Metamorphose von Loptr (Vom Ei zum Schmetterling) ================================================================================ Kapitel 1: Das Ei ----------------- = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = Prolog Das Ei = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = Sie setzte sich und ihre zarten blassen Finger umklammerten die Kaffeetasse. “Sie wollen also meine Geschichte hören?… Haben Sie denn so viel Zeit?…” Ihre dunkelbraunen Augen blickten auf den Mann vor ihr. “Ich werde es Ihnen gern erzählen, aber Sie sollten sich auch einen Kaffee holen, es dauert eine Weile…” Der Mann nickte nur kurz und holte sich ebenfalls eine Tasse Kaffee. Elena lehnte sich nach vorne und ihr blondes Haar fiel sanft ins Gesicht. “Damals, ging ich noch zur Schule, auf die ShinRa Academy. Ich war erst fünfzehn Jahre jung und wollte eigentlich gar nicht dort hin. Es war der Wille meines Vaters… Aron, meine große Schwester, sie war in der Oberstufe und neunzehn Jahre alt. Sie stand kurz vor ihrem Abschluss… Es war am Tag des Sportfestes, daran kann ich mich noch so gut erinnern. Alle Stufen waren daran beteiligt. Ich war so stolz auf meine Medaille und meine Urkunde, ich war nicht besonders sportlich, aber ich hatte den dritten Platz gemacht. Ich war so stolz auf mich… Ich war so stolz… Als ich die Haustür öffnete, war die halbe Verwandtschaft hier und Arbeitskollegen meines Vaters, der ja auch Lehrer an der Academy war. Aron schritt auf mich zu. Perfekt und vollendet in jeder Bewegung. Wie ich es hasste, wie ich Aron dafür hasste. “Sieh mal, Kleines! So sieht der erste Platz aus!” prahlte sie und hielt mir diesen Pokal direkt vor die Nase. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie ich mich in diesem Moment fühlte. Die einzige Hoffnung die ich noch hatte, war mein Vater. So suchte ich ihn auf. Ich störte ihn, wiedermal, im Gespräch mit irgendwelchen hohen Tieren aus der ShinRa. Er unterhielt sich gerade, als ich an seinem Rockzipfel zog, um seine Aufmerksamkeit zu erhaschen. Sein autoritärer Blick stach vernichtend auf mich, kleinen Wicht, herab. “Ich… ich bin Dritte geworden… Sieh nur…” stammelte sich, weniger selbstsicher als noch Minuten zuvor und hielt ihm die Urkunde und die Medaille hin. Er sah die Urkunde, sah die Medaille und in seinem Gesicht konnte ich schon die Enttäuschung sehen. “Schön, Elena… Gut gemacht…” meinte er und ich hörte in jedem Wort, was für eine Enttäuschung ich für ihn war. Er hätte genauso gut “Elena, du hast mich enttäuscht…” sagen können. Ich nickte nur, zwang mich zu einem Lächeln, machte kehrt und lief die Treppen hinauf auf mein Zimmer. Während die Feierlichkeiten noch lange anhielten, lag ich auf meinem Bett und weinte. Die Urkunde und auch die Medaille lagen längst im Papierkorb…” Kurz hielt sie inne, nahm eine Zigarette aus der Pappschachtel und rauchte sie sich an. Der blaue Dunst verteilte sich sanft vor ihr in der Luft. Dann schob sie tonlos die Schachtel in Richtung ihres Zuhörers, der nur dankend ablehnte. “Ich weiß noch…” Sie begann etwas zögerlich. “Ich geriet oft in Streit mit Aron. Meist ging es um die Aufmerksamkeit meines Vaters. Immer wieder bestand sie darauf, dass sie die Beste und die Stärkste von uns beiden sei. Das konnte ich nie auf mir sitzen lassen. Ich konnte mich selten beherrschen, dass war nun mal nicht meine Art, mich zu beherrschen… So trat ich ihr in die Magengrube und na ja, sie wehrte sich natürlich. Schlägereien, mit Vorliebe auf dem Schulhof, standen an der Tagesordnung. Die anderen Schüler schlossen Wetten auf mich und meine Schwester ab, aber das störte mich nicht, ich wollte es ihr zeigen. Ihre ach so hübsche Visage zu Brei schlagen. Allerdings war sie die Bessere und allerdings war sie auch die Stärkere… allerdings, hielt es mich nie davon ab, es ihr dennoch beweisen zu wollen. Eins hatte ich ihr voraus, meinen Sturkopf. Ich war stur und wenn mein Stolz angekratzt war, dann konnt ich ganz schön zur Furie werden. Unsere Kämpfe waren keine Mädchenkämpfe mit kratzen, spucken und Haare ziehen. Wir waren brutal und unerbittlich. Hart zu uns selber und hart zu der anderen. Schließlich kam unsere Erziehung zu Hause schon der Erziehung zu einem Turk sehr Nahe. Hauptsache es wurde blutig. Wir hörten die Schritte nicht, die sich auf uns zubewegten… Mein Vater kam oft, um uns auseinander zu zerren. “ELENA MARGRET WOODSBOROUGH” Seine Stimme dröhnte in meinem Kopf. Ich hasste es, ich hasste wie er meinen Namen sagte. Unsere Kämpfe endeten meist damit, dass zwei Blondinen schwitzend, schmutzig und blutig auseinander gezerrt wurden. Eine von dem Vater, eine von einem hochrangigen Turk. Meist packte mein Vater mich, fest am Arm, zerrte mich weg. Er musste kaum was sagen, ohne dass ich wusste, was er dachte. “Elena, du enttäuscht mich…” ich höre seine Stimme immer noch, als ich in mit meiner Schwester in seinem Büro saß. Gerade dass er nicht sagte, dass wir vernünftig sein müssten, und Aron war die Unschuld, sie wehrte sich ja nur, gegen ihre böse kleine Schwester. Er sagte immer, ich sollte doch vernünftig sein und wissen wann ich eine Chance hatte zu gewinnen und wann nicht. Und schließlich und endlich war Aron ja die Perfektion schlechthin. Sie musste nie vernünftig sein. Aber sollte nicht eigentlich die Ältere die Vernünftigere sein, mal abgesehen davon, den Ärger kriegen. Sie war doch reifer, erwachsener und verantwortungsbewusst. So begleitete meine tolle Schwester, meinen lieben Vater zu Verdot, den Leiter des Departements für Innere Sicherheit - den Turks. Und ich ging zurück zu meinem Unterricht.” Wieder pausierte sie kurz. Es fiel ihr schwer, über so tiefgehende Dinge zu