Graue See von Hikari-Tenten (Atemberaubend tödlich) ================================================================================ Kapitel 1: Der Plan ------------------- Heya, Leute! Fast einen Monat hat das Kapitel gedauert, aber nun ist es da! ^^ Viel Spaß beim Lesen! LG, Hikari ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Leise knarrten die Planken der ‘White Mokona’ und die zerfetzten Segel wehten sachte im Wind. Einzelne oder zerbrochenen Fässer schaukelten mit den sanften Wellen im Takt. Erschöpft saßen die Männer am Mast oder gegen die Reling gelehnt. Sakura stützte sich, völlig durchnässt und kraftlos von dem Sturm, an das Steuerrad. Neben ihr hockte der Steuermann schwer atmend. Es war eine Knochenarbeit das Ruder bei so einem Orkan ruhig zu halten. Ihr Steuermann und zwei andere mussten mit aller Kraft das Steuerrad gegen die aufgebrachten Wellen halten, damit die ‘White Mokona’ nicht kenterte. Die eingeschränkte Sicht durch den starken Regen hatte ihr das Navigieren erschwert, doch ihre Erleichterung war groß als ihre grünen Iren die Sonnenstrahlen sah, welche sich durch die dicken Wolken kämpften. Freudig seufzte Sakura und ein kleines Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit. Der Orkan war überstanden und die Müdigkeit würde schon bald von der Crew fallen. Das Schiff hatte zwar einiges abbekommen, doch die Schäden hielten sich in Grenzen. Wenn sie an der nächsten Insel vor Anker gehen würden, konnten sie diese beseitigen. Langsam kam wieder Leben in die Crew. Sie liefen auf den Deck herum und schienen den Beschädigungen zu betrachten. „Oh nein! Der schöne Rum ist hin!“, jammerte einer der Männer, der sich neben eine kaputte Kiste mit zersplitterten Flaschen hockte. Ein paar andere stießen Flüche aus oder trauerten dem Alkohol hinterher. Kritisch beäugte Sakura das Spektakel. Sie verstand einfach nicht, was die Männer nur immer mit ihrem Gesöff hatten. Sie selber trank zwar auch, aber deswegen machte man keinen solchen Aufstand! Die Augen verdrehend ließ sie das Ruder los. Etwas wackelig ging sie einige Schritte zur Reling am Heck und chaute zu den dunklen Wolken am Horizont. Durch sie kämpften sich die roten Strahlen der Abendsonne, welche das Wasser in einem sanften Rot schimmern ließ. „Käpten Sakura?“, wurde sie zaghaft angesprochen. Als sie sich umdrehte, blickte sie in das dunkelhäutige Gesicht von John. Sofort erkannte sie die Sorge, die sich in den braunen Augen widerspiegelte. „Gibt es irgendwelche Verluste?“, fragte Sakura direkt und schaute zu den großen Mann auf. John war etwa doppelt so groß wie sie und sein muskelbepackter Körper jagte jedem Respekt ein. Dennoch hatte der Riese ein freundliches Wesen, was ihm ihren Feinden gegenüber nicht ungefährlicher machte. Leicht schüttelte John den kahlen Kopf. „Verluste gab es keine. Einige Fässer mit Wasser und ein Großteil des Rumvorrates sind draufgegangen. Beim Schiff wirkt der Schaden schwerer als er eigentlich ist.“, erklärte er in kurzen Sätzen den Sachverhalt. Trotzdem hatte Sakura das Gefühl, dass ihr der Mann etwas Wichtiges sagen wollte. Mit einer Handbewegung forderte sie ihn auf weiterzureden. Dieser nickte und verkündete seine Unruhe: „Es geht um Käpten Flourite. Er scheint weggetreten.