Liebestaten von Kitschiii ================================================================================ Kapitel 1: 1. Kapitel --------------------- "Aua!", jauelte ich, nachdem ich mir meinen großen Zeh an irgendetwas hartem angestoßen hatte. Trotz dem stechenden Schmerz an meinem rechten Fuß, tappste ich weiter auf mein verschlossenes Fenster zu. Mir kam mein Zimmer plötzlich so fremd vor. Nach langem suchen fand ich endlich, den zugezogenen, Vorhang. Voller Schwung zog ic daran, weil er sich immer verhakt und somit klemmt. Komischerweise ging dieser Vorhang jedoch sehr einfach auf. Ungewöhnlich einfach. Als ich einen Blick aus dem Fenster warf, traf mich doch fast der Schlag! Ich hatte absolut keine Ahnung, was ich mit dem, was ich da vor mir sah, anfangen sollte. Die Aussicht war echt klasse, einfach unglaublich. Die Natur wie ich sie in dem Moment sah. Anscheinend befand ich mich ungefähr im dritten Stock und hatte die gesamte Schönheit des Gartens vor mir im Blickfeld. Ein Fluss floss langsam durch die Landschaft und war von unzähligen Wiesenblumen umgeben. Hin und wieder lockerten blühende und knospende Bäume und Sträucher das Gesamtbild auf. Auch ein schmaler, geschotterter Weg war zu erkennen, Hinter mir ertönte ein Gähnen. Wie vom Blitz getroffen fuhr ich herum! "Na ausgeschlafen?" Kapitel 2: 2. Kapitel --------------------- In dem Bett, in dem ich selbst noch vor kurzem geschlafen hatte, war noch jemand. Und dieser Jemand sah mich mit blauen, verschlafenen Augen und einem hinreissenden Lächeln an. Meine Gedanken schlugen Purzelbäume. Ich wusste weder, was ich jetzt tun sollte, noch was gestern nach der Schule, zumindest nehme ich dass an, vorgefallen war. Was ich wusste war, dass ich bestimmt wie die dümmeste Kuh der Welt in einem, mir unbekannten, Zimmer stand. Nochdazu in einem T-Shirt, dass mir nicht besonders weit über den Hintern reichte, mit der Tatsache, dass ich es noch nie zuvor in meinem Leben gesehen, oder auch nur getragen hatte. Es müssen bestimmt mehrere hundert Minuten vergangen sein, bis ich meinen Blick von diesen fesselnden Augen abwenden konnte. Die Situation war mir so unangenehm, dass ich beschämt meinen Blick senkte. Ich schloss meine Augen und versuchte mich an den den gestrigen Tag zu erinnern. Jedoch fiel mir absolut gar nichts ein. Ich war mir noch nicht einmal sicher, ob ich überhaupt in der Schule war. Das einzige was ich wusste, war dass ich auf den Weg dorthin war. Alles andere war weg. Nach einer kurzen Weile fiel mir wieder ein, dass ich nicht allein war. Deshalb öffnete ich schnell meine Augen wieder, ohne den Blick vom Boden abzuwenden. Gerade so, als ob er mir verraten könnte, was passiert war. Der gesamte Fußboden war mit so vielen Kleidungsstücken bestückt, dass mir schlagartig ein neuer Verdacht in den Sinn kam, den ich nicht wahrhaben wollte... Kapitel 3: 3. Kapitel --------------------- Während ich versuchte den Gedanken, dass noch mehrere Personen in diesem Raum übernachtet hatten, aus meinem Kopf zu drängen, ging plötzlich die Tür auf. Es war schlimm. Sogar sehr schlimm. Denn es war noch ein süßer Typ - diesmal ein dunkelblonder - der seinen Kopf zu Tür reinstreckte. Meinen Blick hatte ich aus Überraschung und Neugier etwas angehoben. Doch als mir ein paar Sekunden später aufgefallen war, dass er kein Shirt trug -vermutlich, weil es gerade vor mir auf dem Boden lag - starrte ich verlegen auf den Boden zurück. "Ähm, Boss? Frühstück ist fertig." Er wartete von dem Typ im Bett ein Nicken ab, vevor er so leise, wie er gekommen war, auch wieder verschwunden war. Der Typ mit den blauen Augen, der anscheinend der "Boss" hier war, gähnte laut. Anscheinend um wieder alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Was ihm auch gelang! Schon wieder war mein Blick an seine himmelblaue Augen gefesselt. "Hunger?" Hätte er mich das nicht gefragt, und dabei unwiederstehlich gelächelt, dann wären meine Gedanken vollkommen abgedriftet. Hätte er mich das nicht gefragt, hätte ich wahrscheinlich überhaupt nicht gemerkt, dass mein Magen sich schon schmerzhaft zu verkrampfen begann. Da er anscheinend auf eine Antwort oder Reaktion wartete, nickte ich schließlich einmal. Kurz und Unsicher. Was ihn anscheinend amüsierte, da er es sich verkniff, laut loszulachen. Auch wenn es so war, dass ich den totalen Filmriss habe, ist es noch lange kein Grund, der ihn dazu veranlassen sollte, sich über mich lustig zu machen! Diesmal machte ich mir nicht die Mühe, auf den Boden zu starren, nur damit der Braunhaarige nicht bemerkte, dass ich wütend war. Sollte er es doch mitkriegen! Mir kam gar nicht in den Sinn, was das für Folgen haben könnte. Wie zu erwarten war, entging ihm nicht, dass ich ziemlich aufgebracht war. Nun musste er doch lachen. Wäre ich nicht, zu diesem Zeitpunkt, so total missgestimmt gewesen, hätte ich sicher noch mehrere Wochen von diesem Lächeln schwärmen können. Anscheinend hielt auch er es für unangebracht, dass er lachte oder, und das vermutete ich stärker, das er selbst einfach nur großen Hunger zu haben schien. Deswegen streckte er sich noch einmal kurz, bevor er aufstand. Wobei sich herrausstellte, dass er einen ziemlich gut durchtrainierten Oberkörper zu besitzen schien. Es gab auch einen gewissen Grund, weswegen ich das so genau sagen konnte. Und der Grund war der, dass er kein Shirt trug. So konnte ich auch fesstellen, dass er ziemlich gut gebräunt war, was seine Haare, die sehr dunkel waren, noch mehr hervorhebte. Wie auch der Junge von vorhin trug er eine kurze, karierte Hose. Nachdem er sich aufgerichtet hatte, gähnte