Ein fatales Missverständnis von Gwee (Ostergeschenk für Mike) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- An einem besonders sonnigen Tag saßen Diana und Mikey zusammen auf einer herrlich grünen Wiese und beobachteten die Smettbos, die herumflatterten. Es war wirklich ein schöner Tag und die beiden genossen den Sonnenschein. Die letzten Tage war es erst richtig schön warm geworden. Der Frühling war da – endlich! Die beiden jungen Pokemon hatten es kaum erwarten können. Nun konnten sie wieder wild herumtoben, im Wasser planschen und mussten nicht frieren. Außerdem war der Frühling die Jahreszeit, in der so viel Harmonie herrschte. Und das gefiel den beiden. Doch je weiter sie gingen, fiel Mikey auf, desto missmutiger wurde Diana. Sie hatte zwar immer noch Freude daran mit ihm zu spielen und zu kuscheln, aber von Zeit zu Zeit war es ratsam lieber nicht mit ihr zu reden, da sie sehr launisch werden konnte. Er wusste einfach nicht, woran das lag, und wollte sie aber auch nicht darauf ansprechen. Wer wusste schon, wie sie darauf reagieren würde? Vielleicht würde sie böse auf ihn sein? Das wollte er nicht. Und so schleppte er seine Sorgen allein mit sich herum. „Ich will nicht mehr“, sagte Diana an diesem Tage, während sie sich auf den Rücken fallen ließ und in den Himmel starrte. „Was willst du nicht mehr?“, fragte Mikey vorsichtig und hoffte, dass sie damit nicht meinte, dass sie ihn nicht mehr wollte. Denn er hatte sie zu gern, um sie verlieren zu wollen. Er würde sie niemals hergeben! „Durch die ganze Welt streifen“, antwortete das Teddiursamädchen ihm leise und kicherte leise, als ein Smettbo sich auf ihre Nase verirrt hatte. Doch durch ihr Kichern flog es wieder davon. „Was willst du damit sagen?“ Ein schlechtes Gefühl machte sich in seinem Bauch breit und er konnte nicht anders als Angst zu haben. „Ich möchte nicht mehr weiter. Ich möchte Gesellschaft. Ich möchte nicht auf unser Glück angewiesen sein. Versteh mich nicht falsch, es war toll, aber mittlerweile bin ich dessen überdrüssig geworden.“ Das tat weh. Diana wollte ihn also tatsächlich nicht mehr und sagte das auch noch einfach so daher. Er wollte nicht, dass sie ihn verließ, aber konnte er es verhindern? Würde sie zurück zu ihrer Familie gehen? Dort würde sie wieder das Leben führen, das sie jetzt scheinbar so herbeisehnte. Bis in die Nacht hinein grübelte er darüber nach und beschloss dann, sie ziehen zu lassen, wenn sie das wollte. Tief in der Nacht packte er seine Sachen und machte sich auf den Weg ins Blaue. Er wusste nicht, wo er hingehen würde, aber er wusste, dass es nicht mehr so schön sein würde wie es einstmals mit Diana gewesen war. Vielleicht hatte sie langsam gemerkt, dass er nicht zu ihr passte. Dass sie nicht mit ihm leben konnte. Dass er ihr zu anhänglich war. Dass sie in ihm nicht die Erfüllung all ihrer Träume gefunden hatte – so wie er es in ihr getan hatte. Früh am Morgen wachte Diana auf und rieb sich erst einmal die Augen. Sie hatte einen wunderschönen Traum gehabt, in dem Mikey und sie in einem kleinen Häuschen gelebt hatten und bereits älter waren – und viele kleine Kinder gehabt hatten. Am liebsten wäre sie gar nicht mehr aufgewacht wohlwissend, dass die Realität gänzlich anders aussah. Als sie ihre Augen aufschlug, blickte sie in den wolkenverhangenen blauen Himmel, der bezeugte, dass es noch sehr früh war. Sie rappelte sich auf und blickte sich verwirrt um. Wo war Mikey? Nun, vielleicht wollte er ja Essen besorgen, dachte sie sich munter und packte ihre Sachen zusammen, damit sie nachher weiterziehen konnten, ohne dass sie noch wegen