Runenherz von Runenwölfin (Weltenwandler Chroniken Teil 1) ================================================================================ Kapitel 12: Eine neue Ordnung ----------------------------- Die Augen wieder zu öffnen, veränderte Runas Denken für immer. Eine unglaubliche Welt erstreckte sich vor ihr, so etwas hatte sie noch nie gesehen. Sie befand sich auf einer Wiese, dessen Gras so weich war, dass selbst ihr Fell dagegen so kratzig wie ein steiniger Waldboden wirkte. Dazu war es kräftig Grün, jedes Reh wäre das Wasser im Mund zusammengelaufen. Langsam schritt sie weiter und betrachtete die wundersamen Pflanzen und Bäume, die in den verschiedensten Farben daherkamen. Dazu gab es an jeder Ecke die buntesten Blumen, alle quer gemischt und wunderschön. Danach wurde der Blick auf eine Schlucht frei, die alles übertraf was die Gelbe kannte. Wasserfälle mit violettem Wasser fielen in das tiefe Loch und machten die Umgebung zu etwas, was Runa unbeschreiblich nennen würde. Schließlich legte die Wölfin den Vogel, den sie im Maul trug, ganz sanft auf den Boden und betrachtete ihn eine Weile, bis sich dieser wiedererwarten regte. Wie durch ein Wunder riss er plötzlich die Augen auf und flatterte in die Luft, dann setzte er sich auf einen Ast, der zu einem dieser seltsamen Bäume gehörte. Völlig überrumpelt starrte die Gelbe ihn an und wusste nicht, wie sie diese Situation kommentieren sollte. Überlebte er den Tod etwa auf die gleiche Weise, wie sie es schon zweimal getan hatte? „Es ist schön wieder hier zu sein“, gab die Amsel nach einer gewissen Zeit von sich. „Wieder hier zu sein?“ Runa wollte ihren Ohren nicht trauen. „Du kennst diesen Ort?“ „Verständlich, dass du verwirrt bist, aber ich kenne ihn nicht nur, es ist meine Heimat.“ „Komm schon, jetzt werde nicht albern. Du wurdest im Nest über meinem Käfig im Zoo geboren, das hast du selbst erzählt.“ „Ja, wurde ich, aber in Wahrheit gehöre ich hierher. So wie alle Begleiter, wie wir uns selbst nennen.“ Er drehte sich zu der unglaublichen Aussicht um, die diese Umgebung offenbarte. „Avalon musst du als eine Zwischenwelt betrachten. Eine andere Dimension.“ Die Fähe war sich nicht sicher, ob sie überhaupt wusste, was eine Dimension war. Immerhin dachten Wölfe nicht über so etwas nach, aber sie konnte sich ungefähr vorstellen, was ihr Freund meinte und nickte. „Ich bin so etwas wie eine Abspaltung von dir“, fuhr er fort. „Jeder der Avalon betritt, kommt mit dieser Abspaltung in Kontakt. Die meisten haben Vögel als Begleiter, ein paar Ausnahmen auch etwas anderes. Wir sind ein Teil von euch und ihr ein Teil von uns. Nur in dieser Welt existieren beide Seiten getrennt. Wir sind immer da, auch wenn ihr uns nicht seht.“ „Aber…aber…“ Sie schluckte hart und versuchte dann die Worte wieder zu finden, die ihr durch ihre Verwirrung abhanden gekommen waren. „Aber du warst doch bei mir und zwar in meiner Dimension.“ „Magie, Runa. Deine Magie. Auf der Erde gab es diese besondere Macht schon lange nicht mehr in verstärkter Form. Zum Zeitalter der Menschen verschwand sie fast komplett, da diese alles ausrotteten, was damit zu tun haben könnte. Nur wenige wurden mit magischen Fähigkeiten geboren, viele merkten es nicht einmal oder verheimlichten es, weil sie Angst hatten dafür verfolgt zu werden. Selbst die Wölfe waren nicht besser, Magische ereilte das gleiche Schicksal, wie menschlichen Magiern. Da so viele starben, starb mit der Zeit auch die Magie mit ihnen. Doch dann wurdest du geboren. Vielleicht war es nur ein dummer Zufall, aber eine neue Chance für die alte Macht. Selbst die Grenze zu Avalon konntest du überwinden und so brachtest du deinen Begleiter einfach so auf die Erde.“ „Du hast das alles gewusst und mir nie etwas gesagt?