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Ray of light

von

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Prolog

In einer sternenklaren Nacht flohen ein Mann und eine schwangere Frau aus ihrem Haus. Sie liefen, obwohl die Frau bereits keuchte. Sie war im neunten Monat schwanger und stand kurz vor der Geburt. Hinter sich hörten sie, wie eine Haustür splitterte. Der Mann drehte sich nur kurz um und sah, wie das Haus, indem sie seit dreizehn Jahren glücklich zusammen lebten, in Flammen aufging. Er presste die Lippen aufeinander und unterdrückte eine Träne.

Seine Familie lebte bereits seit 666 Jahren in diesem Haus. Es hatte viel Zerstörung überstanden. Fast jede Woche musste etwas daran repariert werden. Trotz allem schmerzte es ihn, es jetzt in einer Feuerbrunst zu sehen.

Berlin. Die Hauptstadt Deutschlands. Kein friedliches Städtchen, so dass es nichts besonderes ist, dass mitten in der Nacht ein Haus in Flammen aufgeht. Schon gar nicht, wenn dort die Handwerker schon fast zu Hause sind. Auch ist es nicht ungewöhnlich, wenn mitten in der Nacht ein Mann und eine hochschwangere Frau durch die Straßen laufen.

Meistens lungern an jeder Ecke Jugendliche oder andere. Doch in dieser Nacht waren die Straßen wie leer gefegt.

Der Mann und die Frau liefen bis zum Berliner Hauptbahnhof und kauften Tickets nach Heidelberg. Sie hatten Glück. Es fuhr noch ein letzter Zug nach Heidelberg.

Erst im Zug atmeten beide wieder durch. Auf der ganzen Fahrt sprachen sie kein Wort miteinander. Eng aneinander gekuschelt hingen sie beide ihren Gedanken nach.

In Heidelberg angekommen, nahmen sie ein Taxi zum nächsten Krankenhaus, denn inzwischen hatten die Wehen eingesetzt. In der Notaufnahme wurden sie freundlich behandelt und gleich in den Kreissaal gebracht. Während der Geburt hielt der Mann die ganze Zeit die Hand der Frau.

Sie gebar zwei gesunde Kinder. Ein Mädchen und ein Junge. Sie gab ihnen den Namen Luke und Emma.

Sie blieb noch zwei Tage im Krankenhaus um sich zu regenerieren, während der Mann sich ein Zimmer in einem Hotel gemietet hatte. Nach diesen beiden Tagen trafen sie sich am Heidelberger Hauptbahnhof, wo sie an jenem Tag angekommen waren. Sie übergab ihm ihren Sohn und sah zu, wie er mit ihm den nächsten Zug nach Neumünster nahm. Sie selbst nahm den nächsten Zug nach Braunschweig, um von dort nach Wolfenbüttel zu fahren um dort ein Leben für sich und ihre Tochter aufzubauen. Ein Leben ohne ihren Mann und ihren Sohn.

Schriek!

„I kissed a girl and I liked it, it tasted good...“, plärte es aus meinem Wecker. Schlafversunken öffnete ich vorsichtig ein Auge. Mein Wecker zeigt 6:30 Uhr an. War heute nicht Samstag? Ach nein. Es war ja bereits Montag. Das passiert mir öfter. Ich denke öfter, dass am Montag Samstag ist. Das passiert, wenn man sich am Wochenende bis tief in die Nacht auf dem Friedhof aufhält.

Ich bin die Jägerin. Ich bin auserwählt gegen Vampire und Dämonen und gegen die anderen Mächte der Finsternis zu kämpfen. Es gibt in jeder Generation nur eine Jägerin. Erst wenn diese Kinder gebärt, werden ihre Kräfte auf das Neugeborene übertragen. Gleichzeitig verliert die alte Jägerin ihre Kräfte. Das heißt die Welt ist ein paar Jahre ungeschützt, bis die neue Jägerin alt genug ist, um ihrer Aufgabe nachzukommen.

„Emma!“ rief meine Mutter aus der Küche. Widerwillig öffnete ich die Augen und schaute wieder auf den Wecker. Es war bereits 6:56 Uhr. Ich musste wieder eingenickt sein. Auch das Lied hatte sich jetzt geändert. Es lief nicht mehr I kissed a girl von Katy Berry, sondern Apolegize von One Republic. Wieder typisch Radio. Sie spielen immer noch die Lieder, die keiner mehr hören will. Mit einem leisen Stöhnen machte ich mein Radio aus und ging ins Badezimmer. Eine halbe Stunde später hatte ich mich angezogen, Zähne geputzt und meine Haare frisiert. In der Schule trug ich meine etwas länger als schulterlangen, blonden Haare meist offen. Genauso ist mein Make-up in der Schule eher dezent.

Ich ging in die Küche, schnappte mir eine Schüssel, schüttete Cornflakes und Milch hinein und setzte mich auf den Tritt mit dem Rücken zur Heizung. Das machte ich immer. Ich könnte mich auch einfach auf einen Stuhl setzen, aber das war zu einfach. Außerdem war es im Winter am Rücken immer warm. „Guten Morgen. Hast du gut geschlafen?“, fragte mich meine Mutter. Als Antwort bekam sie nur ein Stöhnen. Ich haste es, wenn mich morgens schon gut gelaunte Leute ansprechen. Morgens schlafe ich noch, da höre ich weder zu, noch bekomme ich großartig mit was andere sagen. Außerdem reagiere ich meist sehr gereizt aus muntere Leute. So wie bei meiner Mutter. „Sag mal bist du taub?“, fragte diese. Ich antwortete wieder nur mit einem Brummen. „Emma!“ „Morgen“, grummelte ich.

„Emma!“ „Boah, Mama, ich schlafe noch! Erwarte also keine Antwort!“, platzte es aus mir heraus. Im selben Moment hätte ich mich für diese Bemerkung schlagen können. Ich konnte es nicht leiden meine Mutter anzuschnauzen. Auch sie reagiert auf solche Bemerkungen sehr empfindlich.

Meine Mutter ist genau genommen nicht meine Mutter. Ich bin adoptiert. Ich war zehn Jahre lang in einem Waisenhaus, bis mich Felicia zu sich nahm. Sie kannte meine Mutter und wusste über meine Fähigkeiten bescheid. Sie war es, die mich über mich selbst aufgeklärt hat.

Felicia hat ihre Doktorarbeit über die Jäger und ihre Geschichte geschrieben. Zwar wurde sie für verrückt befunden und ihr der Doktortitel verwehrt, aber alles was sie wusste, kam mir zu Gute. Doch leider weiß auch sie nicht, was genau mit meiner Mutter passiert ist. Sie ist von einem Tag auf den anderen verschwunden. Im Waisenhaus haben sie mir nur gesagt, dass sie mich als ich gerade mal ein Jahr alt war bei einer der Schwestern vor der Haustür ausgesetzt hatte. Keiner weiß, wo sie jetzt ist, oder ob sie überhaupt noch lebt. Aber mit Felicia habe ich eine gute neue Mutter gefunden.

„Emma, ich erwarte ein bisschen mehr Respekt von dir. Es ist mir egal, ob du müde bist oder nicht, du kannst mich morgens grüßen!“

„’tschuldigung“ murmelte ich und meinte es ernst.

„Warst du gestern erfolgreich?“, fragte Felicia, „ist Stephan pünktlich aus seinem Grab gekrochen?“

„Pünktlich ist relativ. Um drei Uhr morgens hat er sich aus seinem Grab bequemt. Und dann wurde er auch noch aggressiv, als ich ihn pflöcken wollte.“

Ein Lächeln umspielte Felicias Mund. Doch ihre Augen waren Ernst. Sie wusste zu viel über die Schicksale anderer Jägerinnen und befürchtet mir könnte auch so etwas passieren. Erzählt hatte sie mir nichts. Sie meinte, dass würde mich bei der Jagd ablenken. Aber ihre Sorgen waren so enorm, dass sie selbst mir aufgefallen sind.

Ich guckte aus die Uhr. Es war bereits 7:35Uhr. „Scheiße“, fluchte ich und sprang auf. Ich schnappte mir meine Tasche, rannte raus und schwang mich auf mein Fahrrad. Ich trat ordentlich in die Pedale und kam pünktlich zum zweiten Klingeln in der Schule an. Ich rannte in den zweiten Stock und wäre in der Tür zum Klassenraum fast mir Herrn Lowsnek, meinen Mathelehrer, zusammengeprallt.

„Na, sind wir etwas spät dran?“, fragte er mit einem freundlichen Grinsen auf den Lippen. Ich lächelte flüchtig zurück und huschte in die Klasse.

Ein normaler Mensch hätte die Strecke von meinem Zuhause zur Schule nicht in 10 Minuten geschafft. Da ich aber die Jägerin war und dämonische Fähigkeiten habe, bin ich noch einigermaßen pünktlich gekommen. Zu meinen dämonischen Fähigkeiten gehören Kraft, welche ich brauche, denn Vampire sind stark und lassen sich nicht gerne pflöcken, Schnelligkeit und ich beherrsche sämtliche Kampfarten, die es gibt, ohne das ich sie lernen musste. Außerdem kann ich die Gedanken der anderen lesen. Das ist sehr hilfreich, denn du kannst jeden Schritt deines Feindes vorher in seinen Gedanken lesen und darauf reagieren. Ich kann aber auch die Gedanken aller anderen hören.

So hörte ich die Stimme meiner besten Freundin, als ich den Klassenraum betrat. „Kann Herr Lowsnek nicht einmal in seinem Leben zu spät kommen?“ Allerdings hörte ich ihre Stimme nur in meinem Kopf. Keiner weiß, dass ich Gedanken lesen kann. Das ist auch gut so, denn sonst würden sich die meisten wohl von mir fernhalten.

Ich setzte mich auf meinen Platz und holte meine Mathesachen aus meinem Rucksack. „Öffnet bitte eure Bücher auf Seite 179. Wir vergleichen die Hausaufgaben“ forderte Herr Lowsnek uns auf. Ich öffnete mein Buch und mein heft mit meinen Aufgaben. „Lena, fängst du bitte mit Aufgabe 12 a an“.

Lena schluckte und fing an ihre Ergebnisse vorzutragen.

„Das ist leider nicht richtig. Lena, den Stoff musst du bis zur Klassenarbeit draufhaben“, sagte Herr Lowsnek. Doch denken tat er etwas ganz anderes: „Lena schafft das Schuljahr doch sowieso nicht. Wieso muss ich mich mit solchen Schülern eigentlich ‚rumschlagen?“

Ich seufzte und fing an die ganzen Gedanken die auf mich eindrangen zu ignorieren. Normalerweise klappt das ganz gut und ich höre nur noch die Gedanken, die ich hören will, außer bei Herrn Lowsnek. Seine Gedanken sind so intensiv, dass ich sie meistens mitanhören muss, was mich allerdings auf eine zwei in Mathe brachte, weil er in Mathearbeiten immer alle Lösungen vorne in Gedanken durchgeht und ich mir diese nur anzuhören brauch.

Wir brauchten die ganze Stunde, um die Hausaufgaben zu vergleichen. Am Ende bekamen wir noch mal soviel auf, um „den Stoff, den wir nicht durchgenommen haben nachzuholen“ wie unser Mathelehrer das so schön sagte. Allgemeines Stöhnen war die Antwort. Ich packte meine Sachen und schulterte meinen Rucksack, um mich auf den Weg zum Bioraum zu machen.

„Hey Emma!“, rief meine beste Freundin Ciara. Ich drehte mich um. Sie hatte ich ganz vergessen. „Hey“, sagte ich und lächelte und hoffte, dass sie mir nicht böse war. „Warst du am Wochenende wieder zu lange auf der Jagd, oder warum bist du so spät.“ Ciara sprach zwar leise, aber trotzdem drehte ich mich um, um zu sehen, ob jemand lauschte. Aber die anderen waren alle zu sehr mit sich selbst beschäftigt und achteten gar nicht auf uns.

„Ja, voll schlimm. Ich war die ganze Zeit auf dem Friedhof, weil Stephan einfach nicht spielen wollte.

Ciara war die einzige, abgesehen von Felicia, die meine Identität als Jägerin kannte. Sie sollte sie eigentlich auch nicht kennen. Doch die Telefongesellschaft hatte einmal ein technisches Defekt und Ciara wollte anrufen und konnte dann irgendwie ein Gespräch zwischen Felicia und mir belauschen. Am nächsten Tag musste ich ihr dann rede und antwort gestehen. Aber auf Ciara ist verlas. Sie hat Geschwiegen und mir manchmal mit guten Ausreden aus auswegslosen Situationen geholfen. Es tat auch gut mit jemand anderem als Felicia über das Jagen zu sprechen.

„Hast du die Bio Hausaufgaben?“, fragte Ciara. Mist. Die hatte ich ganz vergessen. „Nein“, gestand ich. „Na, da kann sie sich auf etwas gefasst machen. Frau Carl ist schon jetzt auf hundertachtzig“, hörte ich Ciara denken. Mist, was sollte ich denn jetzt machen?

Raise hell

„Hey Luke!“ Ich blickte auf. Ein Mädchen, dass ich noch nie gesehen hatte, stand vor mir. „Du bist doch Luke Baltzer, oder?“, fragte das Mädchen. „Ja“, antwortete ich zögernd. „Ich hab gehört, dass du noch keine Verabredung für den Schulball hast, da wollte ich dich fragen, ob du mit mir hingehen möchtest.“ Die letzten Worte wurden immer leiser, bis das Mädchen nur noch flüsterte. „Ähm, tut mir leid, aber ich gehe gar nicht hin.“ Lüge. Es tat mir überhaupt nicht leid. Ich kannte das Mädchen nicht und war schon zu oft gefragt worden. Ich weiß nicht woran es lag, aber ständig fragten mich irgendwelche fremden Mädchen, ob ich mit ihnen zum Schulball gehe. Aber ich ging doch gar nicht hin. Klar, dass können die Mädchen nicht wissen, aber warum wissen dann alle, dass ich kein Date hatte?

Ich bin der Jäger. Meine Aufgabe ist es gegen Vampire, Dämonen und gegen die anderen Mächte der Finsternis zu kämpfen. Das heißt ich kann nicht abends auf Partys gehen, während ich eigentlich auf dem Friedhof jagen bin.

Es gibt in jeder Generation nur einen Jäger. Erst wenn er Vater wird, übertragen sich die Kräfte auf das Neugeborene. Das heißt die Welt ist ein paar Jahre ungeschützt, bis der neue Jäger alt genug ist, um seiner Aufgabe nachzukommen.

„Oh“, sagte das Mädchen und ging. Ich seufzte. „Hey Luke!“ Ich drehte mich abermals um, doch diesmal war es nur Jonathan.

„Hey Jo, was gibt’s?“

„Was wollte die kleine?“

„Mich fragen, ob ich mit ihr auf den Schulball gehe.“ Ich verdrehte die Augen. Jonathan lachte. „Man hasst du ein Glück. Mich hat noch keine einzige gefragt.“

Unauffällig schielte ich auf Jonathans Bauch. Er zeichnete sich auffällig unter seinem T-Shirt ab. Er aß einfach zu viel Schokolade. Ich sagte jedoch nichts, sondern zuckte nur kurz mit den Schultern.

