Der Dieb von KaitoDC ================================================================================ Kapitel 1: Anfang vom Ende -------------------------- Kapitel 1 – Der Anfang vom Ende „Halt!“, schrie eine Stimme laut. Plötzlich teilte sich verwundert die Menschenmenge in der Innenstadt und zwei Gestalten rannten durch sie hindurch, ohne ihnen jegliche Aufmerksamkeit zu schenken. Die eine Gestalt trug schwarze Kleidung und hatte eine dunkle Maske aufgesetzt. In den Händen hielt er einen Koffer. Hinter ihm rannte eine Person mit Uniform her. Dessen Hand schwebte über seiner rechten Hüfte, wo die Pistole hing. „Bleib stehen, Dieb!“, rief der Uniformierte. Blitzschnell floh der Gerufene nach rechts, mitten in eine lange, schmale Gasse. Der Polizist folgte ihm auf den Fersen. Der Dieb schaute sich gehetzt um, doch nirgends war für ihn ein Ausweg. Er war in einer Sackgasse. Schnell drehte er sich um und blickte direkt in das Gesicht des Polizisten, der nur wenige Meter von ihm entfernt stand. „So, jetzt kannst du nicht mehr entwischen...“, murmelte dieser. Seine Hand war immer noch in greifbarer Nähe seiner Waffe, doch er hatte sie nicht gezückt. „Ach, wieso holst du nicht einfach das Ding raus und erschießt mich, hm? Ich bin für dich doch so oder so nur ein elender Dieb“, zischte der Gejagte verärgert und riss sich die Maske von seinem Gesicht. Zum Vorschein kam ein eher kantiges Gesicht und grau-grüne Augen, die unter seinen dunklen, relativ kurzen Haaren hervor stachen. Er schien kaum älter zu sein als 18, höchstens 19. Seine Stimme klang mehr als nur genervt. „Ja ja, ich ergebe mich ja schon. Das Gericht kann ich mir sparen, ist doch viel einfacher, wenn ich sofort ins Gefängnis wandere...“ „Wieso hast du das getan?“, unterbrach ihn der Polizist ruhig. „Wieso hast du die Bank überfallen?“ „Was sollte es Sie angehen, wieso ich was tue?“, erwiderte er aggressiv. „Du hast noch dein ganzes Leben vor dir, wieso also hast du das getan?“, fragte der Andere ihn weiter und ignorierte den Ton seines Gegenüber. Als Polizist musste er ruhig wirken. „Ha, mein ganzes Leben! Tolles Leben!“, rief der Jüngere sarkastisch. Der Polizist sah ihn gleichermaßen fragend wie verwirrt an. „Sie verstehen das natürlich nicht, stimmt's? Natürlich, Sie und Ihre heile Welt. Sie denken, dass Sie und Ihresgleichen die Welt gerechter machen könnten, doch da irrt ihr euch. Ihr wisst nicht einmal halb so viel, was in der Welt so Ungerechtes geschieht. Ihr denkt, ihr wärt so toll, betitelt euch mit 'Kämpfer für die Gerechtigkeit' und tut doch gar nichts. Wie erbärmlich.“ Das letzte Wort spuckte der junge Mann geradezu hervor. „Wieso denkst du so? Wieso denkst du, dass die Welt nur ungerecht wäre?“, fragte der Polizist ihn nachdenklich. „Auch wenn ich jung bin, ich habe schon mehr gesehen als manch anderer. Wenn Sie auch nur halb so viel wie ich erlebt hätten, würden Sie nicht mehr glauben, die Welt könnte jemals gerecht werden“, meinte er. „Und was hast du erlebt?“, fragte der Polizist. „Was geht es Sie an?“, zischte er ihn an. „Ich will dir doch nur helfen, Junge. Ich sehe doch, dass du eigentlich ein guter Mensch bist und-“, doch da wurde der Uniformierte von dem Jüngeren unterbrochen, der verächtlich auflachte. „Ja, das ist auch schon wieder so typisch für Euch. Ihr denkt, die Menschen wären in Gut und Böse aufgeteilt, nicht wahr? Wie in Märchen, die böse Hexe und die guten Kinder, oder wie? Doch die Welt ist nicht so, als bestünde sie nur aus schwarz und weiß. Es gibt auch Grautöne, bei manch anderen überwiegt das Schwarze, bei anderen das Weiße. Es gibt keinen absolut guten oder absolut bösen Menschen, wie ihr immer denkt.