Stille. Sie wurde noch verstärkt, als Kirika, auf eine Antwort wartend, sich nun doch wieder zu ihm umdrehte und der Junge in eine tiefe Traurigkeit blickte, die sich in scheinbar endlosen Tiefen in ihren Augen widerspiegelte. Stille Wasser sind tief. Kirika... war still, ruhig, machte ein paar überhastet wirkende Bewegungen, schien aber sonst vollkommen ausgeglichen, zumindest, was man in diesen paar Minuten, die sie in diesem Raum war, sagen konnte. Sie war sehr still... und entsprechend... beängstigend tief. Conan war von diesen Augen in den Bann gezogen und verharrte eine Weile, bevor er den Blick auf die Decke vor sich lenkte. Langsam hob er seine rechte Hand hoch, besah sie sich zuerst genau, dann fixierte er das Weiß des Bettbezuges dahinter, dann wieder die Hand, spielte mit den verschwimmenden Konturen, je nachdem, wie sich die Linse in seinem Auge ausrichtete. Schließlich seufzte er tief. „Es ist merkwürdig...“ „Hm...?“ „Ich... ich verstehe es ja... meine ich. Ich kann mich an nichts erinnern, was vor... vor diesem Unfall war. Alles... allgemeine ist da... und ein paar Besonderheiten, die mich wohl früher interessierten, aber... es ist einfach... merkwürdig.“ Kirika schaute den etwas deprimiert vor sich hin blickenden Jungen an, wandte sich dann wieder dem Fenster zu, atmete die frische Luft in einem tiefen Zug ein und genauso lang anhaltend wieder aus. „Licht... und Dunkelheit vermischen sich. Deswegen ist es merkwürdig... und man fürchtet sich davor.“ Ai und der Professor blickten sie nur verwirrt an. Auch Conan konnte nur bedingt aus ihren Worten schlau werden, versank in Gedanken. „Die Dunkelheit... das ist das Unwissen, Conan. Eigentlich kann niemand alles wissen, viele Menschen wollen es auch nicht, aber in diesem Moment... erscheint uns diese Dunkelheit fast vollkommen gefangen zu nehmen, nicht wahr?“ Der kleine Junge nickte stumm, betrachtete weiter seine Hand. „Und dann... ist da das Licht...“ „Sie meinen... das Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten... von früher, die man nicht vergisst, sondern die unterschwellig... noch da sind.“ „Genau... eigentlich sind sie... das Licht, andererseits aber... sind sie auch beängstigend, oder?“ Seine Augen wurden groß, als er endlich ihre Aussage verstand. Vor seinem Geiste rasten die Gedanken zu der letzten Stunde umher. Wie er alle mit ein paar für ihn banalen Schlussfolgerungen in Erstaunen versetzte, wie er aus dem Nichts biologische Fachbegriffe erklären konnte, dazu diese Brille... und dieses Buch... „Beängstigend?“, fragte er mehr, als zu bestätigen. Ein sachtes Nicken bekam er als Antwort. „Es sollte das Licht sein, aber es ist eigentlich... ein Teil der Dunkelheit in diesem Moment. Es sind Eigenarten eines Menschen, wie es sie normalerweise nicht gibt, Besonderheiten, das was uns einzigartig macht.“ „So ähnlich hatte es der Doktor auch formuliert, besondere Fähigkeiten, davon sprach er wohl.“ „Aber du verstehst sie nicht.“ „Hä... ja...“ Zögerlich nur kam die Antwort. Ja sicher, er verstand es nicht, es fehlte einfach der Kontext seines früheren Lebens... „Aber glaubst du denn, es macht einen Sinn, wenn du den Rest kennst?“, fragte sie, als wüsste sie genau seine Gedanken. „Ob es... einen Sinn macht?“ „Es ist beängstigend, weil es gerade in diesem Moment keinen Sinn macht. Es prasselt wie ein Feuerwerk an Informationen auf dich ein, aber ein roter Faden fehlt. Du kannst dich zwar... lange damit trösten, auf diesen Sinn zu hoffen, aber... letztlich ahnst du doch, aus deinen Überlegungen heraus, dass du besorgt sein müsstest.