Jonathan begleitete mich bis zu den Fahrradständern. Dort trennten wir uns. Ich schloss mein Fahrrad auf und schwang mich auf. Ich radelte ziemlich schnell nach Hause. Julius- mein Vater- hasste Unpünktlichkeit. Zu Hause lehnte ich mein Fahrrad an die Hauswand und schloss die Tür auf. Zu Hause roch es nach Essen. Ich ging in die Küche, wo Julius gerade die Töpfe vom Herd nahm und auf den Tisch stellte. „Wasch dir die Hände“, wies er mich an und ich ging ins Badezimmer, um mir die Hände zu waschen. Als ich wieder in die Küche kam, hatte Julius mir bereits Kartoffeln und Spinat auf einen Teller gehäuft. Ich verzog das Gesicht. Ich mochte keinen Spinat, aber Julius schien der Meinung zu sein, dass ich nicht genug davon bekommen könnte. Ich setzte mich und begann widerwillig zu essen. „Schon die Todesanzeigen gecheckt?“, fragte ich Julius. Dieser nickte: „Wenn du Glück hast und ich nicht noch kurzfristig irgendwas von irgendeinem Ritual oder so höre, dann hast du heute Abend Frei.“ Ich nickte. Ich hatte mich so daran gewöhnt jede Nacht auf die Jagd zu gehen, dass ich an meinen freien Abenden nichts zu tun wusste.

Nach dem Essen ging ich in mein Zimmer schaltete den PC an und ging bei ICQ online. Außerdem checkte ich kurz, ob ich Neuigkeiten bei SchülerVZ hatte. Ich hatte. Fünf Mädchen hatten mich gegruschelt. Ich verstand immer noch nicht, warum Mädchen diese Mischung aus lieb grüßen und kuscheln benutzten und hatte auch keine Lust drauf. Anstatt sie zurückzugruscheln blendete ich die Meldungen aus. Rasch klickte ich mich zu meiner Pinnwand. Ich hatte keine neue Nachricht. Ich verließ SchülerVZ wieder. Mein PC piepte einmal kurz. Mich hatte bei ICQ jemand angeschrieben.

-Hey Luke, schrieb dieser jemand. Ich hatte die Nummer nicht in meiner Freundesliste, machte aber auch keine Anstalten das zu ändern.

-Hey, schrieb ich stattdessen.

-Ich habe gehört, dass du noch keine Verabredung für den Schulball hast

-Stimmt

-Hast du Lust mit mir hinzugehen?

-Sorry, aber ich gehe gar nicht hin.

-Oh, schade L

-Tut mir leid

Schon wieder alles gelogen. Das war schon wieder nur eins dieser Mädchen, welche mit mir zum Schulball wollen. Auf so eine hatte ich keine Lust.

-Willst du mich nicht in deine Freundesliste aufnehmen?

Ich stöhnte. Die war mir eindeutig zu aufdringlich. Ich ging kurz offline, um kurz danach wieder online zu gehen. Das Mädchen hatte nur noch eine Nachricht geschrieben, während ich offline war.

-Ja dann eben nicht L

Ich guckte wer sonst noch online war, fand aber niemand besonderen. Ich wollte mich schon vom Bildschirm abwenden, als es erneut piepte. Ich blickte wieder zurück. Eric hat geschrieben.

-Hey Luke

-Hey Eric

-Wie gz???

-Joa, ganz gut, dir???

-Auch, was haben wir alles auf???

-Nur Mathe. Buch Seite kp Nummer 9 glaub ich.

-Ich frag mal Julia, die weiß das bestimmt, aber danke

-no problem

Ich schloss das Gesprächsfenster und öffnete meinen Mediaplayer. Ich suchte mir eine gute Death-Metal-Band raus und fing an mitzuheadbangen.

Meine Haare sind Kinn lang und schwarz. Also eine ganz gute Länge zum headbangen. Allerdings musste ich nach fünf Minuten aufhören, weil ich Kopfschmerzen bekam und sich mir alles drehte.

Weil ich immer sehr laut Musik höre, hatte ich nicht mitbekommen, dass mich wieder jemand angeschrieben hatte. Es blinkte wie wild auf meinem Bildschirm. Es war wieder Eric.

-Hast du am Wochenende schon etwas vor???

-Wahrscheinlich

-Falls nicht, ich gebe eine Party

-Warum

-Meine Cousine kommt zu Besuch

-Cousine???

-Ja aus Wolfenbüttel

-und warum kommt die???

-ich weiß es nicht, dass hat mir nur meine Mutter erzählt

-und das ist ein Grund für eine Party???

-meine Mutter findet schon

-wer kommt denn alles???

-Jonathan, Julia, Sören, Julian, Philipp und Freundin, joa und du...

-mehr nicht???

-Sören will noch seine ganzen Kumpels vom Fußball mitbringen, dann sind wir schon mal 15

-mal gucken

Ich hatte zwar wenig Lust auf eine Party, aber wenn ich am Wochenende tatsächlich nicht patrouillieren musste, dann würde ich gehen.

-wir reden noch mal

-kay

-bis morgen

-bye

Ich ging offline und setzte mich an meine Hausaufgaben.

Mystical

„Was?!“ Ich fasste nicht, was Felicia da gerade gesagt hatte. „Du hast mich schon verstanden“, meinte diese nur. Ja, ich hatte sie verstanden. Ich sollte am Wochenende zu meinem Cousin nach Neumünster. „Aber wieso?“, fragte ich. „Ich habe gehört, dass die dort ein ziemliches Vampir Problem haben. Du könntest ja mal nachgucken, ob ich mit meiner Vermutung richtig liege“, sagte Felicia. „Ich soll also bei meinem Cousin pennen und mitten in der Nacht auf den Friedhof gehen und Vampire jagen. Das fällt Onkel und Tante ja auch überhaupt nicht auf.“ Ich hatte an der ganzen Aktion so meine Zweifel.

„Natürlich musst du nachts aus dem Fenster klettern. Das fällt denen nicht auf. Tante Sabine und Onkel Jens haben einen sehr festen Schlaf.“

„Und Eric?“, erinnerte ich sie an meinen Cousin.

„Ihm wird auch nichts auffallen. Du wirst im Gästezimmer im Erdgeschoss schlafen. Sein Zimmer ist im ersten Stock.“

Ich gab mich geschlagen. „Wie komme ich hin?“, fragte ich.

„Mit dem Zug. Du fährst am Freitag nach der Schule los und Onkel und Tante holen dich in Neumünster vom Bahnhof ab. Ich bringe dich mit dem Auto bis Braunschweig zum Bahnhof, damit du nicht umsteigen musst.“

Ich seufzte. Dann wurde mir etwas klar.

„Dann kann ich am Freitag nicht mehr zur Musical-AG!“, rief ich erschreckt aus.

„Dann musst du halt einmal drauf verzichten. Du hast als Jägerin bestimmte Pflichten, die du einhalten musst“, meinte Felicia nur. Ich konnte ihr auch schlecht erklären, dass ich hinmusste, weil das im Prinzip die einzige Möglichkeit ist Kai zu treffen. In den Pausen ist er meistens draußen, um eine zu rauchen. Und ich erwartete immer noch Kais Antwort. Letzten Freitag hatte ich all meinen Mut zusammen genommen und Kai meine Gefühle gestanden. Natürlich hatte er etwas Zeit zum Nachdenken gebraucht, die ich ihm auch gegeben hatte. Aber ich hatte gehofft am Freitag endlich eine Antwort zu bekommen.

Niedergeschlagen ging ich in mein Zimmer. Und heute war schon Donnerstag. Ich holte meinen Koffer von meinem Schrank runter und fing an zu packen.
 

***
 

„Hey Dad, muss ich am Samstag auf die Jagd?“, fragte ich Julius beiläufig am Freitag beim Mittagessen. Er guckte mich nur fragend an. „Eric gibt eine Party, weil seine Cousine kommt. Da wollte ich vielleicht hin“, erklärte ich schnell. Julius schien nachzudenken.

„In letzter Zeit ist es ziemlich ruhig. Außerdem solltest du mehr mit deinen Freunden unternehmen. Du vernachlässigst sie viel zu oft.“

„Schicksal“, murmelte ich.

„Kommen auch Mädchen?“, fragte Julius misstrauisch.

„Nein Dad, dass ist eine Mönchsparty. Es sind nur Leute eingeladen, die ewige Keuschheit geschworen haben“, meinte ich sarkastisch.

Julius lachte und gab sein okay, unter der Bedingung, dass es keine mystischen Todesfälle gibt. Ich dankte ihm und ging in mein Zimmer.
 

***
 

„Hey Kai, können wir reden?“

Es war Freitag und ich hatte Kai abgefangen, bevor er eine rauchen gehen konnte. Er lächelte, wie immer. Es ist schwer ihn ohne ein Lächeln auf den Lippen zu sehen.

„Klar“, meinte er und wir gingen aus dem Weg zu einer etwas ruhigeren Ecke.

Ich blickte ihn fragend an. Sein Lächeln war kleiner geworden.

„Ähm also ich weiß nicht wie ich es dir sagen soll...“

Ich schluckte. Ich wusste was jetzt kommt.

„Ehrlich und direkt“, forderte ich ihn auf.

Er schaute mir direkt in die Augen. „Also... versteh mich bitte nicht falsch. Du bist mir total wichtig und so... und du bist wirklich eine super Freundin und ich möchte dich auf keinen Fall verlieren... aber da ist eben nicht mehr. Ich empfinde für dich nur Freundschaft.“

Ich sah in seinen Augen, dass er die Wahrheit sagte. Ich schluckte. Das war genau das, was ich befürchtet hatte. Ich konnte nicht antworten.

Er lächelte mich hilflos an. „Ich hoffe das steht jetzt nicht zwischen uns“, sagte er. Ich schüttelte den kopf. „Gut“, murmelte er. Wir standen beide etwas hilflos da, bis es klingelte.

Den Rest des Tages bekam ich nicht mehr richtig mit.

Ich wurde mir erst wieder meiner Umwelt bewusst, als ich in Neumünster ankam. Ich nahm meinen Koffer, der eigentlich viel zu schwer für mich hätte sein müssen. Felicia hatte es sich nicht nehmen lassen mir alle möglichen Waffen mitzugeben. Ich besaß jetzt außer meiner üblichen Ausrüstung von zwei Pflöcken und einem Kruzifix noch weitere Pflöcke und Kruzifixe. Hinzu kamen Armbrüste, Schwerter und Dolche. Ich würde es zwar nicht alles mit auf Jagd nehmen, aber das brauchte Felicia ja nicht zu wissen. Außerdem war sie wie jede Mutter nicht aufzuhalten gewesen, als sie mir Berge an Wäsche eingepackt hatte. Doch dank meiner dämonischen Kräfte konnte ich den Koffer ohne größere Mühe heben.

Am Bahnsteig sah ich mich etwas hilflos um, doch ich sah Tante Sabine, Onkel Jens und Eric bereits auf mich zu kommen. Ich hatte die drei das letzte mal bei meiner Konfirmation gesehen. Doch nur Eric war älter geworden. Er hat jetzt mehr Pickel und sah mehr denn je wie ein durchschnittlicher Junge von 16 Jahren aus. Was zwei Jahre bei einem Jungen alles ausmachen können.

„Hallo Emma“, begrüßte mich Tante Sabine, als sie mich erreicht hatten, „du bist groß geworden.“ Ich lächelte etwas gequält. Ich hasste es, wenn man mir das sagte. Onkel Jens nahm mir meinen Koffer ab und wir gingen zum Auto.

Als wir ankamen, sah ich, dass das ganze Haus für eine Party vorbereitet war. Die Möbel waren alle an die Seite gerückt. Die Regale waren leer geräumt und eine Bar war an der einen Seite des Wohnzimmers aufgebaut wurden. Direkt daneben stand eine überdimensionale Stereoanlage.

„Was wollt ihr denn feiern?“, fragte ich Eric.

„Na, deine Ankunft“, sagte er kopfschütteln, als wäre das eine Selbstverständlichkeit. Ich schluckte. Ich befand mich im Schockzustand, kannte weder die Stadt, noch die Leute, sollte hier Vampire jagen und wegen mir wurde eine Party gefeiert? Das war zu viel für mich. Ich musste mich setzen. Zum Glück stand ein Sessel in der Nähe. „Emma, ist dir nicht gut?“, fragte Eric besorgt.

„Warum?“

„Was?“

Ich schluckte.

„Warum feiert ihr eine Party wegen mir?“

„Ich weiß es nicht genau“, gab er zu, „Meine Mutter sagte nur ich solle eine planen. Ich weiß aber nicht warum.“

Ich seufzte. Das wurde ja immer besser. „Kann ich mal kurz telefonieren?“

Eric fing an zu grinsen. „Ich weiß nicht, ob du das kannst, aber du darfst natürlich.“

Ich lächelte gequält. Sollte das ein Witz gewesen sein? Weil wenn das die Art ist, wie die Leute in Neumünster Witze machen, dann war ich mit meinem ausgebildeten Sarkasmus und meinen ganzen ironischen Andeutungen hier falsch.

Eric zeigte mir das Telefon und ich wählte Felicias Nummer.

„Keyser?“, meldete sich Felicias.

„Mama? Ich bin’s, Emma“

„Emma? Ist etwas passiert, sind Sabine und Jens besessen oder so etwas? Oder stimmt irgendetwas nicht mit Eric?“

„Nein, keine Sorge, denen geht es gut“

„Und dir, geht es dir auch gut?“

„Ja Mama. Ich habe ein anderes Problem. Die wollen hier heute eine Party feiern. Ich kann also nicht weg und...“, ich sah mich um, ob jemand lauschte, „und jagen“, fügte ich mit gesenkter Stimme hinzu.

Felicias schwieg. Wahrscheinlich dachte sie nach.

„Dann musst du gucken, ob du während der Party flüchten kannst, ob du nach der Party noch fit genug bist oder du gehst erst morgen Nacht, dann kann ich es auch nicht ändern.“

„Okay, ich hab dich lieb, Tschüss“, beendete ich das Gespräch.

„Sei vorsichtig“, warnte mich Felicias noch, dann war das Gespräch zu Ende.

„Ich habe deine Sachen ins Gästezimmer gebracht.“ Ich erschrak als ich eine tiefe Stimme hinter mir hörte. Ich drehte mich um. Hinter mir stand Onkel Jens. Ich entspannte mich.

„Hab ich dich erschreckt?“, fragte er mit breitem Grinsen im Gesicht. Ich zwang mich zu einem Lächeln. „Nein natürlich nicht“, log ich. Sein Grinsen wurde noch breiter. Ich verdrehte die Augen und ging ins Gästezimmer.

