Spiegel deiner Selbst von Glasfluegelchen (...bis du ganz unten angekommen bist...) ================================================================================ Kapitel 6: Phantome ------------------- Es ist so dunkel hier. Wo bin ich? Bitte! Bitte holt mich doch hier raus! Was ist das? Dieses seltsame Geräusch? Rauschen... Sind das Wellen? Nein. Wo kommt diese Unruhe her? Ist da jemand? Bitte! Bitte lasst mich raus!!! Ich werde wahnsinnig! Dieses Licht, bitte! Dreht es heller! Bitte! Ich kann es doch sehen. Ganz schwach, nicht weit von mir. Bitte! Du, der du dort sitzt und deine Hände darüber legst um es zu verbergen, lass es heraus. Gib mir mein Licht zurück! Ich flehe dich an! Sprich mit mir! Ich kann dich hören. Ich kann dein Flüstern hören. Flüsterer, gib mein Licht frei! Du hast kein Recht darauf mir mein Licht zu nehmen! Was ist denn nur los?! Zu wem sprichst du. Wer bist du??? Was willst du? Nein, was tust du?! Nicht! Warum schickst du mein Licht zum Teufel? Wieso beschwörst du mein Licht unterzugehn? Halt ein! Sieh mich an! Sieh mich an! Verdammt sieh mich an! Was bist du? Bist du von dieser Welt? Was knackt hier so? Warum leuchten deine Augen so? Bitte! Dreh dich nicht von mir weg! Ja! Hier her! Wende deine Augen nicht von mir ab! Was passiert hier? Warum bist du wütend? Wer schickt dich? Nein… Nein… NEIN! NICHT!!! Aaaaaaah! Noch bevor ich verstand, dass diese Augen meinen Untergang bedeuteten, wurden sie größer und größer… der feurige, rote Regenbogen der Pupille löste sich auf und ein schwarzes, lichtloses Wesen zerriss mich unter lustvollem Geschmatze. Ich konnte schreien so laut ich wollte, ich konnte um mich schlagen, so stark wie es mir möglich war. Doch es zerbrach mich, schlang Stücke aus mir heraus, nährte sich an meinem Schmerz und nahm mich in sich auf. Ich begann von neuem, in einem Gefäß eingesperrt zu Leben. Des Lichtes beraubt, meiner Stimme bestohlen, um meinen Hörsinn erleichtert, getrennt von meiner Sehkraft… nur mein Spürsinn blieb bestehn. Und immer wieder würde ich unter Schmerzen zerrissen werden, weil ich vergessen hatte wer ich bin und meine Fähigkeiten falsch benutzte. Von nun an, war ich eine Verbannte, eine Verstoßene des Lebens… Vom Träumen noch ganz benommen, hatte ich Mühe meinen Geist wieder zu mir zurück finden zu lassen. Heiße Mittagssonne drang durch mein Zimmerfenster und durchströmte meinen Körper. Es war seltsam. Irgendetwas war doch da noch. Eine weiche Melodie rüttelte an meinem Verstand. Moment mal. Welche Melodie? „Heilige Sch….! Das Telefon!“ Mit einem Schlag war ich aus meinem Bett gesprungen und hastete zu meinem kleinen Schreibtisch. „Hallo“ Es knackte und kurz darauf ertönte das besetzt Zeichen. Zu spät. Der Anrufer hatte aufgelegt als ich gerade abgenommen hatte. So ein Pech aber auch. Noch nicht einmal die Rufnummer wurde angezeigt. Seltsam. Meine Freunde ließen doch alle ihre Rufnummer anzeigen? Oder? Wer war das also? Ganz plötzlich war mir elend schwindelig. Ich fühlte mich unendlich ausgelaugt, als hätte ich die letzte Nacht kein Auge zugetan. Erschöpft ließ ich mich zurück in mein Bett sinken. Ein angenehmer Geruch stieg mir in die Nase. War Mama etwa noch zuhause und am kochen? Ich hätte zu gerne einfach weiter geschlafen, aber dieser Duft, der wie eine Decke über meiner Nase lag, wollte nicht mehr weichen. Also beschloss ich mich aufzuraffen und torkelte ins Bad um mich wenigstens