ihr aufgehalten wurden. Als sie damit fertig war, nahm sie ein Bad, indem sie in dem nahen Bach schwimmen ging. Doch selbst als sie damit fertig war, war von Mikey immer noch keine Spur. Alarmiert stellte sie fest, dass nichts von Mikeys Zeug noch da war. Alles war verschwunden…genauso wie er. War ihm etwas passiert? Nein, warum hätte er dann seine Sachen mitgenommen. Aber sie wollte sich nicht eingestehen, dass er sie verlassen hatte. Er war gegangen und sie wusste nicht, warum er das getan hatte. Was hatte sie falsch gemacht? Hatte er sie nicht mehr lieb? Bekümmert nahm sie ihre Tasche an sich und tapste los. Ihr war egal, wohin sie gehen würde. Ihre Gedanken kreisten nur um Mikey und sie bemerkte nicht einmal, dass Tränen ihre Wangen hinab liefen. Warum nur hatte er sie verlassen? Warum hatte er sie allein gelassen? Warum wollte er sie nicht mehr? Warum liebte er sie nicht mehr? Denn es musste so sein. Er liebte sie nicht mehr. Sonst wäre er sicher nicht gegangen. Aber warum hatte er ihr nichts gesagt? „Warum bist du nur so ein verdammter Feigling!?“, schrie sie in die unheimliche Stille hinein, die sie umgab. Heulend ließ sie sich auf ihren Po fallen und weinte unaufhörlich. Sie war zu nichts anderem mehr fähig. Es kam ihr vor als würde sie über Stunden hinweg weinen und wahrscheinlich war es auch so, denn schon bald wurde es dunkel und kalt. Aber auch das war ihr vollkommen egal. Das einzige, was für sie zählte, war, dass Mikey nicht mehr da war. Sie würde ihn nie wieder sehen. Sie hatte ihn verloren und wusste nicht einmal, was sie falsch gemacht hatte. Vom langen Tagesmarsch erschöpft – er hatte so weit wie möglich von Diana wegkommen wollen – erreichte Mikey ein Dorf. Er war froh, dass er nicht ganz allein irgendwo schlafen würde müssen, denn er hasste es allein zu sein. Er hatte das einzige Pokemon verloren, das er jemals wirklich gemocht und geliebt hatte. Aber nun war es zu spät. Und er hatte die richtige Entscheidung getroffen. Nun konnte Diana glücklich werden. Glücklich ohne ihn. Denn er war das Hindernis gewesen. Wie hatte er nur glauben können, dass sie ihn brauchte? Dass sie mit ihm zusammen sein wollte? Er klopfte an eine Tür und war erleichtert, dass eine ältere Pichufrau ihn einließ. War dies ein Pichudorf? War es seins? Schockiert wäre er beinahe wieder weggelaufen, bemerkte aber schnell, dass er die Frau nicht kannte. Erleichtert dankte er ihr und bat sie um einen Schlafplatz. Am nächsten Morgen, als er die Augen aufschlug, war ein anderes Pichu über ihm und blickte ihn neugierig an. Vor Schreck fiel er vom Bett und das andere Pichu fiel mit ihm, da es über ihm gekniet hatte. Nun lag es auf ihm und kicherte. „Guten Morgen“, grüßte es ihn fröhlich und er erkannte, dass es ein Mädchen war. Unverkennbar. Besonders ihr rosa Kleid, das sie trug, ließ keinen Zweifel übrig. Sie stieg von ihm runter und half ihm auf. „Guten Morgen“, erwiderte er vorsichtig und lächelte sie an. „Ich bin Rose“, stellte sie sich fröhlich vor. „Wo kommst du denn her? Du bist nicht von hier.“ „Mein Name ist Mikey und ich komme von sehr weit her. Ich habe mein Heimatdorf verlassen. Ist das hier ein reines Pichudorf?“, fragte er. Sie nickte und zog ihn mit sich. „Mama, sein Name ist Mikey. Darf er bei uns bleiben? Er ist weit weg von zuhause.“ Rose hatte ihn zu seiner Mutter in die Küche geführt, wo der Tisch bereits fürs Frühstück gedeckt war. Wahrscheinlich hatte sie ihn deswegen wecken sollen. Ihre Worte erschreckten ihn jedenfalls, aber er ließ es sich nicht anmerken. Warum sollte er nicht bleiben? Er war jetzt auf sich allein gestellt und Diana brauchte ihn nicht mehr. Wahrscheinlich feierte sie, dass er gegangen war. Beinahe hätte er angefangen zu weinen, aber er riss sich zusammen. Es waren noch weitere Pokemon anwesend. Da konnte er nicht einfach weinen. „Mikey, möchtest du denn hier bleiben?