Licht und Dunkelheit von Diracdet (Teil 6 des Detektiv Conan-Noir Crossovers) ================================================================================ Kapitel 17: Menschenbilder -------------------------- Hallo liebe Leser, zunächst einmal wieder ganz herzlichen Dank für eure Kommis. Scheinbar habe ich wirklich einige damit überrascht, dass Conan doch noch mal zum Schloss zurück fährt. Ich weiß nur nicht, ob das in dem Sinne positiv ist, dass ich überraschende Wendungen schreibe, oder negativ, dass ich vollkommen unzusammenhängend bin... *AmKopfkratzt* oÔ Nun ja, jedenfalls, sehr bald schon wird sich alles auf dem Schloss treffen, dann auch zur großen Auflösung des Falles. Aber zuvor müssen wir ja noch das Atelier des Herrn Buch-Malers kennen lernen, was in diesem Kapitel vorrangig Thema sein soll. ;] Und damit wird es hier auch noch einmal... aber eigentlich zum letzten Mal wieder neue Informationen zu dem Fall geben... bin gespannt, was ihr zu der Erkenntnis gegen Ende noch sagt. *ggg* Nein, nicht verzagen, hiernach noch zwei, drei Kapitel, dann erfahrt ihr die Wahrheit, aber noch kann man miträtseln. ;] Also dann, viel Spaß beim Lesen (und schlussfolgern).^^ LG, Diracdet _______________________________________________________________________________ Kapitel 17: Menschenbilder Heiji Hattori war Detektiv. Genauer, Schülerdetektiv. Noch gar nicht richtig trocken hinter den Ohren, wie manche Kollegen spöttisch behaupten würden, aber eben ein junger Enthusiast. Schlau, engagiert und strebsam darin, sein Talent bestmöglich zu nutzen. Wie jeder gute Detektiv schien ihn etwas magisch an Rätsel und Mysterien zu binden. Ob es die kindliche Neugier war, die viele seiner Mitmenschen ablegten, während sie erwachsen wurde, er hingegen einfach nur erwachsen; oder ob es eine medizinisch bedenkliche Suchterscheinung darstellte, das war wohl mehr Ansichtssache, um nicht zu sagen, eine philosophische Debatte. Er ahnte nicht mal im Ansatz, wie sehr diese Frage gerade anderer Orts in einem Krankenhaus von einem Gleichgesinnten erörtert wurde. Fest stand lediglich, dass er genau wie sein Freund Shinichi Kudo normalerweise immer mehr in den Bann gezogen wurde, je verzwickter das Enigma wurde, welches sich spinnte. Und der Hintergedanke, es mit einem sterblichen Geist zu tun zu haben, für den sein Leben davon abhinge, dass dieses Rätsel ungelöst bliebe, gleichzeitig es jemand anderes Leben zerstört hatte, weil es existierte, all diese inneren Verzahnungen des komplexen Uhrwerkes des Chaos, an dem hier gedreht wurde, übten eine Faszination aus, der sie sich nicht entziehen konnten. Heiji Hattori hatte einen solchen Fall gerade am Wickel. Kurz gesagt, ein Mann war in einem Schloss verschwunden, und die anderen Schlossbewohner standen in dringendem Tatverdacht, ihn getötet zu haben. Mit etwas weiter betrachtetem Blick, vielleicht auch der Schlossinhaber, der aber nicht auf dem Schloss wohnte. Schwierigkeiten bereitete unter anderem die Tatsache, dass die Verdächtigen sich kaum gegenseitig sahen und wenig Kontakt hatten, was praktisch kein Alibi aber auch kaum Überprüfung zu ließen, was Täter oder Opfer grundsätzlich taten. Darüber hinaus schien das Motiv der Tat ein gut gehütetes Geheimnis des Schlosses zu sein – durchaus ein Standard in solchen Fällen – aber hinzu kam, dass das Opfer von diesem Geheimnis wusste, und auch den Eindruck vermittelte, dies dem Täter mitteilen zu wollen. Das wiederum brachte auch ihn selbst in den Verdächtigenkreis. Nicht, dass er sich selbst getötet hätte, aber dass er vielleicht nicht nur seinen Tot provozierte, sondern selbst nicht mehr das Recht auf seiner Seite besaß, als ihn sein Schöpfer ereilte. Alles in allem ein durchaus amüsantes Spielchen von ineinander verkeilten Rädchen, die sich zur unüberschaubaren Monströsität einer Konstruktion verbunden hatten und er sollte nun das eine darunter suchen, mit welchem damit eine sinnvolle Interpretation der Maschinerie gelang. Eigentlich ein Paradies für einen Detektiv wie Heiji Hattori. Eigentlich... aber Heiji Hattori hatte ein Problem. Und er wusste nicht genau, woher dieses Problem rührte. Es war wohl nicht ganz auszuschließen, dass eine gewisse Abneigung gegen die Künstler da aus ihm sprach, gegen ihre Denk- und Herangehensweisen an Probleme, die seiner Vorstellung so wenig entsprachen. Und doch versuchte sein Geist immer wieder es auf den Fall selbst und seine Komplexität zu schieben, bis dieser Geist sich einredete, beides hätte etwas miteinander zu tun. Dass die Art der Künstler, ihr Umgang, nicht zuletzt mit dem Verschwinden ihres Kollegen und dem Unfall Conans letztlich auch die Probleme mit diesem Fall essentiell bewirkten. Und was ihm am meisten Angst machte, war der Gedanke, er könnte recht haben mit dieser Vorstellung. 