ein bisschen frisch zu machen. Der gestrige Tag war lasch und leer. Mama war früh aus dem Haus verschwunden um für unseren Lebensunterhalt zu sorgen und ich verkroch mich in Erinnerungen längst verstrichener Tage. Ich fragte mich wie es Papa wohl ging, nach all dem was er dafür in Kauf nahm um uns einfach zu vergessen. Er hatte sich von Mama getrennt als ich noch ganz klein war. Ich hätte alles dafür gegeben wenn er wieder zu uns käme. Damals war ich so aufgewühlt, dass ich jeden neuen Partner, den Mama mit nach Hause brachte, innerhalb weniger Wochen wieder vertrieb. Ich glaube, anfangs hasste sie mich dafür, aber irgendwann akzeptierte sie wohl, dass ich nie wieder einen anderen Mann an ihrer Seite dulden würde. Nicht, wenn es nicht Papa war. Trauriger Weise gab es nichts, absolut gar nichts was ihn wieder zurück bringen würde. Das wurde mir gestern aufs Neue bewusst. Er vögelte eine Neue. Dieser Bastard. Es war ihm ganz egal was aus mir geworden war. Für ihn zählte nur noch diese Hure mit der er endlich seinen Sohn zeugen konnte. Kaltes Wasser auf meinem Gesicht erfror meine dunklen Gedanken und ich zog mich endlich um. Ohne groß zu fackeln schlüpfte ich meine hellblaue Lieblingsjeans und das Tanktop mit dem aufwendigen Drachenprint. Mehr brauchte ich nicht um mich wohl zu fühlen. Jetzt war ich mir endlich sicher. Dieser leckere Geruch der die ganze Zeit wie ein Vorhang in der Luft hing, das waren Pfannkuchen. Ich liebte sie über alles und ich wollte endlich hinunter kommen um sie zu verschlingen. Ich hoffte nur, dass das nicht wieder einer dieser Tricks von Mama war, um mit mir über das leidige Thema Arbeit zu sprechen. Sie wusste genau das ich für diese Leckerbissen bereitwillig alles von mir gab, was sie hören wollte. Gähnend hangelte ich mich am Treppengeländer nach unten. Ich steuerte rechts um die Treppe herum, durch den Flur hindurch in die Küche. Mama war schon emsig am aufräumen. „Guten morgen Mamaaa“ sang ich süßlich und schnupperte mich in Richtung des Pfannkuchenstapels „Guten Mittag du kleine Schlafmütze“ reagierte sie und stupste mir mit ihrem Pfannenwender an die Nase. „Schön, dass dich meine Pfannkuchen doch noch aus dem Bett gezogen haben.“ „Haaaaach, du weißt doch genau das ich ihnen einfach nicht widerstehen kann“ grinste ich und wischte prüfend über meine Nase, nur um sicher zu gehen das sich kein Dreckkrümelchen an ihr verirrt hatte. „Schon gut, schon gut du kleiner Vielfraß. Setz dich und fang schon mal an zu essen. Ich spüle noch schnell ab, dann setz ich mich zu dir“ „Ist gut“ Der Tag hätte kaum besser anfangen können. Wenn auch etwas spät. Lächelnd wanderte ich zum Tisch hinüber und lümmelte mich in meinen Stuhl hinein. Nanu? Was knisterte denn da unter mir? Prüfend fuhr ich mit den Fingern die Kanten meines Stuhles ab. Papier? Aufgeplustertes Papier? Oder vielmehr ein großer Umschlag mit raschelndem Inhalt? „Ach, Alice? Die Post hat heute etwas für dich gebracht, ich hab es dir auf den Stuhl gelegt.“ Erschrocken sprang ich auf. „Hättest du mir das nicht früher sagen können, jetzt hab ich es platt gedrückt“ „Du hast doch Augen im Kopf. Warum benutzt du sie zur Abwechslung nicht mal?