“, fragte die Frau höflich und lächelte ihn sanft an. „Wir würden dich natürlich herzlich willkommen heißen. Jedes Pichu ist hier gern gesehen. Er dachte wieder an Diana. Er würde sie wohl wirklich nie wieder sehen, wenn er hier blieb, aber sie wollte ihn ja ohnehin nicht mehr. Sie war jetzt besser dran ohne ihn und sie würde wahrscheinlich nicht einmal vermissen. Und er würde sie nicht anbetteln bei ihr bleiben zu dürfen. Sie war sicherlich ohnehin bereits über alle Berge. Er würde sie niemals finden. „Sehr gerne“, antwortete er also und Rose fiel ihm um den Hals. Er fand es seltsam, dass sie ihn sofort in ihr Herz geschlossen zu haben schien, aber wenigstens hatte er damit eine Freundin gefunden. Er konnte also sogar ohne Diana leben. Als Diana aufwachte, glaubte sie noch zu träumen. Sie erkannte genau die Hütte, die sie in ihren Träumen immer gesehen hatte. Wie seltsam. Verwundert ging sie darauf zu und machte die Tür auf. Die Hütte war verlassen, aber Holzmöbel standen noch überall. Ihr Traum davon sesshaft zu werden, merkte sie nun, war ihr aber bereits vergangen. Sie würde völlig allein leben. Das wollte sie nicht. Der Gedanke machte Diana Angst und sie fing wieder an zu weinen. Was sollte sie bloß tun? Sie wollte nicht für immer allein sein und alleine sterben. Davor grauste ihr so sehr. Sie wollte glücklich sein, sie wollte Mikey zurück. Sie wollte nicht glauben, dass sie ihn nie wieder sehen würde. Er war doch ihr Freund. Zumindest war er es gewesen. Warum wollte er es nicht mehr sein? Vielleicht hätte sie ihre Familie niemals verlassen sollen. Dann würde sie zwar immer noch gemobbt und schlecht behandelt werden, aber sie hatte wenigstens jemanden – und ihr Herz war nicht gebrochen. Aber nun war es das. Sie war ganz allein und würde nie wieder glücklich sein. Nie wieder. Das Gefühl der Hoffnungslosigkeit bohrte sich tief in sie hinein und raubte ihr alles Glück, das sie je empfunden hatte und das sie nie wieder empfinden würde. Alles Glück war ihr entronnen. Wenn Mikey sie nicht mehr wollte, würde sie niemandem mehr zur Last fallen. Sie würde hier leben. Ganz allein. Dann konnte sie niemanden stören. Keiner ihrer Träume würde in Erfüllung gehen. Sie würde niemals eine eigene Familie haben. Sie würde niemals mehr Spaß haben. Mikey würde nie mehr da sein. Es tat so schrecklich weh. Der Schmerz fraß sie auf. Aber sie wusste, dass sie nun erwachsen geworden war. Sie hatte dazu gelernt. Richtige Freundschaft gab es nicht. Irgendwann hörte sie auf. So suchte sie sich Blätter und Essen zusammen und machte sich ein gemütliches Bett und setzte sich an den schönen Tisch, um ein wenig zu sich zu nehmen. Aber sie hatte keinen Appetit. Und das ging tagelang so weiter. Sie konnte einfach nichts essen. Natürlich trank sie Wasser, aber zu mehr war sie nicht fähig. Zum Glück gab es in der Nähe auch einen Bach, in dem man sich waschen und Trinken holen konnte. Doch das war kein Trost für sie. Denn mit jedem Tag wuchs der Wunsch nicht mehr leben zu müssen. Sie konnte nicht mehr. Sie wollte nicht mehr. Sie hasste die Einsamkeit. Aber wenigstens war Mikey jetzt bestimmt glücklich. Mikey fühlte sich bei den anderen Pichus wohl. Es war schön unter seinesgleichen zu leben, aber er wünschte sich immer wieder, dass Diana bei ihm sein und sein Glück teilen könnte. Rose und er