Das Gästezimmer war eigentlich eine Abstellkammer, wo man mit Mühe ein Bett, eine Kommode und, damit es nicht zu kalt wurde, da es keine Heizung in dem Zimmer gab, einen kleinen elektrischen Heizofen, den man beim Zelten ins Zelt stellt, reingestopft hatte. Mehr als zwei Personen passten auf keinen Fall rein und die mussten schon ziemlich eng an beieinander stehen. Mein Koffer lag auf dem Bett. Ich nahm ihn runter und stellte ihn vor die Kommode. Es gab kein Fenster, deswegen schaltete ich das Deckenlicht an und legte mich auf das Bett. Ich wollte mich noch ein bisschen entspannen bevor die Gäste kamen.

Ich war gerade in Bis(s) zum Morgengrauen vertieft, als es klopfte. Es war Eric. Ich legte mein Buch zur Seite und blickte ihn fragend an. „Die Gäste kommen gleich. Also wenn du dir noch etwas anderes anziehen möchtest... oder wenn du dich noch irgendwie fertig machen musst, solltest du dich besser beeilen“, sagte er. Ich nickte nur und Eric drehte sich um und ging. Ich hatte eigentlich wenig Lust auf die Party, aber wenn sie sich schon nicht vermeiden ließ. Ich hievte meinen Koffer aufs Bett und kramte nach meiner roten Jeans.

Farbige Jeans waren diesen Sommer sehr angesagt gewesen und da ich sonst nur schwarze Hosen hatte, hatte ich mir diese gekauft gehabt.

Ich zog sie mir an und suchte meinen roten Nietengürtel.

Ich mochte Nietengürtel und hatte mir passend zu meiner roten Jeans den Gürtel gekauft gehabt. Das Band war rot und mit roten und schwarzen Nieten besetzt.

Danach suchte ich mein schwarzes T-Shirt mit der Erdbeere, welches bequem und gleichzeitig gut zur Hose passte. Ich zog es an, holte meine Kulturtasche aus dem Koffer und ging ins Badezimmer, welches glücklicherweise direkt neben dem Gästezimmer lag. Ich tuschte mir die Wimpern, unterstrich meine Augen mit schwarzen Kajal, umrandete meine Lippen mit rotem Lipliner und füllte meine Lippen mit rotem Lippenstift aus. Ich besprühte meine Haare mit etwas Haarspray und zupfte sie zurecht. Jetzt hingen sie mir nicht mehr schlaff am Gesicht herunter, sondern hatten etwas Volumen. Ich betrachtete mein Spiegelbild und war mit mir zufrieden. Ich suchte meine Sachen zusammen und ging zurück ins Gästezimmer. Auf dem Weg dorthin sah ich, dass ein paar Gäste schon da waren. Ich verstaute meine Kulturtasche wieder im Koffer, stellte diesen beiseite. Versuchte möglichst unverkrampft zu lächeln und ging ins Wohnzimmer, von wo ich bereits laute Musik hörte.

Naive

Ich war etwas nervös, als ich auf Erics Haus zuging. Ich hatte mir am Nachmittag noch ein bordeauxrotes Hemd gekauft, da ich nur schwarze Sachen besaß. Demzufolge trug ich eine schwarze Jeans und unter meinem Hemd ein schwarzes T-Shirt.

Als ich an der Hautür ankam, klingelte ich. Eric öffnete.

„Luke! Schön dass du gekommen bist!“, rief Eric als er mich erkannte. „Und du trägst etwas anderes als schwarz“, fügte er verwundert hinzu, nachdem er mich gemustert hatte.

„Hallo Eric“, sagte ich lächeln. Erics gute Laune war einfach ansteckend. Er ließ mich ein und ich ging hinein.

Laute Musik kam mir aus dem Wohnzimmer entgegen und ich verzog mein Gesicht. Hip-Hop. Ich hasste Hip-Hop. Es könnte vielleicht auch daran liegen, dass ich nur Metal hörte. Am liebsten Death-Metal und Hip-Hop hatte überhaupt nichts mit Metal gemein. Ich seufzte und ging weiter meinem Schicksal entgegen. Das Wohnzimmer war voll. Überall sah ich tanzende Paare, die zur Musik so richtig abgingen. Ich erkannte ein paar Leute, Sören, Julia, Julian und Philipp waren auf der Tanzfläche. Ich sah mich weiter um und sah Jonathan, der weiter hinten an der Bar saß und Trübsal blas. Ich ging zu ihm.

„Hey Jo.“

„Luke, du bist auch hier?“ Jonathan schien positiv überrascht.

„Ja, ich hatte nichts besseres zu tun“, meinte ich nur. Jonathan konnte ja nicht wissen, was ich normalerweise um diese Uhrzeit tat. Genauer gesagt durfte er es gar nicht wissen. Meine Identität als Jäger musste absolut geheim bleiben. Die Menschen wissen nicht, was ihnen in der Dunkelheit auflauert und welche Gefahr sie täglich umgibt. Die Panikattacken die aufkommen würden, wenn sie es erfahren würden, will ich mir lieber nicht ausmalen.

„Und warum bläst du hier Trübsal?“, fragte ich ihn.

„Mich fordert ja doch keiner zum Tanzen auf.“

„Ist etwa Damenwahl?“, fragte ich argwöhnisch.

„Nein“, antwortete Jonathan verdutzt, „Wieso sollte?“

„Na dann ist es doch kein Wunder, dass sich niemand zum Tanzen auffordert. Die warten doch alle, dass du sie aufforderst! Zum Beispiel das Mädchen mit den langen, braunen Haaren dort hinten. Die guckt die ganze Zeit herüber.“

Jo guckte in die Richtung.

„Wahrscheinlich wegen dir“, meinte er niedergeschlagen. Ich schüttelte den Kopf. „Bestimmt nicht“, versuchte ich ihm zu versichern. Doch ganz überzeugt war ich nicht. Meine Muskeln, die ich von meinen ganzen Trainingseinheiten - in dieser Sache ließ Julius nicht mit sich reden- bekommen hatte, wirkten auf viele Mädchen anziehend. Auch schien ich auf irgendeine Weise gut auszusehen. Ich nahm das zwar nicht so wirklich war, aber ich bekam es immer wieder zu hören.

Jonathan schien mit sich zu ringen. „Na komm schon, geh hin“ versuchte ich ihm Mut zu machen. Er erhob sich und ging vorsichtig auf das Mädchen zu. Ich wollte diskret sein und drehte mich weg. Und da sah ich sie. Sie hatte schulterlange, blonde Haare und sah ziemlich verloren aus. Ich hatte sie schon einmal gesehen. In meinem Traum von vergangener Nacht. Ich konnte mich zwar nicht mehr an den genaueren Inhalt des Traumes erinnern, doch als ich aufwachte hatte ich ihr Bild vor Augen. Sie sah sich hilflos um. Ich schluckte zweimal und ging dann langsam auf sie zu.
 

***

Ich hatte mich etwas abgesondert und stand an die Wand gelehnt einfach nur da. Partys waren definitiv nichts für mich. Weder das ganze versuchte getanzte, noch die Temperatur- es war viel zu heiß- noch die Musik. Meine Musikrichtung beschränkte sich auf Synfonic-Metal und Gothik-Rock. Also eher Bands wie Within Temptation, Nightwish oder Jesus on Extasy.

Aber definitiv kein Hip-Hop.

Ich hatte die Gedanken der ganzen Leute vollkommen ausgeblendet. Das war auch besser, denn wenn mich jemand ansprechen würde, könnte es passieren, dass ich aus versehen auf die Gedanken antworten würde und nicht auf das Gesagte. Das war mir schon einmal passiert. Peinliche Sache. Ich war auf einer Party und mich hatte ein sympathisch aussehender Junge angesprochen. Ich hatte vergessen seine Gedanken auszublenden und hörte wie er an seine Freundin dachte. Er schien nichts anderes als einen kleinen Flirt im Sinn zu haben, doch ich machte ihn darauf aufmerksam, dass es seiner Freundin wohl nicht gefallen würde. Da er mich und ich ihn vorher noch nie gesehen hatte, war er verdattert von dannen gezogen. Seitdem blendete ich- besonders auf Partys- die Gedanken der Leute aus. Es war auch angenehmer nicht ständig Stimmen zu hören.

Ich ließ meinen Blick durch den Raum schweifen. Ich sah die ganzen tanzenden Leute auf der Tanzfläche und ein paar Mädchen dahinter. Irgendetwas schien sie köstlich zu amüsieren. Ich blickte weg und sah ihn. Er stand mit einem etwas dicklicheren Jungen an der Bar. Ich betrachtete seine Kinnlangen, schwarzen Haare und seine nicht zu übersehenden Muskeln. Ich mache mir zwar nicht besonders viel aus Muskeln, etwas molligere Typen- wie Kai- sind mir sogar lieber, doch diese Muskeln fesselten meinen Blick. Und dann drehte er sich um. Schnell senkte ich den Blick. Doch die wenigen Sekunden in denen ich sein Gesicht sah, nahmen mir den Atem und ich spürte, wie ich rot wurde. Vorsichtig lugte ich in seine Richtung. Ich erschrak. Er kam genau auf mich zu.
 

***
 

„Hey“, sprach ich sie an. Kein besonders guter Spruch, doch etwas besseres fiel mir nicht ein. Sie sah mich an und ich sah wie sie errötete. Die Farbe passte perfekt zu ihrem Outfit, welches sich auf schwarz- rot beschränkte. Genau wie meins. Diese Tatsache lies mich erröten. Das Mädchen blickte auf. Ich sah, dass auch sie rot angelaufen war. „Hey“. Ihre Stimme war in dem Lärm kaum wahrnehmbar. Ich versuchte zu lächeln, doch es schien mir nicht so richtig zu gelingen. Dann trafen sich unsere Blicke und ich verlor den Faden. „Äh... ich.. also... wie heißt du?“ Oh mein Gott! Ich redete nur Müll. Das Mädchen lächelte: „Emma“.

„Hallo Emma“. Und jetzt? Oh Gott, was jetzt? „Äh... ich heiße... Luke... glaub ich“ Ich musste inzwischen scharlachrot sein.
 

***

Der Junge schien ganz sympathisch zu sein. Auch er wusste nicht so recht, was er sagen sollte. Ich tat etwas, was ich sonst vermied. Ich las seine Gedanken. Genauer gesagt ich versuchte es. Es gelang mir nicht. Ich konnte seine Gedanken nicht lesen. Ich war total überrascht. Wahllos las ich die Gedanken von anderen in diesem Raum. Alles klappte. Ich konzentrierte mich und konnte sogar die Gedanken meiner Tante und meines Onkels lesen, obwohl diese sich nicht einmal im gleichen Zimmer befanden. Ich versuchte es noch einmal bei diesem Jungen, der sich als Luke vorgestellt hatte. Es funktionierte einfach nicht.

Ich überlegte mir eine neue Strategie, einfach abwarten. Ich musste einfach auf seinen Plauderton eingehen. Vielleicht kam ich hinter das Geheimnis.
 

***

‚glaub ich’ so ein Mist! Was hatte ich da nur wieder gelabert?

„Luke? Interessanter Name. Du heißt nicht zufälligerweise Skywalker mit Nachname?“ fragte Emma. Ich war erleichtert. Offensichtlich nahm sie mein Gerede mit Humor. „Nein, leider nicht“, meinte ich.

„Wieso leider?“ Ihr Lächeln brachte mich wieder etwas raus. Als ich mich wieder fing, musste ich auch lächeln.

„Luke Skywalker hat einen interessanten Charakter in Star Wars. Er ist mutig, begabt und kommt gut über den Verlust seiner Tante und seines Onkels hinweg bzw. verkraftet sogar die Tatsache, dass Darth Vader sein Vater ist.“

„Ach so“. Emma schien nachzudenken. „Wie heißt du denn mit Nachnamen?“, fragte sie schließlich.

„Baltzer“.
 

***

Mir stockte der Atem. Baltzer hatte er gesagt. Er heißt Baltzer mit Nachnamen. Genau wie ich. Als Felicia mich adoptiert hatte, hatte sie mich vor die Wahl gestellt, ob ich ihren Namen annehmen wollte oder ob ich Baltzer behalten wollte. Er konnte doch unmöglich genau so heißen wie ich. Andererseits gab es bestimmt viele Leute, die Baltzer mit Nachnahmen heißen. Trotzdem... es gibt zwei Sachen an die ich nicht glaubte, an Zufälle und an Kobolde.
 

***
 

Emma schien ziemlich bestürzt, als ich ihr meinen Nachnamen nannte. Ich überlegte verzweifelt, was ich falsches gesagt hatte. „Wie heißt du denn mit Nachnamen?“, fragte ich sie. Das war die einzige Frage, die mir spontan einfiel.

Sie sah mich ganz komisch an. Sie zögerte bevor sie antwortete: „Baltzer“. Ich war genauso verdutzt, wie sie noch ein paar Sekunden zuvor. Ich überlegte fieberhaft, was ich jetzt tun sollte. Ich zuckte zusammen, als auf einmal statt der Hip-Hop- Musik Rockmusik ertönte. Die Musik wurde noch etwas lauter. Wenn ich dieses Rätsel lösen wollte, musste ich mit ihr in Ruhe sprechen.

„Können wir uns irgendwo ungestört unterhalten?“, fragte ich sie.

Sie schien zu überlegen, dann nickte sie. Sie führte mich aus dem Wohnzimmer in ein kleines Zimmer. Ich erkannte es. Es war das Gästezimmer. Als ich noch kleiner war, hatte ich öfter hier übernachtet. Das war bevor ich wusste, was ich war. Dann musste Emma Erics Cousine sein, schlussfolgerte ich.

Das Zimmer war immer noch so klein wie eh und je. Da es kein Stuhl gab, setzten wir uns beide auf das Bett. Es war mir zwar etwas unangenehm, aber es gab keine alternative.

„Du heißt also auch Baltzer?“, durchbrach sie die Stille. Ich nickte. „Wie deine Eltern nehme ich an?“ Das war keine Frage, sondern eine Feststellung. Ich nickte wieder.

„Meine Mutter habe ich nie kennengelernt.“ Emma sah mich mitleidig an. Ich senkte den Blick. „Mein Vater hat mich aufgezogen. Das war nicht immer einfach und oft vermisse ich meine Mutter, aber irgendwie habe ich es die ganzen sechzehn Jahre überlebt.“ Ich merkte wie mir in Erinnerung daran die Tränen in die Augen stiegen. Das war mein einziger Schwachpunkt. An dem war ich sehr verletzlich. Ich hielt meine Tränen zurück. Wie sah das denn auch aus. Emma streckte vorsichtig ihren Arm aus und strich mir sanft über den Arm. Ihre Berührung tat gut und ich konnte meine Tränen verdrängen.

„Ich weiß, wie es dir geht“, meinte sie auf einmal. Ich sah sie fragend an. „Ich bin adoptiert“. Auch sie sah auf einmal sehr traurig aus. Jetzt war ich derjenige, der seine Hand ausstreckte und vorsichtig ihren Arm streichelte. „Meinen Vater habe ich nie kennengelernt und meine Mutter hat mich ausgesetzt als ich gerade mal ein Jahr alt war. Zehn Jahre später nahm mich Felicia bei sich auf.“ Ihre Stimme brach ab.