'Es sind nunmal alles Künstler, sie sollten einigermaßen wissen, wie der jeweils andere tickt, wie ihre Denkmuster sind, auch wenn ihre genaueren Metiers sich so stark unterscheiden. Und das sollten sie für sich ausnutzen können. Vermutlich hat das Herr Tashija auch irgendwie getan. Aber so muss es auch der Täter machen. Wie können die alle so unbekümmert sein, scheinbar nicht mal in Betracht zu ziehen, dass hier ein Verbrechen stattfand? Lediglich Herr Tomoko denkt so. Man könnte fast meinen, das mache ihn bereits verdächtig. Aber letztlich scheint er noch am meisten unter andere Menschen zu kommen und noch mehr Realitätssinn zu haben. Aber damit hängt er auch eher einfacheren Motiven an, sprich, Habgier zum Beispiel. Er hat viel über Geld geredet vorhin. Mag nichts bedeuten, aber auf den ersten Blick ist er dafür prädestinierter als die anderen. Andererseits ist bei ihm der Hügel überhaupt nicht einzuordnen schon gar nicht, wenn Tashija wusste, was es mit ihm auf sich hat. Dann Herr Hino und sein merkwürdiger Fisch. Er hatte sicher ein paar Probleme mit Tashija, zum einen wegen des Fotos, zum anderen hat er wohl auch nicht so viel von dessen Fähigkeiten gehalten. Dennoch hat er ihm viel geholfen bei seiner Arbeit, ohne zu murren, was gegen ein solches Motiv spricht. Er hat Conan von dem Treffen Tashija – Kunieda erzählt. Und dieses Treffen ist die nächste Merkwürdigkeit. Das einfachste wäre, es wäre gelogen. Das bedeutet, er ist der Täter. Wenn nicht... wird’s richtig verwirrend. Was uns direkt zu Herrn Kunieda selbst bringt. Im Prinzip scheint er ganz offensichtlich was zu verbergen, das machen diese Umbaumaßnahmen deutlich, die so schleppend nur von statten gehen, wenn überhaupt. Ebenso wie die entnervte Flucht von Herrn Moriya. Umgekehrt, der Hügel... den muss er gekannt haben, wenn es den vor den Künstlern schon gab. Er ist in diesem Schloss groß geworden und der Wald mag dicht sein, aber einen Kilometer entfernt, das ist nichts quasi. Wenn er also nichts von dem Hügel wusste, dann war das doch eine solche Veränderung, die er sonst geheim halten wollte. Also hätte er doch wütend werden und den Verursacher ausfindig machen müssen... oder war das Herr Tashija selbst, dann hätten wir ein Motiv für Kunieda... Schwachsinn. Er fand den Hügel offiziell kurz, nachdem er aufs Schloss kam, so schnell kann man den doch nicht aufschütten. Folglich war es jemand anderes. Aber wieso hat Kunieda dann nichts gemacht und alle anderen Künstler leben noch froh und munter weiter? Also war das Gespräch doch gelogen, oder nur falsch verstanden? In ersterem Fall hätten wir einen Täter ohne konkretes Motiv und wüssten immer noch nichts über den Hügel. In letzterem Fall hätten wir wieder gar nichts. Und eigentlich... hat Conan zwar auch diese Info gehabt, aber ob er sie benötigte, oder wie er sie interpretierte, das wissen wir ja auch nicht. Was uns zum Hügel von Herrn Tashija bringt. Drei Fragen sind zu dem Hügel wohl essentiell. Zum einen wo kommt er her? So viel Erde kommt doch nicht aus dem Nichts, und selbst Jahre später sollte man doch sehen, wenn irgendwo so viel Erde ausgehoben wurde. Und aus dem ganzen Wald Erde zusammentragen, wozu? Was genau zur zweiten Frage führt, was soll der Hügel? Wenn die Polizei nichts drunter gefunden hat, ist wohl auch nichts drunter. Niemand hebt einfach so so viel Erde aus, das muss ja mit was anderem aufgefüllt werden, sonst hätten wir halt wieder die Frage, wo das fehlende Loch ist, aus dem die Erde stammt. Dieses riesige Volumen ist doch absurd. Und es ist wohl auch kein in der Antike aufgeschüttetes Kunstwerk oder gar etwas natürlich entstandenens, wie es Tashija anfangs dachte. Was zur dritten Frage führt, wie kam er auf diese Aussage, die ihm Herr Kunieda dann anscheinend austrieb? Er müsste doch entweder etwas antikes finden, was eigentlich auch der Polizei nicht entgehen dürfte, oder umgekehrt etwas, was nachweislich nicht aus unserer Epoche stammt. Aber was nur? Tja und damit wären wir bei Herrn Tashija selbst, der offenbar das Geheimnis dieses Hügels kannte und das auch unmittelbar dem Verantwortlichen mitteilen wollte. Deshalb lagen die Hügelbilder verstreut - und später in der Mappe - offen im Flur aus. So konnte man sie sich ansehen, ohne dass er es mitbekam, eigentlich ganz einfach. Nur wofür das ganze nun wieder? Es klingt fast so, als wollte er diese Person unter Druck setzen. Das heißt, es gab wohl eine Straftat, die diesen Hügel begründet. Aber dann war auch Herr Tashija straffällig, dass er diese Erkenntnis nicht zugab... oder wusste er auch nicht ganz genau Bescheid? Zumindest bis vor einer Woche? Wenn ich recht habe, war der Sinn der zu waschende Wäsche in Wirklichkeit genau anders herum, als wir dachten. Aber was hatte er nun wieder davon? Gewonnene Zeit? Wenn ja, wofür? Wenn er Bescheid wusste, brauchte er doch keine, wusste er es nicht, half ihm das bisschen Zeit doch auch nicht. Aah... es geht nicht anders, ich muss zum Hügel und klären, was dahinter steckt, sonst ergibt das nie einen Sinn. Aber vorher muss ich noch eine Frage bei Herrn Yamamura klären...' Auch Kazuha Toyama, Heiji Hattoris Freundin hatte ein entscheidendes Problem, bei dem sie nicht weiter kam. Und dieses Problem hatte einen konkreten Namen: Ran Mori, ihre eigene Freundin. Sie hatte einen indirekten und einen direkten Auftrag bekommen, Ran betreffend. Der indirekte, auf diese aufzupassen. Eine Aufgabe, die eigentlich ihrem Vater zugedacht war, der aber, wie zu erwarten, sich vollständig in den Fall integriert hatte, genau wie Heiji und auch der Inspektor. Es ging immerhin um jemanden, der vor einem kleinen Kind keinen Halt machte, egal was Conan getan haben mag. Sollte nochmals