Graue See von Hikari-Tenten (Atemberaubend tödlich) ================================================================================ Kapitel 2: Uxor Aves; Vir Aves ------------------------------ Leise brachen die Wellen am Rumpf der ‘White Mokona’, die friedlich im seichten Wasser lag. Am Himmel zogen weiße Wolken in die Ferne und der Wind tanzte durch die langen Palmenblätter. Der Sand des Strandes war heiß und wurde von Palmen und Gestrüpp vom restlichen Teil der kleinen Insel abgeschottet. Jubelschreie gingen durch die Reihen seiner Mannschaft als sie schwankend durch den Sand stampften. Zwei Wochen war es her, seit sie ihren letzten Landgang hatten. Und so schön es auch war, auf der See herum zu schippern, beruhigte das Fest doch die Nerven und den Verstand. Mit einem erleichterten Seufzen streckte sich Sakura, die neben ihn stand, und ließ sich kurzerhand nach hinten in den Sand fallen. “Es wurde aber auch langsam Zeit, dass wir wieder an Land gehen.”, meinte sie. Leicht lächelnd schaute Fye den Strand auf und ab. Einige seiner Männer taten es Sakura gleich, lagen nun im Strand und ließen sich die Sonne auf die Haut scheinen. Zu gerne würde er sich dieser Faulenzerei anschließen, aber sie hatten keine Zeit zu verlieren. “Entschuldige, mein Juwel, aber wir haben Arbeit zu erledigen.” Den zweiten Teil des Satzes rief er schon fast, damit es auch der Rest der Männer hörte. Stöhnend und ächzend richteten sich diese auf und schauten ihren Kapitän klagend an. Auch Sakura wirkte nicht sonderliche begeistert, sich aus ihrer gemütlichen Lage zu erheben. Lachend wendete sich Fye zu Benjamin, der einem der Crew mit einem Fußtritt zum Aufstehen verhalf. “Nimm die Hälfte der Männer und besorg Material für die Reparaturen. Einige sollen die Umgebung absuchen.”, meinte er und erhielt ein grummelndes “Aye” von den alten Mann. “Sakura, du suchst dir bitte auch einige der Jungs und versuchst Nahrung und Trinkwasser zu finden.”, befahl er seinem Ersten. “Jawohl, Käpten!”, salutierte die Brünette. “Der Rest hilft mir die ‘White Mokona’ so nah an den Strand zu holen, dass es keine Probleme macht, die Schäden zu beheben. John hält nach Schiffen, Seeungeheuer und dergleichen Ausschau.”, meinte der Blonde noch zu guter Letzt und schon marschierten die Männer - und Sakura - los, um sich widerwillig auf ihre Arbeit zu stürzen. Die Sonne hatte gerade ihren höchsten Stand erreicht, als Fye und sein Team die ‘White Mokona’ in Sand gesetzt hatten. Schweiß lief über die Oberkörper und Arme der Männer und selbst Fye trug nur noch Hemd und Hose. Erschöpft schlurften sie in den Schatten der Palmenwedel. “Die anderen brauchen ziemlich lange, Käpten.”, keuchte einer der Männer, schaute aus müden Augen zu den Blonden. Fye nickte nur. Er war zu matt, um noch etwas zu erwidern. Dennoch rasten seine Gedanken, dass es ihm schon fast Kopfschmerzen bereitete. Er hörte das feine Rauschen der Blätter und Wellen, roch den süßen Duft der wilden Blüten und Früchte, sah das weite Blau des Meeres, welches er so liebte. “Wir warten noch ein bisschen, dann machen wir uns auf die Suche.”, meinte der Kapitän der ‘White Mokona’, während er die Augen schloss. Skeptisch, aber zustimmend brummen lehnten sich die Männer an die Stämme der Palmen oder legten sich in den Sand. Begleitet von den Melodien des Windes und der seichten Brandung schlief die Crew schon bald unter den warmen Berührungen der Sonne ein. Mit erstickenden Schrei wachte Fye wieder auf. Die Abendsonne blendete ihn mit ihrem feurigen Rot, während sie sich immer weiter dem Horizont näherte. Desorientiert schauten sich die blauen Augen um, entdeckten nicht weit von sich seine Mannschaft, die vor sich hin dösten. Langsam erinnerte er sich wieder. Der Sturm, die Insel, die Reparaturen der ‘White Mokona’. Diese steckte fest im knöcheltiefen Wasser. Doch wo war der Rest seiner Mannschaft, welche sich vor längerer Zeit sich den Weg in das innere der Insel gebahnt hatten? All seine Sinne schrieen nach Gefahr. Wieso waren Sakura und auch Benjamins Trupp nicht zurückgekehrt? Aufgeschreckt von dieser Erkenntnis weckte er seine Männer und begann sich auf die Suche. Das dickte Blattwerk der Bäume verschluckte schon bald die letzten Sonnenstrahlen des Tages. Eine unheimliche Dunkelheit breitete sich schon bald im gesamten Wald aus. Finstere Geräusche drangen aus dem Nichts zu den Männern. Das Licht der Fackeln spendete nur wenig Schutz in Anbetracht des Ungewissen. Mit ihren Säbeln bahnten sie sich einen Weg durch Dickicht. Eng anliegend standen die Männer hinter ihrem Kapitän. Die Zeit verging, während Fye und seine Mannschaft durch den Wald irrten. “Käpten? Irgendwas stimmt hier nicht!”, flüsterte einer der Männer. Fye spürte die Angst, die über sie ruhte. Selbst