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Augenblicke

von

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Zwischen den Welten

Als Shinichi Kudo erwachte, hatte er eine Art Déjà-vu. Es war wie damals, als er im Tropical Land das Bewusstsein wieder erlangte. An diesem schicksalhaften Tag hatte der junge Detektiv zunächst geglaubt, es hätte ihn tatsächlich erwischt.

Doch dem war nicht so… genau wie er zum erneuten Male aus einer sehr tiefen Bewusstlosigkeit aufwachte.

„Er ist wieder, Professor! Shinichi? Shinichi, hörst du mich?“

Jemand rief nach ihm. Die Stimme kam ihm nicht unbekannt vor, sie klang weich und doch sehr besorgt.

Ganz sachte öffnete er die Augen, blinzelte und erkannte schemenhaft das Gesicht einer jungen Frau.

Vom hellem Licht geblendet, schirmte Shinichi seine Augen mit der Hand ab.

„Ai?“

Ein erleichterndes Lachen.

„Schon gut… bleib erst mal liegen.“

Sollen wir ihn nicht besser ins Krankenhaus bringen?“, fragte eine besorgte Stimme, die Shinichi dem Professor zuordnete.

„Natürlich. Und wie wollen sie das einem Arzt erklären? Ihre Ausrede würde ich zu gerne hören.“

Der ironische Unterton blieb Shinichi nicht verborgen und er lächelte. Typisch, für die Wissenschaftlerin.
 

„Was ist passiert?“

Seine Stimme klang heiser, war kaum hörbar. Er räusperte sich einige Male.

Dabei wandte er den Blick um sich und wurde sich bewusst, dass er auf dem Fußboden lag. Langsam, mit schmerzenden Gliedern, richtete er sich auf. Stöhnend griff er sich an den Kopf.
 

„Mach langsam. Nicht, dass du gleich wieder weg bist…“ Shiho kniete neben ihm, den Griff fest um seine Schulter.

„Wovon redest du?“, fragte er verwirrt. Was meinte sie mit weg? Wo sollte er denn gewesen sein. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen, nur Erinnerungsfetzen ließen ihn hier und da an die Schmerzen zurückdenken.

„Du hast das Gegengift eingenommen. Es war schrecklich, schlimmer als sonst. Minutenlang hattest du Krämpfe, bist du dich auf einmal nicht bewegt und nicht mehr geatmet hast…“ Sie verstummte.

Geistesgegenwärtig griff Shinichi sich an den Kopf, schüttelte ihn heftig. Das Brennen, die Schmerzen… dann schwarze Leere vor seinen Augen. Und dieses erleichternde Gefühl zu schweben…

Ihm wurde schwindlig. „Habt ihr mich wiederbeleben müssen?“
 

„Ja!“, erwiderte Agasa betroffen. „Ai hat dich minutenlang reanimieren müssen. Wir dachten schon… du schaffst es nicht.“ Der Professor hatte einen Kloß im Hals. Er war zutiefst erschrocken, als er seinen jungen Freund - der wie ein Enkel für ihn war – blass und leblos auf dem Boden liegen sah.
 

Doch Shinichi lachte leise auf. Stirnrunzelnd sah Shiho ihn an.

„Das ist verrückt. Ich fühl mich ganz normal… als wäre nichts geschehen. Hier und da zwickt es mich, aber ansonsten.“

Die junge Wissenschaftlerin seufzte. „Du solltest dich hinlegen und ausruhen. Dein Körper musste für heute schon genügend Strapazen überstehen. Du kannst froh sein, dass du noch lebst.“, schimpfte sie. „Am Besten bleibst du über Nacht hier, damit wir dich beobachten können.“

„Aber ich fühl mich doch gut!“, protestierte Shinichi. Mit wenig Mühe stand er auf.
 

„Shinichi!“ Mit sanfter Gewalt drückte Agasa ihn aufs Sofa. „Ai… Shiho hat Recht. Wir sollten nichts riskieren. Zwar hast du dich die letzten Male immer recht schnell kuriert, nachdem du deinen alten Körper erhalten hast, aber die Situation heute war kein Spass!“
 

Wenige Minuten später lag Shinichi auf dem Sofa, die Arme hinter dem Kopf verschränkt.
 

„Gehen sie ruhig schon zu Bett, Professor. Ich werde ihn die Nacht über beobachten.“, rief Shiho und setzte sich mit ihren Notizen gewappnet in den gegenüber stehenden Sessel.

„In Ordnung.“ Agasa gähnte lautstark. „Aber ruf sofort nach mir, sollte etwas sein.“
 

Shinichi drehte sich auf die Seite, sah sie eindringlich an. „Findest du nicht, ihr übertreibt?“

Das Mädchen verdrehte die Augen. „Du wärst eben fast abgekratzt.“

„Bin ich doch schon öfter fast, nicht wahr?“, witzelte Shinichi und grinste breit.

Shiho sah ihn ernst an. „Nein, Kudo! Du hattest einen Herzstillstand. Du wärst wirklich fast gestorben. Manchmal denke ich ja, du legst es darauf an… aber heute… ich hatte wirklich Angst um dich.“ Sie erschauderte. Der Gedanke seines leblosen Körpers würde sie in ihren Träumen verfolgen, ganz sicher.

Shinichi sah die Tränen in ihren Augen und schwieg. Er war sich zwar bewusst, dass sein Leben an diesem Tag fast geendet hätte… jedoch fühlte der junge Mann sich recht lebendig und gesund.

Um Ais bekümmerte Miene nicht sehen zu müssen, wechselte Shinichi das Thema.
 

