Another Side, Another Story von _Kima_ (The Traitor's Tale) ================================================================================ Prolog: Verraten und Verkauft ----------------------------- Suikoden II – „Another Side, Another Story“ Jowy-centric. Prolog: Verraten und Verkauft Es war bereits Nacht, doch der Großteil des Camps war noch auf den Beinen. Manche waren zu aufgeregt zum Schlafen und andere schienen beschlossen zu haben, diesen letzten Abend ruhig ausklingen zu lassen. Denn nach sechs Monaten im Tenzaan-Gebirge, das die kleine Stadt Kyaro im Königreich Highland von den Vereinigten Stadt-Staaten von Jowston trennte, war es für die Soldaten der Einhorn-Jugendbrigade endlich Zeit, nach Hause zurück zu kehren. Die Zeit in den Bergen war hart gewesen und nicht nur einer der jungen Soldaten hatte sich in dieser Zeit zurück nach Kyaro gewünscht. Es waren Wochen voller Angst und schlafloser Nächte gewesen, inmitten eines Krieges, der zwischen den beiden Ländern tobte. Das Gebirge war alles, was die Stadt-Staatler davon abhielt, in Highland einzumarschieren, und so waren die jungen Rekruten hier stationiert gewesen, um sie in ihrem Militärdienst für spätere Gefechte vorzubereiten. Doch jetzt war alles ruhig. Der Krieg war vorbei! Diese Nachricht hatte die Jugendbrigade spät erreicht, doch nun waren alle umso erleichterter. Nun, wo sich König Agares Blight dazu bereit erklärt hatte, einen Friedensvertrag zu unterzeichnen, konnten sich die jungen Soldaten beruhigt zurückziehen. Einige der Rekruten saßen in kleinen Grüppchen um das Lagerfeuer in der Mitte des Camps, andere bewachten die Zugänge zu dem kleinen Lager. Nicht, dass es nötig gewesen wäre, doch Befehle waren Befehle – und Captain Rowd nahm seine Befehle für gewöhnlich sehr, sehr ernst. Doch dieses eine Mal, so beschloss Jowy Atreides für sich, würde er die Befehle seines Captains ignorieren. Er hatte sich schon früh seiner Uniform entledigt, da der Gedanke an die Rückkehr nach Kyaro ihn ganz nervös machte, und nun bewachte er schon den ganzen Abend in einer weißen Leinenhose und einem ärmellosen, blauen Oberteil den östlichen Eingang des Camps. Jowy war ein hochgewachsener, schlanker junger Mann von 16 Jahren, dessen langes, blondes Haar in seinem Nacken zu einem Zopf gefasst war. Er hatte graue Augen, die normalerweise lebendig schimmerten, doch im Moment waren sie eher kurz davor, zuzufallen. Der Kampfstab in seiner Hand war zurzeit mehr eine Stütze für ihn als eine tatsächliche Waffe und er wartete darauf, dass die Wachablösung endlich kam. Die Aufregung über die morgige Rückkehr hatte ihn völlig ausgelaugt und er wollte nur noch ins Bett. „Hey, Jowy“, erklang in diesem Moment eine Stimme hinter ihm. Der junge Aristokrat – denn er war der älteste Sohn der Adels-Familie Atreides – drehte sich um und erblickte einen seiner Kameraden aus der Jugendbrigade, der den Helm seiner Uniform bereits abgenommen hatte. „Abend, Lionell“, begrüßte Jowy den anderen Jungen, „Bitte sag mir, dass du meine Ablösung bist.“ „Schon“, erwiderte Lionell grinsend, „aber ich hab gerade mit Captain Rowd gesprochen. Er meint, wir sollen ruhig ins Bett gehen.“ Jowys Augenbrauen wanderten verblüfft in die Höhe. „Ehrlich?“, fragte er verwirrt, „Der Captain lässt doch nie zu, dass wir unsere Wache vernachlässigen…“ Lionell zuckte die Achseln und warf einen Blick zurück ins Camp, das von dem großen Lagerfeuer in der Mitte etwas erleuchtet wurde. „Wahrscheinlich kann er es auch kaum erwarten, endlich nach Hause zu kommen und ist deshalb gut gelaunt“, vermutete der Jüngere, dann blickte er zurück zu Jowy und sagte: „Du solltest ins Bett gehen. Der Captain mag zwar gut gelaunt sein, aber wenn er sieht, dass du dich schon umgezogen hast, gibt’s bestimmt Ärger.