sprechen. Der Mann nickte ihr zu. “Wir können eine Pause machen.. Wenn Sie wollen Ms. Woodsborough…” Elena schüttelte ihre blonde Mähne. “Als ich des abends nach meiner Nachhilfe - ich war keine schlechte Schülerin, die Beste meines Jahrgangs, aber ich war nicht so gut wie Aron… - nach Hause kam und meine Schuhe im Vorhaus von meinen Füßen schüttelte, hörte ich meinen Vater schon rufen. “Elena! Komm mal her!” Leichtfüßig lief ich schnurstracks ins Wohnzimmer und sah meinen Vater fragend an. “Willst du dich nicht vorstellen?” Ein Mann mit vielen Narben im Gesicht, eine heroische, fast stoische Haltung, saß meinem alten Herrn gegenüber. Es konnte nur einer aus der ShinRa sein. Folgsam verbeugte ich mich tief vor dem Mann, der mich freundlich anlächelte. “Mein Name ist Elena, es freut mich Sie kennen zu lernen, Sir…” Standartgemäß und förmlich stellte ich mich vor, so wie es mein Vater wollte. Er nickte zustimmend und stellte sich dann auch vor. Es war ein Mann von der ShinRa, der Leiter des Departements für Innere Sicherheit. Der Turk Chef also. Es war also Verdot, der große angesehene Chef der Turks. Turks! Ich hasste die Turks! Wenn man mir damals gesagt hätte, dass ich auch mal eine Turk werden würde, ich hätte demjenigen ins Gesicht gespuckt. “Entschuldigen Sie mich, ich fühle mich nicht besonders…” entschuldigte ich mich und Verdot, genauso wie mein Vater nickten mir zu. Ich konnte also gehen. Zugegeben, Verdot war ein abschreckender Anblick, aber dennoch war er mir irgendwie sympathisch. Auch wenn er ein Turk war. Ich verzog mich in Richtung Küche und hörte die gedämpften Stimmen aus dem Wohnzimmer. Es ging um Aron, um wen den sonst. Mein Vater prallte mit ihr und in mir brannte die Frage, ob er jemals so über mich sprechen würde. Schließlich ging ich auf mein Zimmer, legte mich auf mein Bett und blickte zur Decke. Was wenn Verdot meine Schwester zu den Turks holte, dann wäre ich sie los. Turks haben keine Familie, sie zogen in die Firma. Es wäre meine Chance, endlich die Aufmerksamkeit meines Vaters zu haben, für mich allein zu haben. Kapitel 2: Die Larve -------------------- = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = Kapitel 1 Die Larve = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = Elena stand auf, schritt ein wenig durch den mit Licht durchfluteten Raum. Der blonde Mann, der ihr gegenüber saß, sah ihr nach. So offen hatte die Turk noch nie über sich gesprochen. Es imponierte dem jungen Mann ihr gegenüber. Nie hätte er es für möglich gehalten, dass Elena so offen mit ihm sprechen würde. Schließlich sah sie aus dem Fenster und sah auf Midgar hinaus, oder besser auf das, was noch davon übrig war. “Man hörte die Schritte kaum, als die schwarzen Lackschuhe auf den Kies traten. Die Uniform der Schule schrieb diese Schuhe vor. Weiße Strümpfe bis kurz unters Knie, einen bis zum Knie reichenden schwarzen Faltenrock, eine weiße Bluse und den roten Blazer. Die typische Schuluniform. Nicht zu vergessen das dunkelblaue Halstuch. Ich hatte meine Haare immer zu zwei Zöpfen gebunden. So trugen sie sich angenehmer. Ich hatte ja langes Haar, müssen Sie wissen. Ein zierliches, beinahe zerbrechliches schlankes Mädchen war ich. Unscheinbar, aber mit großer Klappe wenn es darauf ankam. Mein Vater erwartete mich bereits im Vorraum unseres Hauses und sah mich an. “Du kannst deine Schuhe anlassen. Du wirst Aron heute zur ShinRa begleiten und ein wenig mit ihr trainieren… ich habe das mit Verdot vereinbart…” Ich nickte nur erstaunt und wartete geduldig auf meine große Schwester. Aron sah in diesem Anzug einfach nur gut aus und irgendwie stand es ihr. Es war das erste Mal, dass ich keinen gehässigen Spruch auf den Lippen hatte. “Es steht dir gut…” meinte ich und ich meinte es ernsthaft. Aron blickte mich an und nickte daraufhin. “Komm. Ich will nicht zu spät kommen…” meinte sie nur und nahm Elena am Arm und zerrte sie mit sich. Zusammen fuhren wir mit ihrem Auto zur ShinRa. Während der ganzen Autofahrt schwiegen wir. Ich wusste nicht was ich sagen sollte und Aron sagte einfach gar nichts. Schließlich kamen wir in der ShinRa an und noch im Auto brach sie das Schweigen. “Egal was du tust, blamier mich nicht, okay? Ich will in dieser Firma bleiben und nicht wegen meiner dusseligen Schwester fliegen… Verstanden…” zischte sie und ich nickte schweigend. Es war ja nie meine Absicht sie zu blamieren. Dann kamen wir in das riesige Foyer des Gebäudes. Es war atemberaubend. So groß, so hell, so freundlich. So hatte ich mir die ShinRa nicht vorgestellt. Ich dachte immer, es war so ein kalter Betonklotz, die sie ja von außen war, aber im Inneren war sie einfach nur wunderschön. Der Marmorboden, die roten Teppiche mit dem goldenen Saum. Aron zerrte mich weiter zu den Aufzügen. Meine schwarzen Lackschuhe klackerten auf dem teuren Boden. Ein melodisches Klingen ließ mich aus dem Staunen hochschrecken. Der Aufzug war gekommen und meine Schwester zerrte mich mit hinein, drückte einen Knopf im Untergeschoss. Die ShinRa ging auch weit nach unten, nicht nur weit nach oben. Neben mir stand ein schlaksiger Mann mit roten Haaren und einem schlampig angezogenen Anzug. Ein Turk? Ich sah ihn lange an, bis er meine Blicke bemerkte. “Na Schnecke? Haste dich in die ShinRa verlaufen? Hier is nicht deine Schule…” Aron knuffte mich in die Seite und blickte mich böse an. Sie mahnte mich. Und ich wusste ich sollte nun die Klappe halten. So blickte ich stumm auf die Aufzugtür und dann zu den Zahlen, die das Stockwerk anzeigten. “Stumm, das Mädchen?” Fragte Reno weiter. Ich konnte nicht anders, ich musste dem Kerl doch antworten. “Nein… ich bin nicht stumm…” meinte ich, weniger selbstbewusst, als