Another Side, Another Story von _Kima_ (The Traitor's Tale) ================================================================================ Kapitel 1: Pilika ----------------- Kapitel 1: Pilika Nur langsam kam er zu sich. Es schien, als würde die Dunkelheit, in deren Arme er vor wer weiß wie langer Zeit gesunken, ihn nur ungern wieder gehen lassen. Sein Bewusstein kehrte schleichend zurück, doch irgendwann schaffte er es, die Augen zu öffnen. Das erste, was er bemerkte, war, dass sein Körper unglaublich weh tat. Ein leises Stöhnen entwich ihm, während er sich vorsichtig aufrichtete und erst einmal seine Umgebung in Augenschein nahm. Er lag in einem Bett und befand sich in einem kleinen, gemütlich eingerichteten Zimmer, durch dessen einziges Fenster zu seiner Linken das Sonnenlicht hereinfiel. In dem Raum stand noch ein zweites, breiteres Bett und kurz wunderte er sich, wo er war. Sein Blick glitt über eine kleine Keramikfigur in Form einer Katze, die auf dem kleinen Tischchen neben ihm stand, und ein Plüschtier, das auf dem zweiten Bett lag. Dann blickte er an sich hinunter und stellte fest, dass er nur eine Hose trug; sein Oberkörper war bandagiert worden, doch die Verbände waren an einigen Stellen bereits blutgetränkt. Was war passiert? Er fuhr sich mit der Hand durchs blonde Haar, das sich aus dem Zopf größtenteils gelöst hatte, und runzelte die Stirn. Und dann, während er so dasaß und die Bettdecke anstarrte, kehrte die Erinnerung plötzlich mit einem Schlag zurück. Natürlich! Der Hinterhalt der Armee des Staates… Nein, nicht der des Staates. Es war die Armee von Highland gewesen, die die Jugendbrigade abgeschlachtet hatte. Captain Rowd und Prinz Luca selbst hatten sie hintergangen und Riou und er hatten alles mitangesehen… Riou!! Jowy fuhr zusammen und bereute es sofort, da die leichte Bewegung eine Welle heißen Schmerzes durch seinen geschundenen Körper sandte. Riou. Wo war er? Was war passiert, nachdem sie in den Fluss gesprungen waren? Sein Kopf begann zu dröhnen und er schloss gepeinigt die Augen, ehe er die Zähne zusammenbiss und die Decke zurückschlug. Zwar waren seine Beine von einer – nicht seiner eigenen – Hose bedeckt, doch er musste sie nicht sehen, um zu wissen, dass er stark verletzt war. Offensichtlich hatte die starke Strömung ihn ziemlich oft gegen die Felsen geschleudert. Es war ein Wunder, dass er überhaupt noch lebte. Doch all das war zweitrangig. Er musste Riou finden. Was, wenn ihm etwas passiert war? Er würde es sich niemals verzeihen können, wenn er den Jüngeren in den Tod gerissen hatte. Doch in dem Moment, als er seine schmerzenden Füße auf den kalten Boden setzte, öffnete sich die Tür leise und ein kleines Mädchen mit kurzen, braunen Haaren in einem rosa Kleid betrat das Zimmer. Als sie ihn erblickte, schaute sie ihn böse an und rief: „Du musst im Bett bleiben! Mama hat gesagt, dass du noch lange Zeit bei uns bleiben wirst.“ „Ich kann nicht hier bleiben“, erwiderte Jowy und betrachtete ihre großen, braunen Augen, die ihn viel zu schmerzhaft an Riou erinnerten, „Ich muss meinen Freund suchen.“ Das kleine Mädchen trat näher und blickte zu ihm hoch. Wie alt mochte sie sein? Fünf, vielleicht sechs Jahre? „Mama hat gesagt, dass dir der Bauch wehtut“, sagte das Mädchen ernst, „Mein Bauch tut auch manchmal weh, weißt du? Dann legt Mama immer ihre Hand auf meinen Bauch“, sie streckte die Hand aus und berührte mit ihren Fingerspitzen vorsichtig seine Bauchmuskeln, „und dann sagt sie einen Zauberspruch. Dann tut es nicht mehr weh.“ Verblüfft blickte Jowy auf das Kind hinunter und stellte dann fest: „Deine Mama hat dich wohl sehr lieb.