jemand an den Punkt kommen, an dem Conan war, nicht auszudenken. Und Ran war so eine Person, die förmlich danach suchte. Sie war keine Detektivin, sie würde nicht so schnell Schlüsse ziehen können wie Kogoro oder Heiji, zumindest hoffte das Kazuha. Gleichzeitig hieße das auch, sie könnte, ebenso wie vermutlich Conan, zufällig auf etwas stoßen, was sie besser nicht sehen sollte. Somit war allein das für die gemischten Gefühle in ihrem Bauch verantwortlich. Hinzu kam, dass auch sie selbst zu keinen großen analytischen Schlüssen fähig war, also auch nicht wirklich verhindern konnte, wenn Ran sich in eine ungünstige Richtung bewegte. Mehr noch, im Fall der Fälle wäre sie vielleicht sogar noch eine größere Gefahr für sie, da Ran sich ohne Waffe besser verteidigen konnte als Kazuha. Auch sie wäre sicher nicht hilflos mit ihrem ersten Dan in Aikido, aber verglichen mit Rans Möglichkeiten in Karate... kam sie sich schon immer ein wenig schwächer vor, auch wenn sie es nie sagen würde. Deswegen war es wohl auch gar nicht als Aufgabe an sie gerichtet, auf Ran aufzupassen. Aber dennoch war sie die einzige, die sich im Moment überhaupt darum kümmern konnte. Das Problem war nur, jemand musste sich um Ran kümmern, weil sie gerade nicht bei der Sache war. Im Gegenteil... sie war ganz woanders. 'Im Krankenhaus, nicht wahr?' Ja, dort schienen ihre Gedanken zu sein. Der Gefühlsausbruch vorhin, als der Inspektor die Szene an der Treppe beschrieb, ihre kurzen Kommentare, das aufgesetzte Lächeln... aber am meisten Sorge machte ihr Rans Reaktion im zweiten Stock bei Herrn Hino. Die Frage, warum ihm ein Kind komisch vorkam, nur weil es Fragen stellte. Ohne Zweifel war Conan kein normales Kind und Herr Hino durchaus im Recht, sich darüber zu wundern. Dennoch war die Frage auf den Punkt, denn in so einer Situation sich zu wundern, ist mehr als verdächtig. Und das war der Haken aus ihrer Sicht. Ran war zur Hälfte im Krankenhaus bei diesem kleinen Jungen, zur anderen Hälfte mit aller ihr verbliebenen Kraft bei diesem Fall, den sie partout auch lösen wollte. Sie hatte offen die Taktik Heijis damit gefährdet und schien sich darüber erst im Nachhinein bewusst geworden zu sein. 'Verwirrend! Hast du kein Vertrauen zu den deinem Vater und Heiji? Doch sicher hast du das, und selbst, wenn das nicht hundert prozentig ist, das erklärt, dass du mitkommen wolltest, nicht aber, dass du dich so Hals über Kopf einmischst. Rachegelüste, sowas passt doch überhaupt nicht zu dir. Nein, das ist es auch nicht, aber dieser unbedingte Wille, auch auf eigene Gefahr... ist eigentlich auch nicht so typisch, vor allem für dich, es braucht vor allem einen tieferen Grund. Du würdest dich für andere opfern, dafür kenne ich dich zur Genüge... aber nicht ohne darüber nachzudenken, nicht ohne es wenigstens abzuwiegen, ob es noch andere Möglichkeiten gibt. Außer...' Auch wenn es nur kurze Gedankenblitze waren, die ihr diesbezüglich durch den Kopf schossen, so dachte sie Stunden würden vergehen, während sie gerade einmal die Treppen hoch schlich.Und der letzte war der einzig sinnige – und zugleich der merkwürdigste. 'Es ist etwas vorgefallen... zwischen dir... und Conan. Etwas, das ihn für dich... sehr bedeutsam... noch bedeutsamer gemacht gemacht hat.' Bedeutsam genug, dass sie ihr Leben bedenkenlos für ihn riskiert. Diese Einstellung passte durchaus zu Ran, auf gewissem Niveau, ja. Kopflos aber, wie sie teilweise heute wirkte, wäre es nur bei ihr wirklich sehr wichtigen Personen, wie bei ihrer Familie, denkbar. 'Aber du hast Conan doch schon, seit ich euch kenne, wie deinen kleinen Bruder angesehen. Hast dir immer um ihn Sorgen gemacht, hast ihm bei allem geholfen, wenn es nur ging... Eigentlich ist er doch schon auf diesem Niveau, eines ihr ganz nahe stehenden Blutsverwandten. Du hast ihm sogar mal Blut gespendet, als seines...' Sie stockte unwillkürlich in ihren Gedanken. Ja doch, das traf es ungefähr, die Zeit damals um das Frühlingsfest, so besorgt war Ran damals um ihn, wie jetzt, das merkte sie sich. Und doch... dazwischen, seit damals, bis heute... war es anders. Nicht viel, Nuancen, die wohl nur eine Frau richtig wahrnahm, aber sie waren da. Wichtige Nuancen, Nuancen die ein Familienmitglied unterscheiden von... tja, es gab in Kazuhas Verstand nur eine Sorte Mensch, die jemandem näher stehen könnte als ein direkter naher Familienangehöriger, aber das war absolut undenkbar, oder? 'Em... empfindest du etwas... für Conan?!' An dem Punkt war ihre ganze Vorstellungskraft zum erliegen gekommen, das konnte einfach nicht passen, sie musste einen fundamentalen Fehler gemacht haben, irgendwo ganz am Anfang, zu dem sie nicht mehr zurück fand. Der Gedanke blieb damit aber unmittelbar hängend, in der Luft sozusagen. Der andere, direkte Auftrag stammte von Heiji persönlich: sie zu Kirika Yuumura zu befragen. Darin hatte sie bereits gründlich versagt. Sie hatte gefragt, und quasi nichts herausbekommen, außer, dass Ran vermutlich selber nicht viel über sie wusste. Eine ehemalige Mitschülerin, die in Frankreich war, mehrere Jahre, jetzt mit ihrer neuen Französisch-Lehrerin zusammen lebte und Ran und Sonoko Nachhilfe in dieser Sprache gab. 