waren sehr gute Freunde geworden und auch mit den anderen Pichukindern verstand er sich sehr gut. Doch Diana fehlte ihm eindeutig. Er hatte zwar neue Freunde, aber das war etwas ganz anderes. Sie konnten seine Diana nicht ersetzen. Dieses Wissen war nicht schön, aber er konnte sich nicht einreden, dass er sie vergessen könnte. Irgendwann vielleicht, aber jetzt war es noch viel zu früh dafür. „Komm, lass uns spielen gehen“, rief Rose und zerrte ihn wie jeden Morgen aus seinem Bett. Das Frühstück ließen sie ausfallen – er hatte ohnehin kaum Appetit und würgte das Essen Rose‘ Mutter zu liebe immer nur in sich hinein – und machten sich sofort auf den Weg zum Spielplatz. Es war noch niemand da und so waren die beiden ganz allein. Sie spielten einige Zeit stillschweigend. Doch dann fasste sich Rose ein Herz und setzte sich neben Mikey auf eine Bank. „Ich wollte mit dir reden.“ „Was gibt es denn?“, fragte er und lächelte sie an. „Wir kennen uns ja jetzt schon etwas länger und ich mag dich wirklich sehr. Und ich wollte dich fragen, ob du mein Freund sein willst?“ Sie sah ihn unsicher an. „Wir sind doch Freunde“, platzte Mikey unsensibel heraus. „Mein fester Freund“, flüsterte Rose leise. Mikey blickte sie ausdruckslos an. Er mochte Rose sehr. Was würde Diana dazu sagen? Würde sie das gutheißen? Rose war nett. Sie war nicht Diana, aber sie war wirklich nett und er mochte sie. Sie kümmerte sich immer so liebenswürdig um ihn. Sicher wollte Diana doch, dass er glücklich wurde? Sicher wollte sie, dass er zu ihr „Ja!“ sagen würde? Voller Zuversicht über den Gedanken an Diana sagte er: „Ich würde gern dein fester Freund sein, Rose.“ Von da an wich Rose ihm gar nicht mehr von der Seite. Sie haftete an ihm wie eine Klette. Kein anderes Pichumädchen war ihr mehr willkommen. Aber er tat ihre Eifersucht als süß ab. Irgendwann konnte sie nicht mehr. Diana war schon viel zu lange allein. Nie verirrte sich ein Pokemon zu ihr. Sie wusste nicht wie viel Zeit verstrichen war. Sie hatte die Tage nicht gezählt. Aber mehrere Wochen waren es sicherlich. Viele Wochen ohne Mikey. Sie packte ihre Sachen zusammen und zog los. Sie würde Mikey suchen. Ob er sie nun wollte oder nicht, sie musste wenigstens wissen, warum er sie verlassen hatte. Sie musste um ihn kämpfen. Warum hatte sie daran nicht schon vorher gedacht? Es war pure Verzweiflung. Ansonsten wäre sie viel zu stolz gewesen, um ihn zu suchen. Aber ihr war mittlerweile alles egal. Hauptsache sie war wieder bei Mikey. Sie musste zu ihm. Er hatte ihr Glück gestohlen, ihre Freude, ihr Leben. Sie hätte ihn sofort suchen sollen. Wieso hatte sie es nicht getan? Wieso hatte sie zugelassen, dass er gegangen war? Sie lief Tage und Nächte durch ohne zu schlafen, fragte andere Pokemon immer wieder, ob sie ein kleines Pichu gesehen hatten und folgte dann dem Weg, den sie ihr rieten. Irgendwann kam sie in ein kleines Dorf. Es lebten lauter Pichus hier. Konnte es sein, dass Mikey auch hier gewesen war – und vielleicht immer noch hier war? Wahrscheinlich würde er dann nicht mit ihr kommen. Er würde hier bleiben wollen. Sie setzte sich an einem Spielplatz hin und seufzte, während wieder Tränen über ihre Wangen kullerten. Plötzlich traf sie ein Stein und sie blickte auf. Ein Pichujunge stand in der Nähe von ihr und blickte sie wütend an. „Verzieh dich! Teddiursas sind hier nicht erwünscht.