“ Jowy lachte leise. „Das werde ich machen. Gute Nacht!“, verabschiedete er sich, dann machte er kehrt und ging schnurstracks zurück zum Camp. Sein Zelt teilte er mit drei anderen Jungen, von denen einer sein bester Freund Riou war. Sie hatten einander den ganzen Tag kaum gesehen, weil Rowd es für besser gehalten hatte, sie manchmal zu trennen, weil sie sonst die ganze Zeit aufeinander saßen. Jowy persönlich hätte es überhaupt nichts ausgemacht, wenn er auch weiterhin bei seinem Freund hätte bleiben können, aber im Endeffekt war es auch egal. Ungesehen schaffte der blonde Aristokrat es am Zelt des Captains vorbei, und betrat zufrieden sein eigenes. Zwei der drei anderen Jungen schliefen bereits den Schlaf der Gerechten – Piet murmelte etwas im Schlaf, wie immer – doch ein anderer war noch hellwach. Es war ein für sein Alter von 15 Jahren recht großer Junge mit kurzen, dunkelbraunen Haaren und ebenso braunen Augen, der gerade dabei war, der Gürtel seiner Tunika zuzubinden. Auch er war schon umgezogen und Jowy lächelte als er die altbekannte, rote ärmellose Tunika, die schwarze Leinenhose und die braunen Halbstiefel sah. Um die Schultern hatte der Junge ein gelbes Tuch geknotet und ein dünner Goldreif hielt ihm die Haare aus der Stirn. „Schon umgezogen? Du hast es ja ganz schön eilig“, sagte der Blonde grinsend und der Jüngere blickte erstaunt auf, ehe sich ein Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete. „Hey, Jowy“, erwiderte er leise. Das war das Besondere an Riou – er wurde nie laut. Er war eine derart ruhige, ausgeglichene Person, dass Jowy ihn darum oft genug beneidete. „Ich hab selbst an die Rückkehr nach Kyaro gedacht und konnte es kaum erwarten, aus der Uniform herauszukommen“, gestand er, während er auf seinen Freund zuging und sich auf sein eigenes Bett fallen ließ. Riou lächelte über diese Worte, sagte jedoch nichts. Überhaupt sprach er eher selten – doch das hieß nicht, dass er dumm war. Tatsächlich war Riou einer der klügsten Menschen, die Jowy kannte. „Nanami wartet sicher auf dich“, murmelte der Blonde gedankenverloren, während er zur Zeltdecke hinaufsah, „Jetzt, wo Meister Genkaku tot ist, bist du alles, was sie noch hat.“ Nanami und Riou waren keine leiblichen Geschwister und Genkaku war nicht ihr leiblicher Vater gewesen – dennoch kannte er keine Familie, die diese Bezeichnung mehr verdient hatte. „Wenn dieser Krieg nicht wäre…“, murmelte Riou mit einem Nicken, doch er brach ab und ließ sich auf seinem Bett nieder. Einen Moment schwiegen sie, ehe Jowy sich wieder aufrichtete und fragte: „Wollen wir schlafen gehen? Oder willst du lieber noch ein wenig frische Luft schnappen? Scheint eine schöne Nacht zu werden.“ Riou blickte zum Zelteingang und überlegte einen Augenblick lang, dann schüttelte er den Kopf und antwortete: „Nein, schon gut. Lass uns schlafen, ich bin müde.“ „Gut“, nickte Jowy zufrieden, „Ich wollte ohnehin bei Tagesanbruch aufbrechen.“ „Dann sind wir uns ja einig“, meinte der Jüngere lächelnd, ehe er seine Stiefel im Sitzen abstreifte und unter seine Decke kroch. Jowy musste ebenfalls lächeln, entledigte sich ebenfalls seiner Stiefel und blies die Kerzen aus, die das Zelt erhellt hatten, ehe er ebenfalls zu Bett ging. „Gute Nacht!