“ In dem Daumen zeigte er über seine breite Schulter zu ihrem Kapitän. Dieser stand immer noch dort, wo er schon am Anfang des Sturmes gestanden hatte und schaute mit leeren Blick in die Ferne. Nun spürte auch sie die Sorgen in sich aufsteigen. Wenn ihr Kapitän ein solches Verhalten zeigte, bedeutete das meistens, dass die Gefahr noch längst nicht überstanden war. „Ich kümmere mich darum. Sorg du bitte dafür, dass die Männer hier Ordnung machen." Wieder nickte der Riese und murmelte ein leises „Aye" als er sich auch schon zu zwei Männer der Crew, welche völlig außer Atem am Mast des Rahsegels lehnten. Unsanft wurden sie am Kragen ihres Hemdes gepackt und hoch gezerrt. „Hey , John! Was soll das?", protestierte einer der beiden und fing an sich kräftig unter den Griff zu winden. „Lass uns wieder runter!", maulte nun der andere, hing jedoch eher wie ein nasser Sack in der Luft. John brummte nur und schleifte sie beide mit sich. „Ich hab den Vize gehört. Ab an die Arbeit.", meinte der Dunkelhäutige knapp. Leicht schmunzelnd beobachtete Sakura die Szene. John war ein Pirat mit Ehrgefühl und wusste, was sich gehörte. Deswegen bewunderte sie ihn auch. Immerhin war der Riese von Anfang an auf diesem Schiff gewesen und sollte nun eigentlich erster Offizier sein, doch ohne zu Zögern hatte er den Titel Sakura überlassen. Hatte ihr sogar seine Loyalität bis in den Tod versprochen. Ihr Kapitän hatte das mit einem Lachen hingenommen und John für seinen Edelmut gelobt. Mit Kopf schüttelnd vertrieb die Braunhaarige die Erinnerungen ihrer Anfangszeit. Sie musste mit ihrem Kapitän sprechen und zwar bevor das nächste Unheil auf sie zukommt. So eilte sie mit einem sorgenvoll ernsthaften Gesicht zu ihrem Kapitän. Tief in Gedanken versunken stand Fye da, die Hand auf die Reling gelegt und den Blick gen Horizont gerichtet. Sein Schiff hatte das Unwetter gut überstanden und seine Crew war nur erschöpft. Dennoch plagte Fye der Gedanke - es war eher eine Vorahnung -, dass ihm schon sehr bald etwas wertvolles genommen wurde. Und auch das Gefühl, etwas wichtiges zurück zu bekommen, ließ ihn nicht los. „Ist alles in Ordnung, Käpten?“, fragte ihn eine ernstwirkende Stimme und er konnte seinen ersten Offizier neben sich ausmachen. Sakura’s Gesicht wirkte starr und ihre grünen Iren schauten forschend herauf. Ihre Haltung war schlaff und ihr waren die Strapazen des Orkanes deutlich anzusehen. Trotzdem machte sich die junge Frau Sorgen um das Schiff und deren Crew. Lächelnd drehte sich Fye zu der Braunhaarigen, doch man konnte das Nachdenkliche in seinem Augen lesen. Er machte sich nicht die Mühe dieses vor seinem ersten Offizier zu verstecken. Sie hatte es eh schon gemerkt. „Mach dir keine Sorgen, Sakura.“, meinte der Blonde und legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. „Aber bitte pass beim nächsten Landgang gut auf.“ Mit diesen Worten schritt er an Sakura vorbei, um sich selber von den Schäden der ‘White Mokona’ zu überzeugen. Die Sonne schien auf sie hinab und am Himmel zogen weiße Wolken vorbei. Das Meer war friedlich und nichts ließ auf das Unwetter von vor einer Stunde schließen. Die Mannschaft der ‘White Mokona’ eilte über das Deck, in den Armen zerstörte Bretter, Flaschen mit Wein und Rum und andere Dinge, welche noch in Takt waren... „Verdammt! Der Hauptmast hat einen gewaltigen Riss!“ ...oder auch nicht. Einige der Männer, darunter ein kleiner, etwas älterer Mann mit gräulichweißem Haar und gleichfarbigen Schnauzbart. Langsam ging er zu der Schar und beobachtete wie der alte Mann den Mast begutachtete. „Der muss erneuert werden, Käpten, sonst kann ich für nichts mehr garantieren.“, meinte der Mann ohne sich zu ihm umzudrehen. Nun schauten auch die anderen zu ihm, hatten sie ihn doch nicht näherkommen hören. Grinsend schaute er auf den Alten. Dieser wusste immer, wenn Fye in seiner Nähe war. Ob er es nun sah oder nicht. „Ich vertrau auf dein Fachwissen, Benjamin, und werde dir dabei nicht im Wege stehen.