er noch ein letztes Mal ausgiebig, vevor er bemerkte, dass ich ihn anscheinend die ganze Zeit über angestarrt haben muss. Wie ich es erwartet hatte, brachte ihn dass erneut zum Lachen. Schockierender Weise, musste ich zugeben, dass er wahnsinnig groß war. Je länger ich ihn musterte umsomehr fiel mir auf, wie unglaublich gut er doch aussah! Ich schluckte. Er kam auf mich zu, ziemlich von sich selbst überzeugt. Er wusste also, wie er auf 16-jährige Mädchen wirkte. Plötzlich war er mir nah. Sehr na. Zu nah. Mein Herz begann zu rasen. Was bildet der sich eigentlich ein, wer er ist? Anscheinend war mein Gesicht eine Spur zu verwirrt, denn, ehe ich es realisierte, war er auch schon an meiner rechten Seite, wo er mir seinen Arm um die Schultern legete und mit einem Lächeln meinte: "Wollen wir?" Mal wieder ignorierte er meine Reaktionen und führte uns in Richtung Tür. Mir war ziemlich unwohl zu mute... Kapitel 4: 4. Kapitel --------------------- Die Räumlichkeiten auf der anderen Seite des Raumes überraschten mich. So hätte ich sie mir nicht einmal in meinen Träumen vorgestellt. Wir waren nicht im Erdgeschoss, das konnte ich mit Sicherheit sagen, denn direkt vor der Türe war der Boden nur ca. zwei Meter breit, aber nicht etwa, weil da eine Wand war, sondern eher, weil nur eine dünne Glasscheibe – die scheinbar als Geländer funktionierte – daran hinderte in das Stockwerk darunter zu fallen. Ob es noch weitere Stockwerke über diesem gab konnte ich nicht genau sagen. Die Wände waren strahlend weiß gestrichen. Auf der Glasscheibe war eine silberne Metallstange an der man sich festhalten konnte. Außerdem war diese sehr praktisch, da man sonst die Glasscheibe übersehen konnte und deswegen runterfallen würde. Der Boden-Streifen zog sich einmal an allen vier Seiten des Hauses herum, also so, dass in der Mitte ein riesiges Rechteck war, unter dem sich anscheinend das Wohnzimmer befand. An der Seite wo wir gerade eben aus dem Zimmer heraus kamen, waren links und rechts daneben noch weitere Räume. An der gegenüberliegenden Wand war kein einziger Raum. Vielmehr war es eine Glasfront, durch die alles von Licht überströmt wurde. Ich kam gar nicht mehr aus dem Staunen heraus. Es war so ein Modernes Haus, dass ich einfach nicht anders konnte als die Besitzer dafür zu beneiden. Vorsichtig machte ich einen Schritt nach vorne um einen besseren Blick nach unten zu haben. Aufgrund meiner leichten Höhenangst wagte ich es nicht sofort nach hinunter zu sehen. Als ich dafür bereit war wurde ich auch schon weitergezogen. Mein Versuch empört auszusehen versagte kläglich, dieses ärgerte mich sehr. Ich musste mich zusammenreißen und versuchen herauszufinden was gestern alles passiert war. Diese Ungewissheit brachte mich durcheinander. Ohne es zu wollen war ich in meinen Gedanken versunken. Ebenso ungewollt ließ ich mich einfach von ihm führen. Mir war klar, dass ich sowieso keine andere Wahl hatte, da ich seine Kraft spüren konnte, die meiner natürlich überlegen war. Wir kamen an eine Treppe, die ich mehr oder weniger hinunter stolperte da ich sie zu spät bemerkt hatte. Reflexartig schien mich der Kerl neben mir abzufangen. Erleichtert sah ich ihm ins Gesicht. Seine Augen sahen kurz besorgt aus, doch dann wich der Anflug von Besorgnis Belustigung. Meine Wangen wurden heiß. Beleidigt richtete ich mich wieder auf und spuckte ihm unfreundlich ein „Danke“ vor die Füße. Mit seiner freien Hand fuhr er sich durch die Haare dann gingen wir weiter. Wenn er doch nur nicht so nah stehen würde! Dann könnte ich mich auch besser Konzentrieren! Es ist alles seine Schuld! Erneut stieg Wut in mir auf. Automatisch spannte sich meine Körperhaltung an. Ich versuchte ein Zähneknirschen zu vermeiden. Es war eine meiner ‚schlechten‘ Angewohnheiten, wie meine Familie und meine Freunde zu sagen pflegten. Es war ja wirklich eine schlechte Angewohnheit, darüber war ich mir bewusst, doch wenn ich wütend passierte es immer ganz von allein. Zurzeit war ich damit beschäftigt es mir abzugewöhnen. Vor uns tat sich ein unglaublich großer Raum auf. Es war tatsächlich das Wohnzimmer, welches ich von oben gesehen hatte. Auch hier war alles in weiß gehalten. Einzig der Laminatboden war hellbeige. Nach oben warem diesem Raum keine Grenzen gesetzt. Man hatte das Gefühl als wäre er endlos. Wir durchquerten in kaum. Eigentlich gingen wir ein Stück am Rand entlang und bogen dann gleich nach rechts in den Essbereich ab, der einzig durch eine Art Tresen, der die Küchenzeile verlängerte und als Ablage diente, von der Küche getrennt war. Wie zu erwarten war auch hier alles weiß. Nur hin und wieder erkannte man Edelstein. Kapitel 5: 5. Kapitel --------------------- Ich war so mit dem Staunen beschäftigt, dass ich gar nicht mehr auf meine Umgebung geachtet hatte. Oder viel mehr, auf die anderen Leute, die sich hier aufhielten. Denn tatsächlich schien es so, als wäre hier entweder der Treffpunkt im Haus oder alle frühstückten jeden Morgen gemeinsam. Oder zumindest diesen. Überrumpelt sah ich mich erneut um. In der Mitte des Raumes stand, wie zu erwarten, ein weißer Tisch. Bänke gab es keine. Nur Stühle. Anscheinend sind die Bewohner hier auf viele Leute eingestellt, denn es scheint so als könnten sich locker 16 Leute um den Tisch versammeln, ohne dass jemand sich eingeengt fühlen müsste. Auf den ersten Blick konnte ich auch gar nicht abschätzen, wie viele Leute sich am hinteren Ende des Raumes tummelten. Es mussten jedoch knapp zehn Stück sein. „Morgen Boss.“, ertönte es im Chor, nach wenigen Sekunden. „Hmm. Morgen.