“, flüsterte er noch, ehe er die Augen schloss und entspannt seufzte. „Gute Nacht“, erwiderte Riou und dann war es still. Eine Weile lauschte Jowy den ebenmäßigen Atemzügen seiner Gefährten, dann gesellte sich auch Riou zu ihnen und schließlich merkte er selbst, wie er in den Schlaf driftete. Morgen würden sie nach Kyaro zurückkehren und den Krieg vergessen können. Alles würde gut werden. Wie sehr er sich irrte. Kampflärm riss ihn aus dem Schlaf, Schreie und der beißende Geruch von brennendem Holz ganz in seiner Nähe. Jowy fuhr hoch und im selben Moment gellte ein Schrei durch das Camp: „Überraschungsangriff!!“ Neben ihm fuhr nun auch Riou aus dem Schlaf und die zwei starrten einander im Halbdunkel an, während Piet und Marcus bereits unterwegs nach draußen waren. Ein Angriff? „Aber was ist mit dem Friedensvertrag…?“, hörte Jowy sich selbst flüstern, dann ergriff er Rious Arm und rief: „Los, Riou, lass uns gehen!“ Der Jüngere ließ sich das nicht zwei Mal sagen, er schlug die Decke zurück und zog in Windeseile seine Stiefel an, während Jowy es ihm gleich tat. Sein Herz hämmerte, während die Rufe draußen immer lauter wurden, und seine Gedanken rasten. Was war passiert?! Die Jungen griffen gleichzeitig nach ihren Waffen – Jowy nach seinem Kampfstab, Riou nach seinen Tonfa – dann liefen sie hinaus – und erstarrten. Das Camp stand lichterloh in Flammen, überall hasteten junge Soldaten panisch und manche sogar verletzt umher. „Bei den Runen…“, hauchte Riou entsetzt und schien noch etwas sagen zu wollen, doch in diesem Moment ertönte eine erleichtert klingende Stimme: „Riou, Jowy!“ Die Freunde wandten sich um und sahen Captain Rowd, einen Mann Mitte 30, auf sie zulaufen. „Captain, was ist hier los?“, verlangte Jowy zu wissen, während Riou wegen dem Rauch leise hustete. „Es ist ein Überraschungsangriff des Staates“, erwiderte Rowd gepresst und sah sich gehetzt um, „Sie haben den Friedensvertrag gebrochen, dieser Abschaum! Es sieht aus, als wären wir fast völlig umzingelt.... Jungs, nehmt den Bergpfad nach Osten und rettet euch! Los, Beeilung!!“ „Was ist mit Euch?“, fragte Riou leise, doch Rowd schüttelte den Kopf und wandte sich an Jowy: „Jowy, ich vertraue dir, verstanden? Bring Riou hier raus, du hast die Verantwortung!“ Der Blonde nickte, dann ergriff er den Arm seines Freundes und sagte: „Komm schon, Riou. Wir können hier nicht sterben… Nanami wird sonst ganz allein sein!“ Die Erwähnung seiner Schwester schien den Jungen aus seiner Starre erwachen zu lassen und er nickte. Mit einem letzten Blick zurück auf ihren Captain, der bereits wieder zwischen den brennenden Zelten verschwunden war, um weitere seiner Schützlinge aufzutreiben, setzten die beiden sich in Bewegung. Sie rannten wie befohlen in Richtung Osten, vorbei an ihren Kameraden. Piet kniete am Wegesrand über einem anderen Jungen und schüttelte ihn, eindeutig weinend: „Hey! Öffne deine Augen! Du darfst nicht sterben!!“ Riou schien stehen bleiben zu wollen, doch Jowy rief: „Piet! Mach, dass du hier wegkommst! Er ist tot, du kannst nichts mehr für ihn tun!“ Piet nickte schwach, dann riss er sich zusammen und lief weiter. Dabei überholte er Jowy und Riou, der mit betrübtem Blick den toten Jungen betrachtete. „Riou!“, drängte der Blonde, ergriff ihn an Arm und zog ihn weiter. Der Jüngere wirkte unglücklich, doch er hielt nicht mehr an. „Muss… Hier weg…“, keuchte jemand hinter Jowy und ihm nächsten Moment rannte Lionell an ihnen vorbei, seinen jüngeren Bruder an der Hand. Die beiden verschwanden im Dickicht des Waldes vor ihnen, während die Schreie hinter ihnen immer lauter wurden. Keuchend kamen Jowy und Riou an einer kleinen Lichtung zum Stehen, um etwas Luft zu schnappen. Der Rauch brannte noch immer in ihren Lungen und es war lange her, seit sie das letzte Mal so lange ohne Unterlass gerannt waren. „Es… tut so weh…“ Ein Stöhnen drang an seine Ohren und Jowy hob schwer atmend den Kopf. Ihnen näherten sich zwei Jungen, von denen einer verletzt zu sein schien und von dem anderen gestützt wurde. „Keine Sorge“, murmelte der unverletzt wirkende Junge, „Ich bring dich hier raus. Wir sind Freunde, schon vergessen?