“ Nun bemerkte sie noch andere kleine Pichus, die ebenfalls Steine auf sie zu werfen begannen. Nur ein kleines Mädchen in einem rosa Kleid verschwand. Wahrscheinlich wollte sie keinen Ärger bekommen. Diana weinte nur weiter, gab aber keinen Ton von sich und stand auch nicht auf. Sollten sie doch auf sie werfen. Es waren nur physische Schmerzen. Viel schlimmer waren die psychischen, die sich tief in ihr Herz eingegraben hatten. Die Pichus riefen ihr wüste Beschimpfungen zu und wollten, dass sie verschwand, aber es war ihr egal. Jetzt bekam sie, was sie verdiente. „Mikey! Mikey! Komm schnell!“, rief Rose und zerrte Mikey aus seinem Bett. Er hatte sich schon lange daran gewöhnt, dass Rose viel früher als er aufstand – so wie die meisten Pichus im Dorf. Aber niemand warf es ihm vor. „Was ist denn?“, murmelte er müde und ließ sich hinter ihr her ziehen. „Eine Fremde ist im Dorf! Ein Teddiursa!“ Die Feindseligkeit in ihrer Stimme konnte er klar heraushören. Er hatte schon lange bemerkt, dass sie hier sehr intolerant gegenüber anderen Pokemon waren. Aber da er hier alles hatte, was er wollte und brauchte, kümmerte es ihn nicht weiter. Dass Rose von einem Teddiursa sprach, vergaß er über seine Gedanken hinweg wieder. „Wo ist sie denn?“, fragte er also. „Auf dem Spielplatz. Du solltest sie sehen“, höhnte sie. „Sitzt da und weint und lässt sich mit Steinen bewerfen als wären es nur Wattebäusche.“ „Wie seltsam“, meinte Mikey und folgte ihr bis zum Spielplatz. Dort sah er sie, die Fremde. Und er sah auch, was sie war. „Ein Teddiursa?“, fragte er erstaunt und Rose nickte schnell. „Das hab ich dir doch gesagt, mein Schatz. Ich weiß gar nicht, was sie hier zu suchen hat. Hat sich wahrscheinlich verlaufen.“ Mikeys Gehirn ratterte. Was verband er nur mit Teddiursas? Er erinnerte sich kaum noch an die Zeit, bevor er ins Dorf kam. Ganz verschwommen wusste er noch, dass seine Familie ihm nie die Zuneigung geschenkt hatte, die er brauchte, aber alles andere war weg. Über die Wochen, die er mit Rose verbracht hatte, hatte er alles verdrängt und sich geschworen nie wieder daran zu denken. Er wusste nun nicht, weshalb das so war. Aber dieses Teddiursamädchen schien irgendwelche Erinnerungen in ihm zu wecken. Er war eigentlich nicht gewalttätig, aber es war Rose, die ihn dazu anstachelte. „Worauf wartest du denn? Nimm dir ein paar Steine, Mikey-Schatzi“, flötete sie, während sie in einigem Abstand beobachtete wie die anderen sie bewarfen. Wahrscheinlich wollte sie sich die Hände nicht schmutzig machen. Durch ihre Worte davon überzeugt, dass andere Pokemon nichts wert waren, nahm er einen Stein und warf ihn. In diesem Moment sah das Teddiursa auf und direkt zu ihm. „Mikey“, rief sie. Plötzlich war es vollkommen still. „Woher kennt sie deinen Namen?“, fragte Rose eifersüchtig wie immer. „Ich…weiß es nicht.“ Mikey starrte das Mädchen an. Er wusste, dass er sie kannte. Er wusste, dass sie einmal Freunde gewesen waren. Er wusste, dass er sie verlassen hatte. „Diana“, hauchte er. Und dann brachen alle Erinnerungen wieder über ihn herein. Und er begann sich zu schämen. Was hatte er nur gerade getan? Er hatte sie mit einem Stein beworfen, der sie auch noch an der Stirn getroffen hatte. Wieso wehrte sie sich denn nicht? Wieso ließ sie sich das gefallen? Was tat sie überhaupt hier? Wie hatte sie ihn gefunden? Suchte sie überhaupt ihn? War sie nur zufällig hier? Hasste sie ihn nun? Wollte sie nicht zu ihrer Familie zurück? Hatte sie sich hierher verlaufen? Oder hatte sie ihn doch gesucht? Wollte sie ihn doch als Freund behalten? Fehlte er ihr? Rose und die anderen nahm er nur noch schemenhaft war. Er rannte zu Diana und umarmte sie ganz fest. „Was soll das, Mikey!?“ „Kennst du die etwa!?