ich es mir gewünscht hätte. Reno lachte und legte seinen Arm um mich und in mir verkrampfte sich alles, er war ja ein Fremder und Aron mischte sich nun ein. “Lass das Reno! Sie ist meine Schwester, okay? Zu jung für dich…” biss sie zu ihm hinüber. Reno verzog das Gesicht und blickte zuerst Aron an und dann mich. “Gut, dann führ ich die Kleine eben nicht herum…” maulte er und das melodische Klingen ließ uns wissen, dass die Tür wieder aufgehen würde. Und Reno schritt hinaus. “Du hast doch auch keine Zeit für so was!” motzte meine Schwester ihm hinterher und ich hielt meine Hand vor den Mund, um vor ihr mein Lachen zu verbergen. Der Rote war irgendwie lustig und er war mir sympathisch.” “Typisch Reno!” meinte der blonde Mann und Elena nickte zustimmend. “So hatte er sich in mein Herz geschlichen… ich konnt ihn von Anfang an gut leiden… aber nun weiter, dass ist ja nicht das Ende..” meinte sie nur und trank den letzten Schluck ihres Kaffees. “Schließlich machte der Aufzug ruckartig Halt und wir waren angekommen. Ganz weit, unter der Erde. Mich schauderte es kurz. Eine Tür ging automatisch auf. Die Aufschrift konnte ich gar nicht so schnell lesen, wie die Tür aufging. Ein Schießstand neben dem Anderen. So was hatte ich noch nie gesehen. Es war beeindruckend. Die ShinRa scheute keine Kosten und keine Mühen, um ihre Leute gut auszubilden, wie es mir schien. “So Lana! Du bleibst hier, an diesem Schießstand! Verstanden?” mahnte mich meine Schwester und ich nickte nur. “Du bleibst hier und übst! Du rührst dich nicht vom Fleck, bis ich dich wieder abhole!” Wieder nickte ich nur. “Hier, dass ist deine Ausrüstung zum Üben…” meinte Aron und drückte mir eine Waffe und Ohrenschützer in die Hand. Weitere Erklärungen brauchte ich ja nicht, weil ich konnte ja alles, was meine Schwester konnte. Zumindest meinten das alle. Dann verschwand Aron und ließ mich ganz allein zurück. Außer mir waren nur noch zwei andere Personen am Trainieren. Etwas zaghaft betrachtete ich die Waffe in meinen Händen. Ich hatte ja keine Ahnung vom Schießen, geschweige denn davon, wie man eine Waffe richtig bediente. So setzte ich mir die Ohrenschützer auf und lud die Übungswaffe. Dann versuchte ich zu zielen, Trockentraining, es war schwierig, sehr schwierig. Ich entsicherte, zielte und zog den Trigger durch - der Schuss löste sich. Der Rückstoß ließ mich zurücksteigen. Ich hätte nicht gedacht, dass es so ein harter Schlag war, einen Schuss abzufeuern. Ein Seufzen entglitt meinen Lippen. Noch weiter daneben wäre es wohl nicht gegangen. Dennoch war ich hier um zu üben. So hob ich erneut die Waffe, zielte und drückte ab. Wieder schritt ich zurück. Verdammter Rückstoß! Doch ich war ein Sturkopf, nicht vergessen, so setzte ich mir in den Kopf, diese verdammte Zielscheibe zu zerlöchern, aber irgendwie trug meine Mühe und mein Schweiß keine Früchte. Ich traf einfach nicht. Ich seufzte schwer und blickte auf die Zielscheibe, die mich auszulachen schien. Aber wie sollte ich es mir selber beibringen? Nur weil Aron es konnte, mein Vater es konnte, ohne es gelehrt zu bekommen, hieß es noch lange nicht, dass ich es auch konnte. Ich konnte es nicht. Ich konnte es einfach nicht. Die Waffe war noch in meinen Händen, der Finger noch am Abzug, allerdings hatte ich sie gesenkt und seufzte. Plötzlich zuckte ich erschrocken zusammen, ein Schuss löste sich und ich ließ die Waffe fallen. Der Schuss war neben meinen Schuh in den Boden gefahren. Zaghaft blickte ich auf schmale gepflegte Finger, die zu der Hand gehörten, die plötzlich auf meiner Schulter ruhte. Sie gehörte aber nicht zu meiner Schwester, diese Hand gehörte jemand anderem. Vorsichtig folgte ich dem langen Arm zu einer Schulter und dann zu einem Gesicht. Sofort fielen mir die dunkelbraunen mandelförmigen Augen auf. Er stammte nicht aus Midgar, dass war mir sofort klar. Noch immer etwas schockiert nahm ich die Ohrenschützer ab, holte tief Luft. “Bist du wahnsinnig? Ich hätte mich verletzen können! Du spinnst doch!” Der Mann vor mir hatte ein nichts sagendes Lächeln auf den Lippen. Es macht mich nervös, es verunsicherte mich. “Tut mir Leid… Ich wollte Sie nicht…. Anbrüllen….” entschuldigte ich mir artig. “Du bist Elena, nicht wahr?” Seine Stimme war ruhig und gelassen, als hätte ich ihn nicht gerade angebrüllt, oder fast erschossen. Ich nickte nur sachte. “Du hast keine Ahnung vom Schießen, nicht wahr?” Ich seufzte nur und senkte meinen Blick. Er hatte ja recht, mit dem wenigen was er sagte. “Ich hab überhaupt keine Ahnung…” “Bist du Linkshänder?” Ich schüttelte meine blonden Zöpfe. “Du hältst sie aber links…” er bückte sich und hob die Übungswaffe auf, reichte sie mir. “Nimm sie mal in die Hand.” Ich traute mich nicht so recht, aber sein Blick gab mir Mut. So wie er mich ansah, war es beinahe wie ein Befehl. Ich wusste dass er ein Turk war. Das war nicht zu übersehen. Aber er war anders, anders als der Rote von vorhin. Anders als Aron, aber genauso perfekt, wenn nicht perfekter. So nahm ich die Waffe in meine Hände. “Dreh dich um und ziele auf die Scheibe…” ich tat wie er wollte. Zielte auf die widerspenstige Scheibe. Ich konnte seine Blicke spüren, wie er mich musterte, meine Haltung ansah. Plötzlich spürte ich seinen Atem an meinem linken Ohr, dass noch nicht von dem Ohrenschützer bedeckt war und seine Hände umfassten die meinen. Es machte mich nervös. Ein Mann berührte mich. Mich! Seine Hände führten nun die meinen. Führten meine Finger in die richtigen Positionen. Führten die Waffe in meine Augenlinie, damit das Zielen etwas leichter war. “Jetzt müsste es sich besser anfühlen…” und ob es sich besser anfühlte. Diese Wärme, die ungewohnte Wärme, die