„Bist du nicht auch ziemlich müde?“

„Ich hab Kaffee, damit überstehe ich die Nacht locker!“, erwiderte Shiho und blätterte durch ihre Notizen, schrieb sich hier und da etwas auf. „Ich komm damit ganz gut klar. Früher hab ich auch nächtelang durchgearbeitet. Keine Sorge.“

Er seufzte. „Du musst das nicht machen. Du könntest dich hinlegen und ausspannen. Ich glaube, dass würde dir wirklich gut tun, echt! Vielleicht bekommt dein Gesicht dann eine gesündere – “
 

„Kudo! Halt endlich die Klappe und schlaf!“ Sie blickte ihn böse an und merkte, dass sie es ernst meinte.

„Schon gut…“, murmelte Shinichi grinsend und drehte sich zur Lehne herum.

„Frauen“, dachte der junge Detektiv noch, bevor er einschlief. Es war ein unruhiger Schlaf, denn unbewusst war sich der Junge bereits klar, dass ihm etwas fehlte.
 

Am Morgen wachte er von dem Gerüttel an seiner Schulter auf.

„Steh auf, du Schlafmütze.“ Shiho ließ sich neben ihn aufs Sofa fallen, kramte währenddessen in einer Ersten Hilfe Tasche.

„Was hast du vor?“, fragte Shinichi misstrauisch. Er strich sich durch das verstrubbelte Haar. Als erstes würde er ein Bad nehmen, dann würde er Ran überraschen, dachte der Junge noch. Doch seine Pläne wurden sogleich zunichte gemacht.

„Ich werde dich untersuchen!“, antwortete Shiho, legte dann ihre Utensilien vor sich auf den Tisch.

„Bist du auch Ärztin, oder was?“, spottete er und sie warf ihm einen schiefen Blick zu.

Seine Frage ignorierend, hielt sie ihm das Thermometer hin. „Als erstes messen wir deine Temperatur!“

„Jawohl, Frau Doktor!“, antwortete Shinichi grinsend und legte die Spitze des Thermometers unter seine Zunge.

„Sach mal… warrrum hascht…“ – „Schnauze!“

Genervt verdrehte er die Augen und wartete ungeduldig auf das Piepen des Gerätes.

Als es soweit war, nahm Shiho ihm wortlos das Fieberthermometer aus dem Mund.

„Au, meine Zähne. Das geht auch zärtlicher.“, witzelte Shinichi.
 

„Das kann nicht sein!“, sagte die Wissenschaftlerin stirnrunzelnd. „Es ist sicher kaputt.“

Shinichi schielte auf die Anzeige.

„12,5 Grad?“ Prustend schüttelte er den Kopf. „Schau dir das Teil mal an, das ist doch schon uralt!“

Shiho legte das Gerät beiseite.

„Ich frage den Professor später, ob er noch ein Anderes hat.“

„Was ich doch noch fragen wollte…“

„Hm?“ Aufmerksam blickte sie ihn an, musterte ihn.
 

„Warum ist mir das gestern passiert? Bei dir gab es schließlich auch nicht so extreme Nebenwirkungen, oder?“

Das Mädchen kniff die Augen zusammen. „Das kann ich dir sagen… eigentlich weißt du es aber schon längst, Kudo. Du hast so viele, diverse Antitoxine zu dir aufgenommen, dass dein Körper gestern Abend einfach kollabiert ist. Mir war immer klar, dass dein Körper irgendwann streiken würde. Und ich habe dich oft genug gewarnt und dir gesagt, dass die Belastung für dich irgendwann zu groß werden könnte.“ Shiho stockte kurz, fuhr dann fort. „Ich habe zwar eine zweite, neue Formel für das Antidot finden können, aber sie ist eben nicht perfekt. Sie hat Lücken. Oder auch, könnte ich dem Mittel Substanzen zugefügt haben, die dem Körper extrem zusetzen. Ich habe Tests gemacht, ich gab mir Mühe, auf alles zu achten und…“ Sie nahm Luft, um weitersprechen zu können. Doch schnell legte Shinichi ihr seine Hand auf die Schulter. „Okay, ich versteh schon. Es ist doch alles gut gegangen und bisher zeigt dein Wunderzeug keine anderen Nebenwirkungen!“ Shinichi lächelte aufmuntert, doch dann sah er ihre weit aufgerissenen, entsetzen Augen und erstarrte.

Erschrocken zog er seine Hand zurück. „Was ist…?“
 

„Shinichi… deine Haut ist eiskalt.“ Shiho schluckte, streckte zögernd ihren Arm aus und legte dann ihre Hand auf seine Stirn.

„Ich fühl mich immer noch ganz normal!“, protestierte Shinichi erneut und griff um ihr Handgelenk.

Die junge Wissenschaftlerin erschauderte. Die feinen Härchen auf ihren Armen stellten sich auf.

„Das IST aber definitiv NICHT normal… du bist so kalt wie eine Leiche!“

„Na, danke.“, lachte der Detektiv.
 

Doch Shiho war ganz und gar nicht zu Lachen zumute. Sie hatte eine Befürchtung, eine dunkle Ahnung, die nicht möglich sein konnte oder nicht durfte.

An seinem Handgelenk tatstete sie nach dem Puls. Fast eine halbe Minute verging, bis sich Beide bewusst wurden, dass Shinichi keinen Puls hatte.

Die wahren Farben

Als Shiho Miyano beschloss, die Organisation zu verlassen, war ihre Welt schwarz. Es gab keine grauen Kleckse mehr, keine Auswege aus dem Elend, in welchem sie seit dem Tod ihrer Schwester lebte. Akemi war ihr einziger Lichtblick gewesen, immer wieder war es sie, die Shiho aus der Dunkelheit zerrte. Allein Akemi hatte ihr gezeigt, dass die Welt aus mehr bestand, als Weiß und Schwarz, Gut und Böse.