“, lächelte er und musste sich einen fiesen Kommentar verkneifen. Die Crew wusste, wie Vergesslich der alte Mann war und sagte man ihm nicht, dass er etwas essen sollte, würde er selbst dies vergessen. Schnaubend wandte sich Benjamin zu den Blonden um. Eine leichte Wut loderte in den erfahrenen, braunen Augen. Natürlich hatte er den Wink von Fye verstanden und er wusste über seine Vergessenheit sehr gut Bescheid. „Es bleibt Euch auch nichts anderes übrig, Käpten Flourite. Ihr faules Pack - und damit sind Sie und unser Erster eingeschlossen - hättet das Schiff schon längst Schrottreif gefahren, würde ich nicht aufpassen.“, grummelte Benjamin und ging wütend durch die Menge, an seinen Kapitän vorbei. Fye lächelte nur. Nichts regte sich in den feinen Gesicht des Blonden. Als jedoch Benjamin an ihn vorbei ging ohne ihn eines Blickes zu würdigen, eränderte sich der Ausdruck in den Augen des Kapitäns. „Benjamin!“, hielt er den Schiffszimmermann zurück. Der Blick der blauen Iren war eiskalt und auch wenn sie sein Lächeln auf den Lippen des Piraten nicht verändert hatte, so wirkte es jetzt etwas bedrohlich. Die Männer um ihn herum sogen scharf die Luft ein, ihre Augen waren ängstlich auf das Szenario vor ihnen gerichtet. Niemand von ihnen wusste, wie dieses Gespräch ausging. Als er gerufen wurde, blieb Benjamin stehen und musterte den schmalen Rücken seines Kapitäns. Er konnte das Gesicht nicht sehen, doch die panischen Gesichter der Piraten sagten ihm, dass etwas nicht stimmte. „Was gibt’s, Käpten?“, fragte er in neutralen Ton. Wenn er nun den Zorn des Blonden auf sich gezogen hatte, sollte er ihn nicht noch mehr reizen. Schwungvoll drehte sich der blonde Pirat zu seinem Schiffszimmermann. „Diesmal werde ich deine Frechheit dulden, aber sollte eine weitere Beleidigung über Sakura deinen Mund verlassen, schneide ich dir die Zunge heraus.“, lächelte Fye und seine Stimme klang so kalt, dass dem alten Mann ein eisiger Schauer über den Rücken lief. Stille herrschte zwischen den Männern. Die Zeit schien stehen geblieben zu sein, nur der Wind wehte und die Wellen rauschten. Seine Crew traute sich nicht zu atmen, vor Angst, es könnte der letzte Atemzug sein. Ihr Kapitän war für seine Grausamkeit berühmt, welche er hinter seiner gelassenen Art versteckte. Auch wenn er viele ihrer Feinde am Leben ließ, so hatte er keine Skrupel zu töten. Fye D. Flourite war ein Mann, so Schön und Edel wie manch eine Frau. Doch man sagte, sein Herz war so verdorben, das selbst der Tod sich vor ihm fürchtete. Das Lächeln verschwand nicht von den Lippen des Piraten. Er brauchte unbedingt seine Ruhe, sonst könnte es einen Todesfall am Bord geben. Jeder einzelne wusste, wie sehr Fye es hasste, wenn man über Frauen schlecht sprach oder gar dachte. Immerhin waren sie „reine„ Wesen, die es zu hüten galt. Und Sakura machte da keine Ausnahme! Außerdem war sein weiblicher Offizier sehr zartfühlend und schnell zu verletzen. Doch er konnte seinen Schiffszimmermann nicht töten. Dieser alte Sack hatte einfach zu viel Wert. Selten schloss sich ein erfahrener Handwerker einer Piratenmannschaft an, außer man zwang ihn. Doch Benjamin war im Auftrag der „Piraten-Mutter„ auf die ,White Mokona’ und somit der Hüter des Schiffes. Missmutig stiefelte der Blonde in die Kapitäns-Kajüte, wo er sich hinter dem schön verzierten Schreibtisch aus dunklem Holz setzte. Die Arme darauf abstellend und den Kopf auf einer Hand abstützend seufzte der Kapitän der ,White Mokona’. Gezielt wanderte die freie Hand zu einer der vielen Schubladen,öffneten sie und zogen geschickt eine Weinflasche heraus. Vorsichtig hob er sie an, um die Aufschrift des Etiketts zu lesen. Ah, ein ‘Vin De Constance’. „Eine gute Wahl!