“, kam als einzige Antwort. Auf mich schien keiner weiter zu achten. Ich war mir nicht sicher ob ich mich darüber freuen oder ärgern sollte. Wie ich da so dastand, ohne auch nur den kleinsten Schimmer wie es dazu kam, fühlte ich mich mehr als einfach nur fehl am Platz. Zum Glück war man mir hier auch nicht feindlich gesinnt. Damit hätte ich nämlich überhaupt nichts anfangen können. Wie auf Knopfdruck ertönten in der Küche Geräusche. Daraufhin setzten sich alle an den Tisch. Zuerst der ‚Bos‘, dann seine ‚Gefolgsleute‘. Ich sah ihnen dabei zu, wie sie sich alle auf ihre Plätze setzten. An der kurzen Seite saß der Anführer. Der Rest verteilte sich in seiner Nähe auf den langen Seiten. Sie unterhielten sich mit gedämpfter Stimme. „Setz dich.“, bekam ich den Befehl. Seine blauen Augen ruhten auf mir. Weil ich nichts Besseres zu tun hatte und nicht dämlich in der Gegend rumstehen wollte, setzte ich mich auf den Platz den er mir zuwies. Auf seiner rechten Seite. Die anderen hatten diesen Stuhl frei gelassen. Ich fragte mich warum. Ob hier wohl sonst niemand sitzen durfte? Oder war dieser Platz immer für die Gäste vom ‚Boss‘ bestimmt? Wem gehörte dann der Platz mir gegenüber? Dieser war ja schließlich auch noch frei? Erst jetzt fiel mir auf, dass der Tisch schon angerichtet war. Vor jedem stand ein Teller, eine Tasse, Besteck, ein Glas und auf dem restlichen Tisch verteilt standen Teller mit Wurst und Käse, verschiedene Gläser mit Marmelade, Körbchen mit Brötchen und aufgeschnittenem Brot. Ich konnte auch Gemüse, wie zum Beispiel Gurken und Tomaten sehen. Sogar Kerzen, brennende Kerzen, standen auf dem Tisch. Ich war beeindruckt. Sichtlich, denn er kicherte. Anscheinend hatte er mich beobachtet. Mist! Warum hab ich darauf nicht geachtet?! Mir entgeht viel zu viel. Ich muss aufmerksamer werden! Aufgebracht funkelte ich ihn an. Doch dies schien ihn nur noch mehr zu amüsieren. Und mich zu verärgern. Also sah ich Richtung Küche, wo gerade jemand mit zwei Kannen Kaffee heraus kam. Das war der Typ von vorhin!, schoss es mir durch den Kopf. Der, der gesagt hatte, dass das Frühstück fertig sei! Jetzt trug er ein Shirt. Vorsichtig sah ich mir die anderen Kerle genauer an. Sie waren alle in etwa im gleichen Alter wie ihr Boss, hatten alle auch verwuschelte Haare, was darauf schließen ließ, dass sie alle erst aufgestanden waren und waren sonst auch sehr lässig gekleidet. Man könnte fast den Eindruck bekommen, dass man auf einer Klassenfahrt war. Das Alter schätzte ich auf höchstens zwei bis drei Jahre älter wie ich. Was heißt, dass sie irgendwas zwischen 16 und 19 sein mussten. Vielleicht auch 20 aber das hielt ich für sehr unwahrscheinlich. War das eine Art Internat? Oder Wohnheim? Es taten sich mir immer mehr Fragen auf, auf die sich keine Antworten finden lassen wollten. Wieder war ich in meinen eigenen Gedanken versunken und bemerkte nicht, wie der Junge nicht nur Kaffee sondern auch Tee auf den Tisch stellte und sich mir schließlich gegenüber setzte. Er lächelte mir verschwörerisch zu. Das holte mich aus meinem Gedankenwirrwarr zurück. Erneut sah ich mich um. Alle Gespräche waren verstummt. Unsicher warf ich einen Seitenblick auf den ‚Boss‘. Dieser sah mich an. Jetzt hatten sie es geschafft. Ich wusste überhaupt nicht mehr, was ich jetzt tun sollte. In mir stieg Panik auf. Was mach ich jetzt?, war der einzige Gedanke in meinem Kopf. Kapitel 6: 6. Kapitel --------------------- Warum sehen mich alle an? Was soll ich jetzt machen? Meine Gedanken drehten sich im Kreis. Ich weiß doch nicht was ich tun soll. Langsam wurde ich ärgerlich. Die sollen sich alle miteinander Hobbys suchen! Fast wäre mir das auch rausgerutscht, doch stattdessen fragte ich nur mit neutraler Stimme den Boss: „Wo ist denn bitte das Klo?“ Leicht verwundert sah er mich an und wiederholte: „Das Klo?“ Rede ich so unverständlich? So ein Hans. Echt ey. „Ja das Klo. Oder die Toilette. Wie auch immer du es nennen willst. Ich würd mir nämlich gern die Händewaschen.“ Ich weiß auch nicht woher ich plötzlich den Mut hatte so mit ihm zu reden. Immerhin war ich ja von seinem Wohlwollen mehr oder weniger abhängig. Meine Aufmüpfigkeit schien ihn mal wieder zu amüsieren. Was bin ich? Sein Zirkusclown? „Aber natürlich. Die Treppe wieder hoch und dann gleich links. Findest du alleine hin oder soll dich jemand begleiten?“ Ich konnte an seiner Stimme hören, dass er immer mehr Gefallen an mir fand. „Nein Danke!“, bestimmt stand ich auf, „Ich komme zurecht.“ Ohne mich noch einmal umzudrehen marschierte ich davon. Der Boss und der Kaffee-Junge tauschten einen Blick aus. Dann stand auch er auf und ging hinterher. Wütend stapfte ich mich durch all das Weiß hier hindurch. Eigentlich fand ich die Wohnung ja wirklich außergewöhnlich. Aber gerade war es mir einfach zu weiß. Weiß stand schließlich für Unschuld. Doch unschuldig, war in diesem Haus wohl keiner. Gerade als ich bei der Treppe angekommen war, spürte ich plötzlich eine Hand auf meiner Schulter. Ich erschrak so fürchterlich, dass ich beinahe mein Gleichgewicht verloren hätte. „Aber, aber“, meinte der Junge hinter mir nur beruhigend, „Ich tu dir sicherlich nichts.“ Der Kaffee-Kerl! Immer noch vollkommen aus dem Takt gebracht drehte ich mich zu ihm um. Er hat schöne braune Augen, schoss es mir durch den Kopf. Ich sah ihn eine Weile an. Er hatte eine freundliche Ausstrahlung. Vermutlich konnte ich ihm glauben, dass er mir nichts tun wird. Zumindest nicht solange der Boss hier ist. Hoffentlich. Ich darf niemanden trauen!, ermahnte ich mich selbst. „Übrigens ich heiße Tom. Du kannst mich ruhig so nennen.