“, fragte die Gelbe geschockt. „Nein, ich wusste es nicht. Eine Verbindung zwischen uns bestand, aber ich begriff nicht wieso. Ich musste dir folgen und mich einmischen, obwohl es für eine Amsel völlig absurd war mit einer Wölfin befreundet zu sein.“ Nun tauchte auch das Lichtwesen schlagartig, wie es immer machte, auf und sah zu der jungen Wölfin, die nicht mehr so recht begriff, was hier vorging: „Es ist nun an dir eine neue Ordnung zu bringen. Du hast einen Durchgang nach Avalon geschaffen und so der Magie neue Kraft gegeben. Nun schütze dieses Tor.“ Runas Verstand versuchte das alles irgendwie zu erfassen. „Und wie?“ „Sammele Anhänger um dich, die Avalon beschützen werden. Schaffe eine neue Generation von Magiern.“ Das überforderte die Gelbe, denn sie sah sich nicht als Anführerin eines Rudels. Auch wenn sie selbst schon einmal Alphawölfin gewesen war, hatte sie damals im Grunde nicht viel zu sagen gehabt. Aber sie nahm diese Aufgabe ernst und würde ihr Bestes geben, obwohl sie nicht wirklich wusste, wie sie das angehen sollte. Der Lichtwolf sah fast so aus als würde er lächeln, als er respektvoll den Kopf senkte: „Wir sehen uns wieder, wenn die Zeit gekommen ist.“ Dann begann es sich aufzulösen und ließ eine verdatterte Wölfin zurück, die nicht so recht wusste, wie es jetzt weiterging. Sehnsuchtsvoll sah sie zu Spot, der sein Gefieder putzte. Er wirkte so wie immer, doch sie betrachtete ihn nun mit ganz anderen Augen. „Du wirst nicht mehr bei mir sein, oder?“, meinte sie traurig. „Ich bin immer bei dir, aber Avalon werde ich nun nicht mehr verlassen können. Du kannst jederzeit herkommen, doch denke daran, dass ich ein Teil von dir bin, im Grunde bin ich an jedem Ort, an dem du auch bist.“ „Trotzdem ist es nicht das Gleiche.“ „Nein, vermutlich nicht.“ Mit angelegten Ohren drehte sie sich weg: „Ich werde nun gehen. Bis bald, alter Freund.“ „Bis bald, Runa“, zwitscherte er ihr hinterher. Dieses Mal schritt sie mutiger durch das Tor. Als sie wieder die reale Welt betrat, überkam die gelbe Wölfin plötzlich ein wohliges Gefühl. Es war eine Welle der Vertrautheit und der Zusammengehörigkeit, wie sie es nie in ihrem Leben gespürt hatte und sie wusste nun genau, dass Spot sich wieder an ihrer Seite befand, in ihr, immer ein Teil ihrer Seele. Man konnte es zwar nicht wirklich beschreiben, doch plötzlich fühlte sie, dass sie wieder eins waren und genauso sollte es sein. Langsam nahm alles um sie Gestalt an. Da lag immer noch Yaris, der sich keinen Zentimeter bewegt hatte, anscheinend immer noch durch den Magieschlag gelähmt, was man wohl als nicht ungewöhnlich bezeichnen konnte, immerhin wurde ihm bei dieser Aktion jegliche Magie aus dem Körper gezogen, das bedeutete schon ziemliche Anstrengung. Dann entdeckte die Fähe die vielen anderen Wölfe, die wahrscheinlich die Explosion gehört hatten und herbeigeeilt sein mussten. Es handelte sich um die Rudel von Artos und Yaris, ein Anblick, der das Herz der Gelben höher schlagen ließen. Einst Feinde und jetzt standen sie hier friedlich und gemeinsam und keiner dachte daran dem anderem zu schaden. „Runa?“ Artos stand da und starrte sie mit großen Augen an. „Du…du…?“ „Schon gut, ich war nur in Avalon.“ Das klang ziemlich komisch und genauso sahen die Reaktionen aus, denn alle schienen verwundert über dieses Wort. „Avalon?“ Die Stimme kam der hellen Wölfin bekannt vor und als sie entdeckte, um wen es sich handelte, kam ein breites, wölfisches Grinsen über ihre Lefzen. „Firewind? Bist du es wirklich?“ „Kennst du sonst noch so eine feuerrote Wölfe wie mich?“, kam es neckisch zurück. „Wenn ich so nachdenke, dann eigentlich nicht. Es ist schön dich zu sehen. Du hast dich gut um sie gekümmert, Artos, dass rechne ich dir hoch an.“ Der Rüde räusperte sich verlegen. „Gut gekümmert? Ja, so könnte man es nennen.