“ „Michael“, keuchte Riou entsetzt und eilte auf die zwei Jungen zu. „Riou…“, stöhnte der Verletzte, „Ist schon gut. Jowy, haut ab, solange ihr noch könnt… Wir schaffen es schon.“ „Aber…“, begann der Blonde, doch der unverletzte Junge unterbrach ihn resolut: „Wir können hier nicht alle sterben, Jowy! Nimm Riou und haut ab, los!“ Widerwillig nickte der junge Aristokrat und auch Riou biss sich auf die Lippe, ehe er nickte. „Wir sehen uns zu Hause“, murmelte er den beiden zu, ehe er sich umdrehte und weiterlief. Jowy folgte ihm eilig und hatte ihn schnell eingeholt. Noch immer konnte er keinen klaren Gedanken fassen. Was im Namen der 27 Wahren Runen war denn überhaupt passiert? Sie hatten doch gerade einen Friedensvertrag unterzeichnet, der Krieg hätte doch eigentlich vorbei sein sollen! Und nun war er doch auf der Flucht, allein mit Riou in einem Gebirge voller wilder Monster, dessen einziger Fluchtweg…! Schlitternd kam er zum Stehen, als ihn eine Erkenntnis ereilte. „Warte mal, Riou!“, rief er und auch der Jüngere hielt inne. Verwirrt blickte er zurück und fragte: „Was ist los?“ Er wirkte besorgt, da Jowys Schreck ihm buchstäblich ins Gesicht geschrieben zu sein schien. „Findest du es nicht auch seltsam?“, fragte der Blonde, während er einen Blick über die Schulter warf, um mögliche Verfolger erkennen zu können, „Der einzige Weg hier raus ist durch den Wald. Das muss der Feind doch auch wissen?“ Riou starrte ihn geschockt an und hauchte dann: „Du meinst doch nicht, dass…?“ „Es könnte sein, dass der Feind uns hier in einen Hinterhalt locken will“, erwiderte Jowy ernst, „Was ist, wenn niemandem das bisher eingefallen ist?“ „Lass uns zurückgehen und dem Captain Bescheid geben“, schlug Riou vor. Der Blonde nickte und sie machten kehrt. Wenn er Recht hatte und bisher alle, die nach Osten gelaufen waren, in eine Falle getappt waren, dann hieß das, dass der Großteil der Jugendbrigade dem Feind zum Opfer gefallen war. Er biss sich auf die Lippe, als ihm klar wurde, dass es gut möglich war, dass er den Morgen nicht mehr erleben würde. Sie liefen den gleichen Weg zurück, den sie gekommen waren, doch sie trafen niemanden mehr aus der Jugendbrigade an… zumindest niemanden, der noch am Leben war. Noch im Wald fanden sie die Leichen von Michael und seinem Freund und auch auf dem gesamten Weg zurück entdeckten sie die gefallenen Körper ihrer ehemaligen Kameraden. Jowy vermied es, sie anzublicken, doch er wusste genau – wenn er diesen Tag überleben sollte, würden die Bilder ihn ewig verfolgen. Keuchend erreichten die beiden Jungen das noch immer lichterloh brennende Camp und machten sich geduckt, um den Rauch nicht einzuatmen, auf die Suche nach ihrem Captain. Ganz in der Nähe der Mitte des Lagers griff Riou plötzlich nach Jowys Arm und flüsterte: „Warte mal! Ich höre Stimmen…“ Der Blonde starrte ihn an und wollte bereits fragen, ob er sich nicht vielleicht etwas einbildete, als er es ebenfalls hörte. Da unterhielten sich Männer. „Was zum…?