Schwarze Sonne von Glasfluegelchen ================================================================================ Kapitel 6: Kapitel 6: Wach auf mein Herz ---------------------------------------- Schweißperlen schmückten meine Stirn, stürzten sich über meine Wangen hinab und mein Herz galoppierte hastig davon. Ich konnte gar nicht schnell genug atmen um es wieder einzuholen. Ein unruhiger, wirrer Traum verschloss seine Pforten vor mir und verwies mich in die Realität zurück. In eine Dunkelheit. In die Schwärze der Nacht die wie eine Schlingpflanze alles verschluckte. Unzählige Male kreisten meine Träume um Noah, wie er nach Hause fand, der Abschiedsbrief… Dinge die mein Bewusstsein erst nach wochenlangem Nachdenken einzuordnen und zu deuten wusste. Er würde nach Hause fahren, hat er geschrieben. Aber WO ist Zuhause? WAS ist Zuhause? Was hatte er nur unter Zuhause verstanden? Wieder und wieder dachte ich über seine ruhigen, träumenden Worte nach die er sprach, als ich ihn daran hinderte die Klippe hinunter zu springen. Es wirkte fast, als wenn er tatsächlich glaubte, er hätte Flügel… Flügel die ihn hoch zu den Wolken tragen… und notfalls auch wieder zurück. Und langsam, immer mehr, wurde auch in mir der Wunsch wach zu fliegen… nach Hause. In eine Welt die mich nicht hasst… eine Welt, die mir mein gebrochenes Herz flicken und den Brunnen meiner Tränen austrocknen würde. Eine Welt mit Noah. Die Erinnerung an seine zärtlichen Berührungen, an seine sanften Küsse, wenn wir miteinander schliefen… dass alles gab mir das wohlige Gefühl komplett zu sein. Zum ersten Mal im Leben gab es etwas, wofür es sich zu sterben lohnte. Und in dieser kurzen Zeit hatte ich endlich das Gefühl meine Seele wäre komplett. Umso schlimmer war es, ihn wieder zu verlieren. Alles was mir jemals das Gefühl gab zu Leben… ein funktionierendes Herz zu besitzen, wurde vor meinen Augen zerrissen. Der Anblick… dieser traurige Ausdruck in seinen Augen als er sich zu mir wandte und mir ein letztes Lächeln schenkte… als ihm, vom Zug gerammt, die Gesichtszüge entglitten, die nackte Panik ausbrach bis er zu einer unkenntlichen Masse zerrissen wurde… dieser Moment brannte schlimmer, als jeder Verlust den ich bisher ertragen musste. Und Augenblicklich schmerzte meine gespaltene Seele so sehr, wie an diesem düsteren Tag, an dem die Sonne so sehr brannte, dass ich sie nur noch als schwarzen Fleck erkennen konnte. Schmerzhafte Erinnerungen… und das Wissen etwas Wichtiges Verloren zu haben… ja... jetzt wusste ich endlich was mir fehlte. Eine Seele kann ohne sein passendes Herz nicht existieren… ich muss mein Herz wieder finden… ich werde Noah wieder finden…. Nachdem ich meine Gedanken zu Ende gesponnen hatte, fiel ich in einen langen, traumlosen Schlaf. Der folgende Morgen und sein strahlendes Gemüt strichen komplett an mir vorbei. Ich erwachte erst wieder, als die Dunkelheit bereits seine Klauen nach der Sonne ausgestreckt hatte und dicke Wolken das letzte Licht am Horizont verschluckten… und JETZT war es Zeit zu handeln…. Es ist Zeit sich zu verabschieden…Ich weiß endlich wo ich hingehöre, und wenn ihr das hier gelesen habt, werde ich die nächste Möglichkeit nutzen um nach Hause zu fliegen… doch bevor ich gehe, möchte ich gerne noch ein paar Worte an jene richten, die