“ Typisch. Jetzt war ich also auch noch daran schuld, dass sie meine Post auf den Stuhl platzierte und nicht auf dem Tisch, so wie jeder andere normale Mensch es auch tun würde. Was war das nur für ein eigenartiges Symbol auf dem Umschlag. Dornige Ranken mit blühenden Rosen um einen ovalen Spiegel geschlungen. Woher kannte ich es? War es…? War es etwa das wofür ich es gerade hielt? Das Hotel in dem ich mich vor zwei Tagen so blamiert hatte? Natürlich, das ist es! Mit zittrigen Händen öffnete ich den Umschlag und zog den Inhalt heraus. Ich hatte Mühe mich als erstes auf das Schreiben zu fixieren das mir beim lesen buchstäblich fast aus den Fingern glitt. Sehr geehrte Frau Finkenlied, mit Freude teilen wir ihnen mit, dass wir sie gerne bei uns einstellen möchten. Leider ist es uns derzeit Zeit nicht möglich, sie sofort in den gewünschten Posten der Empfangsdame einzusetzen. Jedoch hoffen wir, dass sie sich nicht scheuen werden, sich vorerst als Zimmermädchen zu beweißen. Wir gehen davon aus, dass die beigelegte Arbeitskleidung in etwa ihrer Größe entspricht. Sollte dies nicht der Fall sein werden wir sie selbstverständlich passend ersetzen. Das Arbeitsverhältnis startet am 15.Juni. Seien sie bitte pünktlich um 9.00 Uhr hier, damit wir weitere Schritte einleiten und den Vertrag unterzeichnen können. Für Rückfragen stehen wir ihnen selbstverständlich unter der oben angegebenen Telefonnummer zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen i.A. Lorain Anailarna Ruben von Morrington Oh mein Gott. Nicht zu fassen. „MAMAAAAAAAAA!“ wie vom Donner gerührt ließ sie alles fallen. „Alice?! Würdest du bitte aufhörn so zu schreien? Was ist denn los mit dir?“ Zähne klappernd versuchte ich mich wieder zu sammeln. „Sieh dir das an! Siehs dir an! Los!“ Zitternd hielt ich ihr den Brief unter die Nase der mich in einen Zustand blanker Fassungslosigkeit versetzte. Ich war felsenfest davon überzeugt dass ich mir alles verdorben hatte. Und jetzt DAS? Auch wenn mir der Umstand nicht gefiel vorerst als Putze arbeiten zu müssen, es war mehr als ich nach meinem Abgang erwartet hatte. Und auch Mama schien überrascht. Ihr Gesicht hellte sich auf, als wäre gerade eben die Sonne aufgegangen. Fast schien es, als wäre sie so glücklich wie schon lange nicht mehr. „Du meine Güte, Alice, du hast es endlich geschafft.“ Freudentränen purzelten aus ihren Augenwinkeln. „Ja Mama, endlich. Wer hätte das gedacht. Nach Jahren in denen ich nur die Schulbank gedrückt habe, werde ich jetzt endlich mein eigenes Geld verdienen. Juhuuu. Und nicht nur das. Ich werde endlich shoppen können. Shoppen, shoppen, shoppen bis der Arzt kommt.“ In meiner Euphorie griff sie nach meinen Schultern um mein nervöses Gehüpfe und Getänzle zu stoppen. „Wououou Alice. Immer langsam mit den jungen Pferden. Wie wär’s, wenn du erstmal deine Dienstkleidung anprobierst, bevor du große Pläne schmiedest wie du das Geld ausgibst das du noch gar nicht in der Tasche hast?“ Manchmal brachte mich ihre Vernunft um den Verstand. Aber Recht hatte sie trotzdem, also verschwand ich aufs Neue hinauf in das Bad meines Zimmers und schlüpfte in die schwarze Bluse mit dem goldenen Hotelemblem, den eng anliegenden schwarzen Rock und die weiße Schürze. Ich sah in den Spiegel meines Kleiderschrankes, drehte und wendete mich um mich von allen Seiten zu betrachten und plötzlich war mir, als hätte sich etwas an mir verändert. Irgendetwas lag in der Luft. Der Spiegel zeigte tanzende, schlängelnde Schatten die sich meine Handgelenke hinauf über meine Bluse schoben um sich in meinen Augen wie schwarze Löcher zu manifestieren. Dunkel, bösartig, pulsierend…. „Aaaaaaaah“ Was zum Teufel