'Puuh... keinerlei Verbindungen zu Conan scheinbar und schon gar keine dubiosen Beziehungen, zumindest, dass Ran keine kennt. Muss ja auch nichts heißen, aber... umgekehrt gefragt, warum will sie was von Conan? Oder täuschte das? Nein, sie hat ja dafür gesorgt, dass Heiji herkam und Heiji hat erst gezeigt, dass es kein Unfall war, und dass genauere Untersuchungen angestellt werden müssten. Sie hat ihm damit geholfen, ganz sicher, und das wirkte nicht mal ungeplant oder als Nebeneffekt. Aber würde das nicht bedeuten, sie wüsste, was in diesem Schloss vor sich ging?! Ich kapier's nicht, was kann sie von einem Kind wollen? Und wieso schien Sonoko darüber was zu verstehen, so wie sie im Krankenhaus reagierte, Ran aber nichts? Oder hat Ran mich angelogen? Nein, es gab keinen ersichtlichen Grund und nachdem, was dort vorhin passierte, muss sie die Fragen schon hinnehmen ohne misstrauisch zu werden. OK, also zusammengefasst, irgendwie stecken Kirika und Conan unter einer Decke, Sonoko weiß halb darüber was, Ran nicht... Och menno, was wollen die alle nur von dem Kleinen? Heiji treibt sich jedes mal, wenn er nach Tokio – oder Conan nach Osaka kommt – die ganze Zeit mit ihm rum, jetzt diese Kirika... vielleicht... Ran...' Energisch schüttelte sich ihr Kopf, nicht schon wieder dieser absurde Gedanke. Aber sie kam nicht umhin, ihn demnächst ansprechen zu müssen. Rans Verhalten war gefährlich für sie selbst, zu gefährlich. Und das konnte Kazuha nicht zulassen. Ein schwacher Geruch von Ölfarben und Lösungsmitteln benebelte auf einmal ihre Sinne. Sie blickte auf, erst die Hälfte der Stufen war zurück gelegt, aber mit jedem Schritt wurde der Geruch, der für ihre Nase allmählich unangenehm wurde, intensiver. Hier wurde gemalt, keine Frage, schon seit Jahren. Und da half keine Luft, keine Duftkerzen, keine Reinigungskraft mehr. Sie waren im obersten Stockwerk angekommen, bei einem, wie Heiji sagen würde, 'echten Künstler'. Hier herrschte auch die passende Atmosphäre, das Ambiente, das man sich als Laie vorstellte. Der Flurbereich war radikal weiß, ein weiß, das man kaum reiner finden würde, und die Lampe an der Decke ließ es hell erstrahlen, als stünde man im Licht. Das ohne Fenster! Die vier Türen in den einzelnen Ecken waren alle aus edlem, langlebigen und auch bereits alten Holz geschnitzt. Eben, man war auf einem alten Herrenschloss, dies waren einst die Gemächer der Schlossherren Kunieda, riesige Räume bis unter das Dach. Ateliers wie geschaffen für freilebige Künstler, mit viel Raum auch für Luft, um im 'Duft' des Terpentins nicht unterzugehen. Eines vermittelte alleine dieser Flur von sich aus. Hier wurde eine Hierarchie im Schloss deutlich. Seijiro Yamamura mag diese Räume aus praktischen Gründen vor sechs Jahren zugestanden bekommen haben, aber er war derjenige, der gegenüber Kunieda für dessen Schloss sprach, er war der älteste, und wahrscheinlich der beste unter den Künstlern, er war der unausgesprochene Vorstand der Bewohner dieses Hauses. Und er wusste sehr wohl über diese Symbolkraft Bescheid. Mit einem Mal öffnete sich die zweite Tür von rechts und der hagere groß gewachsene Mann trat leicht lächelnd heraus. „Ach, habe ich mich nicht verhört. Da sind Sie ja, Herr Mori. Ich hoffe, Sie und ihr Kollege sind einigermaßen vorwärts gekommen in diesem Fall.“ Verlegen schüttelte der Detektiv den Kopf, was auch Yamamuras Lächeln beseitigte. „Nun ja, nicht wirklich, muss ich gestehen. Es haben sich einige Komplikationen eingeschlichen, weshalb wir dabei sind, die meisten Fakten, die wir haben, nochmal genau durch zu gehen. Muss nichts heißen, aber man möchte ja doch sicher sein in seinen Schlussfolgerungen, nicht wahr?“ „Ach du... und daher wollen Sie mich nochmal genauer befragen?“ „Nein, eigentlich von meiner Seite sind weniger Fragen, aber ich denke Heiji hat...“ „...genau eine Frage, die ich gerne genauer erörtert hätte.“, unterbrach und vollendete sein Kollege. Der Maler sah verwirrt reihum in den Halbkreis, schluckte kurz und hob dann leicht die Hand zur Seite. „Mhm... na schön, wohin wollen wir gehen, in die Bibliothek, oder hier in mein Privatzimmer? In beiden Räumen wären genug Plätze sich zu setzen.“ „Also am passensten wäre die Bi..., Moment, was ist dann in diesem Zimmer, aus dem Sie gerade kamen?“ „Eines der beiden Ateliers, ich arbeite gerade an einem Werk, es ist noch im Anfangsstadium; ich habe es erst gestern Abend angefangen.“ Ein Zucken ging durch alle anwesenden Augenpaare. Herr Hino hatte wohl recht behalten, auch Yamamura konnte nicht richtig schlafen, sondern hatte sich einer alternativen Beschäftigung gewidmet. Augenblicklich änderte sich Heijis Meinung und die ganze Gruppe tapste, nicht zur Freude des Malers, in dessen Atelier. Schlagartig wurde der Farbgeruch noch intensiver, als sie durch die Tür in einen Saal traten, der wie Äther von diesen Substanzen durchdrungen schien. Ein Saal, ausgelegt mit Parkett, das gleichermaßen Farbkleckse verteilt aufwies, die bereits ein Muster bildeten. Ein fast leerer Raum, die meisten Utensilien, noch verpackte Leinwände, Pinselsätze, Farbtöpfe, standen sauber aufgereiht und noch mit durchsichtiger Plastefolie zum Schutz vor Spritzern überdeckt in der Ecke unter einigen der riesigen Fenster, die zwei Fronten der Wände ausmachten. Es waren die Südwest- und die Südost-Front, und beide waren in diesem Stockwerk über den meisten Baumwipfeln des Waldes, so dass praktisch das gesamte Tageslicht den Raum fluten konnte. Hinzu kam eine die halbe Decke ausmachende Kette heller Strahler, die offenbar von einem eigenen Pult an der Wand neben der Tür bedient wurden. „Als ich die Kellereinrichtung mit den LEDs für verschiedene Farben und Illuminationsstärken sah, wusste ich sofort, dass ich sowas auch für's Atelier wollte. Aber Kunieda dazu zu überreden, war echt nicht einfach.