seine Nerven war zum Zerreißen. “Hm.”, stimmte er nachdenklich zu, “Ich frage mich, was Sakura aufgehalten hat.” Seit einigen Stunden hatten sie weder ein Tier noch das Sonnenlicht gesehen. Allgemein wirkte dieser Wald üppiger und riesiger als die bisherigen, die er sah. Je tiefer sie in den Wald eindrangen, desto schneller schlug sein Herz. Die Ungewissheit, die seinen Verstand vergiftete, fraß sich immer tiefer. Aber in diesen Wald hätte nichts hausen können... “Sakura hätte uns gewarnt...”, sprach Fye den Rest seines Gedanken laut und erhielt fragliche Blicke seiner Crew. Ohne darauf zu achten, redete der Blonde weiter: “Vielleicht sind es nur einige Eingeborene, die wir mit unserem Auftreten verschreckt haben. Oder aber es sind wilde Pooka! Die lieben es, Streiche zu spielen...” Noch verwirrter als vorher starrten die Männer ihren Kapitän an. Mit geschlossenen Augen und nachdenklicher Miene kletterte dieser über die immer breiter werdenden Wurzeln hinweg. Doch dann ganz plötzlich blieb Fye stehen und drehte sich freudestrahlend um. “Jetzt weiß ich’s!”, rief er dabei aus. Kurze Stille herrschte, während die verdatterten Blicke ihn nun neugierig musterten: “Es sind überdimensionale Spinnen!” Und auch nach dieser Aussagen hielt die Stille an. Seufzend und Kopfschüttelnd sahen die Piraten in verschiedenen Richtungen. So sehr sie ihren Kapitän auch achteten und fürchteten, in solchen Momenten fragten sie sich wirklich, ob die Gerüchte aus seiner Vergangenheit stimmten. Fye beobachtete belustig, wie der Zweifel der Männer an ihm anwuchs. Aber spätesten beim nächsten Unglück würden sie alle wieder zu ihm gerannt kommen. Es war seine liebste Aufgabe, den Zwiespalt zu schüren und ihn dann wieder zu zerschlagen. So konnte er seine Männer besser kontrollieren und einer Meuterei aus den Weg gehen. “Käpten!” Dieser Ausruf von der gehetzten und verängstigten Stimmer seines Juwels ließ ihn sich umdrehen. Sein erster Maat rannte - gut verschnürt - auf sie zu. “Hach, meine Augenweide! Wie schön, dass du zu uns zurück gefunden hast.” Doch als seine Augen sie erfassten, erkannte er sie. Nicht weit hinter seinem ersten Maat huschten sie entlang - sieben an der Zahl. Ihre schwarzen durchscheinende Flügel surren in der Luft und die schwarzen Perlen in ihren Gesicht funkelten Hasserfüllt. Schnell war die Situation klar und mit einem Handwink bedeutete Fye seinen Männern ihre Musketen zu ziehen. “Wartet bis sie nahe genug sind. Ein Fehlschuss könnte jedem von uns das Leben kosten.”, mahnte der blonde Kapitän mit ruhiger Stimme und vernahm das harte Schlucken neben sich, sowie das Zittern der Leiber. Mit Angst in den Augen rannte Sakura so schnell sie konnte. Was waren das für Wesen hinter ihr? Wieso hat sie diese nicht gespürt? Sonst warnte sie ihr Gefühl doch auch immer vor Gefahr! Die Brünette wusste es nicht. Friedlich waren sie durch den Wald gestrichen und auf ihrer Suche einige der Tiere hier erlegt. Doch plötzlich - wie aus dem Nicht - hatten diese Geschöpfe sie angegriffen. Mit ansehen musste sie wie einiger ihrer Männer der Kopf abgesäbelt wurde. Andere wiederum schrieen auf, da sie etwas getroffen hatte. Das Blut färbte schon bald die grünen Blätter und Gräser. Was hatten sie so schreckliches getan, das sie so elendig niedergestreckt wurden? Sie waren Piraten - ja! Doch sie waren doch noch harmlos in Gegensatz zu so vielen anderen. War es wegen den Tieren oder weil sie den Bäumen geschadet hatten? Auf einmal verlor sie den Boden unter den Füßen und fand sich schon bald zwischen den Wurzeln der Bäume und Büsche wieder. Genau auf diesen Moment hatte Fye gewartet. "Feuer!" Damit gingen alle Musketen und Pistolen los, welche die Piraten mit sich trugen. Man hörte die qualvollen Schreie der Kreaturen, als sich die heißen Kugeln ihr Fleisch zerfetzten. Sie fielen erschrocken zu Boden, ihre Kreische wollten die Ohren der Piraten bluten lassen. Einige rappelten sich wieder auf. Die schnabelähnlichen Münder waren aufgerissen und ihre Reißzähne fletschten sich ihnen bedrohlich entgegen. "Feuert noch mal!", rief Fye und es liefen noch einmal ein Dutzend Schüsse. Somit streckten sie auch die Letzten nieder. Schnell lief Fye zu Sakura, ließ sich neben ihr auf die Knie fallen und öffnete die Knoten. Fast genauso schnell war die Braunhaarige auf Wunden begutachtet worden und die Geschehnisse ausgetauscht. "Einige der Männer wurde verschleppt. Das Dorf ist nicht weit von hier.", erklärte Sakura hastig. Ein Nicken des Blonden und alle hatten verstanden - die Rettung ihrer Kameraden stand an. "Was sind das für Wesen?" Zwei seiner Männer hatten sich um die geschundenen Leichnamen versammelt und prüften diese vogelartigen Geschöpfe. Vorsichtig traten nun auch die anderen heran. Sakura versteckte