Strahlend, schillernd waren die Momente, welche Shiho mit ihrer Schwester verbrachte. Akemi hatte dem Mädchen die Augen geöffnet, ließ sie die Vielfalt des Lebens begreifen.
 

Und dann wurde es dunkel, dunkler als je zuvor.

Als es wieder heller wurde, verschleierte dennoch ein grauer Nebel ihre Sicht, verschlang Shiho erneut.

Doch langsam, jeden Tag ein wenig mehr, begann sie zu begreifen, konnte den Nebel auflösen und ihr blutendes Herz heilte langsam, aber beständig.

Zu verdanken war dies einem besonderen Jungen, welcher sich auf kein Farbenspiel der Welt einließ. Er konnte einen zerrupften Regenbogen Stück für Stück wieder zusammenfügen, ihm sogar neue Farben anhängen.

Shiho bewunderte ihn für diese Fähigkeit. Und es erinnerte sie stets daran, welche Worte ihre Schwester einst zu ihr sprach:
 

„Weder Schwarz, noch Weiß ist eine richtige Farbe. Lass dich nicht von den Beiden trügen, nur die wahren Farben sind ehrlich.“

Waisenkind

Das kleine Mädchen mit den schulterlangen, braunen Haaren erwachte. Gerade noch hatte sie von dem großen Schneemann im Garten geträumt.

Angestrengt lauschte sie in die Dunkelheit. Waren da nicht Stimmen gewesen, die aus dem Flur kamen? Waren ihre Eltern schon zurück?

Sie schlug die Bettdecke zur Seite und schlich zur Tür. Ganz leise drückte sie die Klinke hinunter, öffnete die Tür einen winzigen Spalt.

Tatsächlich. Sie konnte Stimmen ausmachen.

Doch es waren nicht die Eltern der kleinen Akemi. Es waren fremde Stimmen zu hören.
 

Das Mädchen bekam es mit der Angst zu tun. Waren Einbrecher im Haus?

Wenn ihre Eltern abends noch spät wegfuhren, hatte immer eine Nachbarin auf sie aufgepasst. Sollte es denn an diesem Abend anders gewesen sein?
 

Die Neugier der Kleinen war größer als die Angst. Also tappte das Mädchen in den Flur, vorbei an dem Zimmer der kleinen Schwester und ging vorsichtig die Treppen runter.

Unten, vor der Haustür, standen zwei Männer. Beide trugen eine Polizeiuniform. Die Nachbarin war auch da, unterhielt sich leise mit den Polizisten.

Akemi wunderte sich, warum die Polizei da war. Also doch Einbrecher?

Sie hockte sich auf eine Stufe und lauschte.

Plötzlich wurde einer der Männer auf Akemi aufmerksam, deutete mit einem kurzen Nicken auf sie.

Die Nachbarin drehte sich herum und begann zu weinen, als sie das kleine Mädchen in ihrem Nachthemd auf der Treppe sah.

Nun verstand Akemi nichts mehr. Was war nur los? Hatten die Einbrecher die nette Dame von nebenan so sehr erschreckt!?

Sie lief auf die Nachbarin zu.

„Warum weinst du, Tante?“ Sie griff nach deren Hand, streichelte darüber und lächelte.
 

Schluchzend wischte sich die Nachbarin übers Gesicht, wandte sich verzweifelt zu den Polizisten um.

„Aber sie sind doch noch so klein… Akemi ist erst sieben und die kleine Shiho gerade ein Jahr alt. Was soll denn jetzt nur aus ihnen werden? Wer soll ihnen das erklären?“

Akemi blickte in die Gesichter der Polizisten.

Beide starrten angestrengt auf ihre Schuhe.

Diesen Blick kannte Akemi! So schaute man nur, wenn man etwas angestellt hatte!
 

„Ist es möglich, dass sie die Kinder für diese Nacht noch zu sich nehmen? Wir informieren umgehend das Jugendamt und morgen früh werden die Kinder abgeholt. Nur heute Nacht…“

Die Nachbarin nickte. Natürlich! Ich kann die armen Kinder doch nicht allein lassen. Wer rechnet auch mit so einer schrecklichen Nachricht…!?“
 

Akemi runzelte die Stirn. Was ging hier nur vor sich?
 

Die Nachbarin beglitt die zwei Polizisten vor die Tür, sprach noch wenige Minuten mit ihnen, bevor sie wieder zurück kam.
 

„Wo sind denn Mama und Papa?“, fragte das Mädchen direkt.
 

Die Frau zögerte. Wie sollte sie dem Mädchen erklären, dass ihre Eltern tot waren? Das sie nicht zurückkommen würden, nie wieder. Konnte eine Siebenjährige so etwas Komplexes überhaupt verstehen?

Sie blickte in die klugen Augen einer kleinen Waise und wusste keine Antwort auf deren Frage.

Sie nahm Akemi bei der Hand und setzte sich mit ihr in die Küche.

„Ist Mama und Papa etwas passiert?“ Der besorgte Ausdruck kam ganz plötzlich in ihr Gesicht, als wäre ihr diese Möglichkeit eben erst eingefallen. Ängstlich wartete sie auf eine Antwort der Nachbarin. Diese strich sich nervös die Haare hinters Ohr.
 

War es wirklich ihre Pflicht, das Kind darüber aufzuklären? Sollte sie dies nicht besser dem Jugendamt überlassen?

