Dear Boss- Die Geschichte von Frederick Abberline von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Eine lange Nacht --------------------------- Es war der Abend des 30. August 1888, ich hatte einen langen Tag hinter mir, den ich mit Büroarbeit verbracht hatte.. Müde und an die Decke starrend lag ich in der Badewanne meines kleinen Mietapartment in der Baker street. Eine noble Gegend und für einen Inspektor eigentlich genau das Richtige. Wie ich durch einen Kollegen wusste spielten die Sherlock Holmes Romane überwiegend in der Baker Street. Nicht das mich dies sonderlich interessieren würde. Doch London war in vielerlei Hinsicht etwas besonderes. Es gab wohl keine Stadt in der Reichtum und Elend so nahe beieinander lagen wie hier. Während die obere Schicht der Gesellschaft bei rauschenden Bällen und Teeparties beisammen saßen, starben so viele Menschen in den ärmeren Vierteln der Stadt an Hunger, Durst und mangelnder Hygiene. Und kaum einen der oberen Gesellschaftsschicht interessierte es. Wiedem auch sei. Die Reichen wurden immer reicher und den Armen zog man das letzte Hemd aus. Und das kümmerte bei der Wirtschaftslage niemanden, denn London gehörte in diesem Zeitalter zu der wohl schillernsten Metropole Europas. Neben Paris wohlbemerkt. Nachdenklich nippte ich an meinem Glas welches gefüllt mit Französischem Absinth in meiner Hand ruhte. Ich war grade seit einem Jahr wieder in London gewesen. Nun ja nicht das Westminster nicht zu London gehörte, doch nun war ich wieder mitten drin, und es erfüllte mich mit Unbehagen. Ich wusste nicht wie lange ich in der Badewanne lag, doch nun spürte ich erst wie kalt das Wasser geworden war. „Abberline?!“ Brüllte jemand und hämmerte gegen die Türe. Das Klopfen lies mich aus meinen Gedanken aufschrecken und hatte zu Folge das sich das Badewasser in Bewegung setzte und den Boden benetzte als es über den Rand der Badewanne schwappte. „Einen Moment bitte“ antwortete ich gequält während meine Hände nach einem Handtuch griffen und mein Hirn damit beschäftigt war den Rausch des Absinthes zu widersagen um nicht auf dem nun nassen Boden auszurutschen. Die kleine Mietwohnung war wirklich nicht groß und das erkannte ich immer wieder aufs neue wenn ich das Chaos erblickte. Nach einem Seufzen meiner Seits setzte das Klopfen an der Tür wieder ein. Na wunderbar, dachte ich bei mir, möchte der werte Herr vor der Tür nicht gleich mit einem Rammbock die Wohnung stürmen? Wäre wohl besser. „ Inspektor.“ Kam noch einmal ungeduldig von draußen während ich meine Kleidung anzog und das Hemd zuknöpfte. Grade er noch einmal klopfen wollte, riss ich die Tür auf und die Faust des Polizisten ging ins Leere. Innerlich amüsiert zog ich meine Augenbraue hoch und richtete die Manschettenknöpfe. „Godley, was führt Sie zu mir“ fragte ich prüfend und blickte den mir bislang unbekannten an. „Das werden Sie noch früh genug sehen, Inspektor. Kommen Sie.“ Antwortete er etwas grunzend und außer Atem. Ein weißes Taschentuch lag in seiner Hand mit der er die schweißnasse Stirn abtupfte. Er sah aus als wäre er durch halb London gerannt, dabei lag meine kleine Wohnung nicht mal im obersten Stockwerk des Hauses, sondern vielmehr im ersten Stock. Und die Sommerhitze hatte auch nachgelassen, denn seit Tagen herrschten dunkle Wolken und Regen am Londoner Himmel. Gesagt getan, ich schloss die Türe ab, nahm zuvor noch meinen Hut und Mantel ehe ich mit dem Sergeant von dannen zog. Vor dem Haus stand die Kutsche des Scotland Yards, kein besonderes Transportmittel. Das Scotland Yard gab sich nicht sonderlich viel Mühe wenn es darum ging seine Angestellten möglichst bequem zum Einsatzort zu bringen. „Sie sind ein bisschen blass um die Nase“ stellte ich bei einem der Polizisten der Godley begleitet hatte fest. Ohne zu antworten schloss diese besagte blass-gesichtige Person die Tür der Kutsche. „Nun Ihnen wird noch das Lachen vergehen Inspektor.“ Nun schien sich auch Godley unbehaglich zu fühlen und ich fragte mich warum, doch reden wollte er offenbar auch nicht. Das einzige was er sagte war, dass ich es sehen würde wenn ich angekommen wäre. Neugierig blickte ich aus dem Fenster wohin die Reise wohl gehen würde, und nach einigen Minuten ahnte ich es. Whitechapel. Selbst durch die geschlossene Türe der Kutsche drang der Gestank Whitechapels an meine Nase. Es war ein undefinierbarer Gestank der erst erkennbar wurde wenn man sich genauer umsah. Unrat, Kot, Urin und hab verweste Tiere zierten die kleineren Gassen. Es war nunmal ein Gegend die man eigentlich eher meiden sollte. „Darf ich nun erfahren was wir hier suchen?