“, stellte er sich selbst vor. Ich zögerte einen Moment. Wägte das Für und wieder ab. Konnte ich ihm vertrauen oder nicht? Sage ich ihm meinen Namen oder nicht? Er wirkte in diesem Moment nur so ehrlich, dass ich nicht anders konnte, als wie auch ihm meinem Namen zu sagen: „Und ich heiße…“ Doch er unterbrach mich. „Ich weiß wie du heißt. Du musst es nicht sagen.“ Hö?! Was geht denn nun bitte wieder ab?! Ist der jetzt total übergeschnappt? Ich wollte ihm gerade meinen Namen sagen also tu ich das auch! Wäre ja noch schöner! Ich wollte gerade etwas sagen, da schob er mich auch schon sanft weiter. Scheißkerl! Dann eben nicht. Wütend ging ich neben ihm her. „Ich find auch allein zurecht.“, versuchte ich ihn loszuwerden. „Nein, tust du nicht“, bekam ich daraufhin zur Antwort. Ich hatte gute Lust einfach stehen zu bleiben und ihn zu fragen warum ich das denn nicht könnte. Stattdessen lief ich einfach weiter und versuchte mich zu beruhigen. Das muss alles ein Traum sein. Ja ein Traum. Denn real kann es einfach nicht sein. Dafür ist es viel zu surreal. Wenn es ein Traum ist will ich einfach nur noch aufwachen. Wir waren schon oben angekommen, als mich Tom aus meinen Gedanken holte. Er sagte: „Und jetzt links.“ „Danke“, brachte ich bissig hervor, bevor ich ihm die Tür vor die Nase zuschlug. Auch das Bad wir wieder so unglaublich extravagant eingerichtet. Wie auch das restliche Haus war es in Weiß gehalten. Ich wollte mich nicht näher umsehen. Denn sonst würde ich es fast beneiden. Voller negativer Gefühle, stemmte ich mich mit beiden Händen am Waschbecken ab und starrte meinem Spiegelbild entgegen. „Warum kannst nicht einfach du mir verraten, was hier abgeht. Und wo ich da nur hinein geraten bin.“, sprach ich es an. Ich wartete. Doch es wollte mir einfach nicht antworten. Egal wie angespannt ich es auch betrachte. Es wollte einfach nicht mit mir reden. Unverschämtheit. Lauter als eigentlich beabsichtigt herrschte ich mein eigenes Spiegelbild an wie unhöflich es doch sei und dass es mir gefälligst zu antworten habe, wenn es etwas gefragt wird. Als die Tür einen Spalt weit aufging, wurde mir erst richtig bewusst, dass ich gerade eben doch tatsächlich meinen Spiegel angezickt hatte. Besorgt sah Tom mich an. „Wie wär´s wenn ich mich hier hinsetze und ein bisschen bei dir bleibe. Dann hast du jemanden da, der dir deine Fragen beantwortet.“ Er redete beruhigend auf mich ein und setzte sich vor die Heizung auf den Boden und sah mich an. Wahrscheinlich hatte er Recht. Doch trauen wollte ich ihm dennoch nicht total. Also setzte ich mich ihm mit sicherem Abstand gegenüber. Abwartend sah ich ihn an. Er schaute zurück. Ich wusste nicht was ich ihm zuerst fragen sollte. Also fing ich mit dem nächst liegenden an. „Welcher Tag ist heute?“ So wie er mich auf diese Frage hin anstarrte, war es anscheinend nicht die erste Frage die er erwartet hatte. Doch er beantwortete sie ohne zu lachen. Auch wenn er ein Schmunzeln nicht unterdrücken konnte. „Heute ist Mittwoch.“ „OK.“ Ich fing zu überlegen an. Mittwoch. Gut. Doch was war der Tag an dem ich mich noch erinnern kann? Ich denke es war Montag. Oder doch Dienstag? Besser ich frage nach. „Seit wann bin ich hier?“ „Kannst du dich nur noch an so wenig erinnern? Seit Dienstagabend.“ „Meine Erinnerungen gehen nur bis Montag. Weißt du was Montag passiert ist?“ „Ja. Aber ich bin nicht befugt dir jetzt diese Frage zu beantworten.“ Nicht befugt?! Was soll der scheiß! Ich spürte wie langsam wieder Wut in mir aufkam. Dreimal atmete ich tief ein und wieder aus um mich zu beruhigen. Was sollte ich ihn als nächstes fragen? Wann würde ich wieder Gelegenheit dazu bekommen erneut Fragen zu stellen. „Warum bin ich hier?“, platze es aus mir heraus. „Auch das darf ich dir noch nicht sagen.“ Er sah in meinen Augen meine Angst. „Aber ich kann dir versprechen, dass dir hier nichts schlimmes passieren wird.“ Und das sollte mich beruhigen? Das einzige, das mir ein leichtes Gefühl von Sicherheit gab, war dass ich wusste welcher Tag heute war. Ganz große Klasse. Mich überkam Gänsehaut. Das erinnerte mich daran, dass ich nur ein T-Shirt trug. Von einem Fremden. „Bekomme ich andere Klamotten?“, fragte ich mit so einer Ernsthaftigkeit in meiner Stimme, dass ich Tom zum Lächeln brachte. Es dauerte einen Moment ehe er antwortete. „Nach dem Frühstück wirst du die Möglichkeit bekommen, dir ein Bad zu gönnen. Danach erwartet dich auch frische Kleidung.“ Er machte eine kurze Pause, ehe er fort fuhr: „Aber jetzt solltest du dir deine Hände waschen, damit wir alle Frühstücken können.“ Also haben sie nur auf mich gewartet. Ich stand auf und Wusch mir die Hände. Als ich fertig war stand Tom auch schon an der Tür und sah mich wartend an. Ich trat an seine Seite. Gemeinsam begaben wir uns auf den Weg nach unten. Kapitel 7: 7. Kapitel --------------------- Ich versuchte mich innerlich zu wappnen. Immerhin konnte ja keiner wissen, was als nächstes passieren würde!, rechtfertigte ich mich in Gedanken automatisch. Als der Kaffee-Junge – irgendwie gefiel es mir ihn so zu nennen – und ich die Küche betraten blickten alle auf. Man konnte ihnen ansehen was sie dachten. Sie wollten endlich frühstücken. Also setzte ich mich wie zuvor auch schon neben den Boss. Tom setzte sich mir gegenüber und lächelte mich freundlich an. Langsam fing ich wirklich an ihn zu mögen. Ich überlegte ihm vielleicht einen etwas cooleren Spitznamen zu geben. Kaffee-Junge klingt ziemlich langweilig. Doch mir viel nichts Besseres wie Coffee-Boy ein, darum verlegte ich das Nachdenken auf Später. Nachdem ich mich bequem auf dem Stuhl hingesetzt hatte sprach mich der Boss an: „Können wir jetzt mit dem Frühstück anfangen? Oder gibt es noch mehr was du unbedingt tun musst um uns zu quälen?