Andererseits kannte sie das kleine Mädchen sehr gut. Würde sie der Frage ausweichen, würde Akemi ihr keine Ruhe lassen.

Die Frau schluckte, nahm die Hand der Kleinen.

„Also gut, Akemi. Auf dem Weg nach Hause… hatten deine Eltern einen Unfall. Mit dem Auto!“

Die Augen des Mädchen weiteten sich.

„Sie waren sehr schwer verletzt. Jemand hat einen Krankenwagen gerufen, aber… da war es schon zu spät. Sie haben es nicht geschafft…“

Das fassungslose Gesicht des Mädchens brachte die Frau erneut zum Weinen.
 

„Was meinst du damit, sie haben es nicht geschafft? Was meinst du? Sind sie TOT?“, schrie sie.

Eine Etage höher war die Kleine Shiho durch das Geschrei aufgewacht und begann zu weinen.
 

Akemis Augen füllten sich ebenfalls mit Tränen, doch sie schüttelte heftig den Kopf.

„Das stimmt nicht. Das ist nicht wahr…“
 

Die Frau nahm das Mädchen in die Arme, strich ihr weinend über die langen Haare.

„Es tut mir so Leid, Akemi.“, antwortete sie schluchzend. Die Nachbarin drückte sie fest an sich, brauchte selbst Trost.
 

Das Mädchen stattdessen wurde plötzlich ganz ruhig. Ihre Mama und ihr Papa waren tot. Sie wusste nicht, wohin Tote gingen und warum man einfach starb.

Sie wusste, dass sie nun allein war.
 

Und in ihrem Kopf schwirrte nur eine Frage:
 

Wenn man so allein ist, was passiert dann?

Spiegel

Conan Edogawa wurde wie fast jeden Morgen durch das schrille Geräusch des alten Weckers wach.

Er rappelte sich von seinem Futon auf, blieb noch einige Minuten sitzen, bis Ran schließlich das Zimmer betrat um ihn unnötigerweise darauf hinzuweisen, dass er aufstehen musste.

Mit Mühe rekelte sich Conan, bis es in seinem Nacken verdächtig knackte, dann stand er auf und verschwand im Badezimmer.

Wie gewöhnlich wusch er sich, putze Zähne, kämmte seine widerspenstigen Haare… doch da stutzte der Junge.

Er rückte näher an den Spiegel, sodass er ihn fast mit der Nasenspitze berührte.

Er verzog das Gesicht.

Jetzt steckte der ehemalige Retter der japanischen Polizei seit knapp sieben Jahren in diesem Kinderkörper und da fiel es diesem tatsächlich ein, ein zweites Mal in die Pubertät zu kommen?

Conan strich sich übers Gesicht. Ihm wuchs wirklich ein kleiner Flaum, die ersten Anzeichen von einem Bart!

Sollte er sich nun darüber freuen, ein Mann zu werden?

War er nichts bereits einer?

Nein.

Conan kniff die Lippen fest zusammen.

Shinichi Kudo war ein Mann gewesen.

Conan Edogawa hingegen war nur ein schmaler Heranwachsender, ein mickriges Abziehbildchen des ehemaligen Meisterdetektivs.

Er war nicht Shinichi, er war nicht Conan. Wer war diese Person dann, die er vor sich im Spiegel sah?

Der Junge wusste auf diese Antwort keine Frage.

Er hatte sich selbst verloren. Und er gestand sich nach all den Jahren ein, dass seine Identität an dem Tag verschwand, als Shinichi Kudo zwei zwiespältigen Gestalten folgte.

Liebe

Mein Gepäck und meine Taschen liegen um mich herum verteilt. Ich sitze auf dem kalten Flurboden meiner alten Wohnung. Ich bin wieder da, in Los Angeles. Fast zwei Jahre bin ich nicht mehr hier gewesen, seit ich nach Japan gekommen war um am diesen verdammten APTX4869 zu forschen.
 

Ich zittere, habe das Bedürfnis zu schreien. Alles rauszuschreien. Zuviel geht mir durch den Kopf, aber besonders Er schien sich festgesetzt zu haben.
 

You are on my mind, like never before…
 

Sein letzter Blick, als ich durch das Gate ging… Ich konnte nicht länger bleiben, das Flugzeug wäre sonst ohne mich abgehoben.

Shinichi hatte mich umarmt, für einen Moment habe ich friedlich in seinen Armen liegen können. Aber es war schon schwer genug, also riss ich mich los.
 

„Ich muss gehen.“, sagte ich leise. Der Kloß in meinem Hals saß fest, ich konnte kaum sprechen.

„Wieso bleibst du nicht in Japan?“, fragte Shinichi. „Du könntest doch hier leben und zur Universität gehen. Professor Agasa wird dich vermissen… und ich werde es auch.“

Seine Worte versetzten mir einen Stoß… - DU, allein du bist der Grund - , dachte ich verzweifelt.
 

Ich erinnerte mich an unser Gespräch, wenige Wochen nachdem wir das wirksame Antitoxin eingenommen hatten, die Organisation zerschlagen war und Shinichi wieder zu seinem alten Leben zurückkehrte.

Es schmerzte, zumindest mir zerriss es das Herz. Er wollte einen Rat, vielleicht auch nur Trost… was auch immer…

Es ging um Ran, das hübsche Mädchen, dass meiner Schwester so ähnelte... sie war sehr verletzt gewesen, nachdem Shinichi ihr die Wahrheit beichtete, über seine Identität als Conan und Kogoros gelösten Fälle. Sie hatte sich für einige Zeit von ihm abgewandt und der junge Detektiv wusste sich einfach nicht zu helfen.
 