“ „Ja“, strahlte das Mädchen glücklich, „und Papa auch. Und jetzt musst du still sein. Ich sag jetzt den Zauberspruch!“ Gegen seinen Willen schlich sich ein Lächeln auf sein Gesicht, als das Mädchen die Augen schloss und laut rief: „Eins, zwei, drei – das Aua ist vorbei!“ Dann öffnete sie die Augen wieder und schaute zu ihm auf. „Tut es noch weh?“, fragte sie und Jowy schüttelte den Kopf, obwohl sich natürlich nichts getan hatte. „Mir geht es viel besser. Danke“, antwortete er und strich ihr übers Haar. Das Mädchen lächelte glücklich, ehe sie verkündete: „Jetzt kannst du deinen Freund suchen gehen, Onkel! Und dann kommt ihr zurück und Mama macht uns allen Essen.“ „Okay“, nickte Jowy. Doch noch bevor er versuchte, aufzustehen, öffnete sich die Tür ein weiteres Mal und eine junge Frau trat ein. Sie war nicht älter als 30, ihr braunes Haar war im Nacken zu einem Knoten gefasst und sie trug ein schlichtes, dunkelrotes Kleid und eine Schürze. Ganz ohne Zweifel war dies die Mutter des kleinen Mädchens. „Du bist wach“, stellte sie mit einem Lächeln fest, als sie Jowy erblickte, „Wir haben uns Sorgen gemacht. Wie geht es dir?“ Der Blonde wollte antworten, dann warf er einen kurzen Blick auf das Mädchen an seiner Seite und verstummte wieder. Die Frau schien zu verstehen und fragte dann: „Pilika, Kleines? Warum gehst du nicht raus und hilfst Papa am Schrein?“ „Ja, mach ich!“, rief das Mädchen – Pilika – und lief hinaus. Ihre Mutter blickte ihr nach, dann kam sie weiter auf Jowy zu und sagte: „Pilika hat dich vor ein paar Tagen im Fluss treibend gefunden. Du wärst fast ertrunken und warst sehr, sehr schwer verletzt. Was ist passiert?“ Einen Moment lang war der Blonde versucht, die Wahrheit zu sagen. Doch irgendwie hatte er das Gefühl, dass er diese Menschen besser nicht damit belasten sollte. Also überlegte er kurz fieberhaft nach einer Ausrede und log schließlich: „Ich war in den Bergen spazieren und bin dann ausgerutscht und in den Fluss gefallen.“ „Du hast großes Glück gehabt“, nickte die Frau, während sie eine Schublade in dem kleinen Tischchen neben Jowys Bett öffnete und Verbände herausnahm, „Wie heißt du?“ Der Blonde nannte seinen Namen und die Frau lächelte. „Ich bin Joanna“, stellte sie sich vor, „Mein Mann Marx ist der Hüter des Schreins dieses Dorfes.“ Sie machte sich schweigend daran, seine Verbände zu wechseln, und Jowy verzog das Gesicht, als er die Wunden betrachtete, die seinen Oberkörper überzogen. Nachdem Joanna ihre Arbeit beendet hatte und die benutzten Verbände in einen Korb warf, der an seinem Fußende stand, fragte er leise: „Joanna, war… war noch jemand bei mir, als Pilika mich gefunden hat?“ Sie blickte verwirrt zu ihm auf und schüttelte dann den Kopf. „Nein“, antwortete sie, „Wieso, vermisst du jemanden?“ „Ich… Ich war mit meinem besten Freund unterwegs“, erklärte Jowy, bemüht, seine Lüge weiter zu verfolgen, „Als ich… als ich ausgerutscht bin, hat er versucht mir zu helfen und… und ist auch in den Fluss gestürzt.“ Er konnte nur hoffen, dass diese Lüge nicht allzu offensichtlich war. „Oh“, machte Joanna mitfühlend, „es tut mir leid. Aber ihm ist bestimmt nichts passiert. Du wirst sehen.“ „Ich muss ihn suchen gehen“, sagte Jowy bestimmt und machte Anstalten, aufzustehen, doch der Schmerz in seinen Beinen zwang ihn zurück aufs Bett. „Du bist verletzt“, entgegnete Joanna ernst, „Ich kann verstehen, dass du dir Sorgen machst, aber in deinem Zustand kannst du das Bett unmöglich verlassen. Der Arzt hat gesagt, dass du mindestens eine Woche hier bleiben musst, ehe deine Wunden sich geschlossen haben.“ „Was, wenn Riou verletzt wurde?“, erwiderte der Blonde kopfschüttelnd, „Es wäre meine Schuld und ich… ich hab versprochen, auf ihn aufzupassen…!