sich etwas hinter den Rücken des Blonden. Respektvoll wanderten die Saphire über die Toten. Ihre komplett schwarzen Augen waren weit aufgerissen, während sich das Blut ihrer Wunden sowie die Federn der Flügel auf den Boden ausbreitete. Ihre Körper waren die von Frauen, welche mit einer leichten Federschicht bezogen war. Ihre Gesichter - vor Entsetzen und Schrecken verzerrt - wirkten so schön, fast schon perfekt. "Man nennt sie Uxor aves. Die Männlichen Vir aves.", begann Fye zu erzählen. Sofort hatte er die gesamte Aufmerksamkeit. "Laut Legende wurden diese armen Kreaturen aus Neid von den Weisen der Urzeit - unheimliche, alte Magier - in das, was sie jetzt sind, verwandelt. Seitdem hegen sie einen Gräuel gegen jeden und alles." "Deswegen konnte ich auch nichts spüren...", hörte er Sakura hinter sich flüstern. Er nickte. Die Uxor aves waren zwar von aggressiver Natur, aber keinesfalls bösartig. Ihre Verwirrtheit und das Unverständnis hatten sie zu das gemacht. Nachdenklich schaute der Blonde auf die Leichen, dessen Leben er ausgelöscht hatte. Sie hätten nicht sterben müssen. Seit jeher lebten die Uxor aves und Vir aves in Pein, abgesondert von der restlichen Welt, missverstanden und gefürchtet. Plötzlich preschten alle Geräusche und Gerüche des Waldes auf seine Sinne ein. Er musste die Augen schließen, da das schwache Licht, welches herrschte, ihn Kopfschmerzen bereitete. Irgendetwas stimmte hier nicht. Doch was war es? "Lasst uns erstmal zurück zur 'Mokona' gehen.", sprach nun Sakura, welche die leichte Angespanntheit ihres Kapitäns bemerkt hatte. Die Sonne neigte sich schon dem Horizont entgegen als die Piraten aus dem Dickicht hinaus stolperten und die 'White Mokona' im seichten Wasser auftauchte. Erleichternd seufzte Fye als er Benjamin und seinen Suchtrupp an dem Schiff herum werkeln sah. John stand neben den alten Mann, welcher heftigst mit dem großen Schwarzen zu diskutieren schien, während er den Hammer schwang. Langsam näherte sich der Kapitän seiner Mannschaft, hob im Vorbeigehen seinen Mantel und Hut auf. Sakura und die Männer folgten ihn mit starrem Blick. "Wir haben ein schwerwiegendes Problem, meine Herren!", erlangte der Blonde die Aufmerksamkeit der Arbeiter. Fast augenblicklich ließen alle von ihren Reparaturen ab. Verwunderung lag in ihren Gesichtern. Sich den Hut aufsetzen, sprach Fye weiter: "Ein paar unserer Kameraden wurde von Vogelmenschen gefangen genommen. Vielleicht sind sie noch am Leben." Weiter brauchte er nicht erzählen und die Männer antworteten mit einem schallenden "AYE!". "Waren es Harpyien, Käpten?", fragte John und musste in nächsten Moment Benjamin's Hammer ausweichen. "Was für eine dämliche Frage! Harpyien leben in bergigen Gebieten. Denk nach, bevor du sprichst!", zeterte der alte Mann ungehalten. "Aber Käpten, was ist mit Krysemto?", gab nun einer der Männer zu Bedenken. "Das muss warten.", murmelte er ernst. Langsam ließ er seine eiskalten Iren über die Männer gleiten, "Wir lassen niemanden, der auch nur ansatzweise zu retten ist, zurück! IST DAS KLAR?!" Diese Frage erzürnte ihn. Wie konnten diese vermaledeiten Ratten ihre Kameraden zurücklassen? Es auch nur in Betracht ziehen?! Er hatte doch nicht die Meere bereist und all die Gefahren überstanden, nur um sich eine Mannschaft aus Angsthasen auszuerwählen. Am liebsten hätte er dem Mann die Zunge herausgerissen, doch war dieser Moment höchst ungeeignet dafür. "Dann sollten wir uns spurten.", ergriff nun John das Wort. Fye nickte. Der Riese hatte Recht. Sie mussten sich spurten, sonst konnten sie mehr Gräber schaufeln, als ihnen lieb war. "An die Waffen, Männer. Es wird Zeit.", befahl Fye und das Werkzeug wurde achtlos hingeworfen, worauf Benjamin wieder fluchte. "Habt Ihr schon einen Plan, Käpten?", fragte nun auch Sakura, welche sich alles stillschweigend mit angesehen hatte. Auch hatte sie die Verkrampfung des blondhaarigen Mannes neben ihr bemerkt. Sie vermutet, dass es mit der Frage von diesem - wie hieß er noch - Oswald Craft zu tun hatte. Sie selbst mochte diesen Kerl nicht. Sie hatten ihn vor fünf Vollmonden in ihre Bande aufgenommen und seitdem hatte sie ein eigenartiges Gefühl. Doch hielt sie es für schlauer abzuwarten. "Diese Wesen sind sehr stark und brutal. Es wäre Selbstmord einfach hinein zu stürmen." Vielleicht sollte sie später mal mit Fye reden. "Mach dir keine Sorgen, Sakura. Ich weiß, was ich tue.", antwortete Fye kühl. Er befestigte den Gürtel seines Schwertes, welches er beim heranholen des Schiffes abgelegt hatte, um seine Hüfte. Nur wenige Augenblicke später stand seine Crew vor ihm, zum Angriff bereit. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, drehte er sich um und ging zurück in den Wald, gefolgt von seinen Männern und Sakura an seiner Seite. Versteckt im Dickicht warteten die Piraten auf ihre Gelegenheit. Die Anspannung war zum Greifen nah. Niemand traute sich zu sprechen, zu regen oder gar zu atmen. Fye hockte zusammen mit Sakura hinter einem dicken Baumstamm und beobachteten die Lichtung, zu welcher sie Sakura geführt hatte. Die Sonne war mittlerweile ganz untergegangen und im Wald herrschte absolute Finsternis. Schwach erleuchtete das Licht des Sichelmondes das Stück Grün, welches gut bewacht war. Kugelartige Bauten aus Lehm, Stroh und Stöckern waren einen Meter über den Waldboden an den starken Baumstämmen befestigt. Ein einfaches Loch schien als Ein- und Ausgang zu dienen. Verstreut auf der Lichtung flackerten einzelne Feuer und einige der vogelähnlichen Gestalten hockten davor. Ihre schrillen Schreie, das Klappern der Schnäbel und das Flattern der Flügel übertönten die Geräusche der Bäume und des Windes. Achtsam wanderte der Blick des blonden Piraten über die Lichtung. Es mussten etwa 29 Aves sein. Wie viele in den Häusern kauerten, konnte er nur erahnen. "Wieso leben sie so nah am Boden, obwohl sie wie Vögel sind?", murmelte Sakura ihm zu. "Das liegt daran, dass sie nicht fliegen können. Ihr Körper ist zu schwer und ihre Muskulatur zu schwach. Durch ihre flügelartige Arme können sie nur durch die Luft gleiten, was sie schneller macht.", flüsterte Fye, ließ sein Augenmerk über den Rand des düsteren Waldes. Seine Mannschaft hatte sich gut versteckt. Er selber konnte sie kaum sichten. "Da!" Entsetzt nickte Sakura auf eines der Häuschen. Es lag etwas höher als die anderen, unterschied sich aber sonst nicht. Plötzlich kam Regung in die Aves. Die, welche um das Feuer sassen, standen auf. Ihre ausdruckslosen Pupillen in die gleiche Richtung starrend. Einige Zeit herrschte Stille, dann traten aus dem Nest zwei Vir aves. Sie waren größer und schlanker als die Restlichen. Während die, welche verteilt standen, nur Fetzen von Stoff trugen, waren diese beiden in kostbaren Gewändern gekleidet. Auch ihre schwarzen Augen schweiften umher. Die storchenartigen Beine gingen steif und in kleinen Schritten voran. Einer von ihnen hielt einen seilähnlichen Gegenstand in der Kralle, der in die Dunkelheit des Nestes führte und an dem nun kräftig gezogen wurde. Genau im gleichen Augenblick hörte aus den Haus einen schmerzverzerrten Schrei und nach und nach stolperten die entführten Seeleute heraus. Ihre Hände waren an dem Seil gefesselt, gegen welches sie sich versuchten zu wehren. Gnadenlos wurden sie weitergezogen, sogar über den Boden geschleift, begleitet von den grellen Schreien der Einwohner. "Was haben die vor?" John hatte sich leise hinter Sakura geschlichen und schaute skeptisch auf die Szenerie vor sich. "Das, mein Lieber, nennt sich Ritual und wie es scheint, wollen sie unsere Kameraden opfern.", antwortete Fye und deutete mit einem breiten Lächeln auf das Nest, woraus ein riesiger Uxor aves hinaus trat. Genau wie die storchenähnlichen Gestalten trug sie Kleider aus feinstem Stoff. Ihr Haarschmuck aus Beeren und Ästen ließ sie bedrohlich und respektvoll wirken. Fye's Männer hockten in der Mitte des Platzes, die Augen waren verbunden. Nun trat der riesige Uxor aves heran. Mit erhobenem Haupt schritt sie durch die Reihen ihrer Artgenossen, während diese aufgeregt mit den Schnäbeln klapperten. Als die Riesin die Männer erreichte, fing sie an zu 'tanzen'. Wild, aber grazil riss sie ihre Arme in den Himmel, drehte sich um sich selber, flog einige Meter über den Boden, nur um dann wieder von der einen zur anderen Seite zu tippeln. "Wieso sollten sie Menschen töten? Das ergibt keinen Sinn.", murmelte Sakura, doch sah sie aus dem Augenwinkel wie das Lächeln ihres Kapitän=s breiter wurde. Und da war noch etwas... Ein schwarzer Schatten in den ach so blauen Augen. Nein, er würde jetzt nichts mehr erzählen. Sie hatten keine Zeit für Geschichten aus alten Zeiten. Denn genau in diesem Moment fingen alle Aves an laut auf zu schreien. Kurz sah er etwas im Feuerschein aufblitzen und in der nächsten Sekunde wurde einem seiner gefangenen Männer sauber der Kopf vom Hals geschnitten. Fye hörte wie John scharf die Luft einzog und spürte Sakura, die sich ängstlich an ihn klammerte. Ihr Gesicht versteckte sie in seiner Seite. Er selber konnte nur entsetzt auf das Geschehen vor ihm schauen. Er hatte es gewusst. Er hatte gewusst, dass diese Männer sterben würden, aber dennoch ist es immer wieder ein schockierender Anblick. Der Kopf des Mannes rollte auf den Boden, das Gesicht vor Angst gezeichnet. Er hatte nicht mal die Chance bekommen zu schreien. Sein schlaffer Körper fiel zuckend zu Boden. Das Blut spritzte wie eine Fontäne aus den offenen Arterien. Der Mann daneben wirkte bleich. Aus Angst, so schien es, konnte er keinen Mucks von sich geben. Stolz hob die riesige Uxor Aves den Kopf in die Luft und ließ einen markerschütternden Schrei verlauten. Ihre Artgenossen taten es ihr gleich. Das schien das Zeichen für die storchenartigen Vir aves zu sein, denn nun traten sie hervor und erschlugen ihrerseits zwei weitere Männer. Wieder jubelten die Aves. Entsetzt schauten die Piraten dabei zu wie ihre Kameraden nach und nach enthauptet wurden. Wie gelähmt blickte Fye zu, unfähig sich zu regen oder gar einen Befehl zu erteilen. „Käpten…“, drang die Stimme von John leise in sein Ohr. Sie mussten handeln, und zwar sofort! Doch sein Körper fühlte sich steif. Bilder aus längst vergangener Zeit vernebelten seinen Geist. „Käpten!