Ich hatte ihm jedenfalls nicht helfen können. Ich saß einfach nur da, blickte auf meine Füße.

„Vielleicht lässt sich an der Situation nichts mehr ändern.“, hatte er gemeint und ich biss mir vor Schrecken auf die Lippen.

„Wie meinst du das?“, fragte ich vorsichtig, die Hoffnung unterdrückend.

Shinichi hatte das Gesicht verzogen. „Ich weiß es nicht…“
 

Für mich sah es danach nicht gut aus. Meine Hoffnungen verwandelten sich in schimmernde Seifenblasen, die leise platzten.

Etwas später verflog Rans Wut auf Shinichi. Und nach einiger Zeit waren sie sich wieder nah, so wie es früher gewesen sein musste.
 

Natürlich sagte ich ihm nicht die Wahrheit, über den Grund meiner plötzlichen Flucht.
 

„Ich kann nicht hier bleiben, ich kann es einfach nicht…“, erwiderte ich.

Shinichi runzelte die Stirn. „Verstehe ich nicht…“

„Das erwarte ich auch nicht.“, antwortete ich hastig. „Ich muss jetzt gehen!“, sagte ich mit Nachdruck und wandte ihm schnell den Rücken zu.
 

Zusammengebrochen sitze ich auf dem Boden. Toller Neuanfang. Guter Start in ein neues Leben…

Ich habe zuviel verloren, um mich auf Neues einzulassen. Die Kraft zum Leben ist verschwunden…

Dabei wollte ich mich in eine Universität einschreiben, nebenbei jobben und so was wie Freunde finden. Ich erwarte nicht, Spaß oder viel Glück zu haben.

Über mein Elend kann ich noch nicht mal weinen. Mein Körper zittert, meine Mundwinkel ziehen sich automatisch hinunter… doch keine einzige Träne läuft mir über die Wangen.
 

To see in the spotlight and I miss you and not Tokio

And if I was younger I would cry

I seek for a good life but I think of you and not California

And if I was younger I would cry

But tears are running dry…
 

Mit voller Wucht schlage ich meine Faust gegen den Boden. Und schreie leise auf. Es tut weh.

Ich lasse das ganze Gepäck liegen und trete mit wackeligen Schritten in mein Wohnzimmer. Mir ist nicht bewusst gewesen, wie müde ich nach dem langen Flug bin.

Ich lasse mich aufs Sofa sinken und schließe die Augen. Schlafen würde mir gut tun, rede ich mir ein.

Aber ich denke nicht daran, dass ER mir sogar im Traum begegnen würde.
 

Don’t know how you do

How you can

How you’re there

You’re obsessing my head
 

Als ich aufwache, ist es bereits weit nach Mitternacht. Ausgeruht fühle ich mich nicht. Ich will aufstehen, mich umziehen und ins Bett legen. Aber ich kann es nicht.

Stattdessen liege ich mit offenen Augen auf dem Sofa, starre auf die blassgelbe Wand und vergehe fast vor Sehnsucht.
 

And I wish you were here, I wish you were here, and I wish you were here…
 

Ich erschrecke fürchterlich, als es an der Tür klingelt. Ich wundere mich, wer um die Uhrzeit noch etwas von mir will. Ein Vertreter wird es hoffentlich nicht sein.

Kurz überlege ich, nicht an die Tür zu gehen, doch da klingelt es erneut.

Im Flur trete ich meine Taschen zur Seite und öffne die Tür.
 

„Es war ein Fehler, dich gehen zu lassen…“

Mit offenen Mund starre ich Shinichi an, er grinst nur und ich falle ihm um den Hals.

Verlierer

„Ach ja, was habe ich vorhin gesagt? Das war deine letzte Chance.“
 

Mühelos durchdringt die Kugel aus Gins Waffe meinen Körper. Ich fühle Schmerzen, unglaublich starke Schmerzen. Ein einziger Blitz aus Schmerzen scheint meinen Körper zu durchbohren. Ich will aufschreien, doch ich kann nicht.

Doch in diesem Moment habe ich nur einen einzigen Gedanken. Er gilt Shiho.

Kleine Schwester … verzeih mir, bitte! Ich habe versagt. Ich hatte die Chance uns aus der Organisation zu befreien. Wir hätten ein neues, glückliches Leben führen können. Du hättest keine Angst mehr haben müssen, Shiho.

Aber ich habe es vermasselt, es ist vorbei. Die Organisation hat mich reingelegt. Ich habe verloren. Ich hätte es wissen müssen …

Es tut mir so leid, Shiho!!

Gerade noch schien die Zeit still gestanden zu haben. Jetzt wird der Schmerz überwältigend, ich schmecke das Blut in meinem Mund und meine Knie geben nach.

Sterben ist schmerzhaft. Ja, ich sterbe … ich kann es spüren … Shiho … ich werde sie nicht wieder sehen …
 

„Masami!?“
 

Jemand ruft mich!?

Gibt es etwa doch noch Hoffnung?

Mühsam versuche ich mich aufzurichten.
 

„Was hast du? Was ist passiert!?“
 

Ich erkenne ihre Stimme. Es ist die Tochter dieses Detektivs. Und der kleine Junge ist auch hier? Warum!? Woher wussten sie … ?
 

„Ran! Ruf sofort einen Krankenwagen!! Und deinen Vater und die anderen!!“
 

Die Stimme des Kleinen klingt panisch. Es scheint also recht schlimm um mich zu stehen. Dann habe ich mich nicht geirrt …

„Spar dir die Mühe, ich sterbe sowieso …“
 

Es gibt keine Rettung mehr für mich, ich kann es spüren. Das Leben scheint immer schneller aus meinem Körper zu weichen.
 