“ „Es tut mir leid“, wiederholte Joanna und sah ihn traurig an. Jowy biss sich auf die Lippe; er hasste es, hilflos zu sein. „Versuch, ein wenig zu schlafen“, riet Joanna ihm und legte ihm aufmunternd eine Hand auf die Schulter, „ich bringe dir später etwas Suppe vorbei.“ „Danke“, murmelte der Blonde und lächelte ihr schwach zu. Er ließ es zu, dass sie ihn zurück in die Kissen drückte und zudeckte, doch als sie sich zur Tür wandte, fiel ihm etwas ein. „Joanna?“ Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn aufmerksam an. „Was ist denn, Jowy?“ „Bin ich… ist dieses Dorf… ich meine, wo sind wir?“ Die junge Frau lächelte ihn an und antwortete: „Wir sind im Dorf Toto.“ „Im… Staat?“ „Aber ja. Keine Sorge, Highland ist weit entfernt“, erwiderte Joanna beruhigend, „und außerdem, wir haben doch gerade einen Friedensvertrag unterzeichnet. Wir müssen also keine Angst mehr vor Highland haben.“ „Ja…“, murmelte Jowy abwesend, mit den Gedanken schon wieder ganz woanders. Er spürte Joannas Blick noch auf sich, doch er erwiderte ihn nicht. Stattdessen starrte er die Wand neben sich an. Friedensvertrag, dass er nicht lachte. Er musste an die Schreie seiner Kameraden denken, an ihre Leichen, an das brennende Camp, das grausame Lachen Luca Blights. All das zeugte nur zu deutlich davon, dass der Vertrag nichts als eine Farce war. Das Königreich Highland hatte seine eigenen Landsleute verraten. Wer würde die Highlander nun daran hindern auch den Staat anzugreifen? Er hatte gedacht, dass der Krieg endlich vorbei war. Die Menschen im Staat waren sich dessen völlig sicher, sie waren erleichtert! Und doch… Er schloss die Augen. Sein Kopf tat furchtbar weh, von dem Rest seines Körpers ganz zu schweigen. Und so dringend er diesen Ort verlassen musste, so dringend er Riou finden musste… er wusste genau, dass er in seinem momentanen Zustand nicht einmal die Vordertür erreichen würde. „Onkel Jowy?“ Er öffnete die Augen und stellte fest, dass er tatsächlich eingeschlafen war. Blinzelnd wandte er den Kopf nach links und erkannte Pilika, die vor seinem Bett stand und ein Tablett in den Händen hielt, auf dem eine Schüssel Suppe vor sich hin dampfte. „Du bist wach“, stellte das kleine Mädchen zufrieden fest und er nickte, ehe er sich aufrichtete und ihr das Tablett vorsichtig abnahm. „Die hat Mama gekocht“, erklärte Pilika ernst, als er den Löffel zur Hand nahm und die Suppe kurz beäugte. Es waren doch wohl hoffentlich keine Karotten da drin, nicht wahr…? „Mama macht die beste Suppe der ganzen Welt“, fuhr Pilika fort, während sie es sich an seinem Fußende auf dem Bett bequem machte, „und den besten Eintopf der Welt und das beste Fleisch der Welt und den besten Obstsalat der Welt!“ Jowy musste wieder unwillkürlich lächeln. „Du hast deine Mama sehr gern, hm?“ „Ja! Und Papa auch“, nickte Pilika und lächelte ihn an. Ihr fehlte ein Schneidezahn, fiel ihm auf. „Ich hab dich auch sehr gern, Onkel Jowy“, verkündete das Mädchen plötzlich und er verschluckte sich fast an seiner Suppe. „Was?“ „Ich mag dich, Onkel Jowy“, wiederholte Pilika breit lächelnd. Er blinzelte sie verblüfft an. „Du kennst mich doch gar nicht“, gab er zu bedenken, doch die Kleine zuckte die Achseln: „Na und? Ich mag dich trotzdem!