sanfte Stimme, die mich nicht tadelte, sondern versuchte mir zu helfen. Ich war nicht auf das Ziel der Scheibe. Ich war konzentriert auf seinem Atem, auf seine Worte. “Und nun drück ab…” es war wieder dieser Befehl, dieser sanfte Befehl. Ich atmete tief durch und drückte dann einfach ab. Die Kugel durchschlug die Tafel. Das Ziel war getroffen. Zwar nur am Außenring, aber getroffen. Der Rückstoss drückte mich sanft gegen seine Brust und er hatte noch immer dieses nichts sagende Lächeln auf den Lippen. Ich juchzte auf, freute mich wie ein junger Hund. Ich hatte getroffen. “Ich hab getroffen! Ich hab getroffen! Ich…” ich legte die Waffe hin und fiel dem Mann, mit dem schwarzen Haar um den Hals. “Danke!” hauchte ich und er schien etwas überrascht zu sein. “Jetzt schaff ich es auch allein!” Nun war ich wieder stolz auf mich, aber ohne ihn, hätte ich es nicht geschafft.” Wieder erhob sich die blonde junge Frau und holte sich eine neue Tasse Kaffee. Dann setzte sie sich und seufzte schwer. “Ganz schön viel, nicht wahr?” meinte sie und lächelte sanft. Der Mann ihr gegenüber nickte zustimmend, lehnte seinen Kopf auf seine Hände. Seine blonden Strähnen fielen ihm ins Gesicht. “Das wusste ich alles nicht… so hast du also Tseng kennen gelernt...” meinte er und Elena lächelte wieder sanft, nickte zustimmend. “So machte ich alleine weiter, doch er entfernte sich nicht weit von mir. Ich spürte seine Blicke, auch wenn er sich gekonnt im Schatten verbarg. Sich an die Wand lehnte und seine Hände vor der Brust verschränkte. Ich trainierte weiter und die Zeit verging, doch Aron kam nicht. Ich wurde müde, traf kaum noch was und auch er bemerkte es. “Du solltest aufhören. Es ist sonst zu lange und du scheinst schon müde zu sein…” machte der Kerl sich etwa Sorgen? Sorgen um jemanden, den er nicht kannte, oder hatte Aaron ihn zu mir geschickt. “Wenn du besser bist, kannst du auch auf diese Liste kommen… Wenn du willst…” mit seinen schlanken Fingern deutete er auf eine Liste, die an der Wand festgemacht wurde. Ich sah mir die Plätze genau an. 1. Verdot 2. Tseng 3. Aron “Und ich dachte sie wäre so perfekt…” murmelte ich und es entging ihm nicht. “Wer, deine Schwester?” ich erschrak, woher wusste er das? Schweigend nickte ich und blickte noch immer auf diese Liste. Hatte ich überhaupt eine reale Chance besser als Aron zu sein? “Lass uns gehen!” meinte ich schließlich, es war ja schon spät und ich war auch wirklich schon müde. Er stieß sich von der Wand ab und ging voraus. “Ist das nicht langweilig? Ich meine, so dazustehen und mir zuzugucken…” “Vieles ist langweilig, aber muss getan werden…” entgegnete er mir und es war diese Kälte, die mich wieder zu ihm zog. Ich mochte den Kerl, obwohl ich Turks nicht mochte. Ich mochte den Kerl, obwohl der Kerl mich nicht kannte. Ich legte die Waffe und Ohrenschützer zurück und ging mit ihm zum Aufzug. Schweigen als wir die unzähligen Stockwerke nach oben fuhren. Ich blickte immer wieder zu ihm hinüber, über die akkurate Haltung, den perfekt sitzenden Anzug und wie er seine Arme hinter dem Rücken hielt. Er war irgendwie faszinierend, zumindest für mich junges Ding. Als die Lifttür sich öffnete schob ich mich elegant nach draußen, drehte mich zu ihm um. “Auf wieder sehen…” winkte ich und trat nach draußen. Es regnete in Strömen und es sah auch nicht danach aus, dass es bald aufhören wollte. Er stand wieder neben mir, wie der Schatten, der er war. Ich blickte mich zu ihm um und lächelte. “Keine Sorge! Ich bin nicht aus Zucker! Ich laufe nach Hause!” ich wollte gehen. Aber er hielt mich zurück. “Komm, ich fahr dich” wieder dieser Befehlston und wieder folgte ich ihm. Folgsam, so wie es mir beigebracht wurde. So wie es von mir verlangt wurde. “Ich brauch nur meine Schlüssel… ” sprach er und ging auch schon wieder in Richtung Aufzug. Da ich nicht doof in der Gegend herumstehen wollte, folgte ich ihm wieder, wie ein treuer Hund. Ich lief ihm hinterher und im Aufzug schwiegen wir uns wieder an. Erst jetzt fiel mir diese unerträgliche Fahrstuhlmusik auf, die wahrscheinlich schon die ganze Zeit gespielt worden war. Dieses Mal fuhren wir nach oben, weit nach oben. Durch den gläsernen Aufzugschacht hatte ich eine wahnsinnig schöne Aussicht auf Midgar. Die Lichter blinkten und die Reaktoren glühten in der Ferne. Für mich war diese Mischung aus blau und grün einfach nur schön anzusehen. Wieder ertönte dieser melodische Klang und die Türen öffneten sich. Der Gang war hell erleuchtet und auch aus den beiden Büros konnte man noch Licht sehen. Der dunkelhaarige Turk ging voraus und griff zielsicher im Dunkeln nach seinen Schlüsseln. Drehte sie einmal um den Zeigefinger. Selbst diese kleinen Bewegungen waren perfekt. Gerade als wir wieder gehen wollten, steckte dieser rothaarige wieder seinen Kopf aus der Tür. Also doch ein Turk. “Hey Chefchen! Heute ne Blondine abgeschleppt?” er grinste dreckig. “Ich dachte du stehst nur auf Brünette!” noch immer hatte er dieses seltsam schmutzige Grinsen auf den Lippen. Er sagte nichts darauf und Reno war nicht zufrieden damit. “Na, solls zu ihr gehen, oder zu dir?” stichelte er weiter. Nun hielt der Turk inne, drehte sich aber nicht zu dem Anderen um. “Ich denke du hast nicht die Zeit hier herumzulungern, ich sehe noch keinen Bericht auf meinem Tisch…” meinte er nur und ging weiter in Richtung Aufzugtür. Reno grummelte und verzog sich murrend wieder in sein Büro. Irgendwann kamen wir in den Tiefgaragen der ShinRa an und dort standen sie, die Juwelen der Nacht. Für mich absolutes Neuland. Ich hatte noch nie solche Wagen gesehen… schwarz, elegant. Der Turk drückte nur auf einen Knopf und eines der Autos blinzelte auf. Ich war