Second Chance von Nanuck (Lebt man nicht nur einmal?) ================================================================================ Prolog: Neubeginn ----------------- An manchen Tagen fühle ich mich so als wäre das alles niemals passiert. Ich habe die Erde niemals verlassen. Es war nur ein Traum. Wie eine starre Puppe stand ich auf den Stufen vor meiner Schule und beobachte wie meine Schulkameraden von ihren Eltern abgeholt wurden. Erwartungsvoll schaute ich ein schwarzes Auto an, doch bei der Fahrertür stieg nicht die Person aus, die ich erwartet hatte. Nur ein Gesicht unter vielen. Emotionslos schaute ich weiter hinunter. Erneut fuhr ein für mich verdächtiges, schwarzes Auto die Einfahrt der teuren Privatschule hinauf. Es hielt vor der Schule. Die Fensterscheibe wurde heruntergekurbelt. Eine Person lehnte sich aus ihm heraus und winkte mir freudig zu. Es kam wieder Leben in mich, ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen. Aber es war nicht nur ein Traum. Ich habe meinen Dad zurückbekommen. Schnell sprang ich die Stufen herunter und eilte zur Beifahrertür des Autos. Ich glaube nach allem habe ich doch den großen Preis bekommen. „Lass uns Mum besuchen gehen, Dad“, fragte ich und setzte mich auf den Sitz. Verständnisvoll lächelnd fuhr mein Dad los. Lange Zeit erhoben sich um uns herum nur triste Betonbauten, doch je weiter wir fuhren, desto mehr lichtete sich der Betonwald und ließen die Stadt langsam hinter uns zurück. Auch die letzten Ausuferungen der Betonlandschaft rissen ab und wandelten sich in Elemente der Natur. Wir nahmen eine der Nebenstraßen und fuhren eine Allee entlang. Mein Dad parkte am Seitenstreifen und wir stiegen aus. Eine weitläufige, strahlend blühende Wiese eröffnete uns die Sicht auf eine von schmalen Bäumen gesäumte, alte Natursteinmauer. Gemeinsam stiegen wir die Treppe hinauf die zum Tor in der Mauer führte. „Warte kurz hier“, erklärte ich knapp und rannte noch einmal zurück. Am Wegrand beugte ich mich herunter und begann einen Strauß der wildwachsenden Margeriten zu pflücken. Als ich bei meinem Dad ankam sah er die Blumen in meiner Hand mit pikiertem Blick an. „Wir haben doch eben Rosen im Blumenladen gekauft“, sagte er irritiert. „Die hier passen aber besser zu Mum“, erklärte ich nur knapp, lächelte kurz und ging vor durch das gusseiserne Tor. Der erste Blick machte einem direkt klar, wo man sich befand. Man schaute direkt auf eine Statue: niedliche Engel die um ein Kreuz flatterten. Wir waren auf einem Friedhof. Ich kannte den Weg inzwischen auswendig. Nachdem ich jahrelang nicht hier gewesen war, kam ich jetzt fast jede Woche hierher oft auch häufiger. Mein Dad fragte schon gar nicht mehr warum, er freute sich viel mehr selbst darauf diesen Ort wieder und wieder aufzusuchen. Die letzte Ruhestätte meiner Mum, Maya Wei. Wir standen vor ihrem Grab und betrachtete das Foto, welches im Grabstein eingelassen war. Obwohl ich noch so furchtbar klein gewesen war, als sie von uns ging, konnte ich mich noch viel klarer an Maya erinnern, als jedes Foto sie mir aufzeigen könnte. Behutsam legte ich die Margeriten neben die sorgsam ausgesuchten Rosen meines Vaters. Alles, was ich jemals für uns wollte, war wieder eine Familie zu sein. Ich war bereit zu gehen, es war nicht mehr an der Zeit zu trauern. Denn ich hatte ja Dad. Liebevoll schaute ich zu ihm auf. Er erwiderte den Blick. „Lass uns gehen, Eva“, sagte er zärtlich und streichelte über meinen Arm. Ich lächelte. „Ja, gehen wir nach Hause.“ Und jetzt sind wir es. Wieder liefen wir den schmalen Pfad zwischen der wogenden Wiese entlang. Ein vertrautes Geräusch aus einem längst vergangenen Leben ließ mich aufhorchen. Ich blieb stehen und schaute mich um. Mein Blick blieb am Himmel hängen, über den laut rauschend ein altes Raumschiff flog. Wie Phantome kamen mir die Erinnerungen an die Zeit des großen Wettrennens auf Oban jetzt vor. Es war wirklich lange her... „Eva, bist du in Ordnung?“ Die Stimme meines Vaters ließ mich aus den Erinnerungen erwachen. „Ja Dad, mir geht es gut.“ Schnell schloss ich wieder zu ihm auf und ließ wieder einen Teil meines alten Lebens bei Mum und trat einen Schritt weiter in mein neues Leben hinein. Molly gewesen zu sein, hat Spaß gemacht, aber es ist gut wieder Eva zu sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)