“, murmelte er, während die beiden näher krochen. Bald schon kam eine Gruppe Männer in Sicht – ein paar Soldaten standen mit gezückten Schwertern neben einem jungen Mann mit schwarzen Haaren, der sich mit Captain Rowd unterhielt! Jowy und Riou wechselten einen Blick und gingen dann hinter zwei unversehrt gebliebenen Kisten in Deckung, um das Geschehen beobachten zu können. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. „Es ist genau wie wir es geplant haben, Prinz Luca“, hallte Rowds Stimme durch das leere Camp, „Alle flohen durch den Wald im Osten, der Hinterhalt war perfekt.“ Trotz der Hitze lief Jowy ein eiskalter Schauer über den Rücken. Prinz Luca? War das etwa Prinz Luca Blight, Sohn von König Agares? Und was sollte das heißen, alles war nach Plan gelaufen?! Der junge Mann lachte abfällig und von dem Geräusch wurde dem blonden Aristokraten schlecht. Wie konnte jemand nur so grausam sein? „Alles arme Opfer des Hinterhalts des Staates, was?“, ätzte er mit einem breiten Grinsen, während seine dunklen Augen über die Flammen glitten, welche das Camp langsam zerstörten. Das Grinsen erreichte seine Augen nicht und Jowy fühlte sich unangenehm an einen Albtraum erinnert. Etwas Anderes konnte das alles hier nicht sein. „Ich wünschte, ich wäre beim Hinterhalt dabei gewesen“, fuhr der sogenannte Prinz fort, während seine Augen blutgierig zu funkeln schienen, „In letzter Zeit habe ich nur gegen einen alten Mann gekämpft… Wenn das so weitergeht, roste ich ein.“ Er spuckte zu Boden und Jowy ballte ohnmächtig eine Hand zur Faust. Obwohl er Luca Blight bisher noch nie gesehen hatte, wusste er, dass er diesen Mann abgrundtief hasste. „Ja“, stimmte Rowd dem Adligen zu, schüttelte dann, als ihm klar wurde, was er da gesagt hatte, schnell den Kopf und korrigierte sich: „I-Ich meine, nein, nein. Eure Fähigkeiten mit dem Schwert, Prinz Luca, sind wahrlich unvergleichlich. Meine Männer würden wie Idioten aussehen!“ Er lachte nervös und der Prinz fiel in das Lachen ein. Die Fingernägel der Hand, die er zur Faust geballt hatte, bohrten sich schmerzhaft in Jowys Handfläche, doch es war ihm egal. Rowd machte sich doch tatsächlich über die Jungen lustig, die er bereitwillig nach Osten geschickt hatte, wo sie ihrem Tod entgegen gelaufen waren! Der Blonde musste sich stark zusammenreißen, um seine Deckung nicht aufzugeben, zu den Männern zu laufen und sie zur Rede zu stellen. Doch er wusste, dass das im besten Falle Selbstmord wäre – im schlimmsten Fall würde Riou ihm folgen und sie würden beide sterben. „Tja, nun“, sagte Luca Blight schließlich, nachdem er sich beruhigt hatte, „die jungen Männer haben ihrem Land gut genug gedient und jetzt brauchen wir keinen Friedensvertrag mit diesen Schlappschwänzen des Staates. Ich werde beweisen, dass sie keine Chance gegen die Macht von Highland haben!!“ Riou schnappte neben ihm scharf nach Luft und musste stark husten, als er den Rauch einatmete. Alarmiert sah Jowy ihn an, doch der Jüngere drückte eine Hand auf seinen Mund und schüttelte mit tränenden Augen den Kopf. „Keine Sorge“, keuchte er und warf einen Blick zu den Soldaten, die nichts mitbekommen zu haben schienen, „alles… alles okay.“ Nicht überzeugt blickte Jowy zögernd zurück zu der Gruppe von Männern, die kaum ein paar Meter von ihnen entfernt waren. „Ich stimme Euch zu, Sire“, schleimte Rowd, „Mit Euch an der Spitze kann Highland endlich den Ruhm ernten, den es verdient!“ Wieder brachen die Männer in triumphierendes Gelächter aus und Jowy und Riou tauschten einen geschockten Blick. „Aber was… was im Namen der Runen…?“, flüsterte Jowy erstickt. Er blickte Riou an, der genauso entsetzt war wie er selbst. Doch im Gegensatz zum Blonden schien er eine Entscheidung gefasst zu haben. „Lass uns abhauen, Jowy!