Das zerrissene Ich von Glasfluegelchen ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Und wenn ich auch mein Haupt erheben wollen hätte, womit hätte ich kämpfen sollen, wenn doch schon die Leere jeden Kampfgeist in mir zerfressen hatte. Ja, da war absolut nichts mehr und irgendwie hatte ich den Glauben schon fast aufgegeben überhaupt noch am Leben zu sein, hätten meine Muskeln nicht einen erbitterten Kampf gegen die anschwellende Kälte geführt. Es fehlte einzig und allein der wüste Wille des Schicksals meinen Körper endlich an die Ewigkeit verschenken zu wollen, aber nicht einmal das war mir vergönnt. Die Windböen zeichneten ihre irrwitzigen Spuren aus Wasser und verlaufenem Kajal auf meinem Gesicht. Wie lange hatte ich überhaupt schon hier gelegen? In dem matschigen Flussbett dessen kümmerliche Rinnsale vom Regen entfacht über meine Schultern schmetterten? Umrankt von einem Wald den kaum eine Menschenseele besuchte? Überdacht vom grollenden, lichterzuckenden Himmel der seinen Zorn in meinen Augen spiegelte und dem tobenden Regen, der mich einfach nicht fortspülen wollte? Diese Feiglinge! Dumme, feige Menschen! Das hier war der perfekte Ort, das perfekte Szenario, der ideale Platz um sich fallen zu lassen und in Ruhe zu sterben. Ja, das war mein einziger Wunsch. Sterben… und ganz vorsichtig stellte ich mir selbst die Frage wie in dreiteufels Namen ich es so lange ausgehalten hatte mir die ganze Zeit vorzulügen ich wäre glücklich gewesen. Glücklich, ja… Als hätte der Himmel meine Frage erahnt, schickte er einen Lichtstoß durch die Wolken der meinem vernebelten Geist den Weg weisen sollte. Aber tat er das wirklich? Gab es für mich einen Weg? Warum? Immer wieder plagte mich dieses Wort. Warum war ich denn einfach nicht glücklich? War ich so sehr davon besessen jeder einzelnen erfüllenden Sekunde meines Lebens hinterher zu jagen, dass ich dabei diese blinde Zerstörungswut in mir auf ein tausendfaches anheizte? War ich so ein frustrierter Mensch?! Hatte ich tatsächlich eine solche Angst preis zu geben wer ich wirklich war? So sehr, dass ich es noch nicht einmal zulassen konnte einen Augenblick lang nicht zu lächeln, weil mich sonst die Traurigkeit in sich verschlucken könnte? Jämmerlich…. Und genau das zeichnete mein Leben. Ich nichtsnutzige Gestalt musste lachen, lachen, immerzu nur lachen damit die Tränen sich nicht aus mir herausquälten und man mir zu Recht einen psychotischen Dramatiker andichten konnten. Ich fürchtete, dass sie alle, wie sie um mich versammelt waren, mein wahres Ich nicht lieben konnten, nur mit der verspielten Maske meiner selbst zusammen sein wollten. Wer konnte so überhaupt leben? Wie erbärmlich ich doch geworden war. Das Lichterspiel am Firmament verebbte und der graue Fetzenschleier hatte sich langsam im Regen aufgelöst. In der wachsenden Dunkelheit blitzten die ersten verzweifelten Sternenfunken auf. Mir war fast so, als sehnten sich diese funkelnden kleinen Dinge nach deckender Schwärze damit sie endlich ihr strahlendes Antlitz richtig aufblühen lassen konnten. Das war es! Spontan kam mir der Gedanke dass die Sterne und ich uns gar nicht so unähnlich waren. Ja, das musste es sein! Sie waren eine Lüge, ein Phantom das nicht existierte wenn nicht die Dunkelheit ihre Reigen aussandte um sie ins Leben zu rufen. Und ich? Ich existierte nur weil ich niemals zugeben wollte dass mir etwas fehlte, dass ich mich zerrissen fühlte. Und jetzt, nachdem ich hier lag und niemandem etwas vorspielen musste, war ich selbst nur noch ein Phantom… ein