fasziniert von der Technik, von der Eleganz. Er öffnete mir die Tür, wohl eher reine Vorsicht, als Höfflichkeit. Ich hätte ja etwas kaputt machen können. Langsam glitt ich in den schwarzen Wagen, der wohl ein Maserati war. Ich kannte mich nicht gut mit Autos aus, aber einen Maserati kannte ich. Mein Vater besaß ja auch einen. Die weichen Ledersitze gaben unter meinem zarten Gewicht nach und man saß irgendwie wie auf Kissen. Es fühlte sich herrlich an. Es roch nach Leder und der Motor schnurrte leise hinter mir. Er hatte kein Radio angestellt, er mochte es wohl nicht. So sagte ich auch nichts weiter dazu… ich mochte Musik… Während der gesamten Fahrt, tiefes Schweigen. Nur übertönt von dem Gurgeln des Motors. Schließlich waren wir zu Hause angekommen und er öffnete mir erneut die Tür. Ich stieg aus, zupfte meine Uniform zurecht und stand dann noch mal vor ihm. “Vielen Dank, Tseng!” ich grinste, als ich seinen verwunderten Gesichtsausdruck sah und rannte dann, ohne ihm etwas zu erklären ins Haus. Kapitel 3: Die Raupe -------------------- = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = Kapitel 2 Die Raupe = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = Elena erhob sich erneut und stellte sich ans Fenster. Ihr Blick galt dem grün-blauen Himmel über Midgars Reaktoren. “Dieses Mako ist schon irgendwie unheimlich…” murmelte sie leise und der Blonde hob seinen Blick. Nickte dann allerdings zustimmend. Ich ging Tag für Tag, Woche für Woche in die ShinRa um zu trainieren. Ich wollte es schaffen, ich wollte ins Schwarze treffen. So trainierte ich immer härter, an mir, an meiner Technik und an meiner Disziplin. Meine Schwester bemerkte meine Veränderung, dass ich ruhiger wurde, dass ich sie nicht mehr herausforderte, sondern genoss, wenn sie in meiner Nähe war. Aaron und ich wurden gute Freundinnen und in der ShinRa zu fairen Rivalinnen. Es war einer dieser Tage, an denen ich lieber zu Hause geblieben wäre, aber mein Ehrgeiz trieb mich wieder in die ShinRa. “Guten morgen!” begrüßte ich die geschäftig durch das Gebäude wuselnden Arbeiter. Im Aufzug traf ich, wie beinahe immer, Reno. Und wie immer grinste er nur und neckte mich. Auch wenn es mich manchmal ärgerte, mochte ich den Kerl. Er war einfach anders, er war lustig, war nett und er nahm mich als Mensch war. Unten im Trainingsraum nahm ich erneut mein Training auf, dieses Mal nicht unter den strengen Augen Tsengs. Ich trainierte also wieder, traf meine Ziele immer zuverlässiger, zwar selten in die Mitte, aber immer wieder in die Nähe. Den Rückstoß hatte man im Griff und auch das Gewicht der Waffe. Da sich der Trainingsraum so tief unter der Erde befand, bemerkte ich nicht was direkt über meinem Kopf passierte. Die ShinRa wurde angegriffen, die Rebellen von Avalanche hatten einen Angriff begonnen. Aber ich hörte und sah nichts davon. Noch immer sah sie aus dem Fenster und blickte auf das schimmernde grün-blau am Himmel. “Ich kann mich kaum an diesen Angriff erinnern...” seufzte er. “Sie waren zu dem Zeitpunkt mit Ihrem Vater in Junon... Deshalb haben Sie es nicht mitbekommen, oder nicht so direkt...” entgegnete sie und lächelte sanft. Er konnte es in der Spiegelung im Fenster sehen. Also, wo war ich... Ah ja, richtig. Ich war also am trainieren, als plötzlich Reno neben mir stand. Sein Gesicht schien besorgt und immer wieder blickte er nervös um sich. So kannte ich den Rothaarigen nicht. “Laney, wir müssen raus... Jetzt...” meinte er zu mir und noch bevor ich antworten konnte, hatte er mich bereits am Arm gepackt und in den Aufzug gezerrt. “Reno, was ist?” ich war verwirrt, wusste nicht was los war. “Die ShinRa wird angegriffen und ich bring dich in Sicherheit...” er hielt sich kurz. “Ich könnte euch helfen...” warf ich ein, aber Reno schüttelte nur seinen Kopf. “Aaron sagte, ich soll dich rausbringen...” So zerrte er weiter an mir. Ich begriff noch immer nicht. Zu spät begriff ich erst was passiert war. Als wir die oberen Etagen erreichten, stockte der Aufzug. Reno entglitt ein “Verdammt” und ich blickte ängstlich um mich. “Was war das...” meine Stimme zitterte unangenehm, als ich ihn fragte. Noch war ich nicht stark genug, um dem ganzen standhaft gegenüber zu treten, so wie Tseng. Reno blickte mich an und lächelte. “Wir kommen schon wieder raus...” mit einem Daumenzeig nach oben, machte er mir wieder Mut. Und daran die Türe zu öffnen. Ich nahm meinen Mut zusammen, kniete nieder und half ihm nach besten Kräften, die Lifttür zu öffnen. “Kommst du raus? Du bist schlanker als ich...” Meine braunen Augen blickten durch den schmalen Spalt nach draußen und schließlich nickte ich, zwängte mich mühevoll durch den engen Spalt nach draußen. Ich fiel hart, aber ließ mir nichts anmerken, versuchte nur Reno auch rauszukriegen. “Versuch einfach mal auf den Knopf zu drücken, vielleicht kriegst du den Lift dazu weiter runterzufahren...” so drückte ich, doch es tat sich nichts. Plötzlich krachte es in der obersten Etage und der Aufzug gab unter einen heftigen Ruck nach. Reno kam nach draußen und nahm mich erneut am Arm und zerrte mich weiter. Wir mussten weg, sie hatten Etagen gesprengt. Und es konnte sich nur mehr um Minuten handeln, bis sie weiter gingen. Ich verspürte ein Gefühl, dass ich bis dahin noch nicht kannte. Das Gefühl um das Leben zu fürchten, um das Leben, dass ich nicht lebte. Um das Leben dass ich nicht fühlte, dass ich nicht hatte. Doch er zerrte weiter an mir, Reno. Er holte mich aus meinen Gedanken, holte mich zurück ins Hier und Jetzt. Zurück in die ShinRa, zurück in den Anschlag. Ich stolperte hinter ihm her, bis ich ihn anrempelte. “Was ist?” mein Blick schweifte an ihm vorbei, vor uns standen