Mir fiel mein Traum wieder ein. Es ging um ein Mädchen, dass adoptiert wurde. Dieses Mädchen sah genauso aus wie Emma. War das wieder einer meiner Visionen, die mich im Schlaf befallen? Ich hatte öfter Visionen. Die angenehmsten waren die, die ich bekam, wenn ich schlief. Dann träumte ich einfach nur. Doch manchmal bekam ich auch Visionen, wenn ich wach bin. Das sieht dann aus als würde ich einen Anfall kriegen. Bekam ich im Prinzip auch. Ich bekam einen heftigen Migräneanfall und klappte zusammen. Nach der Vision hatte ich immer noch heftige Kopfschmerzen. Außerdem waren meine Tagvisionen sehr vage. Da waren meine Traumvisionen schon präziser. Aber was hatte Emma mit meinem „Job“ zu tun. Ich habe nur Visionen, die mit meiner Tätigkeit als Jäger zu tun haben.

Ich sah sie wieder an. Ich schreckte leicht zusammen. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass wir beide uns näher gekommen waren.

Mystify

Ich war leicht überrumpelt, als Luke auf einmal näher kam. Doch irgendwie zog er mich magisch an. Auch ich rückte näher. Jetzt konnte ich sein Geruch wahrnehmen. Er roch angenehm. Nicht wie andere, die sich mit Deo eindieseln als würden sie wochenlang nicht duschen und müssten ihren Gestank überdecken. Ich blickte in seine blauen Augen und verlor mich in ihnen. Sie waren von so einem intensiven blau. Sie waren nicht hellblau, so wie bei den meisten, sondern ziemlich dunkel. Ich sah wie sein Gesicht immer näher kam. Auch ich kam ihm automatisch näher. Wir hielten erst an als sich unsere Nasen bereits berührten.

Mit einem Mal sah ich Kais Gesicht vor meinem inneren Auge. Augenblicklich zog ich mich zurück.
 

***

Oh mein Gott! Hatte ich etwas falsch gemacht? Oder warum machte sie auf einmal einen Rückzieher. Moment mal, was mache ich hier eigentlich? Ich wollte das Mysterium unseres gemeinsamen Nachnamens lösen und sie nicht verführen. Aber irgendetwas an ihr hat mich magisch angezogen. „Es tut mir leid“, war das einzige, was ich herausbrachte. Sie schüttelte nur den Kopf. Ich sah wie in ihren Augen Tränen standen. „Ich... ich gehe jetzt lieber“, sagte ich und wollte aufstehen. „Nein... es ist schon gut... es war mein Fehler...“, sagte Emma und legte mir eine Hand auf die Schulter, zog sie jedoch gleich wieder zurück. Auch ich hatte den elektrischen Schlag gespürt, den ihre Berührung ausgelöst hatte.

Ich setzte mich wieder und sah sie an. Sie schien irgendetwas vor sich hin zu murmeln. Ich versuchte es zu verstehen. Es klang wie ‚Kai’. Ich schluckte. Dann nahm ich meinen ganzen Mut zusammen. Ich wollte ihr nicht wehtun, doch ich musste es sie einfach fragen: „Wer ist Kai?“

Sie sah mich traurig an. „Kai ist in der gleichen AG wie ich.“ Sie schluckte. „Ich... ich... habe mich in ihn verliebt... doch er empfindet nicht das Gleiche... für mich... und es... fühlte sich einfach falsch an... ich kam mir auf einmal wie ein billiges Flittchen vor... ich... es...“, sie brach ab.

Ich war überrascht. So etwas hatte ich nicht erwartet. Ich hätte gedacht, dass Kai ihr freund ist und sie deswegen Gewissensbisse quälen. Aber das war etwas anderes, in Gewisserweise.

Ich nickte. „Das versteh ich.“ Ich versuchte zu lächeln, doch es gelang mir nicht. „Es war einfach nur dumm von mir... ich... wir wollten doch eigentlich nur reden, weil wir den Gleichen Nachnamen haben...“ Ich brach ab.

Sie nickte: „Ja, das sollten wir klären“.
 

***
 

Es fühlte sich so falsch an. Da saß mir dieser fremde, gutaussehende Junge gegenüber und das erste, was ich machen wollte, war ihn zu küssen. Und das obwohl ich erst heute morgen- kaum zu glauben das es tatsächlich erst vor so kurzer Zeit war, mir kam es viel länger vor- eine Abfuhr erhalten hatte. Und das von einem Typen, dem ich schon seit einem knappen Jahr hinterher lief.

Ich sah wieder Luke an. Er sah tatsächlich gut aus. Ganz anders als Kai. Kai hatte kurze, blonde Haare, grüne Augen und war nicht ganz schlank- er hatte durchaus einen kleinen Bauch-, was mich aber nicht störte. Auch hatte er die ganze Zeit ein Lächeln auf den Lippen und sein Charakter war einfach unübertrefflich. Luke hingegen hatte kinnlange, schwarze Haare, dunkelblaue Augen und war muskulös. Unter seinem Hemd konnte man zwar nicht viel erkennen, aber ich hätte schwören können, dass er ein Sixpack hatte. Er war eher nachdenklich und seinen Charakter konnte ich noch nicht wirklich einschätzen. Zum einen schien er ganz sympathisch, zum anderen war da diese Sache von eben und der Nachname schien mir auch nicht ganz rein.

„Also... Nachname“, sagte er. Ich schrak aus meinen Gedanken auf. Hatte ich ihn wirklich die ganze Zeit angestarrt? „Äh... ja“, war das einzige, was ich herausbrachte. „Also“, fuhr er fort, „ich habe den Nachnamen meines Vater- und meiner Mutter, wenn ich sie je kennengelernt hätte. Das lässt sich also alles nachprüfen. Bei dir ist es etwas anders. Ich will jetzt nicht sagen, dass du lügst oder so. Aber deine Mutter hätte doch, als sie dich ausgesetzt hatte, einen falschen Namen auf die Geburtsurkunde setzen können. Rein theoretisch.“ Ich lies die Worte auf mich wirken und dachte nach.

„Wieso hätte sie das tun sollen?“, fragte ich schließlich. Jetzt schien Luke nachzudenken. „Vielleicht“, sagte er zögerlich, „vielleicht... damit man sie nicht über den Namen aufspüren konnte.“ Ich sah auf die Uhr. Mist schon so spät! Irgendwie musste ich Luke von hier weg bekommen, wenn ich noch jagen wollte. Also fing ich an munter drauf los zu brabbeln.

„Ja... also... wahrscheinlich ist das mit dem Nachnamen einfach nur ein Zufall. Oh nein! Sieh nur wie spät es ist! Macht sich dein Vater denn keine Sorgen? Also ich finde du solltest jetzt gehen“. Und um meinen Worten Nachdruck zu verleihen, stand ich auf und hielt ihm die Tür auf. Er schien reichlich verwirrt über meinen plötzlichen Stimmungswandel, doch er stand auf und ging, nicht ohne mir noch einen letzten, verletzten Blick zuzuwerfen. Er tat mir leid, doch ich hatte keine Zeit, um mich bei ihm zu entschuldigen.
 

***
 

Ich war reichlich verwirrt. Was hatte ich denn getan oder gesagt, dass sie so gekränkt hatte, dass sie mich einfach so rausschmiss? „Luke, du bist noch hier?“, fragte Eric überrascht. Ich sah auf und bemerkte, dass er bereits im Schlafanzug war. „Ähm... ja... wie spät ist es?“ Ich war doch höchstens fünf Minuten mit Emma alleine gewesen. „Es ist gleich elf“, sagte Eric. Oh Gott! Ich nahm mir meine Jacke und rannte nach Hause. Ich dachte angestrengt nach. Wie konnte ich drei Stunden mit Emma in einem viel zu kleinem Gästezimmer verbringen, so dass es mir gerade mal wie fünf Minuten vorkam? Das war doch gar nicht möglich. Grüblerisch rannte ich nach Hause. Ich wollte möglichst schnell möglichst viele Meter zwischen mir und Emma bringen. Ich gestand es mir zwar selbst noch nicht ein, aber ihre plötzliche Schroffheit hatte mich verletzt. Ich hätte nicht gedacht, dass das möglich wäre.
 

***
 

Ich hörte, wie Eric in sein Zimmer ging. Er hatte seine Zähne geputzt und würde gleich einschlafen so müde wie er ausgesehen hatte. Tante Sabine und Onkel Jens schliefen bereits. Ich lauschte nach Erics Gedanken und schon bald waren sie in Träume übergegangen. Ich seufzte einmal tief, schloss das Gästezimmer ab und hievte meinen Koffer aufs Bett. Ich suchte meine schwarze Jogginghose und meinen schwarzen Pullover und zog sie an. Dann suchte ich mir meine Waffen zusammen. Ich würde nur einen Pflock und ein Kruzifix mitnehmen. Dann öffnete ich das Fenster über der Kommode und kletterte nach draußen. Ich lauschte doch alles bleib ruhig. Ich hatte also niemanden aufgeweckt.

Der Friedhof war ganz in der Nähe und leicht zu finden. Da ich niemanden schreien hörte, sah ich mich erst mal nach neuen Gräbern um. Der Friedhof war groß, daher dauerte das eine Weile. Ich konnte jedoch nichts entdecken. Ich setzte mich auf eine Bank und konzentrierte mich. Wenn jemand auf diesem Friedhof war, dann würde ich seine Gedanken hören können. Außer es wäre wie bei Luke. Plötzlich kamen mir Zweifel. Was wäre, wenn ich meine Gabe verlor? Das wäre schrecklich! Ich würde schwächer werden und bei der Jagd ungeschützter, da ich die Strategie der Vampire erst durchschauen müsste. Ich seufzte und blieb auf meiner Bank sitzen.

Dort blieb ich die ganze Nacht, doch nichts ungewöhnliches geschah. Im Morgengrauen ging ich wieder zurück. Ich war total müde. Und tatsächlich ich schlief den ganzen Tag. Zum Glück hatte ich die Tür wieder aufgeschlossen gehabt, so dass sich Tante und Onkel keine Sorge machen mussten.

Auch in der nächsten Nacht war ich wieder auf der Jagd. Doch auch diesmal ließ sich nichts übernatürliches blicken.

Tante Sabine, Onkel Jens und Eric brachten mich am Sonntag zum Bahnhof.

„Schade das du schon gehen musst, oder sollte ich lieber fahren sagen?“, meinte Eric zum Abschied. Ich verdrehte die Augen. Diese Art von Humor war mir einfach zu dumm. Zum Glück sah es niemand.

Ich hatte die ganzen Nächte durch immer wieder nachgedacht. Über Luke, mein Leben, mein Schicksal und meine Zukunft. Um nicht wieder in dieses ewige Grübeln zu verfallen, holte ich Bis(s) zum Morgengrauen aus meinem Koffer und fing an zu lesen.

Ich war gerade an der Stelle, wo die Cullens sich aufteilen, um Bella vor dem Tracker zu schützen, als sich mein Instinkt meldete. Ich schaute auf. Vor mir saß ein Mann. Ich erschrak. Ich hatte nicht bemerkt, dass sich jemand zu mir gesetzt hatte.

Der Mann – jedenfalls glaubte ich, dass es ein Mann war – trug einen langen, schwarzen Mantel, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Der Mann sah auf und ich schrak zurück. Die Augen des „Mannes“ waren glühend violett. Mir war sofort bewusst, dass dies kein Mann war. Es war ein Dämon. Genauer gesagt ein Meror-Dämon, der Vorbote der Apokalypse. Felicia hatte sie mir immer wieder beschrieben, damit ich, wenn ich je einen treffen sollte, mich in Acht nehmen würde. Und jetzt saß mir so ein Dämon direkt vor der Nase. Ich wagte kaum zu atmen. Der Meror verbrannte mich praktisch mit seinem Blick. Ich konnte mich nicht rühren, nicht einmal meinen Blick abwenden. Ich wusste nicht wie lange wir so dasaßen, doch auf einmal drang die Stimme des Schaffners zu meinen Ohren: „Die Fahrkarten, bitte!“ Von einem Moment auf den anderen war der Meror verschwunden. Ich konnte nicht mehr. Ich sank vornüber und verlor das Bewusstsein.

Als ich erwachte, bemerkte ich, dass sich jemand über mich beugte. Allein aus Reflex sprang ich auf und ging auf Abstand. Mein Gegenüber schien nicht mit so einer spontanen Reaktion gerechnet zu haben und schrak zurück. Als meine Sinne wieder klarer wurden, erkannte ich die Uniform. Es war der Schaffner, der sich anscheinend Sorgen um mich gemacht hatte, als ich da so leblos rumlag.

„Alles in Ordnung, junges Fräulein“, fragte er mich vorsichtig. Ich war zu benommen, um mich über die Wortwahl aufzuregen. ‚Junges Fräulein’. Ich hatte mehr gesehen, als er je sehen wird. Wenn ich nicht wäre, wäre die Welt schon ein paar Mal untergegangen. Natürlich konnte er das nicht wissen, aber ich hasste es als Kind behandelt zu werden. Von der Reife her war ich schon mindestens 25.

„Mir geht’s gut“, stammelte ich, als ich mich so weit gefasst hatte, dass ich antworten konnte.

„Sie sehen aber nicht so aus“. Der Schaffner musterte mich besorgt. Anstelle einer Erwiderung schaute ich aus dem Fenster und fragte: „Wo sind wir gerade?“

„Wir erreichen in Kürze den Braunschweiger Hauptbahnhof“.

„Da muss ich raus. Ab dort wird sich dann meine Mutter um mich kümmern“, sagte ich und wich dem besorgten Blick des Schaffners aus, der mich musterte, als ob ich verrückt wäre.

Der Zug wurde langsamer. Ich nahm meine Sachen und quetschte mich an dem Schaffner vorbei, der keine Anstalten machte, zur Seite zu gehen.

Ich drehte mich nicht mehr um, spürte aber immer noch den Blick des Schaffners auf meinem Rücken, bis ich die Abteilungstür hinter mir schloss und er mich nicht mehr sehen konnte.

Ich stieg aus dem Zug aus und guckte mich suchend um. Ich entdeckte Felicia schnell und ging auf sie zu. Doch dann erstarrte ich. Hinter ihr sah ich den Meror-Dämon, unbemerkt von der Menge und er ging zielstrebig auf Felicia zu. Mir fielen meine Taschen aus den Händen.

„Nein!“, es war nur ein krächzen. Mehr brachte ich einfach nicht heraus.

List for the apokalypse

Ich lag auf meinem Bett und dachte an die Party von Eric, und an Emma. Sie sah so gut aus in ihrer roten Jeans und ihrem schwarzen Oberteil. Aber was war in dem Gästezimmer passiert. Wieso waren zwei Stunden vergangen, während es mir wie fünf Minuten vorkamen? Ich ging in Gedanken noch einmal alles durch, was wir gesagt und getan hatten. Es war unmöglich das bisschen, was wir gesprochen hatten auf zwei Stunden zu verteilen. Irgendetwas stimmte da nicht.

