Verdammte Axt! von kumquat (Every day is writing day) ================================================================================ Kapitel 1: Mittelstand ---------------------- Der Himmel ist braun. Irgendwo, zwischen den Spalten der Jalousie. Ned hat schon wieder eine siffige Zigarette zwischen den Fingern, bestimmt, und während er am Filter herumknibbelt, flocken Tabakkrümel auf mein Bett. Er ist ein bisschen betrunken, vermutlich; vielleicht ist es auch nur der abgestandene Kotzegeruch, der im Raum hängt. "Komm mal her." Er kratzt sich an seiner haarigen Wampe. Ich reagiere nicht. "Ey. Komm mal her." Sie ist nicht besonders groß, die Wampe, aber sehr, sehr haarig. Sie hat fast etwas von einem Teddybären, wenn Ned beide Arme beim Muskelnzeigen zu großen Ohren macht. "Kann gerade nicht", murmle ich abwesend. Ich löte, mal wieder. Im Prinzip habe ich nicht sonderlich viel Lust dazu, aber Kunden lässt man nicht warten. Die Schutzbrille rutscht auf meinen schweißigen Augenbrauen. "Das musst du dir ansehen", ignoriert er mich völlig, reißt das Scherbenmaul auf und gähnt ausgiebig, bevor er ein neues Bier aufreißt. "Das musst du dir ansehen." "Kein Bedarf." Im Hintergrund suppt immer mal wieder eine surreal anmutende Nachrichtensprecherin aus der Dose - der Empfang ist schlecht, voller Aussetzer, so weit unten. Es ist, als würde man dösen, bei laufendem Fernseher. "Mann, jetzt komm endlich. Gleich is' vorbei." Ungeduldig schiebe ich die Schutzbrille hoch, ein abgekartertes Spiel, und werfe einen kurzen Blick auf den Fernseher. Schnee gehört der Vergangenheit an, doch auch Hologramme können verschwinden oder hängen bleiben. Vor allem die aus einer so billigen Dose. "Und?" "Warte, gleich." Die Nachrichtensprecherin heult auf, ohne etwas Klares zu sagen; ein Straßenzug kommt kurz ins Bild, schlierig, vermüllt, überschattet von all den Häuserkolossen. Nur weil in diesem Teil der Stadt die Straßen noch benutzbar sind, heißt das nicht, dass das irgendjemand will. Es ist nur oft so, dass es keine andere Möglichkeit gibt. Es kommen ein paar Leute ins Bild. Ein paar, und ein paar mehr. Sie sind alle auf einen Haufen geschichtet, regungslos, im Hintergrund brennt irgendwas. Ich setze mir die Schutzbrille wieder auf - alles wird grün - und gehe zurück an die Arbeit. "Mann! Du hast gar nicht richtig hingeguckt!", protestiert Ned. "Doch, hab ich." "Kann gar nicht sein. Dann wär dir das doch aufgefallen." Einen Moment lang denke ich nur nach, dann unterbreche ich meine Arbeit erneut. "Was aufgefallen?" "Das war unser Straßenzug, du Depp." "Sicher?" "Guck aus dem Fenster", er zeigt hoch und seine Wampe wackelt, "überzeug dich selbst." An Zynismus kaum zu übertreffen. Auch wenn ich schätze, dass man irgendwas - irgendwas - von hier oben wohl noch sehen könnte. Abgesehen von erstickend einbrechendem Miasma, sobald man das Fenster öffnet. "Ach", murmle ich nur, "halt die Fresse." Und gehe wieder an die Arbeit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)