“ Als er ‚quälen‘ sagte hatte er so ein merkwürdiges Grinsen aufgesetzt. Ich konnte damit nicht wirklich was anfangen aber durch die Betonung die er zusätzlich hineinfließen ließ wurde leicht rot. Erst dadurch wurde mir einiges richtig bewusst. Auch das verschob ich auf später. Wenn ich wirklich mein versprochenes Bad bekommen würde, hätte ich genug Zeit mir darüber Gedanken zu machen. „Meinetwegen können wir essen.“, erwiderte ich kleinlaut. Ich war eh erstaunt darüber warum er so viel auf mich achtete. Von rechts wurden mir Brötchen gereicht. Automatisch nahm ich den Korb an mich und überprüfte kurz was sich alles darin befand. Es gab allerlei Sorten von Brötchen. Ich entschied mich zuerst für ein einfaches. Ein Kaiserbrötchen. Mit der Zange bugsierte ich es gekonnt auf meinen Teller und gab den Korb weiter. Die Hände vom Boss berührten meine Finger dabei. Er hatte warme Hände. Und sie waren weich. Innerlich erschrak ich bei der Berührung. Eigentlich mochte ich es nicht, wenn man mich berührte. Das rührte von meiner Kindheit her. Ich versuchte daran zu denken. An meine Kindheit. Doch es ging einfach nicht. Resigniert griff ich nach der Schokolade die mir angeboten wurde. Ich liebte Brötchen mit Schokoladenaufstrich. Frühstück. Frühstücken. Das war etwas was mir vertraut vorkam. Auch wenn alles andere, und alle anwesenden Personen mir fremd waren, Frühstücken jedoch war etwas womit ich klar kam. Ohne darauf zu achten, wie hier die Essgewohnheiten waren aß ich einfach vor mich hin. Während des Essens bemerkte ich, dass mein Hunger wohl doch größer war, als wie ich zuerst angenommen hatte. Wann war meine letzte Mahlzeit gewesen?, fragte ich mich im Stillen. Normalerweise war ich eine gute Esserin, doch heute schien es so, als könnte ich überhaupt nicht mehr damit aufhören. Ein Brötchen nachdem anderen vertilgte ich. Mal mit Marmelade, mal mit verschieden Wurstsorten, sogar Käse verschlang ich, obwohl ich eigentlich keinen Käse zum Frühstück mochte. Beim Essen herrschte Ruhe am Tisch. Das fand ich echt richtig klasse. Doch als nach und nach die Leute mit frühstückten fertig wurden, begannen sie leise Gespräche. OK. Damit konnte ich auch noch leben. Irgendwann bemerkte ich dann, dass ich wohl langsam genug gegessen hatte. Wie viel genau konnte ich schon gar nicht mehr sagen. Anscheinend war ich die letzte gewesen. Egal. Gerade war ich satt und glücklich. „Isst du immer so viel? Wenn ja werden wir bald ein Problem bekommen.“ In diesem Moment wurde mir erst so richtig bewusst, dass ich bei total Fremden unglaublich viel gefressen hab. Verdammt. Wo sind denn nur meine Manieren. Ich versuchte auf diese Bemerkung hin empört auszusehen, doch dieser Versuch misslang mir gründlich. „Jetzt hab ich erst einmal genug im Magen.“, antwortete ich dem Boss. Irgendwie ging es mir auf den Keks, dass ich seinen Namen nicht wusste. So konnte ich ihn nur immer den Boss nennen. Wie langweilig. Ich versuchte seinem Blick standzuhalten. Das war nur gar nicht so leicht. Tom fing an alle Teller einzusammeln und sie zu stapeln. Ich hielt ihm meinen hin um ihm behilflich sein zu können. Anscheinend passte dem Boss das überhaupt nicht. Ziemlich unfreundlich gab er mir den Befehl mitzukommen. Ich verstand ihn nicht. Was war denn jetzt nun wieder los? Hat er irgendwelche psychische Probleme? Entgeistert starrte ich ihn an und versuchte aus ihm schlau zu werden. Wie sich herausstellte war das ein Fehler. Er packte mich ziemlich unsanft am Handgelenk und zog mich vom Stuhl hoch. Vor Überraschung musste ich auf quietschen. Er zog mich einfach hinter sich her. Wenn ich nicht so überrascht gewesen wäre, hätte ich wenigstens Gegenwehr leisten können. Zum ersten Mal überkamen mich leichte Wellen von Angst. Ich fragte mich was ihn so aufgebracht hatte. Immerhin war ich mir keinesfalls bewusst, dass ich etwas falsch gemacht hätte. In dieser dummen Situation bemerkte ich, dass er nicht nur so aussah als ob er Kraft besitzen würde, sondern mir wurde auf eine merkwürdig verdrehte Weise bewusst dass er sie auch wirklich hat. Sein Griff lockerte sich nicht. Auch nicht als er mich die Treppe hochzog, was zur Folge hatte, dass ich immer wieder stolperte. Er ignorierte meine ganzen Protestrufe. Er stieß eine Zimmertür auf und zog uns beide hinein. Ziemlich unsanft stoß er mich dann von sich fort. Dabei war es ja er der mich festhielt. Versteh den einer. Es war das Zimmer in dem ich aufgewacht war. Doch darauf achtete ich nicht wirklich. Als ich mich wieder einigermaßen gefangen hatte fing ich an mich richtig auszulassen: „Sag mal geht’s noch?!“ Und dann legte ich so richtig los damit ihm an den Kopf zu werfen, dass man sich so nicht benahm und wie unangebracht das alles war. Er wühlte in der Zeit nur in einem großen Wandschrank und zog ein Kleidungsstück nachdem anderen raus um es dann auf den Boden zu werfen. Eine Weile hörte es sich mein Gemecker an, doch dann schien es ihm zu genügen. Er stand einen Moment reglos da und kämpfte anscheinend mit sich selbst was er nun tuen sollte. Mich ignorieren oder mich zum Schweigen bringen. Dann drehte er sich um. Ich wusste sofort, dass das kein gutes Zeichen war. Er hatte es ziemlich lange ertragen, war mein letzter Gedanke bevor ich mich an die Wand gedrückt vorfand. OK. JETZT war er mir eindeutig zu nah gekommen. Ich war gelähmt vor Schock. Mit weit aufgerissen Augen starrte ich ihn an und wartete ab. Es dauerte. Mir kam es wie eine Ewigkeit vor, doch das war natürlich Quatsch. In Wirklichkeit waren es wahrscheinlich nicht mal 3 Minuten. Doch die Zeit reichte um mich so weit zu sammeln zu können um etwas zwischen meinen Lippen hervorpressen zu können. „Was ist eigentlich dein Problem?