Ich lebte schon zu lange in direkter Nähe von Vampiren, Dämonen und anderen Ausgeburten der Hölle, als dass ich glauben konnte, dass mir meine Erinnerungen oder mein Zeitgefühl einen Streich spielten.

Ich war so sehr in meine Gedanken vertieft, dass ich gar nicht hörte, wie Julius nach mir rief.

„Luke, Luke komm schnell!“, rief er erneut. Diesmal bemerkte ich es und sprang auf. Ich war viel schneller bei ihm, als es einem normalem Menschen möglich ist. Das verdankte ich meinen Jägerkräften.

„Was ist passiert?“, fragte ich, als ich Julius im Flur antraf. Er war gerade dabei sich Schuhe und Jacke anzuziehen.

„Hast du den Schrei nicht gehört?“, fragte er fassungslos.

Ich stutzte. „Welchen Schrei?“, fragte ich. War ich wirklich so sehr in meine Gedanken vertieft gewesen?

„Den Schrei aus dem Nachbarhaus. Irgendeiner unserer neuen Nachbarn hat geschrieen“, erklärte Julius.

Ich hatte innerhalb von Sekunden meine Schuhe und meine Jacke an und rannte gemeinsam mit Julius zum Nachbarshaus. Wir klingelten und klopften wie verrückt, doch nichts rührte sich. Ich schaute Julius an und er nickte. Ich trat die Tür mit einer Leichtigkeit ein, die verboten gehörte, aber ziemlich nützlich sein konnte.

In diesem Moment passierte es. Ich bekam eine Vision. Eine von diesen extrem schmerzhaften, tages Visionen.

Das Problem an meinen Tagesvisionen ist, dass sie sehr vage sind. Ich sehe Bilder, die sehr schnell umspringen und ich fühle die Gefühle der Personen, die ich sehe.

Ich sah unsere Nachbarin blutend auf dem Boden, dann sprang das Bild um. Der Boden kam mir entgegen. Ich sah Julius Körper leblos und ohne Kopf auf einen Friedhof liegen. Ich wand mich vor Schmerz auf dem Boden, denn ich fühlte die Schmerzen, die unsere Nachbarin und Julius durchleben mussten bzw. müssen. Das Bild wechselte wieder. Ich erkannte einen Wald und auf dem Waldboden da lag... Ich konnte gar nicht hinsehen. Das war Julius Kopf. Ich betete, dass die Vision aufhören möge, doch stattdessen wechselte das Bild erneut. Ich befand mich jetzt auf einem Bahnhof, der mir nicht bekannt vorkam. Es war definitiv kein Bahnhof aus der Umgebung. Dann sah ich Emma und ihr Gesicht war leichenblass und schreckverzerrt. Dann änderte sich die Perspektive und ich sah einen Dämon der in meine Richtung kam. Ich spürte Angst und wusste (keine Ahnung woher, aber ich wusste es) das ich aus Emmas Perspektive guckte und es ihre Angst war. Sie hatte keine Angst dem Dämon gegenüber zu treten, sondern um eine andere Person. Eine Frau, die auf mich/ sie zuging. Dann brach die Vision ab und ich kam wieder zu mir, auf der Steintreppe unserer Nachbarin. Ich hatte höllische Kopfschmerzen.

„Oh Gott!“, war das einzige, was ich hervorbrachte. Dann sah ich Julius blutverschmiert auf mich zu kommen.

„Luke ist alles in Ordnung?“, fragte er und kniete sich neben mich. Vorsichtig half er mir mich aufzusetzen. „Du hattest eine Vision“. Das war keine Frage, sondern eine Feststellung.

Ich nickte, dann sah ich das Blut an seinen Sachen und fragte: „Was ist passiert?“

„Unsere Nachbarin wurde regelrecht abgeschlachtet.“ Julius erschauderte. „Wahrscheinlich waren es besonders blutrünstige Vampire. Sie haben ihr die halbe Kehle abgerissen, ihr weitere Wunden zugefügt und dann verbluten lassen.“

„Oh Gott“, stöhnte ich erneut.

„Komm wir rufen die Polizei, die soll die Leiche wegschaffen und dann musst du mir alles aus deiner Vision erzählen. Ich nickte und ließ mich von ihm zu unserem Haus führen, wo ich erst mal zwei Kopfschmerztabletten einwarf.
 

„Und du sagst, du kennst dieses Mädchen aus deiner Vision?“, fragte Julius ungläubig. Ich nickte. Die Polizei hatte die Leiche geborgen und uns befragt. Jetzt saßen wir in unserer Küche und ich erzählte ihm alles von meiner Vision.

„Ja, ich habe sie auf der Party neulich kennengelernt. Die Party von Eric, sie ist seine Cousine oder so. Und sie heißt auch Baltzer mit Nachnahmen. Ist das nicht merkwürdig? Sie hat den gleichen Nachnahmen wie ich und dann habe ich eine Vision von ihr, wo sie keine Angst vor einem Dämon hat, wohl aber um eine andere Person.“

Julius zuckte mit den Schultern. „Das kann Zufall sein.“

Ich war fassungslos. In Julius Welt gab es keine Zufälle schon gar nicht in Zusammenhang mit einer von meiner Vision. Ich habe schon von früh auf gelernt, dass es zwei Sachen gibt, an die ich nicht glauben sollte. An Zufälle und an Kobolde. Und jetzt versuchte er mir weiszumachen, dass alles nur ein Zufall sein soll?

Julius stand auf und wandte sich zur Tür. „Das ist alles?“, fragte ich langsam wütend, „was ist mit meiner Vision? Du und andere sind in Gefahr und du tust nichts?“

Julius wandte sich halb wieder um. „Ich kümmere mich darum. Geh du lieber ins Bett und ruh dich aus. Du solltest heute nacht besser nicht jagen gehen.“ Er drehte sich um und ging hinaus.
 

Ich hörte nicht auf ihn. Sobald ich glaubte Julius würde schlafen, zog ich mich an und kletterte aus dem Fenster. In meinem Gürtel steckte meine Beretta mit Silberkugeln. Die altmodische Variante mit Holzpflock war längst überholt. Vampire sind allergisch gegen Silber und Dämonen lassen sich so ziemlich alle mit Kugeln töten. Das Raus“klettern“ ist für mich kein Problem. Als Jäger kann ich einfach aus dem Fenster springen und komme wie eine Katze immer sanft auf meinen Füssen auf. Sobald ich unten war, machte ich mich auf dem Weg zum Friedhof.

Ich schlenderte über den Friedhof, bis mir ein neues Grab auffiel. „Hans Müller“ stand auf dem Grabstein. Der Name kam mir nicht bekannt vor und ich wollte schon weiter gehen als sich die frische Erde bewegte. Eine Hand wühlte sich heraus. Ich wartete bis der halbe Körper des Menschen mit der Dämonenmaske eines Vampirs sich oberhalb der Erde befand, dann schoss ich. Ich schoss dreimal direkt ins Herz. Eigentlich hätte einmal gereicht, doch ich ging immer auf Nummer sicher. Der Vampir zappelte noch ein bisschen, dann zerfiel er zu Staub. Meine Schüsse hatte niemand gehört, da meine Beretta einen Schallschutz hatte. Der Rest der Nacht verlief ruhig und als es dämmerte ging ich zurück nach Hause. Dort sprang ich einmal hoch und bekam mein Fenstersims zu fassen und kletterte rein. Das obwohl mein Zimmer sich im zweiten Stock befindet.

Ich hatte gerade meine Schuhe ausgezogen als ich Julius’ Stimme hörte. Er schien mit irgendjemandem zu sprechen, doch ich hörte keine zweite Stimme. Vorsichtig öffnete ich meine Tür und schlich zur Treppe. Unten stand Julius und telefonierte. Ich lauschte.

„Ja, ich glaube es geht jetzt richtig los... Nein, dafür ist es noch zu früh... Er hat sie schon kennengelernt... Nein, er weiß nicht, dass sie seine Schwester ist... Er hatte eine Vision von ihr... Wenn sie noch lebt... Ja, mach ich... Ich liebe dich auch... Tschüss“

Ich schlich zurück in mein Zimmer und begann mich umzuziehen. Kaum lag ich im Bett ging auch schon meine Tür leise auf und Julius kam herein um mich zu wecken.

Evil awakening

Ich rannte auf Felicia zu. Der Meror-Dämon kam näher. Er wollte sie gerade packen als ich ihn zur Seite stieß. Der Dämon rappelte sich auf und guckte an mir vorbei. Ich dachte schon er wolle sich erneut Felicia krallen, doch es ertönte ein röchelndes Husten: „Ihr könnt nicht gewinnen. Eine große Finsternis wird kommen und ihr werdet alle sterben. Die menschliche Pestilenz wird genau so plötzlich, wie sie auf der Erde erschien, auch wieder verschwinden! Der Tag der absoluten Apokalypse ist nah! Merke dir meine Worte.“ Und dann war er verschwunden.

Ich drehte mich um und sah Felicia am Boden liegen. Ihr Gesicht war voller Brandwunden und sie krümmte sich vor Schmerz. Die anderen Menschen, die sich auf dem Bahnsteig befanden, gingen zügig an ihr vorbei. Keiner schien ihr zu helfen, außer eine Frau. Sie war mitte vierzig und trug unscheinbare Kleidung.

„Oh Gott, Felicia“. Ich kniete mich herunter.

„Sie muss in ein Krankenhaus,“ sagte die Frau. „Mein Auto steht draußen. Komm ich fahre euch.“ Ich nickte nur, zu mehr war ich einfach nicht fähig.
 

Ich saß im Wartezimmer des Wolfenbütteler Krankenhauses. Die fremde Frau hatte sich bereit erklärt Felicia bis nach Wolfenbüttel zu fahren, damit wir besser nach Hause kommen. Die große Uhr, die im Wartezimmer hängt, tickte und die Zeit verging, während ich auf die Diagnose des Arztes wartete und über die Worte des Meror nachdachte. „Der Tag der absoluten Apokalypse ist nah“, hatte der Meror gesagt. Ebenso wie „Die menschliche Pestilenz wird wieder verschwinden“. Das könnte bedeuten, dass sich die Meror Dämonen zusammengeschlossen haben, um die Apokalypse vorzubereiten. Aber sie muss von jemandem durchgeführt werden, denn die Meror sind „nur“ die Vorboten der Apokalypse. Aber wer soll das sein?

Ich guckte auf den Tisch vor mir und entdeckte eine Bibel. Ich war noch nie besonders gläubig, aber ich hatte mal gehört, dass es in der Bibel einen Abschnitt über Satan in der Johannes Offenbarung gab. Ich nahm das Buch in die Hand und las:

Und ich sah einen Engel aus dem Himmel herabkommen, der den Schlüssel des Abgrundes und eine große Kette in seiner Hand hatte. Und er griff (nahm gefangen) den Drachen, die alte Schlange, die der Teufel und der Satan ist; und er band ihn tausend Jahre und warf ihn in den Abgrund und schloss zu und versiegelte über ihm, damit er nicht mehr die Nationen verführe, bis die tausend Jahre vollendet sind. Nach diesem muss er für kurze Zeit losgelassen werden.

Ich übersprang den restlichen Teils der „Bindung Satans und Tausendjähriges Reich“ und las weiter bei dem Abschnitt „Letzter Aufstand Satans und entgültiges Gericht über ihn“:

Und wenn die tausend Jahre vollendet sind, wird der Satan aus seinem Gefängnis losgelassen werden und wird hinausgehen, die Nationen zu verführen, die an den vier Ecken der Erde sind, den Gog und den Magog, um sie zum Krieg zu versammeln; deren Zahl ist wie der Sand des Meeres. Und sie zogen herauf auf die Breite der Erde und umzingelten das Heerlager der Heiligen und die geliebte Stadt; und Feuer kam aus dem Himmel herab und verschlang sie. Und der Teufel, der sie verführte, wurde in den Feuer- und Schwefelsee geworfen, wo sowohl das Tier als auch der falsche Prophet sind; und sie werden Tag und Nacht gepeinigt werden von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Ärgerlich klappte ich die Bibel zu und legte sie auf den Tisch zurück. Ich war ja noch nir besonders gläubig, aber das gab mir den Rest. Feuersee? Das ich nicht lache. Satan sitzt in der Hölle und regiert seine Dämonen, die nicht auf der Erde wandeln. Das ist so ziemlich das erste, was ich in meiner Zeit als Jägerin gelernt hatte, dass Satan nicht tot oder verbannt oder sonst was ist.

Dann stockte ich. Was ist wenn Satan die Apokalypse plant. Die Meror bleiben eigentlich in der Hölle, außer sie werden geschickt, um die Apokalypse anzukündigen. Es gibt nur eine Person, die sie schicken könnte, ihr Herr, ihr König: Satan. Na toll, dachte ich. Das kann ja etwas werden. Ich kam nicht einmal gegen einen Meror an, wie sollte ich gegen eine ganze Armee solcher und ähnlicher Schreckensgestalten ankommen?

Ich schrak hoch als mich jemand ansprach. „Fräulein Baltzer?“, fragte die Stimme. Ich blickte auf. Vor mir stand ein Arzt. Schnell stand ich auf. „Gibt es Neuigkeiten? Wie geht es Felicia?“, fragte ich atemlos.

Der Arzt schwieg kurz, dann meinte er: „Sie wird es überleben. Allerdings werden die Brandwunden nie wieder ganz verschwinden. Man könnte es mit plastischer Chirurgie versuchen, aber auch da könnte man sie wahrscheinlich nicht wieder ganz hinkriegen. Es tut uns leid, aber mehr können wir nicht für sie tun.“ Ich nickte, da ich meine Stimme nicht fand. „Außerdem“, fuhr der Arzt fort, „hat sie einen Schock. Wie werden sie für ein paar Tage hier behalten müssen. Ihr Vater wird sich sicher um sie kümmern“. Ich nickte wieder. Der Arzt konnte ja nicht wissen, dass ich meinen Vater nie kennengelernt habe. Er war schon weg, als meine Mutter mich vor dem Waisenhaus aussetzte.

Langsam stand ich auf. „Kann ich sie sehen?“, fragte ich mit tonloser Stimme. Ich kam mir vor ein Zombie. Kein Gefühl durchzuckte meinen Körper. Das änderte sich auch nicht als ich Felicia mit ihren ganzen Brandwunden sah. Erst als ich alleine wieder zu Hause war, kamen die ganzen Gefühle, die ich bis dahin unterdrückt hatte hoch. Ich rannte in mein Zimmer, warf mich auf mein Bett und fing hemmungslos an zu weinen.

Ich weiß nicht wie viel Zeit vergangen war. Es musste bereits mitten in der Nacht sein, als ich mitbekam, dass das Telefon klingelte. Ich stand langsam auf und ging ins Wohnzimmer, wo das Telefon stand. Ich ging dran und meldete mich mit meinem Namen: „Baltzer?“. Doch niemand antwortete. „Hallo?“, fragte ich vorsichtig. Doch noch immer antwortete niemand. Und dann wurde die Verbindung unterbrochen. Ich legte auf. Dann schaute ich auf die Uhr. Es war 3:33 Uhr. ‚Merkwürdig’, dachte ich, ‚wer ruft denn um diese Zeit an und meldet sich dann nicht einmal?’. Ich konnte mir die Antwort schon denken. Bestimmt irgendein perverser, der sich an meiner Stimme aufgegeilt hatte. Aber würde der nicht wollen, dass ich möglichst viel rede? Der würde doch nicht von selbst auflegen? Oder? Ich war mir nicht sicher. Ich war noch nie so jemandem begegnet, der mir das genau erklärt hätte. Nicht, dass das eine Begegnung ist, die ich unbedingt machen muss. Ich kann auf so etwas gut verzichten. Ich kann sowieso nicht verstehen, warum es solche Menschen gibt.

Ich legte mich wieder ins Bett und schlief sofort ein.
 

„And so what? I’m still the Rockstar. I got my Rockmoves and I…”, plärrte es am nächsten Morgen aus meinem Wecker. Müde schlug ich meine Augen auf und stand langsam auf. Ich hasste Montage. Ich zog mich an, frisierte meine Haare und schminkte mich dezent. Dann nahm ich meinen Ranzen und ging runter in die Küche. Überrascht blickte ich mich um, als ich Felicia nirgends entdecken konnte. Normalerweise stand sie doch schon immer in der Küche und achtete darauf, dass ich pünktlich zur Schule kam.

Und dann schlug meine Erinnerung gnadenlos zu. Wie ein Schlag ins Gesicht erinnerte ich mich an die Zugfahrt, den Meror und das Felicia mit schweren Brandverletzungen im Krankenhaus lag. Mir fiel mein Ranzen von meiner Schulter. Ich stand wie schockgefroren da und konnte mich nicht rühren.

Für mich stand fest, dass ich heute nicht in die Schule gehen konnte. Umso überraschter war ich als ich aus meinem Schockzustand erwachte und mich mitten im Matheunterricht befand. Ciara neben mir ignorierte mich und auch Herr Lowsnek schien mich nicht zu beachten. Dann klingelte es zur Pause. Ciara eilte an mir vorbei, ohne mich zu beachten. Ich ging ihr hinterher. Auf dem Flur rannte ich dann aber erst mal in jemanden hinein, bevor ich sie zur Rede stellen konnte. Ich blickte auf. Es war Kai. ‚Auch das noch’, dachte ich und sah in sein sorgenvolles Gesicht. Ausnahmsweise lächelte er mal nicht. „Emma, was ist denn los?“, fragte er besorgt. Erst jetzt, merkte ich, dass ich weinte. „Ich... Felicia... und...“ Meine Stimme brach. Dann spürte ich, wie etwas mich umfasste. Kai umarmte mich und zog mich dabei etwas zur Seite. Letzte Woche noch hätte ich mir nichts schöneres vorstellen können, doch das Wochenende und der Meror Angriff auf Felicia rückten alles in ein anderes Licht. Der Rest war mir so ziemlich egal.

„Komm wir gehen lieber mal an einen ruhigeren Ort“, hörte ich Kais Stimme an meinem Ohr. Ich ließ mich führen und er führte mich hinter die Turnhallen.

„Komm alles wird gut“, versuchte er mich zu trösten, „möchtest du darüber vielleicht reden, vielleicht geht es dir hinterher besser?!“. Ich schüttelte den Kopf. „Nein“, schluchzte ich.

Die Geruch der Luft veränderte sich auf einmal. Es roch verbrannt. Ich befreite mich aus Kais Umarmung und erschrak. Nein, das konnte nicht war sein. Vor meinen Augen fing Kai an zu brennen. Sein Gesicht war schmerzverzerrt, nur seine Augen zeigten einen überraschten Ausdruck.

Wie konnte das sein, eben ging es ihm doch noch gut! Dann fiel Kai vornüber und ich entdeckte den Meror, der hinter ihm stand und gerade dafür gesorgt hatte, dass Kai vor meinen Augen verbrannte. Ich wollte mich gerade vor lauter Wut auf den Dämon stürzen, als dieser urplötzlich verschwand.

Wrong faith

Wrong Faith- 8. Kapitel:
 

„Luke ist alles in Ordnung?“, fragte Eric mich am Montagmorgen in der Schule. Unser Erdkundelehrer versuchte mal wieder sich durchzusetzen, was ihm augenscheinlich nicht gelang. Keiner achtete auf ihn, da wir seit zwei Wochen auf der gleichen Doppelseite im Buch waren und den Stoff schon verstanden hatten und keine erneute Wiederholung brauchten. Anstatt das ich mich auf Robertos Gewächshaus konzentrierte, dachte ich an das Telefongespräch, das ich belauscht hatte. Mit wem hatte Julius geredet? Und wieso konnte er nicht wie jeder andere Mensch am Tage telefonieren, sondern tat es mitten in der Nacht?

„Hey Luke!“. Eric wedelte vor mit seinem Arm vor meinem Gesicht rum. Ärgerlich schlug ich seinen Arm weg. „Lass das!“.

„Wenn in dieser Klasse nicht bald Ruhe herrscht gehe ich zum Schulleiter“, drohte uns vorne unser Erdkundelehrer. Niemand beachtete ihn. Ich konnte sehen, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen. Dann warf er die Kreide hin und rannte raus. Kaum einer hatte diese Aktion überhaupt mitbekommen. In der ersten Reihe direkt am Lehrertisch spielten Julia und Lisa Käsekästchen, weiter hinten schrieb Sören für alle sichtbar eine SMS und in der hinteren Ecke aß Jonathan eins seiner vielen Pausenbrote. Bei anderen Lehrern würden wir uns so ein Benehmen nicht erlauben. Aber bei Herr Wiechans ging das. Wie oft hatte er uns schon gedroht zum Direktor zu gehen und hat es nicht getan. Das wurde natürlich schamlos ausgenutzt.

Umso überraschter waren wir als Herr Wiechans tatsächlich mit Direktor Echo wieder kam. „Was ist hier los?“, fragte Echo streng. Schnell packten alle ihre Beschäftigungssachen weg. Jonathan packte sein Brot ein, Sören versteckte sein Handy unter seinem Tisch und schrieb dort weiter an seiner SMS und Julia und Lisa zerknüllten ihr Käsekästchenpapier und legten es in die Ablage unter Lisas Tisch. Keiner sagte etwas. Einige guckten schuldbewusst nach vorne, andere sahen wütend Herrn Wiechans an und wieder andere ließ das alles kalt, wie Sören, der munter seine eben empfangene SMS las und gleich eifrig zurück schrieb.

„Ich erwarte eine Antwort“, jetzt wurde Direktor Echo schon lauter. Niemand reagierte. „Wer ist Klassensprecher in dieser Klasse?“, fragte der Direktor. Na toll, dass war mal wieder ich.

Bei unseren Klassensprecherwahlen ging es jedes Mal gleich zu. Jeder zweite wurde für das Amt vorgeschlagen, aber niemand wollte es machen. Und jedes Mal wurde so lange auf mich eingeredet, bis ich mich bereit erklärte. In unserer Klasse ist Klassensprecher sein eigentlich ganz gechillt. Zweimal im Jahr ging man zur Schülerratssitzung, und ein paar mal sollte man irgendetwas organisieren. Aber dann gab es auch noch solche Situationen. Langsam stand ich auf. „Ich, Herr Echo“. Direktor Echo musterte mich kurz, dann schaute er mich erwartungsvoll an. Was sollte ich nur sagen? Ich räusperte mich.

Dann geschah es. Ich guckte aus dem Fenster und sah einen Dämon. Ich erkannte ihn sofort. Es war ein Meror Dämon. Die Art von Dämon vor der Julius mich immer gewarnt hatte. Der Vorbote der Apokalypse. Ich kannte ihn von vielen Zeichnungen aus Julius Bücher. Und jetzt stand er direkt vor unserem Klassenraumfenster.

Mir wurde auf einmal sehr heiß. Ich konnte nicht richtig atmen und meine Augen klebten praktisch an dem Gesicht des Meror. Ich versuchte meinen Blick abzuwenden, doch es gelang mir nicht.

Dann ging das Geschrei los. Doch ich bekam es gar nicht richtig mit. Ich bekam auch nicht mit, dass alle anderen neben mir bereits in Flammen aufgingen. Ich sah nur noch den Meror und mir wurde immer wärmer. Dann verschwand der Meror urplötzlich und ich verlor das Bewusstsein.
 

Als ich wieder erwachte wusste ich erst überhaupt nicht, wo ich mich befand. Dann tauchte ein verschwommenes Gesicht über mir auf.

„Luke, kannst du mich hören?“, fragte die Stimme. Ich erkannte Julius Stimme. „Ja“, wollte ich sagen. Ich wollte ihn beruhigen, ihm sagen, dass es mir gut geht, nach den anderen fragen, ihm von dem Meror erzählen, doch ich konnte meine Lippen nicht bewegen.

„Gib ihm etwas Zeit zu sich zu kommen“, hörte ich eine andere Stimme sagen. Ich blinzelte. Das war die Stimme von Jonathan. Der Meror hatte ihn also nicht angegriffen. Aber was war mit den anderen?

„Jonathan“, brachte ich heraus. Ich spürte, wie meine Hand gedrückt wurde. „Ich bin hier Luke“, sagte Jonathan. „Julius?“, fragte ich. „Ich bin auch hier. Keine Sorge, Luke, das wird schon wieder“, meinte Julius, doch ich hörte seine eigene Zweifel mitschwingen. Ich sah mich um. Ich konnte meine Umgebung jetzt klarer erkennen. Es sah aus wie ein Krankenhauszimmer.

„Was... was ist passiert. Wo ist der Meror. Wie... wie geht es den anderen?“, fragte ich zögerlich. Ich wusste nicht genau, ob die beiden es verstanden hatten, oder ob ich es wirklich laut gesagt hatte, da die beiden schwiegen. Nach einiger Zeit, ich wusste nicht wie viel Zeit, mein Zeitgefühl schien mir verloren gegangen, räusperte Julius sich.

„Ich weiß nicht... nicht wie ich es dir sagen soll.“ Wieder räusperte er sich. „Was ist passiert?“, fragte ich wieder, diesmal drängender.

„Der Meror... er hat... so ziemlich deine ganze Klasse verbrannt. Nur ein paar wenige... Jonathan, Eric, Julia, Philipp, Sören und du... haben überlebt.“ Julius stockte.

Ich war geschockt. Alle anderen waren verbrannt? Der Meror hatte innerhalb von Sekunden 26 Menschen verbrannt. Ich hatte es gerade geschafft meine Augen zu öffnen, doch jetzt schloss ich sie wieder.

Ich hatte schon viel miterlebt. Meine Aufgabe als Jäger hatte auch viele Nachteile. Ich hatte getötet und war schon oft dem Tod ziemlich nahe gekommen. Ich war ohne Mutter aufgewachsen, was nicht immer einfach war, doch ich hatte nie geweint. Nicht ein einziges Mal. Doch nach dieser Nachricht, dass so viele Leute mit denen ich fast täglich zu tun hatte, nicht mehr am Leben waren, dass gab mir den Rest. Ich weinte. Ich begann hemmungslos zu weinen. Die Tränen schossen nur so unter meinen Augenlidern hervor. Ich spürte, wie der Druck um meine Hand stärker wurde.

Während ich leise vor mich hin weinte, hörte ich noch ein weiteres Schluchzen. Auch Jonathan hatte angefangen zu weinen. Auch er hatte viele Leute, die er mochte verloren. Selbst sein bester Freund war für eine unbekannte Zeit nicht ansprechbar gewesen.
 

Ich wusste nicht wie lange wir so dasaßen, bzw. lagen und einfach nur weinten. Ich hatte nicht einmal mitbekommen, dass Julius das Zimmer verlassen hatte. Nach Stunden, so schien es mir, versiegten meine Tränen. Ich konnte nicht mehr weinen.

Die Tür öffnete sich und Julius kam wieder herein. Ich fragte nicht, wo er gewesen war. Es interessierte mich nicht. Nicht jetzt, wo ständig die Bilder meiner toten Klassenkameraden vor meinen Augen auftauchten.

„Die Ärzte haben gesagt, dass du gehen kannst, so bald du dich so weit fühlst“, flüsterte Julius. Ich nickte stumm. Dann stand ich langsam und vorsichtig auf. Ich berührte vorsichtig Jonathans Schulter, der auf seinem Stuhl zusammen gesunken saß. Er blickte auf, nickte und wischte sich die Tränen ab, bevor er aufstand und wir zu dritt zu uns nach Hause fuhren. Ich achtete nicht auf meine Umgebung. Sondern starrte nur stumm auf den Boden. Zu Hause legte ich mich sofort ins Bett, während Julius Jonathan nach Hause fuhr.

Meine Gedanken kreisten immer noch um die paar Minuten in denen sich so viel verändert hatte. Ich fing wieder an zu weinen.

Irgendwann musste ich dann eingeschlafen sein, denn auf einmal ging ich den Friedhof entlang und Bob einer meiner verstorbenen Klassenkameraden ging neben mir.

Ich hatte nie besonders viel mit Bob zu tun gehabt. Bob war der Klassenstreber gewesen. Den ganzen Tag brütete er über seinen Büchern und hatte keine wirklichen Freunde. Zwar hatten wir ihn alle in der Klasse akzeptiert, als Klassengemeinschaft waren wir immer unschlagbar gewesen, doch in den Pausen und ansonsten war er immer ein Alleingänger gewesen.

Umso überraschter war ich, dass Bob in meinem Traum vorkam. Ich wusste das es ein Traum war. Stumm gingen wir nebeneinander her. Dann blieben wir vor einem Grab stehen. Ich las den Namen der auf dem Grab stand. „Bob Petersen“, sagte ich, „es tut mir so leid, dass ich es nicht verhindern konnte.“

„Du hättest sowieso nichts daran ändern können und ich kann dich beruhigen, ich habe nicht lange gelitten. Du kannst nicht alle retten und glaub mir, so schlecht ist es gar nicht tot zu sein“, meinte Bob.

„Aber ich hätte etwas tun müssen! Ich stand einfach nur da und habe nichts unternommen!“, machte ich mir weiter Vorwürfe.

„Das war nicht sein Fehler. Und es ist sowieso egal. Schon bald wird es zur absoluten Apokalypse kommen. Dagegen kannst du nichts unternehmen. Deine Gegner sind zu mächtig. Außer du findest vorher deine zweite Hälfte.“

Bob zeigte auf meinen Kreuzanhänger, den ich Tag und Nacht trug und der mich schon öfter vor einem nächtlichen Vampirangriff geschützt hatte. Ich berührte ihn kurz, dann sah ich Bob fragend an. „Du wist es verstehen, wenn es soweit ist“, meinte dieser nur.

Auf einmal begann die Erde zu beben. „Es hat bereits begonnen. Das Ende der Menschheit ist nah!“, rief Bob über den Tumult hinweg, „suche deine zweite Hälfte!“ Dann war er verschwunden.