Avalanchekämpfer. Vier an der Zahl. Mein Körper versteifte sich und ein zittern schauderte über den Rücken hinweg. Sie waren vor uns, direkt vor uns. Reno hielt schützend seinen Arm vor mich und schob mich nur weiter hinter sich. Er zog seinen Schlagstock hervor, schubste mich schließlich hinter eine Bank und ich duckte mich brav dahinter und wartete geduldig ab. “Ihr wollt also Ärger... Könnt ihr haben...” Dann griff er an. Ein Turk in Aktion, ein wahnsinnig aufregender Anblick. Ich konnte meinen Blick nicht von ihm nehmen und ich fragte mich, ob ich es jemals soweit bringen würde. Die Blonde hielt kurz inne. Ihre Hand glitt das kalte Glas entlang und er konnte ihr Gesicht in der Reflexion der Scheibe sehen. Sie hatte so ein sanftes Lächeln auf den Lippen. Elena dachte an Reno... Wo er wohl war? “Was geschah weiter...” gespannt blickten sie zwei warme blaue Augen an. Rufus nippte an seiner Tasse. “Ich war damals zu jung... Ich verstand die Aufregung meines Vaters noch nicht...” er blickte auf die Blonde, die sanft lächelte. “Sie waren noch viel zu jung... Außerdem waren Sie und Ihr Vater damals in Junon. So bekamen Sie von all dem kaum etwas mit...” So kämpfte Reno also allein gegen vier Kämpfer der Widerstandsbewegung. Er war zwar sehr gut, aber er konnte dennoch nicht alle vier aufhalten. Reno war nicht schwach, auch nicht ungeschickt... Aber es waren vier und er war ganz allein. Außerdem musste er sich immer wieder vergewissern, ob ich doch noch in Deckung war und mich nicht bewegte. Es schien mir eine Ewigkeit, als ich eine sehr vertraute Stimme vernahm. Aaron war dazugestoßen, zusammen mit ihm... Dem Schwarzhaarigen, der der mich nach Hause gebracht hatte. Der mich nicht wie ein kleines störendes Etwas behandelte. Ein Turk, der mir den Umgang mit Schusswaffen beigebracht hatte. “Gut gemacht, Reno!” meinte Tseng und zog seine Waffen. Aaron blickte zu mir, lächelte kurz und machte sich dann auch kampfbereit. Ich war froh, dass sie hier war. Dass sie mich nicht für feige hielt, oder mich als schwach empfand, dass hatte mir ihr Lächeln gesagt. Zusammen kämpften nun drei Turks und ich durfte zusehen. Dennoch war es schwierig, es kamen immer mehr von ihnen. Immer mehr Kämpfer, die sich gegen die ShinRa stellten. Schließlich kamen Tseng, Reno und Aaron mit dem Rücken zu mir stehend, die Waffen auf die Angreifer richtend in meine Richtung. Der Wutainese sprach leise und ich verstand dennoch. “Steh auf!... Bleib hinter mir!... Geh nicht aus meinem Schatten... Keine Angst...” so etwas sagte er zu mir und ich verstand, gehorchte. Ich hielt mich hinter ihm, er schützte mich, während Reno und Aaron die Seiten sicherten. Ich versuchte ruhig zu bleiben, keine Angst zu haben. Mich nicht vor etwas zu fürchten, das irgendwann mein Alltag werden würde. Doch dann bekam ich Angst... Als ich direkt in den Lauf einer Waffe blickte. Mein Körper wurde steif, meine Augen weiteten sich und ich blieb stehen. Tseng musste auf mich prallen. Er fragte nicht, hörte nur das Klicken einer fremden Waffe. Wusste, was ich sah. Spürte, das Beben meines Körpers. Spürte, dass ich Angst hatte. Er drehte sich um, sah direkt in die Augen des Angreifers, der nicht allein war. Wenn ich heute darüber nachdenke, dann bewunder ich ihn noch immer zutiefst für seinen kühlen Kopf. Sanft, aber bestimmt packte er mich am Ärmel, zog mich aus der Schusslinie und stieß mich wieder in den Seitengang aus dem wir gekommen waren. Ich stürzte, verschanzte mich hinter dem Türstock so, dass ich alles im Bild hatte. Schüsse fielen, ein Aufschrei war zu hören und ich ging aus meiner Deckung. Zog und zerrte an ihr... An Aaron. Er hatte sie angeschossen, dieser elende Mistkerl. Doch Reno und Tseng sorgten dafür, dass er nie wieder jemanden etwas tun konnte. Ein gezielter Schuss und ein Körper sackte tot zu Boden. Ich hielt sie im Arm, Tränen kullerten lautlos über meine Wangen. Sie hatten meine Schwester erwischt... Auch wenn ich sie nicht immer gut leiden konnte, dass hatte sie nicht verdient. Sie legte matt ihre Hand auf die Meine und sah mich liebevoll lächelnd an. “Mach mir keine Schande, Laney...” seufzte sie und schloss ihre Augen. “Ich liebe dich... Kleine Schwester...” das waren die letzten Worte in einem letzten Atemzug, bevor sie sanft in meinem Arm entschlief. Stumm kullerten Tränen über die Wangen der starken blonden Turk. Rufus konnte es in der Glasscheibe des Fensters sehen. Es fiel ihr noch immer so schwer daran zu denken und darüber zu sprechen. Er wollte etwas tröstendes sagen, doch sie fuhr fort. Ich fasste es nicht, ich konnte es gar nicht fassen. Diesen Schmerz, den ich damals spürte, den kann ich nicht einmal in Worte fassen. Ich weiß nur mehr, dass Tseng mich am Arm packte und mich von ihr fortzerrte, denn der Angriff war noch lange nicht vorbei. Und dort bleiben konnten wir nicht. Ich konnte mich nicht spüren, so spürte ich auch nicht den festen Griff, den der schwarzhaarige Turk anwandte. Reno trat eine Tür mit einem lauten Krach auf, sodass es mich auch aus meinen tiefen Gedanken riss. Auf der Treppe rasteten wir. Betreten sah ich auf meine schwarzen Lackschuhe und hing in Gedanken an ihren letzten Worten. Plötzlich kam Tseng auf mich zu, reichte mir eine Waffe. Es war die meiner Schwester, meine Augen trafen die Seinen. Und bis heute bin ich mir nicht sicher, ob da nicht ein leichter Anflug von Trauer und Verständnis in diesen Augen zu sehen war. Schweigend nahm ich die Waffe in meine Hände, sah sie an. Tseng blickte zu Reno, der auch betreten auf seine Schuhe starrte und schließlich in einem kurzen emotionalen Ausbruch gegen die Wand schlug. Mir war auch danach, aber ich konnte nicht. Noch