„Nicht reden!! Sonst klafft die Wunde noch weiter auf!“ Er stützt meinen sterbenden Körper. Ich muss heftig husten und schmecke erneut Blut. Die ganze Luft ist von einem metallischen Geruch verpestet. Es riecht nach Tod …
 

Geschockt blickt der Junge auf seine Hände. An ihnen klebt mein Blut. Es ist einfach überall.
 

„Dich habe ich doch in dem Detektivbüro gesehen, oder, Kleiner? Woher wusstest du, dass ich hier bin?“
 

Er wendet den Blick von seinen Händen. „Der Transmitter …“
 

Ich horche auf. „Bitte … ?“
 

„Als ich Sie das erste Mal in der Detektei traf, da habe ich aus Versehen einen Transmitter an ihrer Uhr angebracht. Der führte mich dann zunächst mal in das Hotel.“
 

Fassungslos lausche ich seinen Worten.
 

„Und dort begegneten wir uns wieder … als ich Sie diese riesigen Koffer schleppen sah … war mir klar, dass darin die gestohlene Milliarde Yen drin sein muss.“
 

Ich kann kaum glauben, was der Junge von sich gibt. Woher weiß er soviel?

„Wer bist du … ?“
 

„Conan Edo …“
 

Er zögert kurz und spricht dann weiter.
 

„Nein, ich heiße … Shinichi Kudo! Meines Zeichens Detektiv.”
 

Er lächelt mich traurig an.
 

„Detektiv … ?“ Natürlich so wie er spricht und sich gibt … kann er kein normaler, kleiner Junge sein.

Ich keuche, als mich eine weitere Schmerzenswelle überrollt. Nein, noch nicht … ich darf jetzt noch nicht sterben! Nur noch einen Moment … bitte …
 

„Du hast also so ein Dings an der Uhr angebracht … ?“
 

Er nickt. „Ja. Aber es war doch eigentlich die Uhr dieses Hünen, nicht wahr?“
 

Ich schüttelte schwach den Kopf. „Nein. Als er außer sich vor Wut und im Affekt Kenzo umbrachte, da wehrte sich der natürlich … und dabei ging seine Uhr kaputt. Ich habe ihm daraufhin meine gegeben.“
 

Ich erinnere mich gut an diesen Abend. Dabei hätte alles ganz anders laufen sollen … fast muss ich lachen. Doch die Schmerzen hindern mich daran.
 

„Welche Ironie! Der Plan war eigentlich perfekt, doch jetzt am Schluss sind alle tot! Kenzo, der wegen seiner fahrerischen Qualitäten eingestellt wurde … dieser Kraftprotz, der fürs Grobe zuständig war … und mich hat’s auch erwischt … die Organisation hat mich reingelegt!“

Es fällt mir immer schwerer zu sprechen. Kurz wird mir schwarz vor Augen und ich bekomme Angst. Ich will nicht sterben … ich will Shiho nicht alleine lassen … nein, nein …
 

„Organisation?“, fragt der Junge stirnrunzelnd.
 

Stimmt, von der Organisation kann er nichts wissen …
 

„Ja! Die große, mysteriöse Organisation.“
 

Meine Glieder werden immer schwerer. Das besorgte Gesicht des Jungen erscheint mir immer undeutlicher.
 

„Na ja, als Handlanger am untersten Ende weiß ich auch nicht viel mehr, als dass deren Farbe Schwarz ist …“
 

„SCHWARZ!?“ Entsetzt blickt er mich an.
 

Weiß er vielleicht doch etwas … ? Ist es möglich, dass er bereits mit ihnen in Berührung gekommen ist?
 

„Ja, Schwarz. Das tragen diese Kerle am liebsten …“, antwortete ich schwach. Ich kann mich nicht mehr aufrecht halten. Es geht einfach nicht mehr!
 

„Rabenschwarze Anzüge sind ihr Markenzeichen …“
 

Ich sinke zu Boden. Jetzt ist es soweit, gleich ist es endgültig vorbei. Mir wird von innen ganz warm. Die Schmerzen scheinen weit weg. Mir fällt es schwer, noch einen klaren Gedanken zu fassen. Doch … dieser Junge … ich muss ihm noch etwas sagen …

Mit letzter Kraft packe ich seinen Arm.
 

„Bitte, du musst hören … was ich dir zu sagen habe!“
 

Meine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern. Kann er mich hören? Ich hoffe, er versteht mich … ich muss mich beeilen … mir bleibt nicht mehr viel Zeit.
 

„Die Koffer mit dem Geld sind in der Hotelrezeption … ich will, dass du sie vor diesen Schweinen findest!“
 

Mein Mund ist ganz trocken. Mühsam schlucke ich und versuche Luft zu holen.
 

„Ich möchte nicht weiter … von ihnen ausgenutzt werden!“
 

Ich habe noch soviel zu sagen, aber ich kann nicht. Es geht nicht …
 

… ich will nicht sterben, ich will nicht …
 

… ich hab Angst, Shiho … kleine Schwester …
 

… ich habe es versucht … es tut mir so Leid …
 

… du schaffst es alleine … ich weiß es …
 

… Verzeih mir …
 

… Schwester …
 

… ich liebe dich …
 


 

„Ich verlasse mich auf dich … mein kleiner Detektiv …!“
 

Letzte Worte. Ein Hauch. Dunkelheit.