“ Leise kicherte Fye als er sich von den gepolsterten Stuhl erhob und aus das leere Weinglas von seinem Nachttisch nahm. Zufrieden schenkte er sich den guten Tropfen ein und stellte die Flasche auf seinen Schreibtisch, neben den Aufzeichnungen der heutigen riegsbesprechung. Desinteressiert flogen die blauen Iren über das Papier, während er sachte an dem Wein nippte. So, so. Es ging also um eine Kaperung von einem königlichen Handelschiff. Ein ziemlich gewagtes Unterfangen. Wenn man bedachte, wie gut die Adligen heutzutage ihre Schätze hüteten, wäre es sicher eine gute Ausbeute. Doch die Wachen wären erfahrener als der Grünspan, der ihm bis jetzt unter die Augen traten und mindestens doppelt so viele. Vorsichtig stellte Fye das leere Glas zur Seite, um sich die Aufzeichnungen genauer anzusehen. Anerkennend nickte der blonde Pirat. Die Angaben und Zeichnungen waren möglichst genau. Man hatte herausgefunden, wie viele Personen insgesamt auf der ‘Saint Mary’ sein könnten und auch welche Personen nicht zu entbehren waren. Somit beschränkte sich die Zahl der ungefähren Soldaten auf nicht mehr als 15 Personen. Auch wieso und wohin es unterwegs war, stand in lesbaren, leicht krakeligen Lettern da. ‘Das hat sich einer aber Mühe gegeben.’, schmunzelte Fye in Gedanken, während sein Gedächtnis sich jedes Detail einprägte. Die ‘Saint Mary’ gehörte zum Königreich Tysem und sollte Friedensgeschenke in das Königreich Krysemto bringen. Dieses stolze Schiff stand bei vielen Piraten auf der schwarzen Liste, doch bisher gelang es niemanden die Schaluppe einzufangen. Eine Schaluppe war durch ihre vielen Segeln auch bei leichtem Wind recht schnell, da würde die ‘White Mokona’ zwar mithalten, aber nicht einholen können. Man müsste in der Nacht eingreifen, doch dann bewachten die Soldaten das Schiff besonders gut. Doch wenn man warten, bis die ‘Saint Mary’ den sicheren Hafen erreichte und dann zuschlägt, müsste es zu schaffen sein. Mit seiner Entscheidung zufrieden schenkte sich Fye noch etwas Wein ein, als auch schon die Tür aufschwang und eine leicht schnaubende Sakura im Rahmen stand. „Schön dich zu sehen, Sakura. Ich habe mir gerade einen Schlachtplan einfallen lassen.“, lächelte der Kapitän seinem ersten Offizier an und nahm einen Schluck des süßlichen Rotweins. Nach Luft schnappend stand die junge Frau im Rahmen, versuchte verzweifelt ihre Atmung zu beruhigen. Sich davon nicht aus der Ruhe bringen lassen, schaute Fye sie an. „Was hast du, mein Juwel?“, fragte er etwas besorgt, doch machte keine Anstalten aufzustehen. „Käpten... Sie müssen... mitkommen... Schnell!„, keuchte die Braunhaarige und eilte schon wieder aus der Tür. Seufzend erhob sich Fye, stellte in aller Seelenruhe das Glas hin und schlenderte dem Juwel der ,White Mokona’ hinterher. Wütende Schreie hallten über das Achterdeck, auf dem sich in diesem Augenblick die gesammelte Mannschaft befand. In einen Kreis hatten sich die Piraten um die Streitenden gestellt und feuerten sie lauthals an. Als Fye hinter Sakura, welche sich neben John gesellte, auftauchte, erblickte er vier seiner Crewmitglieder, die sich mit Beleidigungen zuwarfen und auch nicht davor zurückschreckten, handgreiflich zu werden. Auf den Boden zwischen den Parteien lag ein Medaillon, unachtsam weggeworfen. Die goldene Kette war gerissen und der Anhänger zeigte eine sehr hübsche Frau mit schwarzem Haar. Ihr Lächeln zeugte von Trauer und auch sonst schien sie auf den Bild keinen gesunden Eindruck zu machen. „Käpten. Was sollen wir tun?