“ „Du sprichst mich schon wieder im Plural an“, merkte der Polizist an. „Was wollen Sie damit sagen?“ „Nichts besonderes“, erwiderte der Uniformierte. Es zeigt nur, dass du uns Menschen doch in eine Schublade steckst, dachte er insgeheim. Die Frage ist nur... wie kommt es dazu, dass du so denkst? „Ich denke trotzdem, dass du 'gut' bist, in dem Sinne, dass deine gute Seite überwiegt“, begann der Ältere und lenkte den Gesprächsstoff auf das vorherige Thema: Gut und Böse. „Woher wollen Sie das denn wissen? Vielleicht bin ich auch ein Massenmörder? Sie können es nicht wissen.“ „Wärst du ein Massenmörder, dann hättest du mich schon längst angegriffen. Zwar bist du sehr... verbittert über die ganze Welt, doch du hast nicht vor, deswegen die anderen Menschen zu verletzen, denn dann hättest du bei deiner Flucht eine Geisel genommen und die Polizei damit erpresst. Stattdessen bist du alleine geflohen. Außerdem sehe ich es dir an. Ich erkenne, wenn jemand schlechte Gedanken hat. Nach dreißig Jahren Berufserfahrung lernt man es.“ „Tze... also, wieso lassen Sie mich dann nicht einfach gehen, wenn Sie meinen, ich wäre 'gut', wie Sie es nennen?“ Der Jüngere sah ihn mit funkelnden Augen an, ein merkwürdiges Grinsen umspielte seine Lippen. Es zeigte keinerlei Freude, es wirkte geradezu düster und sarkastisch. „Ich würde dich gerne frei lassen, nichtsdestotrotz hast du eine Bank überfallen und Geld gestohlen, welches dir nicht gehört. Ich werde aber versuchen dir zu helfen und deine Strafe zu mildern. Vorausgesetzt, du hast auch gute Gründe für deine Tat und bereust sie auch.“ Der Polizist sah ihm erwartungsvoll in die Augen, doch ihn traf ein unerwartet zorniger Blick. „Natürlich, Bedingungen. Immer und immer wieder gibt es Bedingungen. Langsam habe ich es satt, diese Bedingungen zu erfüllen!“, erzürnte sich der Jüngere. Langsam aber sicher verlor der Polizist seine Geduld. Er schritt zielstrebig zum Jungen und fasste ihn an der Schulter. Der vermeintliche Dieb war viel zu überrascht gewesen, um schnell genug zu reagieren. Anfangs wehrte er sich, doch vergebens. „Sag mir endlich, was passiert ist, wieso du diese Tat begangen hast“, forderte der Polizist eindringlich auf und sah dem Jungen fest in die Augen. Der Jüngere sah ihn kurz erschrocken an, seine Gedanken rasten. Er suchte nach einem Ausweg, wollte er dem Polizisten doch eigentlich nichts erzählen. Schlussendlich kam er nur zu einem Ergebnis und seufzte resigniert. Er hatte aufgegeben. „Na schön, dann werde ich es Ihnen halt erzählen. Ich habe die Bank ausgeraubt, da ich das Geld für meine Schwester brauche. Sie hat einen Tumor im Gehirn, und wenn er nicht bald entfernt wird, dann wird sie sterben. Wir können uns die Operation nämlich nicht leisten. Außerdem brauche ich einen kleinen Teil des Geldes, um meine zwei anderen Geschwister zu ernähren.“ „Aber, was ist denn mit euren Eltern? Arbeiten sie etwa nicht?