“ Diesmal war John’s Stimme lauter. Sakura sah – durch Johns Stimme alarmiert – zu ihrem Käpten auf. Das sonst so tiefe Blau seiner Augen starrte durch alles hindurch. Was war nur los? Er hatte ihr doch erzählt, dass er schon weitaus schrecklicheres gesehen hatte. Also, wieso wirkte er nun wie von Medusa verhext? Ein Todesschrei riss sie aus ihren Gedanken. Sie mussten handeln! Und wenn ihr Käpten es nicht konnte, musste sie ran. „John! Gib das Zeichen!“, zischte sie zwischen den Zähnen hindurch und machte sich geistlich auf einen blutigen Kampf bereit. John tat wie ihm geheißen und stieß einen schrillen Pfiff aus, worauf ein zweiter und auch ein dritter ertönten. Danach ging alles schnell. Die Vogelmenschen hielten in ihrer Feier inne und sahen sich lauernd um. Im gleichen Moment schmissen sich die Piraten, welche sich in den Ästen der Bäume versteckt hatten, auf einige der Wesen und schossen ihnen eine Kugel zwischen die Augen oder schlitzten sie mit dem Säbel auf. Wild flatterten die Aves mit ihren flügelähnlichen Armen und kreischten erschrocken auf. Nun griffen auch die Männer in den Büschen ein und töteten alles, was versuchte in den Wald zu fliehen. John hatte sich schützend vor Sakura gestellt und verteidigte sie vor den Angriffen. Das Mädchen hatte ihm befohlen, zusammen mit ihr, ihren Kapitän zu schützen. Es war ein schreckliches Spektakel, was sich vor ihren Augen bot und Sakura wollte am liebsten den Blick abwenden. Wie sehr sie es doch hasste, jemandem das Leben zu nehmen. Das war nicht die Aufgabe eines Menschen, nur Gott durfte darüber entscheiden… Plötzlich ein Schmerzenslaut und sie sah, wie John zur Seite taumelte und dann zu Boden fiel. Die riesige Uxor aves war auf sie zu gekommen und hatte John wohl mit ihrem Dolch attackiert, denn von diesem tropfte frisches Blut. Jetzt stand sie der Riesin selbst gegenüber. Angst quoll in ihr empor und ihre Hände, in der sie ihre Pistole hielt, fingen an zu zittern. Sie hatte doch keine Chance gegen ihren Gegner, doch sie hatte keine Wahl. Sie würde ihren Käpten nicht im Stich lassen, immerhin hatte er ihr so sehr geholfen. Die Uxor aves schritt auf sie zu. „Halt! Wenn du näher kommst, erschieße ich dich!“, schrie Sakura und richtete ihre Waffe auf die Vogelfrau. „Geh zur Seite, unglückliche Kreatur. Dein Leben ist unbedeutend, im Gegensatz zu seinem.“, krächzte eine tiefe Frauenstimme und die Riesin richtete ihr Augenmerk auf den blonden Mann, welcher in den Büschen stand und sich nicht rührte. „Lange ist es her, Mann mit goldenem Haar. Lange warte ich nun schon.“, sprach sie Fye an und tatsächlich schien der Mann aus seiner Starre zu wachen. Wieder ging die Riesin einen Schritt auf ihn zu. „Ich sagte halt! Wehe du kommst noch näher!“, schrie Sakura nochmals eine Warnung. Die schwarzen Augen der Vogelfrau richteten sich auf sie und plötzlich konnte sie sich nicht mehr bewegen. Egal, welchen Befehl sie ihrem Körper gab, einzig ein Zucken rührte davon. „Du störst, Mädchen.“, knurrte ihr Gegner und schritt an ihr vorbei. Verzweifelt versuchte sie sich zu bewegen. Sie wollte doch ihren Käpten beschützen! Wieso konnte sie es nicht und war immer diejenige, welche man schützen musste? Ein leises, dunkles Lachen ließ sie erschaudern. Nun stoppte auch die Vogelfrau und durchbohrte mit ihrem Blick den kleineren Mann. „Jetzt verstehe ich. Du hast mich mit einem Lähmungszauber belegt, wie nun auch meinen Ersten…“, murmelte Fye und blickte nun lächelnd auf. „Du hast Recht. Es ist lange her, Granzadir, und wie ich sehe hast du dich nicht verändert.“ Schweigen… Keiner der beiden bewegte sich, während der Blick der Uxor aves vor Hass und Zorn rot aufleuchteten. Doch Fye beeindruckte das nicht. Immer noch stand er da und sah zu, wie sich das Wesen vor ihm aufbaute. „Du verwunschene Seele! Du, der zerfressen bist von Pein und Einsamkeit. Der sich gegen seine eigene Zunft gestellt und seinesgleichen verriet!