Gift

Sie blickte durch die Scheiben in den von grellen Neonlampen beleuchteten Raum. Dieser war spärlich eingerichtet, nur ein kleiner, fahrbarer Tisch und eine Liege befanden sich in ihm. Auf der braunen Liege lag ein Mann. Sein Gesicht kannte sie von dem Foto aus der Akte. Er war 36 Jahre alt. Blutgruppe B. Keine Krankheiten. Nur ein Kapselriss im linken Fußgelenk mit 16.

Shiho sah die Todesangst in seinen Augen, sah wie ihm der Schweiss das dünne OP - Hemd durchnässte. Immer wieder bäumte er sich auf, schrie und fluchte. Doch fliehen konnte er nicht. Dicke Gurte waren über seinen gesamten Körper gespannt und fixierten ihn fest an die Liege. Ein Entkommen war nicht möglich. An seinem Schicksal war nichts mehr zu rütteln.

Ein weiterer Mann betrat den Raum, mit weißem Kittel bekleidet und einen Mundschutz tragend. Es war einer ihrer Forscher. In aller Ruhe bereitete er eine Spritze vor. Der Inhalt war ganz und gar tödlich. Jedenfalls ... sollte es so sein.
 

Langsam wurde Shiho nervös. Sie war angespannt. Aber auch Vorfreude machte sich in ihr breit. Es würde sicherlich funktionieren. Es musste einfach klappen. Sie hatten solange an diesem Mittel gearbeitet.

Die weit aufgerissenen Augen des Mannes fixierten die Nadel der Spritze. Die Flüssigkeit befand sich nun in seinem Kreislauf. Es war eine Frage der Zeit, bis das Gift seine erste Wirkung entfaltete.

Angestrengt starrte Shiho durch das dicke Glas. Sie konnte den Vorgang in Ruhe beobachten, während ihre Angestellten alles sorgfältig festhielten und notierten.

Die Augen des Mannes wurden starr, er schrie. Er bäumte sich auf, sein Gesicht war nun von Schmerzen verzerrt, es ähnelte einer grausamen Maske. Speichel lief an seinen Mundwinkeln herab und sein Körper verkrampfte sich in den letzten Augenblicken vor seinem Tod.
 

"17 Sekunden", hörte sie die Frau neben sich sagen.

Shiho nickte, sichtlich zufrieden. Nun begann der zweite Teil des Experimentes. Seinen Körper überließ sie den Pathologen der Organisation. Die junge Frau war sich sicher: Schon bald würde sie die Früchte für ihre Forschungen ernten. Und sie war auf dem Weg, eine der besten Wissenschaftlerinnen der Welt zu werden. Lächelnd wandte sie sich ab.

Ewiger Schlaf

Ich würde mch sehr über eine Rückmeldung von euch freuen!
 


 

Als Shinichi auf den Gang der Intensivstation trat, schlug ihm augenblicklich der stechende Geruch von Desinfektionsmittel ins Gesicht. Sein Instinkt ließ sofort den Gedanken an Flucht in ihm aufkommen, er wollte umkehren, weg von diesem Ort, zurück in die Welt, ins Leben flüchten.

Doch er riss sich zusammen, so sehr sich auch alles in ihm dagegen sträubte.
 

Eine junge Krankenschwester sah von ihren Akten auf und musterte ihn durchdringlich. In ihren Augen blinzelte die Erkenntnis, sie hatte den jungen Meisterdetektiv sofort erkannt.

Natürlich. Sein Gesicht war seit der Zerschlagung der großen, geheimnisvollen Organisation in Nachrichten zu sehen. Früher hätte ihm der Trubel nichts ausgemacht. Im Gegenteil. Shinichi war es gewohnt gewesen, von blitzenden Kameras und neugierigen Journalisten umgeben zu sein.

Doch seit diesem großen Tag, seit Shinichi gemeinsam mit dem FBI die Organisation samt den Boss hochnahm, hatte er keine Befriedigung über seine erbrachte Leistung verspüren können.

Die Krankenschwester führte ihn zu dem Zimmer.

Sie verbeugte sich, warf ihm noch einen weiteren neugierigen Blick zu und ließ ihn dann alleine. Er war dankbar dafür. Dankbar, dass er in den kommenden Minuten alleine sein konnte und ihn niemand beobachten würde, sollte er sich selbst nicht mehr unter Kontrolle haben. Schon jetzt raste sein Herz und er spürte, wie ihm der Schweiss auf die Stirn trat.
 

Mit feuchten Händen drückte er die Klinke der Tür hinunter und erstarrte, als er ins Zimmer blickte. Schließlich ignorierte er die überwältigende Übelkeit und schloss die Tür hinter sich.

Die dicken Gardienen vor den Fenstern ließen das Zimmer im Halbdunkeln zurück und dadurch wirkte die Atmosphäre noch schwerer und noch erdrückender.

Shinichi blickte zu dem Bett, schluckte.
 

Dort lag Shiho mit geschlossenen Augen und umgeben von piependen, summenden Geräten und Schläucheln.

Ihr rotblondes Haar bildete einen starken Kontrast zu ihrem blassen Gesicht. Der Verband um ihrer Stirn hob sich kaum von ihrer Haut ab. Ihre vollen Lippen waren blass und aufgerissen.

Regungslos starrte Shinichi auf die junge Frau, konnte kaum fassen, was er sah. Seine Gedanken waren nüchtern, nur träge erinnert er sich an die Diagnose des Arztes zurück.
 

Eine primäre Hirnschädigung. Ein Schaden, entstanden durch eine einzige Kugel aus Gins Beretta.
 

Die Luft war angespannt, atmosphärisch aufgeladen. Menschen schrien, in Englisch, in Japanisch. Kugeln flogen haarscharf an seinem Gesicht vorbei, er registrierte es kaum. Wie in Zeitlupe sah er die junge Frau mit aufgerissenen Augen zu Boden stürzen, Blut spritzte aus dem Einschussloch in ihrem Kopf.
 