“ „Ich…“ Jowy senkte den Blick auf die dampfende Suppe und verstummte. Er wusste nicht, warum, aber irgendwie nahmen ihn diese Worte mit. Vielleicht lag es daran, dass er und dieses Mädchen eigentlich Feinde waren. Er war ein Highlander, noch dazu ein junger Soldat. Wären die Umstände ein wenig anders gewesen… Er mochte nicht daran denken. „Ich mag dich auch, Pilika“, flüsterte er und musste sich plötzlich stark zusammenreißen, um nicht die Fassung zu verlieren. Er hörte das Mädchen vergnügt lachen und machte sich schnell daran, die Suppe zu löffeln. Er musste hier weg. Er musste weg und das schnell, weil er anfing, das Mädchen tatsächlich zu mögen… und das war nicht gut. Die nächsten zwei Tage verbrachte Jowy noch im Bett, dann erlaubte Joanna ihm endlich, aufzustehen und ein bisschen umherzugehen. Noch immer tat sein Körper weh, doch er merkte, wie er sich langsam erholte. Joannas Mann Marx war ein ebenso herzensguter Mensch wie sie es war und führte, wenn er Zeit hatte, gerne Gespräche mit dem Jungen. Doch jedes Mal, wenn er sich mit diesen Menschen unterhielt, spürte der junge Aristokrat seine Schuldgefühle an ihm nagen. Er hatte ihnen erzählt, dass er in einer kleinen Siedlung in den Bergen lebte, die noch auf dem Territorium des Staates lag. Er hielt es für besser, wenn sie nicht wussten, dass er ein Highlander war – und vielleicht wollte er es selbst vergessen. Er fühlte sich hier in dieser Familie so viel wohler als zu Hause, dass es ihn erschreckte. Es war nicht gut, es war falsch und doch… doch fühlte es sich richtig an. Als er das erste Mal mit Pilika an der Hand aus dem Haus trat – sie hatte darauf bestanden, ihn zu begleiten und ihm alles zu zeigen – stellte er fest, dass das Dorf Toto wirklich winzig war. Natürlich war Kyaro keine Großstadt wie L’Renouille, wo die Königsfamilie residierte, doch im Vergleich zu Toto fühlte sie sich riesig an. Das Dorf bestand aus einem paar Dutzend Häuser, einem kleinen Schrein, der der Wahren Erdrune geweiht war – für eine gute Ernte, hatte Marx ihm erklärt – und einem großen Kastanienbaum direkt neben Pilikas Elternhaus, unter dem einige Kinder spielten. „Pilika!“, rief eines von ihnen, als es Jowy und das Mädchen vor dem Hauseingang bemerkte, „Kommst du spielen?“ „Nein“, antwortete Pilika ernst, „Ich muss heute auf Onkel Jowy aufpassen.“ Er war froh, dass die Kinder kein Interesse an ihm zeigten und sich stattdessen mit der Antwort ihrer Freundin zufrieden gaben und ohne sie spielten. „Du kannst ruhig spielen gehen…“, meinte Jowy mit einem Lächeln, doch Pilika schüttelte den Kopf: „Nein. Ich möchte bei dir bleiben, Onkel Jowy.“ Sie grinste ihn an und wieder machte sich das warme Gefühl in seinem Inneren breit, das seit ein paar Tagen von ihm Besitz ergriff, wenn das kleine Mädchen ihn anlächelte. Doch er wusste, dass er unmöglich hier bleiben konnte, nicht so. Er wusste noch immer nicht, was mit Riou passiert war und die Sorge ließ ihn nicht los, raubte ihm den Schlaf und nagte ständig an ihm. Er musste herausfinden, was mit seinem Freund passiert war. „Hast du schon gehört?“, drang die Stimme einer älteren Dame an Jowys Ohr, während er und Pilika den Dorfplatz passierte, auf dem ein paar Händler einige Stände aufgebaut hatten, „Von dem Jungen, der im in Viktors Söldnerfort gefangen gehalten werden soll?“ Ein kalter Schauer lief dem Blonden übern den Rücken und er wandte sich von Pilika ab, die vor einem Händler stand und ihm mit ernster Miene erzählte, dass ihr Stofftier erkältet war. Ganz in seiner Nähe standen ein paar alte Frauen und tratschten im Schatten eines Vordaches. „Ja, es heißt, er sei ein Highlander“, sagte gerade eine von ihnen kopfschüttelnd, „aber das ist Blödsinn. Was soll ein Highlanderjunge denn hier im Staat?“ „Soll ein stilles Bürschchen sein“, wusste eine andere, „sagt angeblich den ganzen Tag kaum etwas.“ „Hat Marvin dir das erzählt, ja?“, fragte die Frau, die zuerst gesprochen hatte. „Ja, er war dabei, als sie den Jungen aus dem Fluss gefischt haben“, erzählte die dritte Alte stolz. „Onkel Jowy?