“ Stur sah ich ihn an. Ich versuchte kein bisschen Angst in meine Gesichtszüge zu lassen. Eine angespannte Stille entstand. Mich überkam der Verdacht, dass er innerlich immer noch mit sich kämpfte was er machen sollte. Mein Herz schlug heftig und ich traute mich nicht wirklich zu atmen. Er näherte sich meinem Gesicht. Ich kniff die Augen zusammen. Wollte nicht erleben was als nächstes passieren würde. „Du solltest mich besser nicht reizen.“, wisperte er in mein Ohr. Ein Schauder durchlief mich als er von mir abließ und unter absoluter Beherrschtheit zurück zum Schrank ging. Einmal griff er hinein und fand anscheinend sofort was er gesucht hatte. Er zog ein weites blaues T-Shirt mit irgendeinem Muster hervor und eine schwarze Jogginghose mit großen Taschen. Ich stand immer noch bewegungsunfähig an der Wand und versuchte meinen Herzschlag zu beruhigen. Verdammt hatte er mich in Panik versetzt. Insgeheim schwor ich ihm Rache. Er blickte zu mir und warf mir die Kleidungsstücke zu. Reflexartig fing ich sie auf. Ganz große Klasse. Meine Reflexe funktionierten. Das brachte mir ja echt viel. Amüsiert grinste er mich wieder an. Mir wurde bewusst, dass ich mich vor ihm wirklich in acht nehmen sollte. Doch er hatte mich viel zu oft bisher schon aufgebracht. Sollte er doch sehen was er davon hatte! Kapitel 8: 8. Kapitel --------------------- „Was soll ich damit?“, fuhr ich ihn an. Meine Augen funkelten wütend in seine Richtung, doch ihn schien das gar nicht zu stören. „Ich dachte du würdest vielleicht gerne was frisches und bequemes anziehen, obwohl das so auch seinen Reiz hat.“, er grinste mich schief an und blickte an mir herunter. Sofort spürte ich wie meine Wangen zu brennen anfingen. Ich hatte ja nur ein T-Shirt an! Verlegen drückte ich seine Kleidung fester an mich und starrte den Boden an. Er hatte Recht. Ich wollte wirklich etwas anderes anziehen. Egal was. Hauptsache es war richtige Kleidung. Auch wenn ich nicht das Verlangen hatte SEINE Wäsche zu tragen. Es blieb mir jedoch nichts anderes übrig. Meine Gedanken kamen nicht einmal so weit sich zu fragen, wo meine eigenen Kleidungsstücke hingekommen waren, denn er machte mir unmissverständlich klar, dass ich ihn folgen sollte indem er wieder mein Handgelenk packte und mich hinter ihm herzog. Diesmal jedoch sanfter. Fast so, als wäre ihm plötzlich klar geworden, dass ich ein zerrbrechbares Mädchen bin, das man nicht wie einen Stein durch die Gegend schleudern kann. Seine Hand war warm. Sie lenkte mich ab. Mein Geist drängte darauf nachzudenken. Das alles verstehen zu wollen. Sich zu erinnern. Möglichkeiten abzuwägen. Doch mein ganzes Wesen war viel zu sehr in Aufruhr geraten. Ich brauchte dringend Ruhe! Den Weg den wir entlanggingen nahm ich nicht richtig war. Erst als wir standen und er mich los ließ wurde mir klar dass wir im Bad waren. Er legte ein frisches Handtuch neben dem Waschbecken hin und holte Duschgels und Shampoos aus verschiedenen Schränken hervor und stellte diese am Badewannenrand ab. Ich beobachtete ihn während er alles hervor suchte was man für gewöhnlich im Bad brauchte und irgendwo griffbereit für mich bereit legte. Ich hätte eh nicht gewusst was ich hätte sagen sollen also stand ich nur schweigend da und beobachtete was er tat. Meine Gedanken waren mal wieder abgeschweift. Irgendwann stand er vor mir und sah mich an. Mir war es zuerst nicht aufgefallen. Dementsprechend war der Blick mit dem ich ihn direkt ansah leicht zu deutend. „Du kannst dir so viel Zeit lassen wie du willst. Niemand wird dich stören. Der Schlüssel steckt im Schloss.“, aufmerksam musterte er mich ein letztes Mal bevor er sich zum Gehen wandte. „Ich bin solange trainieren.“ Ohne weitere Worte der Erklärung verschwand er aus dem Bad. Ich blickte ihm eine Weile einfach nur nach bevor ich die Tür absperrte und mich zuerst auf den Boden gleiten ließ und den Kopf in meinen beiden Armen vergrub. Ich fragte mich womit ich das verdient hatte, wie ich da hineingeraten konnte und wie ich hier wieder raus kommen sollte. Meine Gedanken fühlten sich wie ein wirrer Knoten an den ich nicht lösen konnte egal an welchem Ende ich es auch versuchte ihn zu entwirren. Gänsehaut überkam mich. Ich blickte meine Beine an und versuchte nachzudenken. Baden! Genau. Deswegen war ich hier in diesem Zimmer. Nachdem ich schon mal hier war konnte ich das ja auch tun. Einfach im warmen Wasser sitzen und entspannen. Es würde mir sicher gut tun. Also stand ich wieder auf. Suchend blickte ich mich um. Immerhin konnte man ja nie wissen, ob man in fremden Haushalten nicht andauernd beobachtet wird. Für gewöhnlich hätte ich mich bei solchen Gedanken als paranoid bezeichnet aber nachdem ich in einem fremden Haus aufgewacht war ohne eine einzige Erinnerung an die Tage zuvor störte ich mich nicht an ein wenig Paranoia. Ich ließ warmes Wasser in die Badewanne laufen und kippte eine große Menge Schaumbad hinterher. Es roch gut. Der Geruch gefiel mir. Ich genoss ihn. Gerade als ich mir das T-Shirt über den Kopf ziehen wollte klopfte es an der Tür. Erschrocken fuhr ich herum und starrte sie an. Abgeschlossen hatte ich! Da war ich mir sicher. Ich wartete ab. Erneut erklang ein klopfen. Beim zweiten Mal war es nicht mehr so zaghaft. Ich wusste nicht was ich tun sollte. Ich geriet in Panik. „Ich bin es nur.