einmal einen wichtigen Platz in meinem Leben hatten oder eine gewisse Rolle spielten: Sabrina: Du warst einmal eine sehr gute Freundin für mich. Es war nicht immer einfach mit dir, aber wenn man Spaß brauchte, Unterhaltung und unter Leute kommen wollte, dann warst du der richtige Ansprechpartner. Schade nur, dass du niemals von Grund auf ehrlich sein konntest und jeden deiner Freude für deine schmutzigen Geschichten missbrauchen musstest. Jacky: Ich hatte dich gern. Wirklich. Wer dich zur Freundin hat, braucht niemanden mehr zu fürchten. Du bist so unheimlich stark und so fürsorglich… aber dass auch DU mich irgendwann verraten würdest… hätte ich niemals geglaubt. Wenigstens durfte ich lernen, dass keine Freundschaft auf ewig hält. Und obwohl dieser Gedanke sehr schmerzhaft ist, möchte ich dir trotzdem dafür danken. Nur eines noch: ich habe niemals gelogen. Was passiert ist, ist genauso passiert wie ich es beschrieben habe… aber offensichtlich hatte Sabrina auch HIER wieder ihre Hände im Spiel. Marek: Du bist ein fantastischer Lügner. Wie wäre es wenn du dich als Schauspieler bewirbst? Fast hätte ich dir deine harmlose, anständige Art geglaubt. Wirklich, gut gespielt. Und um auch euch nicht zu vergessen…Mama… Papa… ich bedauere sehr das ich euch so eine schlechte Tochter gewesen bin. Aber ich möchte euch diese Last nun abnehmen. Ihr sollt euch nicht mehr darum streiten müssen wer sich opfert um mich von irgendwelchen Orten abzuholen in die ihr mich eingesperrt habt. Und ihr sollt auch nicht mehr in der Not stehn mir eine Familienidylle vorzuspielen, die es nie gegeben hat. Betrachtet euch als freie Menschen. Denn als solche wurdet ihr geboren… Vielen Dank euch allen, das ihr mich gelehrt habt zu leben. Aber wenn es etwas gibt, was wichtiger ist als das alles hier… dann ist es… das Gefühl zu haben Zuhause zu sein. Noah… an den Klippen lernten wir uns kennen… und an den Klippen werde ich dich wieder finden… Weiser alter Mann: Du meintest, wir müssten uns eines Tages für jede Entscheidung die wir in unserem Leben getroffen haben rechtfertigen… und für den Tod gäbe es keine Erklärung… ich glaube fast, dass der Tod nichts Letztendliches ist… und dennoch danke ich dir für deinen Rat. Lebt wohl, mein Weg ist hier zu Ende! Sorgfältig faltete ich meinen Brief und legte ihn auf den Schreibtisch. Was gesagt werden musste, war gesagt und jetzt gab es nichts mehr, was mich noch länger an diesen Orten fest hielt. Kein Wort, keine Stimme, kein Gesetz… Ich zog los, hinaus in das wütende Grollen, das Schattenspiel der Blitze, das einen jähen Wolkenbruch ankündigte. Die Atmosphäre war atemberaubend. Beängstigend wie ein wildes Tier das aus seinem Käfig ausgebrochen war. Wunderschön wie eine Blume die erst bei Vollmond ihre wahre Schönheit zeigt. Und gleichzeitig kündigte sie lautstark an, dass ich meinen Weg gewählt hatte. Ein Regentropfen traf auf meine Stirn und erschütterte meinen Körper mit einer seichten Gänsehaut. Ich blickte in den Himmel, lauschte dem zornigen Toben, stellte mir vor wie sich die Blitze in meinen leeren Augen spiegelten und sog die frische Luft tief ein bis meine Lungen mir überfüllt befahlen auszuatmen. Ein einmaliges Gefühl. Ich setzte meinen Weg durch die Dunkelheit fort, alleine… und wieder fühlte ich mich