“, kicherte Yamamura beherzt, als er die nach oben gerichteten Blicke bemerkte. Einzig in der Mitte des Raumes befanden sich noch einige Dinge. Eine halb abgedeckte Leinwand, daneben einige Farbpaletten auf einem kleinen Tischchen, den man jederzeit bewegen konnte, ein Hocker davor zum sitzen, der etwas abgerückt war. Die Lichter fokussierten darum, so dass es wie das Zentrum des Bildes, das dieser Anblick von der Tür aus bewirkte, erschien. Eine künstliche Bühne, drum herum das stille Publikum im Schatten. „Was haben Sie denn nun gemalt, Herr Yamamura? Vermutlich waren Sie doch wegen der Ereignisse gestern aufgewühlt. Da kann Ihnen malen doch gar nicht so einfach gefallen sein, oder?“ „Tja... das stimmt auch. Bei meiner Arbeit geht es normalerweise darum, die ganze Stimmung eines Buches einzufangen in einem einzigen Bild. Dieses Bild ergibt sich in meinem Kopf, wenn ich das ganze Buch gelesen habe und vor meinem geistigen Auge nochmal Revue passieren lasse. Und dieses Bild im Kopf zu zeichnen bedeutet sehr viel mehr Konzentration, als wenn man etwas vorhandenes malt, wie ein Foto. Daher male ich, wenn meine Konzentration nachlässt... etwas einfacheres, was weniger komplex ist. In diesem Fall...“ Langsam zog er das Stück Stoff, das nur von oben etwas den Lichteinfall dämmte, ganz weg und gab das halbfertige Bild frei. „... Menschen. Sie, Herr Mori, um genau zu sein.“ Die Mitte des Bildes gab, noch relativ schemenhaft, aber deutlich zu erkennen, die obere Hälfte des Detektives in einem dunkelbraun gehaltenen Hintergrund, der noch nach Erweiterung schrie, wider. Er selbst war bis jetzt noch nicht viel in Farbe gehalten, mehrheitlich zeichneten sich noch dünne Linien von Vorzeichnungen ab, die als Vorlage dienten. Dennoch war das Motiv deutlich zu erkennen. Auf dem Kopf Kogoros thronte eine Schelmenmütze, und die Kleidung zeigte weite Luftpolster. Er wirkte wie ein Clown, ein Bild, dass Kogoro sofort auf den Magen schlug. Man konnte ihn einige runde Objekte, vermutlich Bälle, jonglieren sehen. „Was soll das, wollen Sie mich als Harlekin verkaufen, oder was, Herr Yamamura?!“ Der Künstler fuhr erschrocken hoch, als sein Gegenüber schon auf ihn zu stürmen wollte, hob besänftigend die Arme. „Wie... nicht doch! Nein, Sie sind doch kein Clown oder so. Das ist der Hofnarr, Herr Mori. Derjenige, der die Narrenfreiheit besitzt, und dadurch zur tieferen Wahrheit gelangt.“ Alle blickten verwirrt auf den Künstler, der sich zu rechtfertigen versuchte und erstmal räusperte. „Ähem... na, Sie werden doch zugeben, dass Ihr Auftritt gestern irgendwie... also ich fand ihn verwirrend. Sie machten überhaupt nicht den Eindruck, den alle Welt vermittelt, vom großen Meisterdetektiv, eher, als würden Sie sich lustig machen über uns und uns gar nicht ernst nehmen. Und vor allem, Ihre genialen Schlussfolgerungen schienen Ihnen zu bedeutend für uns, weshalb Sie uns mit halbgaren Dingen abspeisten. Das hat mich gestern Abend unweigerlich verwirrt, als ich vor der Leinwand stand. So viele Fälle, wie Sie korrekt lösten, konnte es um ihre Fähigkeiten ja kein Irrtum oder Zufall sein. Und dann habe ich, wie bei Büchern die gesamte Situation vor meinem Auge abgespielt. Wir sind hier auf einem Schloss. Eines, das sogar nach europäischen Vorstellungen gebaut wurde. Wir haben Sie hier her eingeladen und Ihnen die Freiheit gegeben, hier zu tun, was Sie wollen, um zur Wahrheit zu gelangen, aber scheinbar haben Sie nur Schabernack betrieben. Und da musste ich unweigerlich an die Hofnarren in Europa im Mittelalter denken. Die besaßen die sogenannte Narrenfreiheit. Sie durften Witze und Possen reißen, und sich auch über höher gestellte Personen lustig machen. Sie durften offen ihre Meinungen verkünden, egal, wie unangenehm sie waren und vor allem, er durfte das jederzeit, sogar in Krisenzeiten. Das war ein psychologisches Konzept. Der Narr half in Krisenzeiten, nicht den Optimismus fahren zu lassen, in dem er Lachen schenkte und er sprach die Wahrheiten aus, die sich kein anderer traute, weil man ihn dafür hängen könnte. Er war eine wesentliche Stütze an den Höfen des Mittelalters und seine Anwesenheit wurde deswegen sehr geschätzt. Meinen Sie nicht, das beschreibt Sie ganz gut, Herr Mori?“ Wirklich anfreunden konnte sich der Detektiv mit dieser Erklärung nicht, wurde aber von dem leisen Schmunzeln, welches die übrigen Gäste erfasste, mitgezogen und beließ es bei einem leichten Seufzer. „Wirklich beeindruckend, Sie sind sehr belesen.“, stellte Takagi fest, und zeigte kurz mit dem Finger an Moris Abbild vorbei. „Und das im Hintergrund? Das ist doch Conan, oder? Wieso ist der auch auf dem Bild?