“, drang eine Stimme leise zu mir herein. „Was ist?“, zwang ich mich zu sagen. „Machst du mir kurz die Tür auf? Ich habe noch etwas für dich.“ Vorsichtig ging ich auf die Tür zu und drehte den Schlüssel im Schloss herum. Es war der Kaffee-Junge! Und in seinen Händen hielt er einen kleinen Korb. Sein Inhalt war durch ein Tuch abgedeckt. Stumm drückte er es mir in die Hand, schob mich wieder ins Badezimmer und schloss die Tür. Bevor er ging sagte er noch: „Damit wirst du dich wohler fühlen.“ Ich stellte den Korb neben dem Waschbecken ab und sperrte zuerst die Tür wieder zu. Wer weiß wer hier noch alles auftauchen konnte? Langsam zog ich das weiße Tuch vom Korb herunter um zu sehen was darin lag. Gefasst auf alles blickte ich hinein und sah, dass es nur frische Unterwäsche war. Erleichterung stieg in mir auf. Was hatte ich erwartet? Giftige Schlangen? Fast hätte ich verrückt losgelacht. Ich würde noch verrückt werden wenn ich nicht bald von hier weg kommen würde! Ein letztes Mal überblickte ich noch den Raum bevor ich mich auszog und in die Wanne stieg. Kapitel 9: 9. Kapitel --------------------- Sobald mich die Wärme des Wassers umgab wich die Anspannung aus meinem Körper die mich schon seit Tagen plagte. Ich lehnte mich in der Badewanne zurück und schloss in dem Versuch noch kurz diese Ruhe zu genießen meine Augen. Es war so schön angenehm. Doch es half mir nicht weiter hier im warmen zu liegen und mir selbst vorzuschwindeln, dass alles gut war. Nichts war gut. Was war geschehen? Wo war ich? Warum fühlte mich hier nicht so als ob ich in Gefahr schweben würde? Wann würde ich wieder gehen können? Meine Gedanken kreisten. Es kam mir vor als würden sie Auto-Scooter fahren. Sie stießen sich gegenseitig immer wieder an. Wann würde ich wieder gehen können… Diesen Gedanken wiederholte ich lautlos. Ruckartig setzte ich mich auf. Stand es mir denn nicht frei zu gehen? Ich war nirgends gefesselt. Ich konnte tun was ich wollte. Niemand bedrohte mich. Und erst recht hatte nie jemand auch nur etwas erwähnt davon, dass ich hier eine Gefangene war, also warum sollte ich denn nicht auch einfach gehen? Einfach weg von hier. Weg von dem was mich hier noch erwarten würde. Diese Idee hatte seinen Reiz, das musste ich zugeben. Doch wenn ich einfach ging, würde ich wahrscheinlich nicht erfahren, was hier passiert war. „Verdammt noch mal!“, fluchte ich vor mir hin. Ich könnte gehen. Vielleicht würden sie mich nicht versuchen aufzuhalten. Doch was sollte ich dann machen? Ich hatte kein Geld und keine Ahnung davon wo ich war, oder wie ich zurück nach Hause kommen sollte. Nach Hause. So sehr wie ich auch versuchte, von meinem zu Hause ein Bild oder eine Erinnerung hervor zu rufen, scheiterte ich. Warum hatte ich keine Erinnerungen an mein zu Hause? Keine Einzige? Hatte ich einen Schlaf auf den Kopf bekommen? War ich gestürzt und hab so mein Gedächtnis verloren? Aber ich hab keine Kopfschmerzen. Vielleicht lag ich ja so lang bewusstlos irgendwo bis ich aus der Phase mit den Schmerzen hinaus kam? Oder steh ich etwa unter Medikamenten? Verdammt was ist hier nur los! Wissen die anderen was mit mir passiert war? Oder dass ich mich an nichts mehr erinnere? Wenn nicht sollte ich es ihnen dann sagen? Aber das würde mich Hilflos machen. Seufzend lehnte ich mich wieder zurück. Hatte ich mich nicht eigentlich entspannen wollen? Und meine Gedanken sortieren wollen? Das war mir ja mal wieder wirklich großartig gelungen. Statt auf Antworten war ich nur auf neue Fragen gestoßen. Wütend nahm ich mir das Haarshampoo und begann damit meine Haare behutsam einzumassieren. Ein angenehmer Duft nach Vanille verströmte. Er beruhigte mich. Schon immer konnten mich manchmal wann ich zu sehr aufgekratzt war bestimmte Gerüche beruhigen. War das also Absicht oder Zufall, dass das Shampoo hier so roch? Es war auch Frauenshampoo! Ich glaubte nicht, dass die Bewohner dieses Hauses, die ich bereits kennen gelernt hatte, dieses Haarpflegeprodukt benutzen würden. Gab es also noch eine andere Frau oder ein anderes Mädchen hier? Wenn ja wie würde sie wohl auf mich reagieren? Würden wir uns verstehen? Würde ich sie kennen lernen? Wollte ich das überhaupt? Vielleicht war sie ja die Schwester vom Boss, in diesem Fall schwand der Wunsch sie kennen zu lernen. Mir reichte schon einer von dieser Sorte! Als ich mir den Schaum aus den Haaren wusch fragte ich mich, wie lange ich eigentlich schon hier im Wasser lag. Meine Hände waren schon schrumpelig. Machten sie sich schon Sorgen um mich? Durfte ich überhaupt mich hier so lange verkriechen? Aber es hatte ja schließlich auch niemand etwas gesagt davon, wie lange ich hier bleiben und mich entspannen durfte! Unschlüssig wie mein Tag weiter verlaufen würde beschloss ich, mich schnell zu Ende zu waschen und dann das Bad wieder zu räumen, sodass es andere auch noch benutzen konnten. Während ich mich abtrocknete fragte ich mich was ich tun sollte, sobald ich hier fertig war. Wohin sollte ich gehen? Wen konnte ich fragen? Ich griff nach dem Korb mit der frischen Unterwäsche und betrachtete einen Moment lang den Inhalt und wägte die Gründe dafür und dagegen ab sie anzuziehen. Dagegen sprachen zum einen, dass ich nicht wusste wem sie gehörte und was vorher damit gemacht wurde und zum anderen, dass ich am liebsten wirklich meine eigene Unterwäsche angezogen hätte. Doch ich wusste ja selbst, dass sie gewaschen werden musste. Gründe dafür waren zum Beispiel, dass ich lieber fremde Unterwäsche als wie gar keine Unterwäsche trug. Der Hauptgrund allerdings war, dass ich einfach keine andere Wahl hatte. Ebenso bei der normalen