“ Er fuhr zusammen und sah zu Pilika, die ihn fragend anblickte. „Tut mir leid, was hast du gesagt?“, fragte er. Seine Gedanken rasten wieder. Dieser Junge, von dem die Frauen gesprochen hatten… „Ich hab dich gefragt, ob du das Kornfeld sehen willst“, wiederholte das Mädchen bereitwillig und er nickte abwesend. „Ja… ja, warum nicht…“ Er war sich sicher, dass der Junge, über den sich die alten Frauen unterhalten hatte, Riou war. Riou lebte! Dem jungen Aristokraten fiel ein so gewaltiger Stein vom Herzen, dass man meinen könnte, er hätte in den letzten Tagen das halbe Tenzaan-Gebirge mit sich herumgetragen. In diesem Moment beschloss er, dass er Toto in der Nacht verlassen würde. Als er sich sicher war, dass die kleine Familie tief und fest schlief, stieg er leise aus dem Bett und zog sich an; Joanna hatte an diesem Tag seine Kleidung fertig geflickt, sodass er erleichtert in seine eigenen Kleider schlüpfte. Nachdem er einen letzten, bedauernden Blick auf Pilika geworfen hatte, die zwischen ihren Eltern im zweiten Bett schlief, verließ er das Zimmer auf Zehenspitzen und schloss hinter sich leise die Tür, dann griff er nach seinem Kampfstab, der neben den Herd gelehnt war. Wie er es geschafft hatte, den Stab in den Fluten nicht zu verlieren, war ihm ein Rätsel, doch er war froh darüber. Der Stab war ein Geschenk von Meister Genkaku gewesen… Er warf einen letzten Blick auf die kleine Küche, dann schüttelte er den Kopf und verließ das Haus leise. Einerseits tat es ihm weh, die kleine Familie einfach so wieder zu verlassen, doch andererseits musste er es tun. Und es war besser, so schnell aus ging aus dem Leben dieser netten Menschen zu verschwinden, ehe noch etwas geschah. Jowy folgte der Straße nach Osten und war froh, dass sowohl das azurblaue als auch der scharlachrote Mond voll waren; die beiden Gestirne leuchteten ihm den Weg, während er durch die Nacht schritt. Er fröstelte leicht und die Schmerzen, die er noch immer verspürte, zeugten nur allzu deutlich davon, dass er eigentlich ins Bett gehörte, um sich auszukurieren, doch wenigstens musste er sich keine Sorgen darüber machen, von Monster angegriffen zu werden. Die hier ansässigen BonBons – kleine, dicke Wesen, die nur aus blauem Fell zu bestehen schienen – und Schattenhunde – wolfsartige Kreaturen, die mit den Schatten verschmolzen – waren tagaktive Tiere und wenn er nicht versehentlich in eine ihrer Herden hineinlief, würde ihm nichts passieren. Jedenfalls in der Theorie. Einer der Händler hatte ihm verraten, dass das Söldnerfort südöstlich von Toto lag, etwa zwei Stunden entfernt. Es war zwar spät genug für die Dörfler, sich schlafen zu legen, doch noch nicht tiefste Nacht, und Jowy hoffte, dass er trotz seiner Verletzungen nicht allzu lange für den Weg brauchen würde. Während er die völlig verlassene Straße entlang ging, kehrten seine Gedanken zu Pilika zurück. Obwohl er sie erst seit ein paar Tagen kannte, dass das Mädchen es doch tatsächlich geschafft, sich in sein Herz zu schleichen, und er erwischte sich selbst dabei, dass er sie vermisste. Dieses Mädchen aus dem Staat war ihm jetzt schon viel näher als sein Stiefbruder Marco es jemals gewesen war… Jowy atmete tief durch und vertrieb die Gedanken an Pilika entschlossen. Er würde Riou retten, mit ihm gemeinsam nach Kyaro zurückkehren und dann klären, was passiert war. Er würde dafür sorgen, dass Luca Blight und Rowd für den Tod der Jugendbrigade zur Verantwortung gezogen wurden, das schwor er sich. Und dann, vielleicht, eines Tages… konnte er Pilika, Joanna und Marx reinen Gewissens besuchen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)