Ich schrak hoch. Es war mitten in der Nacht. Ich hörte Julius ins einem Zimmer leise schnarchen. Ich war noch komplett angezogen. Schnell stand ich auf, öffnete mein Fenster und sprang in die Nacht. Ich rannte zum Friedhof.

Ich hatte Glück. Ich begegnete niemandem, dem meine übermenschliche Geschwindigkeit hätte auffallen können.

Auf dem Friedhof ging ich den gleichen Weg entlang, wie vor ein paar Minuten noch in meinem Traum. Am Ende des Weges stand der Grabstein. Ich rannte auf ihn zu. Vor dem Stein blieb ich stehen und atmete einmal tief durch.

Dann sah ich mir den Stein, oder besser gesagt das Kreuz genauer an. Es war nicht Bobs Grab, sondern von jemand anderem, dessen Namen ich nicht kannte. Auf dem Kreuz war eine Inschrift. Ich beugte mich vor und las:

Ich verlor meine zweite Hälfte. Ich nahm mir Zeit und nahm Abschied, aber danach ließ ich die Toten in Frieden ruhen.

Ich sank auf die Knie. Hieß das etwa, dass es keine Hoffnung mehr gab. Das ich meine zweite Hälfte nicht mehr finden konnte, weil sie tot ist? Kann ich somit die Apokalypse nicht mehr verhindern? War alles, wofür ich mein Leben lang gekämpft hatte, verloren? Würde es schon bald keine Menschen mehr geben?

Langsam stand ich auf und ging nach Hause. Ich war kraftlos und hatte keine Hoffnung mehr in mir. Ich kletterte in mein Zimmer und legte mich mit Schuhen und Klamotten in mein Bett, schloss meine Augen und wartete auf mein Ende. Ich hoffte, dass die Apokalypse bald eintreten würde und schnell wieder vorbei sein würde, wenn sich niemand den ganzen Höllenwesen in den Weg stellen würde.

unexpechtes meetings

„Ihre Mutter war für einen kurzen Moment bei Bewusstsein, hat es aber kurz darauf schon wieder verloren“, erzählte mir eine Krankenschwester. Ich nickte. Ich war in einem Schockzustand. Ich fühlte nichts und bemerkte meine Umgebung kaum. Es fühlte sich so an als wäre ich in Watte gepackt und bekam alles von außen nur gedämpft ab.

„Aber sie sagte mir ich solle ihnen einen Zettel geben, der in ihrer Handtasche sei. Hier“. Sie hielt mir den Zettel hin. Ich ergriff ihn und begutachtete ihn. Es war ein Notizzettel, der zweimal in der Mitte gefaltet war. Ich faltet ihn auseinander und erkannte Felicias feine Bonsaischrift. Darauf stand eine Adresse.

Ich drehte mich grußlos um und verließ das Krankenhaus. Ich schwang mich auf mein Fahrrad und fuhr etwas schneller als ein normaler Mensch es könnte zu der Adresse.

Ich stoppte vor einem großen, weißen, freundlich aussehendem Haus und stellte mein Fahrrad an dem Zaun ab. Langsam ging ich auf das Haus zu. Als ich vor der Tür stand, blickte ich nach rechts und suchte die Klingel. Ich blickte nach links, doch auch dort war keine Klingel zu sehen. ‚So ein Mist’, dachte ich, ‚jetzt kann ich mich nicht am Namen orientieren, wer hier wohnt’.

Ich atmete noch einmal tief durch, dann klopfte ich. Erst schien sich gar nichts zu tun, doch dann hörte ich im zweiten Stock Schritte, die zur Tür eilten. Dann öffnete sich die Tür und ich erschrak.

Vor mir stand jemand, der genau so aussah, wie ich, nur in etwas älter. Die Frau hatte meine Haarfarbe, meine Augenfarbe, meine Gesichtsform, mein Lächeln, nur bereits mit kleinen Fältchen, und die gleiche Form der Arme, die kein anderer besaß. Ich konnte mir das nicht erklären. Warum sah diese Frau so aus wie ich?

Oder, schoss es mir jetzt durch den Kopf, sehe ich gar nicht so aus wie sie. Vielleicht sieht sie auch so aus wie ich? Aber das würde bedeuten, dass...

„Hallo Emma, ich habe mich schon gefragt, wie lange Felicia mein Geheimnis für sich behalten kann. Ich nehme deinen Besuch als Antwort auf diese Frage“, lächelte sie. Dann nahm sie mich an der Hand und zog mich ins Haus. Ich folgte ihr ohne Widerstand zu leisten. Ich war noch zu verwirrt, um klar zu denken.

Im Wohnzimmer ließ sie mich los und setzte sich auf eines der strahlend weißen Sofas. Ich blieb stehen, selbst als sie mich freundlich zum setzten aufforderte.

„Geheimnis... Ich... wer...“, fing ich mehrere Fragen auf einmal an. Dann fing ich mich und versuchte es noch mal. „Woher kennen sie meinen Namen?“

Das Lächeln der Frau wurde kleiner. „Hat Felicia dir nicht erzählt wer ich bin?“, fragte sie, jetzt ihrerseits verwirrt. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, denn sie liegt im Krankenhaus und war nicht bei Bewusstsein, als ich sie das letzte mal besuchte. Eine Krankenschwester gab mir einen Zettel von ihr, der mich hierhin führte,“ erklärte ich.

Die Frau stand auf, seufzte und ging zum Fenster. Dort schaute sie heraus und schien über etwas nachzudenken. „Emma, dass wird jetzt sehr hart für dich, aber du musst mich verstehen! Ich tat es nur, weil es das Beste für dich war. Emma, ich bin deine Mutter!“

Ich starrte sie mit offenem Mund an.

Ich konnte nicht denken. Es war alles zu viel. Felicia lag im Krankenhaus, Kai war tot und nach all den Jahren lernte ich endlich meine Mutter kennen. An der Wahrheit der Aussage hatte ich nicht eine Sekunde gezweifelt. Ich spürte einfach, dass sie die Wahrheit sagte.

In meinem Kopf schwirrten 1000 Fragen. Ich wusste nicht, welche ich zuerst stellen sollte. Ich öffnete meinen Mund, schloss ihn aber gleich wieder. Dann schneller als ich denken konnte, hatte ich die erste Frage formuliert und auch ausgesprochen: „Warum?“.

Meine Mutter sah mich aus ihren grünen Augen fragend an. „Ich meine,“ begann ich, doch hörte ich sofort auf, als ich in ihre Augen sah. Es war wie in einen Spiegel zu gucken. Das was ich sah, waren meine grünen Augen! In diesen Augen lag ein Schmerz. Derselbe Schmerz, den ich selbst seit Jahren mit mir herumtrug. Es war der Schmerz, den eine Person hatte, wenn sie von einer Person verlassen wurde. Von einer Person, von der man denkt, dass man von ihr geliebt wurde.

„Du musst mir glauben, dass es mir sehr schwer gefallen ist,“ begann sie, „ich wollte dich nicht weggeben. Ich wollte dich großziehen, dein erstes Wort erleben, deinen ersten Schritt, dein erstes Mal auf einem Fahrrad... Ich wollte dir bei deinen Hausaufgaben helfen, dir mütterlichen Rat geben, wenn du Probleme hast. Ich wollte die eine gute Mutter sein. Aber die Umstände ließen das einfach nicht zu.“

Sie sah mich flehentlich an: „Bitte du musst mir glauben!“

Wieder konnte ich nur eine einzige Frage stellen: „Warum?“

Zwischenspiel

„Leona!“, rief Julius besorgt. „Was denn?“, fragte diese etwas genervt. „Du sollst doch nichts schweres mehr tragen, hat der Arzt gesagt. Das ist nicht gut in deiner Situation“. Er nahm ihr die Kiste mit den schweren Fotoalben aus der Hand und ging nach oben ins Wohnzimmer.

„Ich bin nicht schwerbehindert! Ich bin nur Schwanger! Das ihr immer alle so tun müsste, als würde ich jeden Moment zusammenbrechen. Meine Güte, der Arzt hat doch keine Ahnung! Der hat bestimmt noch nie eine Jägerin behandelt. Der kann gar nicht wissen, was gut für mich und meine Babys ist!“

Julius lächelte. Leona und ihre Wutausbrüche. Sie waren immer schon recht heftig gewesen, aber Julius hatte das Gefühl, dass es seit der Schwangerschaft schlimmer geworden ist. Vielleicht bildete er sich das auch nur ein.

Aber recht hatte sie schon irgendwie. Der behandelnde Arzt hatte noch nie eine Jägerin behandelt. Diese Tatsache verkomplizierte die ganze Angelegenheit. Auch hatte Julius seine Bedenken, ob es der richtige Zeitpunkt war, um Kinder zu bekommen. Denn wenn er richtig gerechnet hatte, dann lebte seine Familie bereits seit 666 Jahren in dem kleinen Haus am Stadtrand von Berlin. 666 Jahre. Das bedeutet nichts gutes. Das kann gar nichts gutes bedeuten.

„Jetzt gib endlich diese Fotos her!“ sagte Leona, sie wirkte verärgert, weil er nicht auf ihren Wutausbruch eingegangen war. Julius gab ihr die Kiste und konnte sich gerade noch das Lachen verkneifen, was Leona erst richtig wütend gemacht hätte.

Den ganzen restlichen Abend verbrachten sie damit, sich die Fotos, die bis zu beider Kindheit reichten, anzugucken. Es war ein entspannter Abend. Und es sollte ihr letzter gemeinsamer Abend gewesen sein.

Gegen 10 Uhr hatten sie sich alle Fotos angesehen und wollten gerade zu Bett gehen, als sie in der Küche Glas splittern hörten. Beide rannten in die Küche, doch sie konnten niemanden sehen. Auch sahen sie kein zerbrochenes Glas. Automatisch griff Julius nach Leonas Hand, doch fand er sie nicht. Er drehte sich um, doch da stand niemand.

Hektisch drehte er sich in alle Richtungen, doch Leona war nicht zu sehen. Langsam ergriff Panik ihn. Wo war sie? Wieso hatten sie Glas splittern gehört, doch sahen kein zerbrochenes Fenster? War ein Dämon in ihrem Haus?

Das wäre nichts ungewöhnliches. Fast wöchentlich statteten ihnen die übelsten Ausgeburten der Hölle einen Besuch ab und zerstörten dabei immer das halbe Haus. Aber das war normal im Leben eines Jägers. In letzter Zeit aber hatten die Attacken abgenommen. War es nur ein Luft holen vor dem Sturm gewesen, ein Luftholen vor der absoluten Katastrophe?

„Leona“, rief Julius. Panik hatte von ihm Besitz ergriffen und er dachte gar nicht mehr an mögliche Gefahren und das er die Dämonen mit seinem Geschrei nur auf sich aufmerksam machen würde.

„Leona“, rief er erneut. Er rannte durch das halbe Haus, doch gerade wollte er im zweiten Stock im Badezimmer nachsehen, als die Badezimmertür von innen aufgerissen wurde. ‚Waffen’, dachte er noch, ‚Ich brauche meine Waffen’. Doch es war nur Leona gewesen, die die Tür aufgerissen hatte. Beide sahen sich kurz in die Augen und fielen sich dann in die Arme.

„Oh Gott Leona, was ist passiert?“ fragte Julius besorgt, nachdem sie sich aus ihrer Umarmung gelöst hatten. „Ich weiß nicht genau“, meinte diese. „Ich war genau hinter dir, als wir in die Küche gerannt sind. Dann wurde mir auf einmal Schwindelig und ich befand mich hier oben. Ich wollte gerade wieder zu dir, da bekam ich eine Vision. Du kennst ja meine Visionen, bis ich mich danach wieder aufrappeln konnte, warst du schon hier oben.“

„Und was kam darin vor?“, fragte Julius.

„Wo drin?“

„In deiner Vision!“, schrie Julius sie an. Sie hatten keine Zeit, um sich dumm zu stellen.

„Achso ja. Ich sah, die absolute Apokalypse. Es war grauenhaft, die ganzen Menschen, alle tot. Und ich sah unsere Kinder. Sie werden unsere Fähigkeiten erben und werden die einzigen sein, die die Apokalypse verhindern können. Ich glaube, dass soll heute verhindert werden. Die Geburt unserer Kinder. Deswegen sind sie heute hier. Die einzigen Menschen, die sich den Mächten der Finsternis in den Weg stellen können, sollen heute getötet werden. Julius verstehst du? Wir müssen hier weg! Vergiss das Haus und alles andere, aber wir müssen hier weg!“ Die letzten Sätze schrie Leona.

Julius zögerte keinen Moment. Er schnappte Leonas Hand und rannte dir Treppe runter ins Erdgeschoss. In der Eingangshalle schnappte er sich seinen Geldbeutel mit seinen ganzen Papieren und seiner Kreditkarte. Dann öffnete er die Tür, um zusammen mit Leona zu fliehen.

Doch vor der Eingangstür stand eine Gestalt, die ihnen den Weg versperrte. Julius erkannte ihn. Es war ihr Nachbar. Jedoch sah er verkrampft aus. In diesem Moment ertönte ein Geräusch als, ob ein Messer aus Fleisch gezogen wird und ihr Nachbar fiel ihnen vor die Füße. Hinter ihm stand der schlimmste aller Dämonen. Der Vorca. Die rechte Hand Satans.
 

Leona und Julius schraken zurück. Natürlich wussten sie sofort, wer da vor ihnen stand. Jahrelang hatten sie immer wieder sein Abbild in ihren Büchern gesehen. Und jetzt stand er da vor ihnen.

Beide senkten intuitiv den Blick, um nicht den des Vorcas zu treffen und von dem hypnotisiert zu werden. Beide hörten sie ein zischendes Geräusch.

„Lauf!“, war das letzte was Julius noch über die Lippen brachte, bevor er von Schmerzen gekrümmt zusammen brach. „Julius!“, schrie Leona. Dann rannte sie. Sie rannt in die Küche öffnete ein Fenster und kletterte hinaus, was sich mit ihrem Babybauch als schwierig erwies.

Draußen angekommen zückte sie ein Messer, welches sie sich in der Küche gegriffen hatte, und rannte zum Vordereingang.

Dort sah sie den Rücken des Vorcas und hörte Julius’ Schmerzensschreie. Sie schlich sich an den Vorca ran, doch dieser drehte sich um und hielt das Messer, welches sie gerade in seinen Rücken stoßen wollte, fest. Bevor Leona ihren Blick senken konnte, traf sie der stechende Blick des Vorcas.

„Leona!“, schrie Julius, doch Leona reagierte nicht. Sie war von dem Blick des Vorcas hypnotisiert worden. Julius griff sich die Axt, die immer neben der Tür stand und hiebte auf den Vorca ein. Dieser reagierte zu spät und so trennte Julius sauber den Kopf des Vorcas von seinem Körper. Blut spritze zu allen Seiten und der Vorca und Leona sackten zusammen.

„Leona“. Julius beugte sich besorgt zu ihr runter. In diesem Augenblick öffnete Leona schon wieder die Augen und stand mit Hilfe von Julius auf.