“ „Meine Eltern. Tja, eine etwas schwierige Sache. Mein Vater hatte uns schon vor Jahren verlassen, als es ihm zu viel wurde. Von einem Tag auf den anderen. Und meine Mutter ist vor einigen Monaten gestorben, keine Ahnung, woran oder wie. Ich habe noch zwei jüngere Geschwister, und wie Sie wissen, hat eine von ihnen einen Tumor. Da ich der Älteste bin, muss ich uns über Wasser halten. Meistens durch Gelegenheitsjobs, doch der Gehalt von ihen reicht nicht aus, um die Operation zu bezahlen. Und nein, das Jugendamt hat noch nichts bemerkt“, beantwortete er die unausgesprochene Frage des Polizisten. „Wieso sagt ihr dann nicht beim Jugendamt Bescheid?“, fragte dieser mit hochgezogener Augenbraue. „Wieso sollten wir? Glauben Sie wirklich, die würden uns helfen? Indem sie meine Geschwister und mich voneinander trennen und dann zur Adoption freigeben, damit andere, vollkommen fremde Menschen sie aufziehen können? Nein danke, das ist das Letzte, was wir tun würden. Wir bleiben zusammen, egal wie.“ Der Jüngere sah dem Polizisten entschlossen in die Augen. Man konnte ihn nicht mehr umstimmen. „Und nun, was wollen Sie tun? Sie können mir nicht helfen. Tja, und jetzt werden Sie mich wahrscheinlich verhaften und abführen“, sagte er verbittert und sah zu Boden. Er war verzweifelt. Ohne ihn würden seine Geschwister nicht überleben. „Hm... mal sehen, was ich tun kann. Aber ich werde mich definitiv in diesen Fall einschalten und euch irgendwie helfen. Übrigens, ich werde dich nicht verhaften. Ich lasse dich gehen. Allerdings... muss du das Geld hier lassen. Es würde dir so oder so nichts nützen, denn die Seriennummern der gestohlenen Scheine werden an alle Banken im Land und notfalls auch an Andere im Ausland weitergegeben, sodass du sofort gefasst werden würdest, wenn du das Geld auf ein Konto verbuchen wolltest. Ich denke nämlich nicht, dass es unauffällig wäre, wenn ihr über Tausende von Dollar zu Hause verstecken würdet.“ Der Junge konnte zunächst seinen Ohren nicht trauen. Hatte dieser Polizist gerade gesagt, er würde ihn laufen lassen? Er sah den Uniformierten vollkommen fassungslos an, doch als er hörte, dass er das Geld zurücklassen musste, wurde sein Gesicht wieder finster und Wut zeichnete sein Gesicht. „Haben Sie mir eigentlich zugehört? Verdammt noch mal, wir brauchen das Geld!“ „Doch, ich habe dir zugehört. Und ich versichere dir, ich werde mein möglichstes tun, damit deine Schwester ihre Operation bekommt und ihr ein... besseres Leben führen könnt. Doch... ich muss dir leider sagen, dass ihr euch noch gedulden werden müsst. Ihr werdet mit dem Geld, wie gesagt, nichts anfangen können.“ Der Polizist sah ihn eingehend an, beobachtete dessen Reaktion. Der Junge sah in die Ferne, dachte nach. Kurze Zeit herrschte Schweigen zwischen ihnen. „Nun ab, los mit dir. Ich werde mir eine Ausrede für die anderen einfallen lassen, wie du entkommen konntest. Ich werde euch aus eurer Situation befreien.“ „Woher soll ich wissen, dass Sie nicht doch lügen und am nächsten Tag vor unserer Wohnung eine Horde Polizisten stehen?“, fragte der Junge nun doch misstrauisch. „Wenn ich dich hätte hinter Gitter sehen wollen, dann wäre es schon längst geschehen. Du musst lernen, dass nicht alle Menschen schlechte Absichten haben. Vertrau mir.“ Eine kurze Zeit herrschte Schweigen zwischen ihnen, während der Junge eine List versuchte in den Augen des Polizisten zu lesen. Er fand nur pure Aufrichtigkeit. „Gut... ich vertraue Ihnen, vorerst. Wir werden uns sicherlich bald wiedersehen, oder?“ „Versprochen.“ „Vielen Dank, Arthur!“, verabschiedete sich der Junge und eilte aus der Gasse. Der Polizist sah ihm verwirrt nach. Woher kannte er seinen Namen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)