Kleidung. Ich musste das anziehen was ich bekommen hatte, ob es mir nun passte oder nicht. Wie zu erwarten war, schlabberte das T-Shirt an allen Seiten und auch die Hose saß ziemlich locker. Ich blickte in den Spiegel. Das Blau des Shirts passte zu dem Blau meiner Augen. Und auch gegen die Farbe der Hose konnte ich nichts einwenden. Schwarze Hosen konnten nie verkehrt sein. Unwillkürlich fragte ich mich, ob das alles ein großer Scherz sein sollte. In diesem Haus gab es Frauenunterwäsche – Gott weiß warum! – aber keine normale Frauenkleidung?! Wie sollte das zusammen passen? Wütend rammte ich meine Hände in die weichen Taschen der Hose und sofort wich meine Wut bei dem angenehmen Gefühl das ich ringsherum um meine Finger fühlte. Ich hatte mich soeben in diese Hose verliebt. Mit etwas Glück könnte sie der Boss vielleicht zurückbekommen. Aber freiwillig würde ich sie ihm bestimmt nicht mehr geben. Mit dieser Hose konnte ich den heutigen Tag sogar möglicherweise überstehen. Ich räumte alles wieder so gut es ging es zusammen und stieß mit einem glücklichen Lächeln im Gesicht die Tür auf, weil ich mich wieder sauber und in dieser Hose nun auch wohl fühlte. Mein Blick blieb an dem Kerl haften der lässig an der Wand lehnte und anscheinend auf mich wartete. Mein Lächeln erstarb und wich der Ungewissheit was nun auf mich zukommen würde. Kapitel 10: Kapitel 10 ---------------------- Ich blieb stehen und sah ihn einfach nur an. Mein ganzer Körper befand sich auf Alarmbereitschaft. Tief in meinem Bauch spürte ich, dass ich bald mehr erfahren würde. Und dass mir das, was ich erfahren würde, absolut nicht gefallen würde. Die Sekunden verrinnen. Doch je mehr Zeit verging, desto entspannter wurde ich. Es war immerhin unausweichlich. Immerhin brannte ich selbst auch darauf mehr über die vergangene Zeit zu wissen. Also heißt es Augen und zu und durch! Fast so als ob der Kerl gespürt hätte, dass ich nun bereit war drehte er sich zu mir. In seinem Gesicht konnte ich ein gequältes Lächeln ausmachen. Na wenigstens scheint es ihm genauso wenig leicht zu fallen wie mir. Das war ein kleiner Trost. Aber immerhin war es einer. Weil ich mich weigerte den ersten Schritt zu tun, wartete ich einfach ab bis er es tat. In der kurzen Zeit die mir verblieb, versuchte ich mich an seinen Namen zu erinnern. „Komm mit. Hier ist nicht der richtige Ort um uns über alles zu unterhalten.“, er reichte mir seine Hand in einer freundlichen Geste. Unsicher wie ich reagieren sollte, zögerte ich ein paar Sekunden, griff jedoch danach um nicht unhöflich zu wirken. Vielleicht konnte er ja selbst nichts dafür. Also durfte ich ihm nicht böse sein. Und nett war er auch zu mir. So beschloss ich einfach, dem fremden Jungen einen Vertrauensvorschuss zu geben. Einen enorm großen, wenn man einmal bedachte in welcher Situation ich mich befand. Die meisten Leute hätten mein Verhalten vermutlich als dumm und total leichtsinnig abgetan, doch was blieb mir denn schon groß anderes übrig? Abhauen ohne auch nur irgendwas zu wissen war noch dümmer. Also musste ich was in Erfahrung bringen. Dies ging leichter wenn die Stimmung im Haus einigermaßen gut war. Gefangen war ich sowieso. Und ich würde bestimmt mehr Freiheiten bekommen und besser behandelt werden wenn ich von meiner Seite her kooperierte und Kompromisse einging. Aufführen wie Sau konnte ich mich ja später immer noch. Während wir so nebeneinander hergingen – er führte mich an meiner Hand wie ein kleines Kind oder eine vornehme Dame, ich tippte eher auf das kleine Kind – lies ich in meinem Kopf die letzten Momente Revue passieren. Es lag in der Luft, dass mir gleich ein paar Fragen von ihm beantwortet werden würden, deshalb wollte ich mir nun schon im Vorhinein ein paar zurecht gelegt haben. Wo wir hingingen bekam ich nicht richtig mit, meine Gedanken rasten, doch plötzlich fiel mir sein Name wieder ein. Er heißt Tom! In dem Moment in dem mir sein Name wieder eingefallen war, stieß er vor uns eine Tür auf, führte mich hinein und verschwand wieder. Für ein paar Sekunden stand ich da wie eine Idiotin und fragte mich was jetzt abging. Das konnte jawohl nicht sein! Wütend stampfte ich auf. Ok, ruhig bleiben, versuchte ich mich selbst zu beruhigen. Verunsichert sah ich mich um. Ich war in einem Wintergarten gelandet. Ein Wintergarten auf dem Dach. Er war schön eingerichtet, viele Sonnenstrahlen drangen von draußen herein, der Himmel war zu sehen und es roch nach Blumen. Die Atmosphäre war angenehm. Ein richtiger Wohlfühlort. Doch das Wiedersprach sich doch, oder nicht? Ein Entführer, oder besser gesagt eine Entführergruppe besaß einen solchen Ort? „Wenn du dann endlich alles von meiner Einrichtung weggestarrt hast, könnten wir reden.“, ertönte eine Stimme die ich selbst aus 100 anderen Stimmen erkannt hätte. Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter. Ich schluckte schwer, als mir bewusst wurde mit wem ich mich nun schon wieder würde abgeben müssen. Ob dies nun möglich war oder nicht, meine Laune sank beachtlich. Und meine Wut stieg. Fast so als standen beide Positionen sich auf einer altmodischen Wage mit zwei Schalen gegenüber. „Dann sprich dich aus!“, spie ich ihm entgegen. Er sah mich an, seufzte und fuhr sich mit der Hand durch seine gepflegten Haare. „Was willst du wissen?“, entgegnete er mir ruhig. Argh! Jetzt fing er schon wieder mit solchen dämlichen Spielen an. Fast so als ob er mich bewusst verärgern wollte. Sichtlich genervt verschränkte ich die Arme vor der Brust und antwortete: „Alles.“ Hosted by Animexx e.V. 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