sollte das? Was war das überhaupt? Ich erschrak so sehr vor diesem verlogenen Spiegelbild, dass ich vor lauter Panik rückwärts über einen Schuh stolperte, der mitten im Raum lag. Mit Mühe und Not balancierte ich mich noch im stürzen auf die linke Seite um nicht mit dem Hinterkopf an die Bettkante zu krachen. Mein Herz klopfte wie verrückt. Was auch immer das gerade war, ich fand nur eine einzige, logische Erklärung für dieses seltsame Phänomen. Wahrscheinlich war ich einfach nur unausgeruht und phantasierte mir Dinge zusammen. Vielleicht zogen draußen gerade irgendwelche Wolken vor der Sonne auf, die mir das Gefühl gaben, es stimme etwas nicht. Ja, das musste es sein. So war es ganz sicher. Und so ergaben auch die Schatten einen Sinn, die auf mir wanderten. Das Klopfen an der Tür brachte mich wieder zu verstand. „Alice? Was war das für ein Geräusch, mit wem redest du?“ Ich hievte meinen zitternden Körper wieder hoch und öffnete die Tür. „Komm doch rein Mama. Ähm, geredet? Ich hab mit niemandem gesprochen, es ist niemand hier.“ Verunsichert trat sie näher. „Aber ich hab dich doch flüstern hören? Geht es dir gut Alice? Du wirkst so blass?“ Irgendetwas war hier komisch. Nur, wenn ich nicht gerade am Träumen war, was war es dann? Was lag in der Luft dass sogar Mama davon Wind bekam? „Flüstern? Mama, bist du sicher das es DIR gut geht?“ Entwarnend lächelte ich sie an. „Und, was sagst du zu meinem Dress?“ Spielerisch drehte ich eine Pirouette vor ihr und endlich kehrte ihr Lächeln zurück. „Dann hab ich mich wohl geirrt. Du siehst toll aus Alice. Es steht dir ausgezeichnet“ Die Spannung in der Luft stieg, ich konnte sie deutlich spüren. Meine Haut vibrierte. Was war denn heute nur los? Was passierte plötzlich mit mir? Seit ich diesen Brief geöffnet hatte, schien ich nicht mehr Herr meines Körpers zu sein. Meine Knie begannen zu zittern und mein Gesichtsausdruck entgleiste als ich einen flüchtigen Blick in den Spiegel warf. Meine Augen… Meine Augen! Sie färbten sich schon wieder! Schwarz! Ich riskierte keinen weiteren Blick! Angst! Ich hatte entsetzliche Angst. Sie schüttelte mich durch, zerstörte jeden klaren Gedanken. Hilfe1 „Alice..?“ Mama blickte mich besorgt an. Und ich konnte nicht… ich konnte nicht mehr anders. Unruhig begann ich zu wimmern. Etwas stimmte nicht. Etwas stimmte ganz und gar nicht. Ich verlor die Kontrolle über mich, wollte nach irgendetwas klammern, mich an IHR festklammern, aber es ging nicht. Mein Körper gehorchte nicht mehr. „Mama… Mamaaaa…. Mama bitte hilf mir.. Hilf mir… bitteeeee!“ Meine Handgelenke brannten. Schatten rasten von allen Seiten auf mich zu und jeder einzelne schlug auf mich ein als wolle er mich zerreißen. Mein Körper! Hilfe! Er brennt so! Hilfe! Sind das Schlangen die sich da in meine Handgelenke verbissen?! War das etwa Gift das durch meinen Körper strömte? Was waren das für schwarze Wolken die sich plötzlich von meiner Kleidung lösten… „ALICE! ALICE WAS IST DENN NUR LOS?!“ Schmerzen! Diese höllischen Schmerzen! Ich schrie, schrie so laut ich konnte, sank auf die Knie. „HILF MIR MAMAAAA!“ Ein pfeifendes Geräusch schüttelte mich erneut durch, drang bis zu meinen Knochen hindurch. Ich verlor jedes Gleichgewichtsgefühl, spürte nur noch eine Hand die an mir zog, die mich halten wollte. Oder wollte sie mich doch fort zerren? Wo bin ich? Ich sehe nichts mehr! Hilfe!.... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)