“ „Es stimmt etwas nicht. Sie meinen..., was ich bisher über mein Leben erfahren haben... es passt nicht zusammen?“ „Ja. Du suchst in Gedanken gerade verzweifelt nach einer... harmlosen Erklärung, für Dinge, die dir abnorm erscheinen, nicht wahr? Wer sagt dir, dass es sie gibt? Wer sagt dir... dass die ganze Wahrheit es besser macht, dir die Ruhe gibt, die vom Wissen, von den eigentlichen Lichtern gestört wird. Das meinte ich mit Dunkelheit. Diese Fähigkeiten... von denen der Arzt sprach... können eine Büchse der Pandora sein... die vielleicht besser nicht geöffnet würde.“ „Nein!“ Ohne mit der Wimper zu zucken kam Conans Antwort mit Wut im Bauch ihr entgegen. In seinen Augen bemerkte sie plötzlich eine Form von Kampfgeist, etwas, was ihm bisher ganz fehlte. „Nein! Auch wenn es... auch wenn es erschreckend wäre... auch wenn es... Folgen hätte... man darf sich nicht vor seiner eigenen Vergangenheit verschließen. Und... auch niemals vor der Wahrheit an sich. Niemals!“ Conans Stimme zitterte, genau wie sein Körper. Er wusste nicht, wie laut er geworden war in diesen Sätzen, vielleicht auch gar nicht, denn Kirika schien gar nicht auf ihn zu reagieren, sondern starrte wieder aus dem Fenster auf Tokio. Aber er sah Ai und dem Professor an, dass er schon gehört wurde. Das kleine Mädchen schmunzelte kurz. 'Du klingst gerade genau wie die Kinder, wenn sie irgendeine Schulweisheit verkünden... Sag bloß, du warst in ihrem Alter auch genau wie sie, Kudo?' Kirika hob kurz ihre rechte Hand vors Gesicht, betrachtete sie und dann durch sie die Stadt, ähnlich wie Conan zuvor. 'Du magst das... über deine Fähigkeiten denken, Shinichi... aber... wenn du wüsstest, was meine „Fähigkeiten“ sind...' Der kleine Junge beobachtete mit Erstaunen die ihm wohl bekannte Bewegung. Langsam zuckte er zurück. „Sie...“ „Hm...“ „Sie haben auch Ihr Gedächtnis verloren?!“ Der Professor und Ai erschraken simultan und fuhren von ihren Plätzen hoch. Dem kleinen Mädchen lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. 'Das... glaub ich nicht!' Eigentlich hätte es ihm viel früher auffallen müssen. So wie sie diesen Zustand nach einer Amnesie beschrieb, diese Gefühle, als wüsste sie ganz genau, aus eigener Erfahrung eben, wie das war. Und dann jetzt diese Bewegung mit den Händen... genau wie bei ihm. Kirika regte sich nicht, sprach nur fast regungslos vor sich hin. „Ja. Aber es ist schon lange her.“ Ai wurde auf ihrem Platz fast verrückt. Das konnte doch unmöglich wahr sein. Sie... ausgerechnet Noir?! Was hatte das nun wieder zu bedeuten? „Und... hat es damals... als Sie sich dann wieder an alles erinnert haben... hat es da keinen Sinn ergeben?“, hakte Conan nach. Dass sie, selbst als Opfer einer solchen Verletzung, sich gegen das Erinnern auszusprechen schien, verwirrte ihn nur noch mehr. „Ich weiß nicht, was du meinst, Conan.“ Nun wandte sie sich doch kurz zu ihm, nur mit dem Kopf. In ihren Augen stand für diesen einen Moment nur... Verzweiflung. „Na ich meine... als Sie...“ Er stockte, schlug sich ungläubig die Hand vor den Mund, seine Augen erstarrten. Den beiden Anderen stand der Mund nur offen, sie konnten es einfach nicht fassen. „Mhm... ich habe mich nicht erinnert, Conan. Ich weiß bis heute nicht wirklich, wer ich bin.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)