“ Immer noch bewegungslos, lauschte Sakura dem Gespräch. Fye kannte diese Frau?! Aber wenn er sie kannte, wieso unternahm er nichts?! Aus irgendeinem Grund ahnte der erste Maat, dass sie schon bald Antworten bekommen würde. „Das stimmt nicht ganz, Granzadir. Und das weißt du.“, sagte Fye und seine Stimme klang belegt. Verdammt! Hatte er nicht geschworen, dieses Kapitel seines Lebens den Rücken zuzukehren! Kurz senkte er seinen Blick. Er musste jetzt handeln, sonst würden sie alle sterben… „Lass meine Kameraden am Leben und wir ziehen weiter.“ Die blauen Iren sahen in die Pechschwarzen seines Gegners. Nur zu deutlich konnte er den Hass spüren. Der schlanke, doch recht weibliche Körper zitterte und die Klinge lechzte nach seinem Blut. „Ich werde deiner verfluchten Seele die Erlösung bringen.“, murrte Granzadir und schon schoss die scharfe Klinge nach vorne. „Käpten!“, kam es entsetzt von Sakura. Sie hörte das Zerschneiden der Luft und wie der Dolch auf etwas stieß. Doch was war das für ein Geräusch? Es hörte sich klangvoll an. Ganz leise und doch so intensiv, dass es in den Ohren wehtat. Plötzlich spürte sie einen kühlen Lufthauch, welcher sie wie eine Hülle umgab. Und nicht nur sie, sondern die gesamte Lichtung schien in ein eiskaltes Blau getaucht. Was war geschehen? Was ist hier eigentlich los? In ihrer Verwirrung bemerkte Sakura nicht, wie sich ihre Starre löste. Immer mehr Hass sammelte sich in diesen schwarzen Iren von Granzadir. Fye wusste, dass dieser Hass grenzenlos war. Er hatte das Herz in tiefes Schwarz getaucht. Kein Erbarmen, keine Menschlichkeit, kein Entkommen. Und das schlimmste von allem, es war berechtig. Dass dieser Hass und dieser Blutrausch, welcher ihm galt, vollkommen das Recht dieser Wesen war. „Du hast deine Kunst nicht verlernt. Du bist immer noch mächtig.“, knurrte Granzadir und Fye musste lächeln als er den leichten Anflug von Respekt in ihrer Stimme hörte. Ohne sein Zutun hatte er die Hand gehoben und Mithilfe eines Schutzbannes die Klinge abgefangen. „Verzeih mir, aber ich kann nicht zulassen, dass euer Hass meine Leute tötet.“ Mit diesen Worten breitete sich der Bann über das Geschehen, hüllte die Piraten ein und schützte sie vor den Vogelmenschen. Nein, auch wenn er selber hier und jetzt sterben würde, diese Männer hatten nichts damit zu tun. Zudem war er ihr Kapitän! Es war seine Pflicht, sie vor Unheil zu bewahren. „Sakura!“, schrie er seinen ersten Maat entgegen und sah, wie sie vor Schreck sich zu ihm umdrehte. Ihr Gesicht war blass und ihre schönen, grünen Augen zeigten Angst. Wie selbstverständlich lächelte er ihr zu. „Nimm die Männer und geht zurück zum Schiff. Ich werde nachkommen.“ „A-Aber…“ setzte Sakura an. Sie merkte, wie auf einmal ihre Beine anfingen zu zittern. „Kein Aber! Das ist ein Befehl!“, kam es zurück und sie blickte für einen Moment in das leicht wütenden Gesicht ihres Kapitäns, bevor sie nickte. Sie drehte sich zurück zum Geschehen und setzte sich mit schnellem Schritt darauf zu. Als sie John erreicht hatte, nahm sie seine große Pranke und zog ihn mit sich. „Wir müssen hier weg. Alle!“, sagte sie ihn. „Und der Käpten?“, fragte John leicht zweifelnd. „Jede Weigerung ist Meuterei!“, meinte sie nur und biss sich auf die Unterlippe. Kurzes Schweigen trat ein und dann hörte sie nur ein „Aye, Käpten.“ Am liebsten würde sie ihn schlagen. In aller Ruhe sah Fye zu wie seine Männer von Sakura eingesammelt wurde und alle, wenn auch etwas widermutig, die Lichtung verließen. Sie waren nun in Sicherheit. Durch den Schutzbann waren die Aves bewegungsunfähig und konnte sie so nicht verfolgen. „Deine Mannschaft wird büßen, viele von uns getötet zu haben.“, knurrte Granzadir, der Griff um den Dolch festigen. „Das werde ich aber nicht zulassen.“, lächelte er. Seine Stimme klang neckisch, „Euch traf damals am wenigsten Schuld und ich weiß, dass mein Tod euer Erlös wäre. Doch…“ Unwirsch wurde er von Granzadir unterbrochen: „Dann stirb doch.“ Lächelnd schwieg der blonde Mann. Normalerweise würde ihn nichts davon abhalten, sein Leben zu lassen. Aber noch nicht heute. „Es tut mir leid, aber ich bin an ein Versprechen gebunden, dass mich an dieses Leben fesselt.“, sagte er und sein verzweifeltes Lachen klang über die Lichtung. Plötzlich fing die Luft an zu vibrieren. Hastig rannten die Piraten durch das Dickicht. Niemand von ihnen schaute hinter sich. Aus Angst, dass die Gegner sie verfolgten. „Sakura! Was ist mit dem Käpten?!“, keuchte einer von ihnen, doch erhielt er keine Antwort. Sie hatte andere Sorgen, als irgendwelche Fragen zu beantworten. Immer noch drehten ihre Gedanken um das Gespräch, welches Fye und die Uxor Aves geführt hatten. Woher kannten sie sich? Wieso wollten sie Fye tot sehen? Was zur Hölle war hier los?! Gefangen in ihren wirren Gedanken bemerkte sie nicht, wie sie an den Strand gelangen. „Hm?