“ Das Lachen verflog automatisch von allen Gesichtern, auch Yamamura wurde wieder etwas ernster, und blasser um die Nase. „Tja... das wieso kann ich Ihnen nicht genau beantworten, Herr Inspektor. Sehen Sie, ich sagte doch, ich habe ein Bild vor meinem geistigen Auge, das ich dann abmale. Es entsteht dadurch, dass ich alle Ereignisse rekapituliere und sie, wie Farben, zu vermischen suche, um den einen Ton, der sich ergibt, zu bestimmen. Und in dem Moment, als mir Herr Mori als Hofnarr erschien, stand hinter ihm Conan, ebenfalls als ein solcher. Als Kind genießt der Kleine natürlich auch die Narrenfreiheit, soweit bin ich mir im Klaren über die Aussage. Auch dass Herr Mori die zentrale Figur unter unseren Gästen war und Conan im Hintergrund steht ist verständlich... aber...“ „Die Messer, nicht wahr?“ Heijis Blick fixierte die kleinen Objekte, die Conan, im Unterschied zu Kogoro, jonglierte, die länglich und spitz wirkten, im Vergleich zu den runden, harmlosen Bällen. „Exakt, er jongliert mit Messern. Jonglieren ist ja ein Kunststück, hat immer etwas von Unterhaltung, aber da man es als Laie nicht kann, ist es immer auch die Ursache unserer Faszination, wenn wir es erleben. Auf Herrn Mori umgemünzt wären das seine Schlussfolgerungen, die wie gesagt, nicht unbedingt so großartig wirkten, wie ich es erwartet hätte, was aber auch einfach eine Zurückhaltung der Informationen war.“ „Für Conan hieße das dann aber, dass seine Schlussfolgerungen... 'messerscharf' waren, nicht wahr?“, konterte Heiji. Lange massierte Yamamura seine Stirn, atmete deutlich hörbar ein und aus. „Ja, das wäre die sinnvolle Interpretation, und genau da liegt der Haken: welche Schlussfolgerungen? Ich habe nicht wirklich welche bemerkt. Er hat immer mal ein paar interessante Fragen gestellt, aber nichts zusammenhängendes, wie ich fand.“ „Äh... aber wieso dann die Messer?“ Stumm zuckte er mit den Schultern. „Keine Ahnung. Mein Unterbewusstsein erschafft die Bilder, ich mal sie nur ab. Ich konnte, so sehr ich es auch versuchte, mir irgendwie ihn nur so vorstellen. Und ich traue meinem Unterbewusstsein zu, bei der Kombination der Ereignisse, mehr Zusammenhänge zu sehen, als ich es im Bewusstsein kann. Es vermittelt mir auch Eindrücke, die ich nicht wahrnehme. Das heißt in jedem Fall sieht es etwas, was ich nicht gesehen habe an Conan. Allerdings gehe ich davon aus, dass ich das Motiv des Jonglierens selbst hier vielleicht falsch ansetze, ist halt nur ne Vermutung.“ Tiefe Stille trat in den Raum, bedächtig beäugten alle die eine Stelle im Hintergrund, die so deutlich wiederzugeben schien, was einem der Künstler wohl am gestrigen Tage widerfahren ist. Er hat die gefährliche Seite Conans erlebt, die, die wie ein Meisterdetektiv messerscharf kombinierte, und nicht nur faszinierte, sondern... direkt zum fürchten war. Zum ersten Mal sah sich Kazuha damit vertraut, was Ran in letzter Zeit immer deutlicher wahrnahm. Conans Fähigkeiten waren einfach nicht normal, sie waren auch nicht nur gut, selbst zu sagen, er wäre für sein Alter brillant, traf nicht so sehr den Kern, wie dieses Bild. Er war... einfach zum fürchten gut in kriminologischen Fragen. Und auf einmal schienen ein paar ihrer Vermutungen von vorhin auf der Treppe wieder tieferen Sinn zu ergeben. Könnte Kirika deswegen etwas von ihm wollen, wissend, dass er zu solchen Schlussfolgerungen fähig ist, wie Yamamuras Bild es verdeutlichte? Und wie würde Ran das interpretieren... Ran, die befreundet war mit Shinichi Kudo... Ein beängstigender Verdacht keimte in ihr auf. 'Nicht doch, Ran.... Ran!' „Sagen Sie, Herr Yamamura, wenn Sie ein Bild von Herrn Mori und Conan gemacht haben, dann doch wohl auch eins von Ran, oder?“ „Waah, Kazuha, nicht doch, er hatte doch bestimmt genug damit zu tun, dieses Bild so weit zu bekommen.“ Der Künstler rieb sich verlegen am Hinterkopf. „Äh genau, also ich, ich bin noch nicht dazu gekommen, weil...“ „Ach und was ist das dahinten?“, rieb sie ihm unter die Nase, auf eine abgedeckte Leinwand, die in einer weiteren, weniger beleuchteten Ecke stand. „Ach das... das... ist ein leeres Bild, da ist nichts drauf, ihr könnt es euch gerne ansehen... haha. Also was war es nun eigentlich, was du mich noch fragen wolltest, werter Herr Jungdetektiv?“ Mehr als offensichtlich lenkte er von dem Thema ab, das ihn zu bedrücken schien, was Kazuha und ihr folgend auch Ran nicht davon abhielt, sich zur Ecke zu begeben. Tatsächlich war es im Vergleich zur Raummitte deutlich weniger hell an dieser Stelle, obwohl die Nachmittagssonne noch kräftig in den Winkel hinein drang. Aber gegen die LED-Lampen kam sie so einfach nicht an. „Nicht doch, Kazuha, da ist nichts, das hat er doch gesagt.“, mokierte sich Ran mit leicht rotem Kopf, als sie bereits davor standen. „Na schön, aber wieso bist du dann mitgekommen, wenn ich fragen darf? Wenns dich eh nicht interessiert, auf ein leeres Bild zu starren?“ „Äh... also... naja, ich wollte dir nur sagen, dass das doch keinen Sinn hat... nun mach endlich die Überdeckung ab, Kazuha!“ Grinsend griff die Osakerin nach der einen Ecke des Tuches, zog es vorsichtig hoch. Beide blickten gebannt auf das, sich Stück für Stück eröffnende Bild... und wurden enttäuscht. Eine leere, weiße Leinwand schaute ihnen entgegen. Er hatte nicht gelogen... oder? „Nein, warte Ran... das ist nicht die Leinwand, das ist weiße Farbe. Das ganze Bild ist eine weiße Fläche. Guck mal, an der Seite ist die richtige Leinwand, die hat einen etwas dunkleren Grauton, als dieses Weiß.