“, wandte John sich ihm zu und schaute Fye mit undurchdringlichen Augen an. Lächelnd und mit einem Kopfnicken in die Richtung der Streithähne, gab der Blonde das Zeichen, das er in die Auseinandersetzung eingreifen wollte. Wer wusste schon, was sonst noch passieren würde. Es war seine Pflicht als Kapitän für Ordnung am Bord zu sorgen! Außerdem nagte die Neugier an ihm. Wer war diese Frau und wieso stritten diese Männer? John verstand, um was er ihn leise bat und schon begann der Riese die Meute auseinander zu schieben, wodurch noch lautere Proteste echoten. Als sie ihren Kapitän jedoch bemerken, blieben sie ihnen im Halse stecken. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, lief er durch die Menschentraufe und stellte sich in sicheren Abstand zu den Kontrahenten. Auch diese hatten in ihrem Tun innegehalten und starrten den Blonden an. Augenblicklich kehrte Stille auf der ‘White Mokona’ ein. Niemand traute sich auch nur zu atmen. Was würde ihr Kapitän nun tun? „Dürfte ich erfahren, worum es geht?“, fragte er höfflich und sofort hörte man eine Beschwerde nach der anderen. Die fünf Männer redeten durcheinander und lauter als eigentlich nötig. Kurzum: Er verstand kein Wort! Mit einer Handbewegung brachte Fye sie zum Schweigen. Dann zeigte er auf einen der Männer. Er besass schwarzgelocktes Haar und eine Narbe zog sich seitlich durch seine linke Gesichtshälfte. Die dunklen Augen funkelten ihn erzürnend entgegen. Wie es aussah, schien der Mann nicht sonderlich erfreut, dass er sich einmischte. Dennoch antwortete er schnaubend. „Es ging um das Medaillon, welches Ihr da unten am Boden seht, Käpten. Dieser elende Dieb“ - anklagend zeigte er auf einen der Männer, mit denen er gerade Schimpftriaden ausgetauscht hatte - „hat es aus Henry Kidd’s Schlafstätte entwendet.“ Mit verzerrtem Gesicht drehte sich der Schwarzhaarige zu den Angeklagten um. „Ich hab hier nichts gestohlen, du Dreckskerl! Das ist eine gemeine Lüge!“, schrie dieser los und die Auseinandersetzung schien wieder auszuarten, wäre John nicht dazwischen getreten. Mit verschränkten Armen brummte der Riese und quittierte beide mit einem mahnenden Blick. Diese verstummten augenblicklich und schauten wieder zu den Blonden. Unverändert stand Fye an Ort und Stelle, bedankte sich bei John mit einem Nicken. Langsam bückte sich der Kapitän der ‘White Mokona’ und hob die zerstörte Kette behutsam auf. „Wer ist diese Frau?“, fragte er niemanden bestimmtes. Das Amulett hatte keinen hohen, materiellen Wert, doch für seinen Besitzer durchaus wertvoll. Das erkannte man an der guten Erhaltung. Es wirkte wie neu, obwohl es sicher schon einige Jahre alt war. „Es handelt sich um meine Mutter. Sie war mit dem Grafen von Drimos verheiratet, der sie mit seiner Eifersucht und Wut in den Selbstmord trieb. Sie sprang eine Klippe herunter... ins Meer.“, antwortete ein junger Mann mit hellbraunen Haare, welches hinten zu einem lockeren Zopf zusammengebunden war. Fye schätzte ihn nicht älter als 20 Jahre, vielleicht nur so alt wie Sakura? Sein Gesicht zeigte die Trauer, die hinter diesen Worten steckte. „Wieso hast du nicht gesagt, dass es deines ist, Edward?“, fragte der Mann neben den Jungen und leichte Wut legte sich in die blauen Iren des Jüngeren. „Hab doch geschrien, es ist meins! Hat bei eurem Geplärre bloß niemand gehört!“, brauste Edward auf. Das helle Lachen ihres Kapitäns durchbrach die schmale Kommunikation. „Gut, dann wäre das geklärt.“, meinte Fye, schritt auf den Jungen zu und hielt ihm die Kette hin. Zögernd und mit einem leisen „Danke“ nahm er sie an. „Und nun zu euch!“ Das Lächeln war aus den Zügen des blonden Piraten verschwunden und auch die sonst immer präsente ‘gute Laune’ spürte man nicht mehr, als Fye sich den Kontrahenten zudrehte. „Diebe werden nicht verschont! Ihr wisst, was zu tun ist, Männer.“ Gemächlichen Schrittes trat er wieder zu Sakura und stellte sich neben sie. „Und...