Beide sahen sich an und rannten los in die Nacht hinein. Sie hatten gerade das Ende der Straße erreicht, als ein lauter Knall ertönte und ihr Haus in Flammen aufging.

Keiner der beiden blickte zurück, doch Leona weinte leise eine Träne.

I walk alone

Meine Mutter fing an zu weinen: „Es war die einzige Möglichkeit und zu trennen. Ihr wart in großer Gefahr und dein Vater und ich waren der Ansicht, dass es das beste wäre uns zu trennen, damit, wenn die dunkle Seite einen von uns findet und umbringt, immer noch ein anderer da war, um Jäger zu werden.“

Ich sah sie an. Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Doch dann fiel mir eine wichtige Frage ein: „Wieso hast du mich dann ausgesetzt? Warum hat Felicia mich groß gezogen?“

Meine Mutter seufzte. „Weil die Situation, dass wir in Gefahr gerieten, Wirklichkeit geworden war“, erklärte sie immer noch unter Tränen. „Ich bin mit dir geflohen, doch es sah so aus, als würde ich nicht schnell genug sein, um entkommen zu können. Also habe ich dich vor der Tür der Schwester ausgesetzt. Ich dachte, dass wenigstens du die Nacht überleben solltest. Letztendlich habe ich es dann doch geschafft, aber in dem Moment habe ich an nichts anderes gedacht, als an deine Sicherheit.“ Sie endete und konnte vor lauter Schluchzern nicht mehr reden.

Ich war etwas hilflos. Mein Leben ergab jetzt endlich einen Sinn. Ich hatte meine Mutter gefunden und erfahren, warum ich damals von ihr ausgesetzt worden war. Langsam stand ich auf und setze mich zu ihr rüber und nahm sie in den Arm. Vorsichtig strich ich ihr über den Rücken.

Sie lehnte sich an meine Schulter und weinte sich aus.

Nach Stunden so kam es mir vor, versieckten ihre Tränen. Sie sah erschöpft aus, deswegen stand ich vorsichtig auf und legte sie auf das Sofa. Sie schlief sofort ein.
 

Ich wandelte durch ihr Haus und fühlte mich mit einem Mal wieder sehr einsam. Ich hatte meine Mutter gefunden und ich hatte Antworten bekommen, doch noch nicht genug. Was war mit meinem Vater? Was war aus meinem Bruder geworden? Wo lebten sie jetzt? Waren sie zusammen oder waren auch sie getrennt worden?

Die Fragen überschlugen sich nur so in meine Kopf. Erst das Klingeln des Telefons riss mich aus meinen Gedanken. Ich ging zurück ins Wohnzimmer auf der Suche nach dem Telefon, doch da sah ich meine Mutter, die aufgewacht war und bereits ans Telefon gegangen war.

Ich wollte nicht lauschen, deswegen ging ich ins Badezimmer und lies mir kaltes Wasser über die Pulsadern laufen. Das beruhigte mich meistens.

Als ich damit fertig war, ging ich wieder ins Wohnzimmer, doch da war meine Mutter nicht mehr.

„Leona?“, rief ich, da ich noch nicht bereit dazu war sie Mama zu nennen.

„Oben“ kam es zurück und ich ging die Treppe hoch, wo ich Leona im Schlafzimmer antraf. Sie war dabei eilig ein paar Sachen in eine kleine Reisetasche zu werfen.

„Pack schnell ein paar Sachen ein, wir fahren“, sagte Leona, als sie mich bemerkte.

Ich war verwirrt. Ich konnte nicht weg. Felicia war im Krankenhaus. Ich hatte morgen wieder Schule. Ich musste Kai wieder sehen.

Da fiel mir ein, dass Kai ja tot war. Ich sackte zusammen. Tränen rannen mir über das Gesicht.

„Emma!“, rief Leona entsetzt. „Ich kann nicht...“, bekam ich gerade noch raus. Leona nahm mich ich den Arm, was mich entgültig zum weinen brachte. Ich war völlig verzweifelt und kam einfach nicht damit klar, was in so kurzer Zeit aus meinem Leben geworden ist.

„Emma dafür haben wir jetzt keine Zeit!“, hörte ich Leonas Stimme an meinem Ohr. Ich stieß sie weg. Wieso keine Zeit? Sie musste doch Verständnis haben, dass ich gerade nicht mehr konnte.

Leider hatte ich meine Kraft nicht ganz unter Kontrolle. Leona flog über ihr Bett hinweg und knallte gegen die Wand.

„Oh Gott“, bekam ich noch heraus. Schnell eilte ich zu ihr. „Tut mir leid“, bekam ich noch hervor, bevor mir wieder die Tränen über das Gesicht liefen und meine Stimme brach.

Leona rappelte sich auf und meinte: „Du bist wahrlich meine Tochter“. Sie rann sich ein kleines Lächeln ab, doch ich sah eindeutig, dass ich ihr wehgetan hatte.

„Wir müssen nach Neumünster, dein Vater braucht unsere Hilfe. Deinem Bruder geht es nicht gut“, erklärte Leona und packte weiter.

Vor Schreck hörte ich auf zu weinen. Mein Vater? Mein Bruder? Doch bevor ich auch nur eine Frage stellen konnte, hatte Leona fertig gepackt und meinen Arm gepackt und zog mich nun zu ihrem Auto, welches in der Ausfahrt parkte.

Wir fuhren zum Haus, welches Felicia und och bewohnten. Ich rannte rein und fing an meine Sachen zu packen. Ich hatte mich soweit beruhigt, dass ich ganz objektiv denken konnte und gezielt nach den Sachen griff, die ich für ein Wochenende brauchte.

Ich rannte ins Badezimmer und wieder zurück. Nach zehn Minuten hatte ich alles gepackt und rannte mitsamt meiner Tasche wieder nach unten. In der Eingangshalle griff ich schnell noch meinen MP3-Player, damit ich mich auf der Fahrt ein wenig mit Musik ablenken konnte.

„Wieso brauchst du denn so lange?“, fragte mich Leona genervt, als ich wieder ins Auto stieg. Ich warf ihr nur kurz einen bösen Blick zu und konzentrierte mich dann auf meine Musik.
 

And She will be my Death.

Like on the Battle field.

She's got her weapons armed.

And she will always be my Beloved Enemy.
 

Irgendwann musste ich eingeschlafen sein.

Ich erwachte erst wieder, als wir vor einem Haus hielten. Ich machte meinen MP3-Player aus und stieg aus. Ich blickte mich um. Es war eine schöne Gegend. Ich folgte Leona die Stufen zur Haustür hinauf. Sie klingelte.

„Wo sind wir?“, fragte ich sie.

„In Neumünster“, antwortete sie, während sich auch schon die Haustür öffnete. Ein Mann stand in der Tür.

„Leona!“, rief er sichtlich erfreut und nahm sie in den Arm. Nach einer Ewigkeit so kam es mir vor, ließ er sie wieder los und küsste sie. Erst jetzt schien er mich zu bemerken. „Emma, das ist Julius. Dein Vater“, stellte uns Leona vor.

Julius musterte mich und dann lächelte er. Ich schluckte. Das Lächeln kannte ich nur zu gut. Es war mein Eigenes. Ehe ich mich wieder fassen konnte, hatte mich Julius auch schon in seine Arme genommen.

„Oh Gott, ich dachte ich würde dich nie wieder sehen“, sagte Julius und man hörte eindeutig, dass er gegen seine Tränen ankämpfte. Auch ich spürte auf einmal einen Kloß in meinem Hals. Er ließ mich los und sah dann Leona eindringlich an.

„Wie geht es ihm?“, fragte diese.

„Er hat sich seit einer Woche nicht mehr bewegt. Nichts gegessen, nicht geschlafen. Er ist nicht einmal aufgestanden, um auf die Toilette zu gehen. Ich weiß nicht, was wir anderes machen können. Ansonsten würde ich euch da nie mit reinziehen. Das weißt du“, sagte Julius und seufzte einmal tief. Leona nickte.

Ich stand daneben und sagte nichts. Ich wusste auch nicht worum es ging. Auch wenn ich heraus hören konnte, dass es anscheinend um jemanden ging, der entweder sehr krank oder sehr traurig ist.

Ich folgte Julius und Leona, meinen Eltern (ich hatte immer noch Probleme sie als meine Eltern anzuerkennen), ins obere Stockwerk. Wir blieben vor einer Tür stehen. Julius legte seine Hand auf die Türklinke.

„Bereit?“, fragte er Leona. Diese nickte. Langsam drückte er die Klinke herunter und öffnete die Tür. Erst standen sie mir im Weg und ich konnte nicht sehen, wer dort lag. Doch dann traten sie ein Schritt zur Seite, damit ich auch etwas sehen konnte.

„Luke“, keuchte ich. Dort vor mir im Bett lag Luke. Leblos. Wenn sich nicht seine Brust leicht heben und senken würde, könnte man denken er wär tot.

„Ihr kennt euch?“, fragte Leona erstaunt. Auch Julius sah verwirrt aus. Ich konnte nur nicken. Langsam ging ich näher zum Bett und ließ mich davor fallen. „Luke“, flüsterte ich. Ich vergaß vollkommen, dass Julius und Leona hinter mir standen. Ich vergaß meine Sorgen und Probleme. Jetzt zählte nur, dass Luke mich hörte.

Ich strich ihm eine Strähne seines kinnlangem schwarzen Haares aus der Gesicht, welche jedoch so gleich zurück fiel. Ich strich ihm über die Wange. Eine einzelne Träne lief mir über die Wange. Wie er so bewegungslos dalag.

Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. Ich blickte auf und sah das es Julius war, der mich sanft aber bestimmend von Luke wegzog. Ich wehrte mich nicht. Er führte mich ins Wohnzimmer, wo wir uns auf das Sofa fallen ließen. Julius hatte einen arm um mich gelegt. Irgendwie fühlte ich mich wohl so. Es war so ein Gefühl von Geborgenheit, welches ich nicht kannte. Ich kuschelte mich leicht an ihn.

Leona setzte sich uns gegenüber in einen Sessel. Die Stimmung wurde merklich angespannter und ich versuchte mich abzulenken, indem ich mich etwas im Zimmer umsah.

Es war in einem hellen grün gehalten und wirkte dadurch sehr gemütlich. Die eine Wandseite war mit einer Schrankfront zu gestellt worden, in der sich auch der Fernseher und diverse andere Elektrogeräte, wie ein DVD- Player und eine Stereoanlage, befanden. Die Couch war beige und sehr bequem. An einer anderen Wand hingen Bilder. Hauptsächlich waren es Aufnahmen von Sonnenuntergängen.

Leona räusperte sich und ich schreckte aus meinen Gedanken hoch. „Emma, wie du sicher mitbekommen hast, haben wir ein Problem.“ Sie stockte. Schnell sprang Julius für sie ein. „Es geht, wie du sicher auch schon mitbekommen hast um Luke. Deinen Bruder“. Ich guckte ihn verwirrt an. Was sagte er da? Luke sollte mein Bruder sein. Sprachen wir von dem gleichen Jungen der oben lag und sich nicht rührte, den Jungen den ich vor einer Woche fast geküsst hätte? Das sollte mein Bruder sein. In mir kam das Bild von unserem letzten Treffen hoch.
 

Ich blickte in seine blauen Augen und verlor mich in ihnen. Sie waren von so einem intensiven blau. Sie waren nicht hellblau, so wie bei den meisten, sondern ziemlich dunkel. Ich sah wie sein Gesicht immer näher kam. Auch ich kam ihm automatisch näher. Wir hielten erst an als sich unsere Nasen bereits berührten.
 

Dieser Junge sollte mein Bruder sein? Ich wollte das nicht glauben.

„Emma, wie brauchen deine Hilfe!“ Hörte ich eine Stimme aus weiter Entfernung. Ich schreckte aus meinen Gedanken hoch.

Zögernd fragte ich: „Was soll ich denn machen?“

„Es gibt da ein uraltes Ritual. Das beruht auf der auf der engen Verbundenheit von Zwillingen. Es ist ein wenig Gefährlich, aber unsere letzte Chance“, begann Julius. Leona reichte mir ein altes in Leder gebundenes Buch. Ich nahm es und betrachtete die aufgeschlagene Seite.

„Da steht, dass ich mich für immer in seiner Gedankenwelt verirren kann.“ Ich sah meine Eltern fragend an. Diese nickten. Ich sah wieder auf die Seiten.

„Ich mach’s“, sagte ich dann mit fester Stimme.



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Kommentare zu dieser Fanfic (6)

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Von:  PitY
2009-12-27T15:41:43+00:00 27.12.2009 16:41
Hab das neue Kapitel ja gar nicht mitbekommen ^^
Bis jz find ich die Geschichte recht interessant und auch der Charakter des guten Vampirjaegers kommt super zur Geltung. Ich freu mich auf die richtige Handlung und bin vor allem Gespannt wer die Cousine ist. Ich hab ne Vorahnung, dennoch bin ich mir nicht sicher ^^
Schreib auf jeden Fall weiter ^^

MfG
PitY
Von: abgemeldet
2009-12-20T21:14:18+00:00 20.12.2009 22:14
Wow - also ich muss sagen, die Idee ist wirklich gut - schreib weiter :D Mhh erinnertm ich leicht an Buffx - aber nicht von Inhalt oder aufbau her, einfach, weil ich das mit Vampieren verbinden ;)

GLG, ACE
Von:  PitY
2009-12-06T21:43:17+00:00 06.12.2009 22:43
Ich denke, ich muss noch auf das nächste Kapitel warten, um zu verstehen, was da los ist... die situation mit Stephan verstehe ich nicht so wirklich...
Aber nun zum positiven: Ich mag deinen Schreibstil sehr ^^ und ich kann mir auch schon ein Bild von Emma machen ^^ Ich bin auf jeden Fall gespannt, was als nächstes kommt ^^

MfG
PitY
Von:  Izumi-chan
2009-12-04T15:44:01+00:00 04.12.2009 16:44
Der Prolog macht Lust auf mehr, vor allem da er
- wie Riwaya-Bobby schön erwähnte - viele Fragen aufwirft.
Bin sehr gespannt, wie es weitergeht.
Gespannt, wieso das Leben der beiden so unterschiedlich ist und vor allem darauf, wie du die Apokalypse schildern wirst :D

Liebe Grüße,
Izumi-chan :)
Von: abgemeldet
2009-11-27T20:58:06+00:00 27.11.2009 21:58
Juhuuuu ^^/)
Also ich muss sagen, du weißt, wie man Spnnung erzeugt. Ich habe ein riesengroßes Fragezeichen vor mir.
Ich will Tatsachen und Fakten ;-)
Wieso trennen die sich? Weshalb brennt das Haus nieder....?
Zöger es bloß nicht heraus!!!!!
LG Sarah
Von:  PitY
2009-11-27T19:02:26+00:00 27.11.2009 20:02
Ich bin schon gespannt, was passiert ^^
noch kann ich nciht viel dazu sagen, aber der bisherige Schreibstil gefällt mir ^^

MfG
PitY


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