“ Benjamin sah von seiner Arbeit auf. War da nicht gerade etwas? Scharf durchquerte sein Blick das Buschwerk, welches undurchdringlich schien. Er wollte es nicht eingestehen, doch er sorgte sich um seine Kameraden. Die Sonne streifte schon den Horizont und immer noch gab es kein Lebenszeichen. Nicht von seinem Kapitän, noch von den anderen Männern. „Hab mich wohl geirrt.“, meinte er dann, als er nach einigen Minuten nichts erkannte. Mit gezielten Hammerschlägen schoss er den letzten Nagel in den neuen Mast. Das Schiff war auslaufbereit. Die ‚White Mokona‘ war ein prächtiges Schiff. Ein Schoner mit zwei Masten an denen weiße Segel flatterten. Das Holz war in weiß lackiert und mit goldenen Verzierungen versehen. Drei Kanonenlucken besetzte jede Seite. Ihr spitzer Bug war dafür geschaffen das Wasser zu zerschneiden. Am außergewöhnlichsten jedoch war die Galionsfigur - ein riesiger großer Edelstein. Aber wenn Benjamin so nachdachte, das gesamte Schiff war außergewöhnlich. Ab und zu kam es ihm sogar vor, dass es nach seinen eigenen Willen fungierte. Doch das sollte nicht sein Problem sein. Für ihn war dieses Schiff seine Liebe, welche er zur See und ihrer Fahrt führte. Ja, es war seine Pflicht, dass dieses Schiff, welches von dem größten Piraten aller Piraten seinem grunschnabeligen Kapitän anvertraut wurde, noch in 100 Jahren die See durchstreift. „Benjamin!“, hörte er eine weibliche Stimme und im gleichen Moment wurde er von einer gewaltigen Druckwelle umgeworfen. „Was zum-“ Schnell rappelte sich der alte Mann wieder auf und sah wie seine Kameraden auf das Schiff zu rannten. Irgendwas war hier doch faul. Und wo zum Geier war ihr Kapitän?! Wieder spürte er wie eine Druckwelle das Schiff von der Sandbank aufs Meer drückte. ‚Als wollte jemand, dass wir nicht hier sind.‘, dachte Benjamin und schaute sich um. Alle, die mit ihm auf dem Schiff geblieben waren, hockten sich auf den Boden oder hielten sich irgendwo fest. Und die anderen? Sein Blick schweifte über die Reling hinüber. Diese lagen im Sand, wurden von der Kraft der Druckwelle umgeworfen. Wenn sie sich nicht beeilten, würden sie das Schiff nicht mehr erreichen, bevor es in See war. „Los, macht schon! Sonst ist es zu spät!“, rief er ihnen zu, während er sich zwei Burschen schnappte und ihnen anwies, den Anker im Sand zu versenken. Sakura atmete schwer. Selten war sie so schnell gelaufen, doch auch der Sand erschwerte es sehr. Mit letzter Kraft rappelte sie sich auf, sank jedoch wieder auf die Knie. Sie konnte einfach nicht mehr. Sie hatte einfach keine Übung, denn selten nahm Fye sie mit ins Gefecht, schonte sie, wo er nur konnte. Und nun schaffte sie es nicht einmal aufzustehen und auf das Schiff zu gelangen? Sakura fühlte sich erbärmlich. Was war sie nur für ein Erster Maat? Sie konnte ja nicht mal richtig kämpfen… Plötzlich wurde sie hochgehoben und über eine muskulöse Schulter gelegt. „Was..?“ Erschrocken blickte sie auf John’s Hinterkopf. „Wir müssen auf’s Schiff, sonst wird der Kaptän sauer.“, meinte dieser nur und rannte mit Sakura und gefolgt von den anderen weiter. Ein Ohrenbetäubendes Krachen ließ sie zusammen zucken und Sakura’s grünen Augen blickten in das Dunkel des Waldes. Dann merkte sie einen Ruck und entsetzt schaute sie auf John hinab. Ohne ein Wort der Warnung hatte er sie einfach hoch in die Luft geschmissen. Das nächste, was sie merkte, war ein weicher Untergrund und ein leichtes aufheulen. „Ja, was…“ Weiter kam Benjamin nicht, denn schon musste er Sakura, die von John einfach mal hochgeworfen wurde, auffangen. Durch die Wucht wurde er umgeworfen. Doch bevor beide das realisieren konnten, wurde sie schon von John, der in der Zwischenzeit auf die ‚Mokona‘ geklettert war, geschnappt. „Alle unter Deck, SOFORT!“, rief der schwarze Riese und setzte Sakura in der Kapitänskajüte ab. „Kleine, du bleibst hier.“, meine Benjamin, „Und egal, was du hörst oder siehst: DU SETZT KEINEN FUSS NACH DRAUSSEN!“ Damit wurde die Tür geschlossen und – wie sie meinte zu hören – verschlossen. Dann ging auch schon ein Ruck durch das gesamte Schiff. Sie hörte Männer schreien, das Knarren der Planken. Immer noch entsetzt und verwirrt sass Sakura nun auf dem Boden und wusste nicht, was los war. Das alles überforderte sie. Langsam liefen ihre heißen Tränen über die blasen Wangen… „…“ Leise Stimmen drangen an ihr Ohr. Als Sakura die Augen aufschlug, fand sie sich in der Koje des Kapitäns wieder. Erschrocken schnellte sie hoch und sah sich um. Durch die Fenster am Buck des Schiffes verstrahlte der Mond sein kühles Licht und erleuchtete zusammen mit einer einzelnen Kerze, die auf dem Schreibtisch stand, den Raum. Langsam wurde sie wacher und versuchte sich zu erinnern. Sie haben ihre Kameraden retten wollen und wurden daraufhin von Vogelähnlichen Wesen angegriffen. Es kam zum