Shinichi zuckte zusammen.
 

Irreversible Hirnschäden. Absterbende Nervenzellen. Hirntod.
 

Er war an diesem Tag gekommen, um sich für immer von ihr zu verabschieden. Er war der Letzte, der diesen schweren Schritt ging, bevor alle lebenserhaltenen Maßnahmen eingestellt wurden und ihr Körper endgültig sterben würde.

Langsam und wie betäubt ließ der junge Mann sich auf dem Stuhl neben dem Bett nieder.

Seine Augen glitten rastlos über das Mädchen. Er griff nach ihrer Hand und erschauderte. Ihre Haut war eiskalt, so als ob ...
 

Als was, du Idiot? Als wäre sie tot? Sie ist tot!
 

Und da brach es aus dem Detektiv hervor. Es begann als undefinierbares, schleichendes Gefühl in der Brust und endete im unkontrollierbaren Zittern seines Körpers. Erst Sekunden später begriff Shinichi, dass er weinte.

Der Schmerz überwältigte ihn, brach wie eine Flut über ihn ein und er schlug die Hände vor's Gesicht.
 

"Es tut mir so leid, Shiho. So unendlich leid ..."
 

Du Narr redest mit einer Toten. Fur Vergebung ist es zu spät.
 

Er hatte versagt. Als Detektiv. Aber vorallem als Freund. Er hatte versprochen, sie zu beschützen. Und damals, als sie ihr Leben beenden wollte, hielt er dem Mädchen Moralpredigen. Sie solle nicht vor ihrem Schicksal fliehen.
 

Tolles Schicksal. Mehr tot als lebendig.
 

Es war vorbei. Sie war tot. Und er würde nie wieder über ihre zynischen Kommentare schmunzeln können oder ihr Lächeln sehen, wenn sie sich über etwas freute. Sie würde niemals ein normales Leben nach der Organisation leben dürfen, niemals die Chance zu bekommen sich angstfrei eine Zukunft aufzubauen.
 

Sanft glitten seine Finger über ihre Wangen. Fast könnte man glauben, sie würde nur schlafen. Wie sehr wünschte er sich, dass sie die Augen aufschlug und ihn anlächelte.
 

"Ich werde dich nie vergessen.", flüsterte Shinichi der Toten zu.



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Kommentare zu dieser Fanfic (9)

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Von:  Wolkenkranich
2013-06-24T21:55:14+00:00 24.06.2013 23:55
Gott wie süß. Aber sind die beiden jetzt eigentlich zusammen???
Von:  Wolkenkranich
2013-06-24T21:50:06+00:00 24.06.2013 23:50
Ach du meine scheisse!!!!! Gott hab ich mich erschrocken als er eiskalt war!! Zu mir das nie wieder an!!!!
Von: abgemeldet
2011-03-15T18:50:10+00:00 15.03.2011 19:50
*schnief*
Wieder sowas Trauriges...
Ich mag deine Geschichten =)
Vor allem finde ich (als Akemi-Fan^^) ja auch, dass es viel zu wenige Fanfics gibt, in der Akemi vorkommt.
Zumindest finde ich kaum welche.

Toller Schreibstil übrigens.

Weiter so !
Von:  OnePieceFan
2011-01-03T19:16:19+00:00 03.01.2011 20:16
ohhhhhhhh!!!
JAAA!
JAA!
GENAU SO!!!
JA!
:D


Von: abgemeldet
2010-05-05T14:15:32+00:00 05.05.2010 16:15
Hi! :)

Das Kapitel gefällt mir sehr gut; es ist kurz, aber wäre es länger gewesen... Na ja, es kann eigentlich gar nicht länger sein. ^^ Gerade, dass es kurz ist, gibt ihm Durchschlagskraft. Gut gemacht!
Gerade dieser Sarkasmus passt perfekt zu Conan/Shinichi, du hast den Charakter super getroffen. ;)

Hoffentlich gibt es bald wieder mehr von dir.^^

GLG
Von:  LadySherry
2010-03-15T14:19:16+00:00 15.03.2010 15:19
Ich hab auch Gänsehaut :]
bin gespannt, wie's in dieser Hinsicht weitergeht und freu mich drauf - weiter so!
LG
Von: abgemeldet
2010-02-07T19:33:13+00:00 07.02.2010 20:33
Ich muss sagen, die Idee ist wirklich gut, zumal sie dann endlich das mit 'we're trying to raise the dead against the stream of time' erklären würde....bin mal gespannt, was du daraus machst =)
lg Ryoko
Von: abgemeldet
2010-02-05T20:01:35+00:00 05.02.2010 21:01
Cooler One-Shot! *-* Ich liebe Themen mit Farben, und du hast es toll umgesetzt =) (Wieso muss ich bei dem Titel nur an dieses eine Lied denken? *True Colors summ*)

Ich fand die Umsetzung auf jeden Fall gut... Und es gibt eh zu wenige FFs, in denen Akemi vorkommt, obwohl sie eigentlich ein interessanter Charakter ist. oO

Jedenfalls bin ich gespannt, was noch so kommt ^-^
GLG,
Seya
Von: abgemeldet
2010-01-25T22:01:36+00:00 25.01.2010 23:01
Gott, das ist ja gruselig...o.O Zuerst schrumpft der Arme zusammen und jetzt ist er ein lebender Toter? Autsch xD
Aber sehr gut umgesetzt, du schreibst echt gut ^^ Viel Glück mit den restlichen 109 Themen xD

GLG,
Seyara


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