leerer Geist der das zittern seines Körpers verleugnete und darauf hoffte dass sein Lebenslicht nun bald verlischt. Bitte liebes Lebenslicht, erstick doch endlich im Dreck! Du willst nach Hause gehen? Sanftgrüne kleine Lichtflecke tänzelten zwischen Blättern und Bäumen hervor. Hatten sie gerade eben zu mir gesprochen? Du willst nach Hause gehen? Hörte ich das Stimmenmeer erneut und ich begann an meinem knochentrockenen Verstand zu zweifeln. Bildete ich mir das nur ein, oder schwebten die kleinen Lichtfunken gerade tatsächlich zu mir herunter? Es gab nur einen einzigen Weg es heraus zu finden! Träge streckte ich einen Arm in die Höhe der mich nun mehr als nur schmerzhaft wissen ließ das ich zu lange in der Kälte gelegen hatte. Ich fühlte mich wie eine dieser griechischen Statuen die anmuten ließen, sie wären in einer Bewegung einfach so erforen… irgendwie stocksteif. „Wer seid ihr? Und was wollt ihr von mir?“ murmelte ich mit seidendünner Stimme. Mir war so, als hörte ich ein versammeltes Volk miteinander sprechen das gelegentlich in schallendes Gelächter ausbrach. Aber warum lachten sie? Lachten sie etwa über mich? Machte es ihnen Spaß mich so dahin vegetieren zu sehen? Nein! Das konnte nicht sein. Ich zwinkerte in die Dunkelheit hinein und hoffte mit dem nächsten Augenaufschlag wieder klarer zu sehen. Aber die Lichtfunken waren nicht verschwunden und das Stimmenmeer formulierte eine neue Frage. Was machst du hier? Mensch? Was für eine dumme Frage, dachte ich still bei mir. „Ich blute, siehst du das nicht?“ richtete ich meine Antwort an das flauschige grüne Knäuel das sich soeben auf meiner Handfläche niedergelassen hatte. Jetzt, da es so friedlich hin und her schwebte, hatte ich das Gefühl etwas in diesem Lichtbalg zu erkennen. Eine Gestalt, eine Form, eine Kontur, aber sie war nicht klar genug als das ich sie erkennen können hätte. Du blutest? Haben sie dich verletzt? Was wussten sie schon?! Niemand hatte mich verletzt! Ich war als Wrack zur Welt gekommen, wie also hätte mich einer meiner Mitmenschen verletzen können? Was bereits zerstört war, konnte nicht weiter ruiniert werden. „Nein“ antwortete ich „niemand hat mich verletzt. Niemand…“ Die kleinen Lichtfunken hatten sich inzwischen um mich versammelt und wabberten im gelegentlichen Windhauch der seinen Weg über mich fortsetzte. Du blutest, doch niemand hat dich verletzt? Naiv kicherte das Erdenvolk. Sie erinnerten mich an kleine Kinder. Kinder die nicht verstehen wollten, die den Ernst der Lage nicht begriffen. Und sie lachten mich doch tatsächlich aus. Sie alle lachten über mich. Niemand mochte mein zerrissenes, kaputtes ich. Ich war wirklich eine Witzfigur. Das rauschende Lachen erstarb und ich senkte die Hand die ich stur in der Luft gehalten hatte. Das kleine Knäuel würde sich sicher wieder von mir absetzen. Wahrscheinlich lachten diese Gestalten nur deshalb über mich, weil ich ihnen allen ernstes Glauben geschenkt hatte und sie wahrnehmen wollte. Ja, ich war wirklich eine lustige Figur und unbeabsichtigt verließ mich ein gequältes Lachen gefolgt von bitteren Tränen. Sollten sie doch denken was sie wollten! Ich war nicht hier um zu reden oder gar Freundschaft zu schließen. Nein. Alles was ich wollte war sterben… und niemand würde mich daran hindern meine bleischweren Augenlider endlich zu senken und dieses verlogene Dasein endlich hinter mir zu lassen. Absolut niemand…. „Gute Nacht kleines Elfenland…“ "Gute Nacht, ihr armen Sternenfunken..." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)