hatte ich das alles nicht realisiert. Ich hielt die Waffe unentwegt in meinen Händen. Es war schließlich das einzige was mir von meiner Schwester geblieben war. Ich hatte kaum Zeit dafür, mir ihres Verlustes klar zu werden. Meine Füße, meine Beine trugen mich über unendlich viel scheinende Stufen hinweg. Geschützt von Tseng und Reno, in Gedanken immer noch bei meiner Schwester, stolperte ich die Treppen hinunter, als Glas über uns splitterte und ich wieder in eine Ecke geschubst wurde. Der Angriff war noch lange nicht vorüber und wir hatten es noch lange nicht überstanden. Verstört hockte nun ein kleines blondes Mädchen in der Ecke eines Treppenhauses. Hielt sich verzweifelt die Ohren zu, wollte die Stimmen und die Schüsse nicht mehr hören, wollte einfach nur nach Hause. “Wow wow wow... Jetzt macht doch keinen Scheiß...” Ängstlich hob das Mädchen seinen Blick und sah Reno, der sich stammelnd an eine Wand führen, sich dann dagegen drücken ließ. Tseng hatte auch seine Hände gehoben, angesichts des möglichen weiteren Verlustes eines weiteren Turks. Es war einer, ein einziger Avalanchekämpfer und sie gaben ihm nach. Zuvor waren es mehr als vier gewesen und sie hatten sie besiegt und nun sollte ein einziger Wiederständler. Ein einziger dieser elenden Mörder sie aufhalten? Ich spürte Hitze, die in mir aufkam. Es war Wut, Verzweiflung, Unverständnis. Sie hatten meine Schwester getötet und so sollte jeder Einzelne dafür büßen. Silbern schimmerte der Lauf der schweren Schusswaffe in meinen Händen, als ich ihn anvisierte. Zwar war ich noch immer nicht perfekt, aber ich konnte doch nicht zulassen, dass noch einer von ihnen ihr Leben ließ und ich dabei zusehen musste. Die Kugel durchschlug dessen Brustkorb und sein lebloser Körper sackte zusammen. Blut ergoss sich auf den hellen Boden und meine Augen waren geweitet... Ich hatte einen Menschen umgebracht. Ich war ein Mörder! Ich war einer von ihnen geworden. Laut klackerte die silberne Waffe, als sie mir aus den zitternden Händen fiel. Just in dem Moment wurde ich zu einer Turk, ohne es jemals gewollt zu haben. Kapitel 4: Der Kokon -------------------- = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = Kapitel 3 Der Kokon = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = Der Regen klatschte in die unzähligen Pfützen, aber in diesem Moment spürte es wohl kaum jemand. “Wir nehmen von einer jungen Frau Abschied, die ihr Leben viel zu jung verlor. Aaron Nicole Woodsborough!...” mein Blick war fixiert auf den Sarg vor mir. Geziert mit hunderten von weißen Lilien, die sie so geliebt hatte. Reno hatte mich danach gefragt, welche Blumen sie mochte. Immerhin war sie eine gute Freundin von ihm gewesen. Ich hatte es ihm gerne gesagt. Eine Hand legte sich um die schmalen Schultern eines Kindes, dass soeben Erwachsen geworden war. Ich blickte auf und meinem Vater in die traurigen Augen. Gut, er mochte mich nun, aber nur weil sie weg war und so wollte ich seine Aufmerksamkeit nicht gewinnen. Nicht zu dem Preis... Weitere Tränen flossen und Rufus stand auf, ging auf sie zu, reichte ihr ein Taschentuch. “Schon gut... Du musst nicht weiter erzählen, wenn es so schmerzt...” er schien wirklich besorgt um sie zu sein. Doch Elena schüttelte ihre blonde Mähne. “Es ist okay... Sie wollten doch wissen, wie ich zur Turk wurde und was für ein Leben ich führte und das gehört nun mal dazu...” letzteres kam leicht erstickt. Die einzelnen Tränen wurden stumm aus den Augenwinkeln gewischt. Als ihr Sarg langsam hinabglitt wurde es mir schlagartig klar, ich würde meine Schwester nie wieder sehen und sie würde mich nie wieder zur Weißglut treiben. Nie wieder... Tseng, Reno und die anderen Turks standen etwas abseits, sie wollten schließlich nicht aufdringlich erscheinen. Ich war froh, dass sie auch gekommen waren, dass es für sie nicht nur ein Verlust von vielen war. Das meine Schwester sie wirklich zu Freunden zählen konnte und nicht nur zu den Kollegen. Sie war eben nicht eine von vielen. Sie war eine der Wenigen. Mein Blick war getrübt von Tränen, die unaufhörlich ihren Weg über meine Wangen suchten. Auch wenn wir nicht immer die besten Freunde gewesen waren, ich habe sie genauso geliebt wie sie mich und das wurde mir erst klar, als sie ihr Leben ließ. Ihr Leben ließ, um ein Mädchen wie mich zu beschützen. Mich, ihre Schwester. Ihre kleine Schwester. Sachte drückte Vater mich an seine Seite und ich spürte wie er an mir festhielt. Wie er mich nun brauchte, da seine andere perfektere Tochter nicht mehr da war. Es schmerzte mir zu wissen, dass sie noch immer perfekter war und dennoch verspürte ich mehr Mitleid mit ihm, als Wut oder Verzweiflung. Ich liebte sie doch auch. Schließlich bedeckte dunkle Erde ihren Sarg und die Blumenkränze wurden auf das Grab gelegt. Der Regen hatte noch nicht aufgehört und auch meine Tränen waren noch lange nicht versiegt. Tseng trat an meinen Vater heran und verbeugte sich kurz vor ihm, kein Wort, kein Händeschütteln. Erst viel später erfuhr ich, dass es die wutainesische Art des Beileidwünschens war. Eine stille und dennoch viel sagende Geste. Reno und auch Rude kamen und gaben meinem Vater die Hand. Gaben ihm zu verstehen, dass er immer auf sie zählen könne, wenn er sie brauchte. Verdot war derjenige, der die meiste Zeit mit ihm sprach. Ich konnte nicht hören um was es ging, es interessierte mich auch nicht wirklich. Später an diesem Tag wurde mir eines wieder schlagartig klar. Ich hatte getötet. Einen Menschen, der nur für seine Überzeugung kämpfte und dabei meine Schwester tötete, die für ihre Ziele stand. Eigentlich waren sie alle sinnlos gefallen. Denn keiner hatte diesen Kampf gewonnen. Avalanche