“, fügte er hinzu, als er die teils erwartungsvollen und teils ängstlichen Blicke auf seinen Rücken spürte, „Die Unruhstifter werden in den Kerker gesperrt. Auf meinen Schiff gibt es keine Schlägereien oder sonstiges!“ Gespielt genervt seufzte der Blonde und wandte sich seinem ersten Offizier zu. „Lass uns eine Tasse Tee zusammen trinken, meine Liebe. Ich möchte etwas mit dir besprechen.“ Mit bleichen Gesichtern schauten die vier Kontrahenten ihren Kapitänen hinterher. Sie hatten zwar mit einer so einer Reaktion gerechnet, aber das er nun alle bestrafte... „D-Das kann er doch nicht machen!“, protestierte einer von ihnen, „Immerhin haben wir die Diebe erwischt!“ Lachend und grinsend beobachteten die anderen Männer die vier Verurteilten. Diese wurden nur noch schockierter als die restliche Mannschaft einen Schritt auf sie zumachte. Sie waren umzingelt, es gab keinen Fluchtweg. „Und er ist immerhin der Käpten! Und sein Befehl ist Gesetz.“, grinste ein Glatzkopf und packte einen der Unruhestifter an den Armen. Nach und nach griffen die Hände nach den Vieren, die sich schreiend versuchten von der Mannschaft zu befreien. Sich streckend lehnte sich Fye in den gemütlichen Stuhl zurück, der vor seinem Schriebtisch stand. Ihm gegenüber sass Sakura auf einen Schemel und schaute fragend mit ihrem grünen Augen in seine. Lächelnd schob der Blonde die Unterlagen der Kaperung zu ihr. „Es müsste zu schaffen sein, die ‚Saint Mary‘ zu plündern, doch ich möchte deine Meinung wissen.“, durchbrach Fye die Ruhe, welche sie umgab. Nachdenklich und den Blick auf die Unterlagen in ihren Händen gerichtet, nickte Sakura. Gründlich las sie die Informationen durch, um die Situation zu analysieren. Aus Erfahrung wusste die junge Frau, dass diese Unterfangen ein gewisses Maß an Risiko mit sich brachte. „Wir sollten bedenken, dass die ‚Saint Mary‘ ein Schiff zur Unterstützung bei sich hat.Es könnte ebenfalls mit Soldaten ausgestattet sein.“, gab sie zu Bedenken, „Außerdem können die Soldaten die eigentlichen Seemänner ganz leicht ersetzen, sodass ihre Anzahl verdoppeln könnte.“ Lachend nahm Fye die weiße Tasse aus feinen Porzellan. „Daran hab ich gar nicht gedacht, meine Liebe.“, meinte der Kapitän der ‚White Mokona‘ und genehmigte sich einen Schluck des aromatischen Tees. Kurz herrschte wieder Schweigen zwischen ihnen, tief in ihrem Gedächtnis nach einer Lösung graben. Schließlich seufzten beiden synchron gequält auf. „Was haben Sie sich denn gedacht?“, fragte Sakura letztendlich. Vielleicht würden sie eine Lösung finden, wenn die Braunhaarige den Plan ihres Kapitän wüsste. „Nun, ich wollte vorschlagen, die Schaluppe im Zielhafen zu überfallen. Die meisten Soldaten wären am Land und das Schiff nur notdürftig bewacht. Wenn man leise genug war und die Wachen zu Boden schlägt, bevor sie um Hilfe rufen, sollte es klappen.“, erklärte Fye seinem ersten Offizier, welche nickte. „Ein Versuch wäre es wert.“, stimmte sie zu. Grinsend sprang der blonde Mann auf und hob die Weinflasche, die immer noch auf seinem Schreibtisch stand, hoch. „Dann ist es beschlossen! Wir lassen erst die ‚White Mokona‘ reparieren und dann geht es nach Krysemto!“, rief Fye aus und mahn einen großen Schluck des Weines. „Wie können Sie nur nach einem so leckeren Tee auch noch Wein trinken. Ich sag’s Ihnen, morgen ist Ihnen schlecht.“, murrte Sakura und schaute mit leicht verengten Augen zu, wie ihr Kapitän zwei weitere Schlücke nahm und sie ihr dann hinreichte. „Du vergisst, ich bin Pirat! Wenn mich so was aus den Socken haut, kann ich meinen Hut an den Nagel hängen.“, lächelte der Blonde und schaute zu, wie sich auch auf Sakura’s Lippen ein Lächeln bildete und ihm die Flasche abnahm. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)