unbeschreiblich leicht, ganz so als würden meine Füße längst nicht mehr auf Erde oder geteertem Boden laufen, sondern frei durch die Luft tanzen, dem einzig wahren Ziel nahe. Es hätte nur noch gefehlt, dass Flügel aus meinen Schulterblättern ragten und mich an den Ort des ersten Treffens trugen. Da! Jetzt war es nicht mehr weit! Ich durchquerte einen kleinen Tunnel und schlenderte in die erste Regenfront hinein. Binnen Sekunden waren meine Kleider durchnässt. Die Regentropfen waren ungewöhnlich schwer, als wollten sie mich auf dem Boden halten, doch sie hätten nicht schwer genug sein können. Ich schlich die kleine Baumallee hindurch, die so endlos lang erschien, das mir die Blitze wie das ferne auffunkeln eines Kristalls erschienen. Nicht mehr weit! Die ersten Felsvorsprünge waren bereits zu sehen. Gleich bin ich zuhause. Der Himmel weinte stärker und stärker, ergoss sich hiebartig über meinem Haupt als wolle er mich mit seinen flüssigen Peitschen von meinem Ziel fern halten. NICHTS!... würde mich jemals aufhalten! Die letzten Schritte war ich gelaufen… und endlich war ich hier. An einem Ort, den nur die wenigsten kannten. Ein Ort dessen Schönheit verborgen blieb weil sich niemand die Mühe machte, nach ihm zu suchen. Ich blickte die Schlucht hinunter, in der sich wütende Wassermassen eine Schlacht darum lieferten, welche Welle es bis zu den Felsen hinauf schaffte. Und warme Worte durchzuckten mich. „Siehst du das Meer? Schau nur hin. Das Meer wird deine Wunden heilen und dir neue Flügel schenken. Wenn du Heilung am nötigsten brauchst… suche nach ihm und begib dich in seine innige Umarmung… und einen Flügelschlag später, wirst du zuhause sein...“ Noah… warte auf mich! Ich atmete tief durch, schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Ich genoss den Augenblick, die Atmosphäre, den Lärm den die Natur verbreitete. Wundervoll! „…andraaa….!“ Was war das? „San….aaaaaa!“ Verdammt, was war das? Erschrocken wandte ich mich um und hielt es nicht für möglich. Die, die mich vor einer Weile noch Lügen strafte stand plötzlich, völlig außer Atem vor mir, mit einem weißen, zerknüllten Stück Papier in der Hand. „SANDRA BLEIB STEHN! BITTE TU DAS NICHT!“ „Du brauchst nicht so zu schreien Jacky, ich kann dich sehr gut hören…“ entgegnete ich leise. „Bitte, bitte lass uns noch Mal reden. Bitte!“ Unberührt blickte ich sie an, kalt, gefühllos… Und demonstrativ entfernte ich mich einen Schritt von ihr… näherte mich dem Abgrund. „Sandra BITTE! Ich flehe dich an! Ich weiß ich habe Mist gebaut! Ich hätte niemals daran zweifeln dürfen… hätte niemals glauben dürfen was die anderen gesagt haben. Aber es erschien so logisch… Bitte! Tu mir das nicht an!“ Ihre Worte trafen ins nichts. Jacky… ja, ich kannte diesen Menschen, aber nicht gut genug. Und ich legte keinen Wert darauf, sie von neuem kennen zu lernen. Im kurzen aufglimmen des Himmellichterspiels erkannte ich, das sich noch andere Personen genähert hatten. „Sandraaaaa“… wieder eine bekannte Stimme. Eine quietschige, nervtötende Stimme die ich zu gerne aus meinem Gedächtnis gestrichen hätte. „Sandra.. erkennst du mich denn nicht?! Ich bin es! Sabrina!“ Der nächste Schatten löste sich und näherte sich mir. Marek! Jene Person die ich lieber getötet hätte, als sie auch nur noch ein einziges Mal in meine Nähe zu lassen. Ich zog einen Plastikbeutel mit einem Messer aus meiner Hosentasche heraus. „Erkennst du es Marek?!