hatte die ShinRa nicht aufgehalten und die ShinRa hatte sich kaum bis gar nicht beeindrucken lassen. Wozu also das Ganze? Eine Frage, die mich lange von der ShinRa fernhielt. Ich wollte nicht an dem Ort sein, an dem für meine Schwester alles begonnen hatte. In der Firma in der auch alles ihr Ende fand. Ich verschanzte mich immer mehr in meinem Zimmer, meine Gedanken kreisten immer wieder um die selben Gedanken und doch kam ich nie zu einem vernünftigen Schluss. Ich hielt mich von der ShinRa fern, wollte nichts mehr mit alledem zu tun haben. Wollte damit abschließen, ein ganz normales Mädchen werden. Doch es kam, wie es eben kommen musste. Oder er kam, der kommen musste. Eines Nachmittags kam er zu uns nach Hause und sprach eindringlich mit meinem Vater. Ich wusste, was Verdot wollte. Er wollte mich in seiner Truppe haben, die nicht so perfekte von den Woodsborough Schwestern. “Sie hat Potenzial, Ernest. Sieh es doch ein. Es mag eine gefallen sein, aber die zweite kann mit ihrer Wut und ihrer Entschlossenheit sehr hilfreich für uns sein. ... Außerdem hat mir Tseng von ihren Fortschritten erzählt. Sie war gut... Sie hat Reno gerettet... Sie hat bereits ihren ersten Menschen getötet...” Mein Vater senkte sein Haupt und ich sackte an der Wand hinab. Er hatte ja recht, aber ich wollte nicht so wie sie werden. Ich wollte keine Turk werden. So ging Verdot, unverrichteter Dinge und ich war beruhigt. Cissney kam statt meiner in die Truppe. Die Rothaarige, die nur vom Tod meiner Schwester profitiert hatte. Ich ging weiter zur Schule und ließ mich weiterhin von meinen Schulkameraden ärgern. Meine Hände hatten schon einmal getötet, so hütete ich mich davor meine Hand an etwas oder jemanden zu legen. Zu groß war die Furcht vor unvorhersehbaren Dingen, wie Verdots Tod. Die Nachricht ereilte uns eine Weile nach seinem letzten Besuch. Vater hatte noch gemeint, dass Verdot sehr in Rätseln gesprochen hatte. Dass er um sein Leben fürchtete und dass er den Verdacht habe, einer aus seinen Reihen werde ihn töten. Auch vernahm ich, wer seinen Platz einnehmen sollte. “Tseng! Tseng Saragi! Der Junge hat mein vollstes Vertrauen und er ist ein guter Junge...” Genau das waren seine Worte gewesen. Ich kannte Tseng, er war eine Führungspersönlichkeit und dass würde sich wohl kaum ändern, wenn er in dieser Position stand. Das Telefon schrillte und ich ging ran. Es war die ShinRa, Tseng. Höflich erkundigte er sich nach meinem Befinden und freute sich darüber, dass es mir gut zu gehen schien. Der Tod meiner Schwester war nun schon eine Weile her und ich hatte ihn so ziemlich verkraftet. Dann wollte er meinen Vater sprechen und ich lief hoch in sein Arbeitszimmer. Er nahm den Hörer ab und wies mir an doch bei ihm zu bleiben. In letzter Zeit genoss er mehr und mehr meine Gesellschaft und ich genoss die Seine. Seine Augen veränderten sich, ganz plötzlich und ich spürte, dass irgend etwas nicht in Ordnung war. So ging ich langsam zu ihm hin und fasste seinen Arm. Schließlich legte er den Hörer zurück auf die Gabel und sah mich traurig an. “Was ist denn?” fragte ich eher zögerlich. “Verdot ist tot...” meinte mein Vater nur kühl und ich fasste noch stärker nach seinem Arm. “Er wurde hingerichtet, im ShinRa Hauptgebäude...” Ich nahm meinen Vater in den Arm und versuchte ihn zu trösten, so gut ich konnte. Es musste auch Tseng sehr schwer fallen, darüber zu sprechen, für ihn war Verdot wie ein Vater gewesen. Wieder musste ich auf ein Begräbnis und wieder sah ich sie alle wieder. Doch irgendwie war das Gefühl dieses Mal anders. Dieses Mal war die Trauergemeinde sehr klein. Bloß Tseng, Reno und Rude, Cissney, der Präsident samt Sohn und mein Vater mit mir. Meine Augen hatten den stillen Wutainesen fixiert. Wie er still stand und in seinem Gesicht war keine Regung zu erkennen. Gerade in diesem Moment fragte ich mich, ob alle Turks so wurden über die Jahre, oder ob er eben anders war als die Anderen. So blieb mein Blick auf ihm und er blickte manchmal zurück. Wenn sich unsere Blicke trafen, ließ ich meinen Blick wieder sinken. Noch immer hatte er diese Faszination, die eben von ihm ausging, diese Distanz, die in einem den Wunsch entfachte ihm Nahe zu sein. Diese Kälte, die einen doch zu wärmen schien. Ob ich es nun wahr haben wollte, oder nicht, ich liebte das Gefühl... Irgendwie... Wieder wurde ein einfacher Sarg in die tiefe, dunkle, feuchte Erde übergeben. Wieder fand ein Mensch in die unendlichen Weiten des Lebensstroms zurück. Zurück zu Leviathan, Ifrit, Shiva oder Bahamut. Bahamut, der Beschützer unserer Stadt und doch wusste ich, dass Tseng anders dachte. So wie jeder Landkreis auf Gaija, eine andere Bezeichnung für die Ausgeburten des Lebensstromes fand. Corel glaubte an Odin, den Reiter auf dem Teufelsross; Wutai glaubte an Leviathan, einem gigantischen Seedrachen, aus dessen Schuppen die Wutainesen geboren wurden; und wir in Midgar legten unser Schicksal in die Klauen eines unbeschreiblich großen Drachen namens Bahamut. So glaubte jeder an das Gleiche, nannte es bloß anders. Mein Vater wischte sich sachte die Tränen aus den Augenwinkeln. Verdot war ein guter, sehr guter Freund der Familie gewesen. Und mein Vater hatte immer viel von ihm gehalten. “Hat man diesen Fall jemals aufgeklärt?” wollte Rufus nun an dieser Stelle von der Blonden wissen, die nur ihr blondes Haar schüttelte. “Soweit ich weiß, wurden die Ermittlungen nach einer Weile eingestellt, da sich die möglichen Spuren immer wieder zerstreuten...” Elena setzte sich wieder Rufus gegenüber und lächelte sanft, hob die Tasse und setzte sie sanft an ihre Lippen und nahm einen Schluck. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)