“, flüsterte er eindringlich. Der junge Aristokrat wollte etwas erwidern, wollte ihm sagen, dass er unmöglich weglaufen konnte… aber er sah ein, dass es nichts bringen würde, hier zu bleiben. Es sei denn, er wollte sterben. „Du hast Recht“, murmelte er unglücklich, „Aber wenn wir nach Osten gehen, bringen sie uns um!“ „Dann bleibt uns nur die Klippe im Norden“, nickte Riou und warf einen kurzen Blick zurück auf die Soldaten. Jowy folgte seinem Blick. „Sie haben uns noch nicht entdeckt“, stellte er fest, „vielleicht können wir die Klippe hochklettern und so entkommen…“ Riou nickte nur angespannt, dann zogen die beiden sich langsam von ihren Versteck zurück und beeilten sich, das Camp möglichst ungesehen zu verlassen. „Nach Norden“, raunte der Jüngere ihm zu, dann rannten sie los. Blut hämmerte in seinen Ohren, während sie den steilen Pfad entlang liefen. Was war denn nur los? Innerhalb weniger Stunden schien sein Leben völlig auf den Kopf gestellt worden zu sein und er kam einfach nicht hinterher. Er wusste nur, dass er gerade etwas beigewohnt hatte, dass er nicht hatte sehen sollen, und dass er und Riou schleunigst abhauen mussten, wenn sie nicht sterben wollten. Nach Atem ringend erreichten die beiden die Klippe, die direkt neben einem tosenden Wasserfall lag. Jowy stützt seine Arme auf die Knie und schnappte nach Luft, während Riou neben ihm wieder zu husten begann. „Alles okay?“, fragte Jowy besorgt nach, „Bist du verletzt?“ „Nein, schon gut“, hustete Riou und atmete tief durch, „mir geht’s gut.“ Der Blonde nickte, dann richtete er sich auf und blickte sich um. Sie waren allein. Zu ihrer Linken stürzte der Wasserfall in die Tiefe und zu ihrer Rechten und auch nach Süden hin verdeckte ein Baumdickicht die Sicht zurück zum Camp, und vor ihnen türmte sich eine Felswand des Tenzaan-Gebirges auf. „Ich glaube, man hat uns noch nicht entdeckt“, sagte er langsam und sah sich um, „Aber… aber warum würde der Captain…?“ „Ihr werdet die Antwort nie erfahren.“ Die Jungen zuckten zusammen und fuhren herum. Rowd höchstpersönlich trat aus dem Dickicht, flankiert von vier Highland-Soldaten. Jowy wich zurück und Riou tat es ihm gleich, während ihr Captain auf sie zukam. Ein abfälliges Lächeln lag auf seinem Gesicht. „Ihr werdet hier sterben“, fuhr er fort und ließ die Gelenke seiner Fingerknöchel knacken, „Opfer des Überraschungsangriffs des Staates. Eure Zukunft endet hier.“ Jowy starrte den Mann ungläubig an. „Cap… Captain…“, hörte er sich selbst sagen, doch Rowd ignorierte ihn völlig. „Es ist wirklich schade“, fuhr der ehemalige Captain der Jugendbrigade fort, doch klang kein bisschen danach, als wenn er etwas bedauern würde, „Ihr beide wart vielversprechende Soldaten.“ Jowy umklammerte seinen Kampfstab und nahm seine Kampfhaltung an, neben ihm tat Riou es ihm gleich. Vielleicht würden sie sterben, aber nicht kampflos. „Wie niedlich“, kommentierte Rowd diese Handlung, dann warf er den Männern neben sich einen Blick zu. „Ergreift sie“, befahl er ihnen und sie ließen es sich nicht zwei Mal sagen. Die vier bis an die Zähne bewaffneten und ausgebildeten Soldaten stürzten auf die beiden Jungen zu, ganz ohne Zweifel mit dem eindeutigen Ziel, sie umzubringen. Doch Riou und Jowy hatten nicht umsonst den Großteil ihrer Kindheit bei Meister Genkaku im Dojo verbracht. Er hatte den Jungen alte Kampftechniken beigebracht, die nur er zu kennen schien, und Jowy dankte dem verstorbenen Kampfkünstler im Geiste, während er unter einem Schwerthieb hinwegtauchte und dem Soldaten seinen Stab in den Magen rammte. Gleichzeitig ließ Riou eins seiner Tonfa kreisen und erwischte einen der anderen Soldaten damit im Gesicht. Vor Schmerzen stöhnend ließ der Mann sein Schwert fallen, doch an seine Stelle trat gleich ein anderer. Jowy wirbelte herum und stieß seinen Stab in den Solarplexus des nächsten Soldaten, doch der Stab prallte an dem Brustpanzer der Rüstung ab und der Mann hieb mit seinem Schwert nach dem Blonden. Dieser wich zurück, ergriff seinen Stab etwas weiter unten und stieß wieder zu; diesmal traf die stumpfe Waffe ihr Ziel und auch dieser Soldat sank unter Schmer-zen zu Boden. Den dritten Soldaten schalteten die Jungen zusammen aus und auch der vierte konnte Genkakus Techniken nichts entgegensetzen. Schließlich lagen alle vier Männer bewusstlos geschlagen am Boden und die Jungen standen keuchend und mit erhobenen Waffen zwischen ihnen. Es war ein kurzer, aber heftiger Kampf gewesen und Jowy wusste genau, dass sie so etwas auf Dauer nicht durchhalten würden. „Verdammt!“, fluchte Rowd, als er seinen letzten Mann fallen sah, „Ihr widerspenstigen Gören! Wartet nur, ich bin sofort zurück!“ Mit diesen Worten und einem weiteren Fluch wandte er sich um und eilte zurück zum Camp. „Wir können nicht ewig so weitermachen“, sagte Jowy schweratmend, während er von den bewusstlosen Männern zu seinen Füßen zurückwich, weiter auf die Klippe zu. „Ich weiß“, erwiderte Riou, hustete noch einmal und schüttelte dann den Kopf, als sein Blick über die Soldaten glitt. Jowy wischte sich nervös eine verirrte Strähne aus dem Gesicht und dachte angestrengt nach. Ein Blick auf die Felswand vor ihm war genug, um zu wissen, dass sie unmöglich daran hochklettern konnten, und zurück ins Camp konnten sie auch nicht. Wenn sie hier blieben, würde Rowd sie erwischen… „Wir haben keine andere Wahl, Riou“, beschloss der Blonde, „wir müssen springen.“ Er blickte lieber nicht zum tosenden Wasserfall neben ihnen. Er wusste selbst, dass die Strömung stark war. Stattdessen sah er zu seinem besten Freund, der einen schnellen Blick auf das Wasser warf, ehe er leise seufzte. „Du hast Recht. Wir haben keine Wahl“, nickte Riou und in seinen Augen stand Entschlossenheit. Jowy atmete tief durch und blickte zur Felswand neben ihm. Dann traf er eine Entscheidung, zückte ein kleines Messer, das er in seinem Stiefel aufbewahrte – für alle Fälle – und schlug damit eine Kerbe in den Fels. „Okay. Hör zu, wenn wir es schaffen… aber irgendwie getrennt werden…“, murmelte er langsam und blickte dann zurück in Rious ruhige, braune Augen, „dann lass uns hierher zurückkehren. Dann können wir einander wiederfinden. Versprich es mir, ja?“ Flehend sah er den Jüngeren an. Er wusste selbst nicht genau, was in ihn gefahren war. Aber irgendwie ahnte er, dass dieser Sprung einfach nicht gut enden würde… „Ich verspreche es“, erwiderte Riou jedoch völlig ruhig, lächelte ihm zu und nahm das Messer an sich, um eine zweite Kerbe in den Fels zu schlagen. Jowy warf einen Blick auf das entstandene Kreuz, steckte das Messer zurück in seinen Stiefel und sagte leise: „Danke.“ Riou lächelte ihm aufmunternd zu, dann traten die beiden entschlossen an den Rand der Klippe und sahen hinunter. Sie sahen die Wasseroberfläche nicht, doch vielleicht war es besser so. „Also los“, murmelte Jowy, ergriff Rious Hand und tauschte einen letzten Blick mit ihm. Dann sprangen sie und als er mit einem Schrei unter Wasser tauchte und augenblicklich durch die Strömung von seinem besten Freund fortgerissen wurde, hoffte Jowy, dass sie nicht einen fatalen Fehler begangen hatten. 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