“ flüsterte ich und neigte meinen Kopf fragend zur Seite. Er antwortete nicht, blickte betreten zu Boden. Sabrina sah ihn entrüstet an. Verstand nicht, klammerte sich an seinen Arm und flehte ihn an ihr zu sagen, was es mit diesem Ding auf sich hatte. „Fang Jacky!“ rief ich Ich warf ihr den Beutel zu. „Und wenn du noch immer überzeugt bist, ich würde lügen, dann bring es zur Polizei und lass es auf meine DNA und seine Fingerabdrücke kontrollieren. Und wenn auch das nicht reicht, dann geh zu mir nach Hause, geh in mein Zimmer und hol dir den zerfetzten Rock der unter meinem Bett liegt! Das ist alles was du brauchst!“ Jacky war wütend, hielt Marek den schwachen Beweiß für seine Tat unter die Nase, schlug auf seine Brust ein… sogar Sabrina mischte mit, und der arme Kerl hatte es doch tatsächlich schwer sich gegen die Beiden zu behaupten. Inzwischen waren sie so sehr damit beschäftigt ihm Details abzuringen, dass sie mich völlig vergessen hatten. Und es war gut so. Ich ließ diese drei Menschen, Menschen sein, wandte mich wieder zur Klippe zu und atmete erneut tief Luft ein, so viel Luft bis meine Lungen brannten. Schließ deine Augen sprach mein Inneres. Schließ die Augen, breite deine Arme aus und fühle wie sie dich wie Flügel nach Hause tragen! Nur eine Sekunde… eine winzige Sekunde… ich trat nah an den Abgrund heran, befreite meinen Geist… und lies mich einfach fallen…. „SANDRA NEIIIIIIIIIIIIIIIIIIN!!!!“ Es war zu spät. Jacky war zu spät! Und ich wollte ihre Hilfe nicht! Ich stürzte, fiel… weiter und weiter… und stieß mitten in die balgenden Fluten hinein. >Splash< Die Wellen pressten mich nach unten. Schleuderten meinen Körper in alle Richtungen, gaben mir kurz Auftrieb, aber nicht lange genug um nach Luft zu schnappen! HILFE!!! Die Reflexe in meinem Körper überschlugen sich. Atmen! Luft! Atmen! Brechen! Atmen! Mein Körper befahl so viel, viel zu viel auf einmal. Mir war schlecht. Mir fehlte Luft. Noah! Hilf mir! Das Wasser hatte mich in seinen Fängen… es ließ mich nicht mehr los. Ich fühlte mich als würde ich von innen heraus verbrennen. Das Wasser presste sich in meine Lungen wie glühend heiße Lava. Heiß! Ich Verbrenne! Hilfe! Ich kann nicht mehr! Irgendwann erstarb meine Kraft und ich war nicht mehr länger fähig den Kampf mit den Wellen weiter zu kämpfen. Letztlich wurde mein Geist geflutet von den schönsten Momenten in meinem Leben… und gleichzeitig von den schrecklichsten die mir je passieren konnten…. Und irgendwann, als die Bilder mehr und mehr an Farbe verloren, bis hin zu ihrem verlöschen, war es… als reichte mir jemand die Hand…. „Wach auf mein Herz“ Ich öffnete meine Augen und es war…als würde ich fliegen… fort von der schwarzen Sonne, weil sie mich verbrennt… weit weg weil ich Freiheit mehr als alles andere auf der Welt benötige.…. Ich hielt die Augen weit geöffnet, fixiert auf das gleißende Licht und es fühlte sich an, als wäre ich komplett… als würde ich mit dem verloren geglaubten Herzen an meiner Seite fliehen. Mein lang gesuchtes Herz… Mein Leben… Du hast mir so gefehlt Und einen Flügelschlag später, war ich zuhause. „Willkommen daheim“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)