“ Und ähnliche Rufe drangen zu ihm durch, aber er ignorierte sie – bis jemand ihn von Diana wegzerrte. Es war Rose und sie sah gar nicht glücklich aus. Im Gegenteil, sie wirkte furchtbar wütend. Dann verpasste sie ihm eine Ohrfeige. „Wer ist dieses grässliche Mädchen? Und was hattest du mit ihr zu schaffen?“, fauchte sie und schlug dann auf Diana ein, die wie traumatisiert weinte und seinen Namen murmelte. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Interessierte es sie überhaupt? Wahrscheinlich nicht, aber er musste Diana verteidigen. Sie war seine Freundin. Egal wie sehr er sie verdrängt hatte – erfolgreich – er mochte sie noch immer. „Sie ist meine Freundin. Und sie ist viel netter als du“, meinte er. „Du und ich, wir passen nicht zusammen, Rose. Du magst mich herzlich aufgenommen haben, aber für andere Pokemon hast du kein Herz, genauso wie die anderen. Ich hoffe, du wirst irgendwann auf ein anderes Pokemon angewiesen sein. Denn dann wirst du schon sehen, was du von deiner Feindseligkeit hast. Ich gehe.“ Und mit diesen Worten umfasste er Diana und ging mit ihr durch die Menge der jungen Pichus, um das Dorf zu verlassen. Rose lief ihm hinterher. „Mikey, warte! Warte doch! Ich hab dich doch lieb! Du gehörst doch mir! Ich lass nicht zu, dass du mit DER DA verschwindest!“ Doch er hörte nicht auf ihre Worte, sondern ging einfach weiter bis sie das Dorf weit hinter sich gelassen hatten. Sie hatte ihren Mikey gefunden. Sie hatte nicht wirklich realisiert, was im Dorf passiert war, aber sie hatte Mikey wieder. Irgendwann waren sie stehen geblieben und umarmten sich nur noch, während sie weinte. Wie lange weinte sie nun schon eigentlich? Stunden mussten vergangen sein, seitdem sie angefangen hatte. Wo hatte Mikey da nur gelebt. Diese Pichus waren schrecklich. Aber am meisten würde sie wohl immer die Tatsache schmerzen, dass auch er sie beworfen hatte. Sie hatte so viele Fragen an ihn. Warum hatte er sie verlassen? Was war mit dieser Rose? Warum hatte er sie beworfen? Wieso hatte er nicht weitergemacht? Würde er jetzt bei ihr bleiben? Aber das war nicht alles. Doch so schnell wie die Fragen sich in ihrem Kopf formten, verschwanden sie auch wieder, um der nächsten Frage Platz zu machen. "Ich hab dich vermisst“, presste sie hervor und drückte Mikey noch fester. „Ich hab dich so sehr vermisst. Bitte geh nie wieder weg.“ „Ich dachte, du wolltest mich nicht mehr“, gab Mikey leise zu. „Du sagtest doch, dass du nicht mehr mit mir wandern willst.“ Diana drückte ihn verdutzt von sich und legte den Kopf schief. „Ich wollte, dass wir irgendwo bleiben und wohnen. Das meinte ich. Aber jetzt willst du das sicher nicht mehr, nicht wahr?“ „Doch, natürlich will ich das! Ich will bei dir sein, Diana! Ich dachte, du liebst mich nicht mehr und willst nicht mehr mit mir zusammen sein. Deswegen wollte ich dir die Entscheidung abnehmen. Ich würde gern mit dir zusammen wohnen!“ Dianas Tränen wollten kein Ende nehmen – aber diesmal vor Glück. „Oh, ich liebe dich doch noch. Ich bin dich extra suchen gegangen, leider erst jetzt, aber ich dachte, dass du mich eh nicht willst. Solange hab ich in einer kleinen Hütte gelebt. Sie ist schön gemütlich und praktisch gelegen. Soll ich sie dir zeigen?“ „Ja, klar!“, lächelte Mikey und strich Diana über die Wangen, um ihre Tränen wegzuwischen. Dann umarmte er sie noch fester als zuvor. „Ich liebe dich so sehr. Es tut mir so leid, dass ich dich verlassen habe.“ „Ich liebe dich auch, Mikey“, erwiderte Diana und schmiegte sich eng an ihn. „Ich bin so glücklich, dass ich dich wieder habe.“ Und dann führte Diana Mikey zu der Hütte, in der sie ein neues Leben begannen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)