Kampf, ja und Fye wurde angegriffen. Dann sind sie – ohne ihn – zum Schiff zurück gelaufen und John und Ben hatten sie hier eingesperrt… Sie musste eingeschlafen sein, doch warum lag sie dann in der Koje und nicht auf dem Boden? Was war mit dem Kapitän? Der Käpt’n! Eilig stand sie auf und rannte zur Tür. Als Sakura diese aufriss – war sie etwa doch nicht abgeschlossen? – traf sie der nächste Schock. Das gerade erst reparierte Schiff war verwüstet. Die Fässer, welche noch heile waren, rollten über das Deck. Die Segel hingen in Fetzen von den Befestigungen. Selbst Jolly Roger, der Stolz aller Piraten, hatte schon bessere Zeiten gesehen. Die Mannschaft lief fluchend und maulend umher. Doch nirgends konnte die Brünette ihren Kapitän, John oder Benjamin sehen, weswegen sie ein vorbeilaufendes Mitglied festhielt. „Wo ist Fye?“ Das noch recht junge Gesicht des Mannes wirkte müde. Stumm zeigte er in Richtung der Luke, welche nach unten in den Bauch des Schiffes führte. Sofort stürmte sie los, rannte die steile Treppe hinunter, stolperte auf den letzten über ihre eigenen Füße und legte sich erst einmal der Länge nach hin. „Hey, Sakura. Bist du in Ordnung?“ Eilig waren einige der Männer, welche hier unten für Ordnung sorgten, herangeeilt halfen dem Mädchen auf. Eine Hand auf das leicht eingedellte Gesicht haltend und Tränen in den Augen, nickte sie. „Na, na, na, mein kleines Juwel. Du weißt doch, dass man die Treppe nicht hinunter rennen sollte.“, lachte eine Stimme und Sakura erkannte sie. Niemand außer ihr Käpt’n würde sie hier jemals ‚Juwel‘ nennen. Und als sie ihren Kopf zur Seite drehte, erkannte sie ihn. Breit grinsend mit einem Verband um den Kopf und verbundenen Händen. Doch er lebte. Und dann fand Sakura Kinomoto ihre Stimme wieder: „Fye D. Flourite, du bist der schlimmste und schlechteste Kapitän der Welt!“ Tränen liefen ihr übers Gesicht und am liebste würde sie ihm eine Schlagen, doch sie konnte nichts anderes als auf diesen Boden zu hocken und weinen. Ihr war alles egal. Sie wollte nicht einmal wissen, was genau passiert war, nachdem sie gegangen sind. Sie war einfach nur erleichtert. Erleichtert und froh, dass es dem blonden Mann gut ging. Das Grinsen auf Fye’s Gesicht wurde schmaler und liebevoller, als er die junge Dame vor sich sitzen sah, mit Tränennassem Gesicht und einer rötlichen Nase. „Geht wieder an eure Arbeit.“, meinte er leise und die Männer um ihm herum gingen. „Bitte hör auf zu Weinen, Sakura.“, meinte der blonde Mann und hockte sich ebenfalls auf das Holz neben das brünette Mädchen, „Du als mein erster Maat musst dich doch immer Würdevoll und Stolz geben. Eine Stärke ausstrahlen, wenn die Männer verzweifelt sind.“ Sachte legte er einen Arm um ihre zitternden Schultern. „Außerdem gefällst du mir lachend besser.“ Immer noch lächelnd betrachtete er, wie Sakura sich trotzig über die Augen wischte und genauso trotzig geradeaus starrte. Oh weia, da war jemand sauer auf ihm. „Ne, Sakura-chan! Was hältst du davon, wenn wir heute Abend feiern.“, sprach er sie noch einmal, nun etwas alberner, an. Daraufhin sah diese ihn verwundert an. Er wollte nicht, dass sich Sakura Gedanken machte, was passiert war oder was alles hätte passieren können. Und das sie ihm böse war. Es reichte, dass er wusste, wie knapp es dieses Mal um sie stand. Langsam rappelte er sich auf, darauf bedacht, seine Hände nicht zu sehr zu belasten. „Und dann werden wir unseren Plan in die Tat umsetzen!“ Sakura sah in die blauen Augen des Mannes vor ihr, welche nur schwer im leichten Schein der Laternen zu sehen war. Sie verstand ihn nicht. Sie wollte ihn nicht verstehen, aber ihm vertrauen. Er hatte sie gerettet, sie alle. Und sie wusste, dass, egal was sein würde, er seine Mannschaft immer rettet. Und er würde sein Leben aufs Spiel setzen. ‚Immerhin sind wir Piraten. Ein Piratenleben lauert voller Abenteuer und Gefahren.‘ Ihre verweinten Augen brannten und sie fühlte sich müde, dennoch bildete sich ein zaghaftes Lächeln auf ihr – wie Fye fand – engelsgleichem Gesicht. Genauso zaghaft griff sie nach dem ihr da gebotenen Arm und ließ sich hochziehen. Ja, sie würden feiern. Feiern wie es nur Piraten konnten. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Übersetzung Mann der Vögel = Vir aves (lat.) Frau der Vögel = Uxor aves (lat.) Diese habe ich mir selber ausgedacht. Pooka (oder aber auch Púca) kommen aus der keltischen Mythologie.^^ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Geschafft! In 5 Teilen hochgeladen und nach ewiger Zeit. Aber es ist vollbracht!^^ Ich möchte mich schon mal entschuldigen, solltet Ihr enttäuscht sein. Aber ich finde, ich habe mir Mühe gegeben und ich hoffe einfach, dass Ihr mir verzeiht. LG, Hikari-Tenten Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)