“ „Was denn, eine weiße Fläche... achso, verstehe. Er hatte ein Bild gemalt, es hat ihm aber nicht gefallen und deshalb hat er es übermalt und wollte das jetzt nicht zugeben. Na schön, soll sich der Herr Maler nicht schämen, nur weil ihm sein Bild nicht gefällt und behaupten, er hätte wirklich nichts gemalt. Los, lass uns gehen, Kazuha!“ Ihre Freundin starrte kurz auf das Bild lächelte in sich hinein, und nickte dann stumm, folgte Ran etwa einen Meter hinter ihr. 'Nein Ran... Früher mussten arme Künstler ihre Bilder teilweise übermalen, weil sie sich keine neue Leinwand leisten konnten. Direkt übermalen, da Ölfarbe, wenn sie getrocknet ist, sich nicht mehr so gut mischt mit neuer Ölfarbe. Heutzutage wird ein schlechtes Bild eben zerstört, zumal Leinwand nicht mehr das unbezahlbare Gut für Künstler ist. Aber weder damals noch heute, hätte man ein schlechtes Bild mit weißer Farbe übermalt, einmal zu teuer, einmal sinnlos. Es ist das Bild, Ran... es ist dein Bild. Weiß, ein fleckenloses, reines Weiß... wie die Unschuld. Das muss sein Eindruck von dir gewesen sein. Allein, dass du als Tochter eines Detektivs, der mit Mordfällen ständig zu tun hast, immer noch jeden Tag so offenherzig und freudig begrüßt, dass du über Anzweiflungen und Vorurteile erhaben bist, über all das schlechte, das du jeden Tag siehst, das hat ihm sein Unterbewusstsein offenbart, und selbst als Künstler kann er aus einem Bild, das einfach nur Licht widerspiegelt, nicht viel machen. Außer... wie hieß er noch gleich... Kasimir Malewitsch... aber das war eben eine Ausnahme. Natürlich kann er so was nicht als Bild präsentieren, also hat er es verdeckt und geleugnet. ... Oder... oder hat er etwa... Nein bitte, meine Befürchtungen dürfen nicht wahr sein!' „Kommt schon, ihr beiden!“, rief Heiji ungeduldig. „Was denn, seid ihr schon fertig?“ „Sicher, ich sagte doch, ich wollte nur eine Frage stellen und die habe ich auch beantwortet gekriegt. Und ihr, habt ihr ein schönes leeres Bild bewundern dürfen?“ Beide nickten etwas peinlich berührt. „Na toll. Schön, Herr Yamamura, ich würde gerne nochmal mich zum Hügel begeben, in welche Richtung müsst ich da etwa...“ „Etwa 500 Meter den Fluss stromabwärts gehen, auf dieser Seite des Flusses. Und dann senkrecht dazu vom Fluss weg vielleicht die gleiche Strecke, dann kann man ihn beim aktuellen Sonnenstand eigentlich nicht verfehlen. Viel Erfolg wünsche ich den Herren Detektiven. Ich bin hier noch den Rest des Tages beschäftigt.“ „Einen Moment, Herr Yamamura!“ Kazuha blieb neben ihm stehen, beugte sich hoch und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Er blickte skeptisch drein, lächelte aber dann erfreut los. „Du hast wirklich ein gutes Auge, Kazuha. Ja, deswegen kam es mir irgendwie falsch vor, weiter zu malen, aber ich wusste nicht wie und warum. Aber dann hat mein inneres Auge mich also wiedermal nicht getrügt. Weißt du... warum?“ Sie zögerte kurz, senkte bedächtig, mit einem leicht traurigen Blick den Kopf, schüttelte diesen dann aber schüchtern, verabschiedete sich und ging ebenfalls hinaus. Als sich von draußen die Tür schloss, wäre Kogoro beinahe in die Luft gegangen. „Dieser dumme, eingebildete...“ „Ganz ruhig, Herr Mori!“, holte ihn Takagi zurück in die Realität. „Was denn, regst du dich immer noch über deine Darstellung auf dem Bild auf, Paps?“ „Nein, aber über diesen kleinen Frechdachs. Im Prinzip hat jeder Künstler gemerkt, dass er hier herum schnüffelt und alles mögliche nachfragt. Er hat es förmlich provoziert, dass der Täter auf ihn aufmerksam wird und ihn dann zum Schweigen bringen wollte. Kapiert er das denn nicht, wenn er angeblich so schlau ist?“ Ihm stand die Wut förmlich ins Gesicht geschrieben. „Andere Frage...“, versuchte der Inspektor erneut, ihn von den Gedanken zu Conan abzubringen. „Macht es Sie nicht stutzig, dass Herr Yamamura so genau Conans Ambitionen von gestern zu erkennen schien, aber es verleugnete und alles auf sein Unterbewusstsein schob?“ Ein wenig verflog die Wut und die nüchterne Ruhe der Überlegung trat an deren Stelle. „Schwer zu sagen. Es ist verdächtig, weil er die Aussage uns förmlich vorgekaut hat, und nur noch sagen musste, es ist so, dann hätte er es gehabt. Andererseits... wie will man ihm nachweisen, dass er sein eigenes Unterbewusstsein verstehen muss? Würde er etwas verheimlichen wollen, hätte er a) gar nicht Conan ins Bild gemalt, und b) nicht gesagt, wie er es interpretieren würde, sondern eine harmlosere, billigere Interpretation gewählt. Tendenziell würde ich das als ehrlich werten, was ihn von den Tatverdächtigen ausschließen würde. Aber gehen Sie nochmal hier durch die Räume, vielleicht finden wir ja doch noch unser lang gesuchtes Rohr, auch wenn ich daran meine Zweifel hege.“ Er sah leicht resignierend auf die anderen. Auch ihn nervte es allmählich, wie sich alles im Kreis der Unsicherheit zu drehen schien, während im Krankenhaus ein kleiner Junge dafür büßte, schneller gewesen zu sein als er, der Meisterdetektiv. „Ähm, mal so nebenbei, was hast du Herrn Yamamura denn noch gefragt, Heiji?