“ Als Runa verwundert den Kopf schief legte, versuchte er zu erklären: „Nun, wir…sind…“ Firewind fuhr für ihn fort: „Wir sind ein Paar.“ Das war wirklich eine Überraschung und die Gelbe schaffte es nicht zu verbergen, wie überrumpelt sie in diesem Moment war. „Das ist wunderbar. Mit so etwas hätte ich niemals gerechnet. Ihr zwei ein Paar? Davon hatte ich nichts gemerkt.“ Auch die Rote wirkte nun etwas beschämt. „Das alles ist passiert nachdem Sayuri und du das Rudel verlassen haben. Aber wolltest du nicht gerade über Avalon erzählen? Was ist hinter dem Bogen?“ Die Wölfin nickte und setzte sich, dann begann sie ihnen zu berichten, was für eine Welt dahinter lag. Keiner sagte ein Wort, alle lauschten nur ungläubig den Worten des Berichts und erst als von der Gelben nichts mehr kam, ging das Getuschel los. „Was tun wir jetzt?“, kam es von einem der Rüden aus der Menge. „Das ist ganz einfach“, meinte Runa. „Es ist meine Aufgabe dieses Tor zu schützen und die auszubilden, die es beschützen sollen. Es darf nicht in falsche Pfoten fallen, dafür ist es zu mächtig. Es bringt uns Magie und macht die stark, die sie in sich tragen. Ich weiß, dass einige von euch das fürchten, aber Magie ist nichts Schlechtes.“ Seltsam, dass genau diese Worte aus ihrem Mund kamen, obwohl gerade sie es war, die ihre Magie verleugnete und sie ungerne anwendete, doch sie wollte verhindern, dass zukünftige Generationen genauso verfolgt wurden, wie man es heute tat und dafür würde sie diese Fähigkeiten sogar versuchen zu erlernen, selbst ohne das Runenherz, das nun ein Teil des Bogen geworden war. „Wir gründen einen Orden, der sich dazu verpflichtet über das Tor zu Avalon zu wachen. Dieser Orden wird Artos, dem König der Wölfe, dienen und allen seiner Nachfolger. Der König wird sich dazu verpflichten den Frieden aufrecht zu erhalten und seine Nachkommen zu guten und gerechten Herrschern zu erziehen. Die Wölfe von Avalon leben hier im Schloss. Jeder der Magie beherrscht wird aufgenommen und ausgebildet. Das ist mein Schwur.“ Sie verbeugte sich vor Artos. „Mein Blut gehört dir, König aller Alphawölfe.“ „Nun“, er nickte wohlwollend, „wenn das dein Wunsch ist, dann werde ich erfüllen, was du von mir verlangst. Wir beginnen eine neue Ära.“ Er drehte sich zu allen um und rief mit kräftiger Stimme: „Ein Königreich, in dem es nichts als Frieden gibt. In dem niemand verfolgt wird, in dem Magisches angenommen und für das friedliche Miteinander eingesetzt wird. Wir sind dafür verantwortlich, dass es nie wieder Krieg und Leid gibt, dass wir alle ohne Streit leben können. Ein neues Zeitalter beginnt. Hier und jetzt!“ Alle heulten zustimmen auf. Es begann sich ein Chor von Wolfsstimmen zu erheben. Jeder sang mit. Ein Lied der Zuversicht hallte durchs Schloss und weit darüber hinaus. Ein goldenes Zeitalter begann an diesem Tag, das wussten sie alle und sie waren glücklich darüber. Zu lange hatten sie in dunklen Zeiten gelebt und darunter gelitten. Sie wollten für ihre Welpen etwas an dieser Welt ändern und wenn es nur ein paar Generationen halten würde, wäre es schon ein Gewinn. Runa strahlte sie alle an. Alles hatte sich zum Guten gewendet, doch dann fiel ihr Blick auf den ohnmächtigen Yaris. Man kann nicht jeden retten, dachte sie ein wenig betrübt. Aber ich werde nie vergessen, was für ein Gefühl du mir geschenkt hast, Yaris. Noch immer brannte die Liebe in ihr, aber sie hoffte, dass dieses Feuer irgendwann erlosch. Als alle fertig waren, begaben sie sich nach draußen, auch Runa folgte ihnen und ließ ihren ehemaligen Gefährten einfach liegen. Am nächsten Morgen würde er nicht mehr da sein, das wusste sie und das hielt sie für das Beste. Er hatte nun keinen Platz mehr in ihrem Leben und sie nicht in seinem. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)