“, unterbrach Ran die Stille. „Ach so, ich wollte nur wissen, wie das mit dem Buch war, dass sich Tashija ausgeliehen hatte. Ob er irgendwas noch dazu gesagt hatte, oder so?“ „Und?“ „Naja, es gab schon etwas interessantes, Mausebein.“ Kogoro antwortete, da auch ihn diese eine Information faszinierte. „Herr Yamamura meinte, dass es nicht die erste Wahl war von Herrn Tashija!“ „Was?“ Beide Damen blickten ihn verwirrt an. „Ja, das war auch unsere Reaktion. in etwa. Er hatte zu erst nach einem ganz anderen Buch gefragt, das Yamamura aber nicht besaß, dann hätte Tashija kurz überlegt und sei auf 'Der zweite Fleck' ausgewichen.“ „Und was für ein Buch war die erste Wahl? Das scheint doch recht relevant zu sein, oder?“ „Tja, das ist das Problem, Herr Yamamura wusste es nicht.“ „Es war so, dass Tashija in der Bibliothek bei Yamamura war und nach dem Autor fragte, aber dieser hatte kein Buch über ihn, dann wechselte er zu Conan Doyle.“ „Und welcher Autor war es denn nun, Heiji? Muss man dir alles aus der Nase ziehen, oder wusste Herr Yamamura das auch nicht mehr?“ „Doch, aber das ist halt das merkwürdige, es war Stephen King.“ „Dieser amerikanische Horror- und Scifi-Autor?“ „Exakt. Yamamura meinte, früher mal ein wenig bei ihm gelesen zu haben, aber es gefiel ihm nicht, so dass er keine Bücher von ihm in seiner Bibliothek besäße. Nur, auch er kennt keinerlei Verbindung zwischen einem King Buch und 'Der zweite Fleck'.“ „Und das wiederum bedeutet... dass dieses Ausleihen des Buches von Conan Doyle ganz anders zu bewerten ist. Wenn es nur zweite Wahl war, heißt es womöglich, dass außer dem Täter niemand wirklich was mit dem Buch anfangen kann, und der Hinweis eher grob ist, als so präzise wie ursprünglich gedacht. Du willst noch mal zum Hügel gehen, Heiji?“ „Ja, er ist ganz sicher der Dreh- und Angelpunkt dieses Falles. Ich muss hinter das Geheimnis kommen, welchen Sinn das Ding eigentlich hat.“ Kogoro nickte sacht. „So weit stimme ich dir zu, aber angesichts der Tatsache, dass selbst die Polizei darunter nichts fand, und angesichts der vielen Bilder und dass alle Künstler schon da waren... bezweifle ich, dass es uns was bringt, nochmal direkt davor zu stehen.“ „Ich fürchte fast, Sie haben Recht, Mori, aber vielleicht hilft ja frische Luft meinem Verstand etwas auf die Sprünge. Ich schätze, Sie wollen in die Waschküche und nachsehen, ob Sie doch noch einen Hinweis auf die Vorgänge von einer Woche finden, nicht wahr?“ Er nickte kurz angebunden. „Das hatte ich vor, sobald Takagi fertig ist, außer er findet hier was, was wohl zu bezweifeln ist. Du gehst mit Kazuha schätze ich und Ran bleibt bei uns.“ „Äh Paps, ich würde trotzdem gerne mit Heiji und Kazuha gehen...“ „Was?! Ran, hast du es immer noch nicht verstanden?“ Wütend packte er sie an beiden Armen sah ihr tief in die Augen. „Hier läuft ein skrupelloser Mörder herum, der ganz allmählich nervös werden sollte, deswegen geht ihr beide nicht alleine irgendwo hin und Heiji passt bereits auf Kazuha auf und muss sich auch noch um den Fall kümmern.“ „Aber... ich... mir bekommt die Luft hier drinne einfach nicht so gut, Paps. Und... ich kann mich besser verteidigen als Kazuha im Zweifelsfall. Außerdem sind doch alle Künstler im Haus, also bin ich draußen am sichersten.“ In ihren Augen stand das gleiche Feuer, wie in seinen, obwohl sie wesentlich gefasster klang. Ein schlechtes Zeichen für Kogoro, denn es bedeutete, dass keiner der Gründe der für Ran ausschlaggebende war, die Verbindung, die vereinbart war, zu lösen. „Schon gut, Herr Mori, ich passe auf Ran auf.“, durchbrach ausgerechnet Kazuha die Zweisamkeit von Vater und Tochter. Auch Heiji war auf einmal verwirrt. „Ich denke, sie hat Recht, dass sie ein wenig vom Schloss wegkommen sollte, auf andere Gedanken. Und ich würde auch gerne noch etwas mit ihr klären.“ Sie konnte im Moment nicht aufblicken, ihre Stimme war schwach, wenn auch sie sich bemühte, fest zu wirken. Sie musste sie hier raus holen, wenigstens für eine Weile, um ihr den Kopf bezüglich einer Idee zu waschen, die ihren Verstand zu vernebeln schien. Schließlich blickte Kogoro noch kurz zu Heiji, der nur den Kopf unbeteiligt wegdrehte. Auch er konnte nicht leugnen, dass das Argument, Ran auf andere Gedanken zu bringen, essentiell sein könnte und dass die Künstler erstmal alle im Schloss waren. Dann nickte er resignierend und Ran folgte den anderen beiden zur Treppe. In diesem Augenblick öffnete sich die eine Tür und Takagi trat heraus. „Wie befürchtet, auch nichts und die beiden Ateliers haben überhaupt nichts, was der Beschreibung auch nur ähnelt.“ „Na toll.... schön, Heiji und die Mädchen gehen jetzt zum Hügel, wir besuchen mal die Waschküche unten im Erdgeschoss. Danach werden wir auf euch in Herrn Tashijas Zimmer warten, ja?“ „OK, bis dann. Ach ja, Mori, bevor ichs vergesse, was tippen Sie für den Waschraum?“ Heiji blickte halb unter seinem Basecap hervor, lächelte ironisch, was Kogoro erwiderte. „Zwei. Jemand hat sie hingebracht und gewaschen, jemand anderes hat sie wieder hoch gebracht.“ „Das herunterbringen, das waschen, und das wieder hochbringen sind aber drei Phasen, Herr Kollege. Und wenn Sie mich fragen, war in jeder dieser Phasen jemand anderes in diesem Zimmer.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)