“ fragte ich und hatte langsam dieses ~Sie werden früh genug sehen was los ist~ Spiel satt. Godleys Gesichtsfarbe änderte sich schlagartig als die Kutsche hielt. „Nun sehen Sie es“ murmelte er benommen öffnete die Türe, machte aber keine Anstalten mir zu folgen. Schaulustige hatten sich versammelt und einige Polizisten hatten Mühe diese zurück zuhalten. Es sprach sich nunmal schnell herum wenn etwas nicht stimmte. Und so viele Polizisten in dieser Gegend hatten die Bewohner Whitechapel´s schon lange nicht mehr zu Gesicht bekommen. „Mary Ann Nichols“ rief mir jemand zu und ich drehte mich in die Richtung. „Was?“ „Der Name der Nutte“ Meine Nackenhaare stellten sich auf. Ein recht junger Polizist, ein Grünschnabel, frisch von der Polizeischule titulierte die tote Nutte. Sicher würden viele sagen: Genau das war sie doch. Aber es gab wohl nettere Bezeichnungen für Frauen die einfach kein Glück im Leben gehabt haben . „Ich hoffe ich habe mich verhört“ raunzte ich den Polizisten an ehe ich auf die Leiche zu ging. Seufzend kniete ich mich nieder, blickte zu der Frau zu meinen Füßen, reckte meinen Kopf in die Höhe und lies meinen Blick schweifen. Buck's Row, so der Name der Straße. Es war zwar eine kleine Seitengasse, nichts besonderes aber trotzdem befanden sich auf jeweils beiden Straßenseiten Wohnhäuser. „Wurden die Anwohner befragt?!“ fragte ich und sah mich um, als Godley nun doch die Kutsche verlassen hatte um bei den Ermittlungen behilflich zu sein. „Ja, doch niemand hat etwas gesehen oder gehört.“ „Natürlich hat niemand etwas gesehen oder gehört. In dieser Gegend ist man alleine. Grade in dieser“ ich räusperte mich kurz „ Branche.“ Godley nickte nur zustimmend während ich mich weiter umsah. Ermordet... auf eine grauenhafte Art und Weise, die eher einer Schlachtung glich. Während der Untersuchung des Tatortes hatte sich Godley auf meine Anweisungen noch einmal an die beiden Männer gewendet die, die Tote gefunden hatten. „200 Meter bis zum Krankenhaus“ murmelte ich vor mich hin ehe ich wieder zu Godley blickte. „200 Meter bis zum Krankenhaus und niemand will etwas gesehen oder gehört haben. Entweder sie verschweigen etwas oder der Mörder kennt sich hier bestens aus“ stellte ich fest. Einige Stunden später lag die Tote bereits in der Gerichtsmedizin, die notdürftig und eher etwas sporadisch wirkte. Es wurde wohl eine lange Nacht. Godley war damit beschäftigt eine Zigarette zu drehen während ich ungeduldig wie ein Tiger im Käfig vor der Tür der Gerichtsmedizin wartete. Nach einiger Zeit wurde es mir jedoch zu Bund und trat einfach ein. Ich war Inspektor, ich musste wissen was los war, ich musste wissen ob es Hinweise gab. Zu meinem Entsetzen stellte ich fest, das der Gerichtsmediziner grade soweit kam um die Organe die fehlten bestimmen zu können ehe er nun blass auf einem Stuhl in der Ecke saß und in einen Eimer mit seinem Erbrochenen sah. Er blickte kurz auf, ekel und entsetzen standen in diesem Gesicht geschrieben und so schnell er auch aufgesehen hatte, so schnell blickte er nun wieder in den Eimer um sich ein weiteres mal zu übergeben. Hatte ich etwas verpasst? War dieser Mann nicht genau für so etwas ausgebildet worden? War das nicht sein Beruf? Godley war mir nun gefolgt und hatte hinter mir Stellung eingenommen. Ebenso verständnislos wie ich blickte er nun den Gerichtsmediziner an. „Wir brauchen einen Mediziner mit einem starken Magen“ flüsterte ich und Godley nickte nur ehe er sich abwendete und auf die Leiche zu ging. „Mary Ann Nichols, oder auch Polly genannt. Sie ist 43 Jahre und schlug sich die letzten Jahre als Prostituierte durchs Leben. Sie lebte in Arbeitshäuser und Pensionen. Sie hat einen Ex- Mann wie wir herausgefunden haben. William Nichols, er ist Druckmaschienenbauer. Er hat Mary Ann Nichols verlassen als Stimmen laut wurden das Sie eine Affäre mit einem anderen Mann hatte. Doch William Nichols hatte sie dann verlassen wegen einer Krankenschwester. Nach einem Jahr folgte dann die standesgemäße Scheidung. Sie hatte keine feste Unterkunft. Mietete sich immer wieder in Pensionen ein. Und heute morgen wurde sie dann gegen 3.40 Uhr in der Buck´s Row von Charles Cross und Robert Paul gefunden.“ erklärte Godley das bisher bekannte über den Fall. „Sie sagten 3.40 Uhr. So weit ich weis waren Constable Thain und Sergeant Kerby in der Nähe gewesen, ungefähr zum selben Zeitpunkt. Und von den beiden will auch niemand etwas gehört oder gesehen haben?“ Das ganze war einfach merkwürdig. Zwei Angestellte des Scotland Yards waren in unmittelbarer nähe und niemand möchte etwas gehört haben. Wohnhäuser mit bis zu zwölf Personen in einem Raum unmittelbar in der Nähe und niemand möchte etwas gehört oder gesehen haben. Entweder verschwiegen die Personen etwas, oder der Mörder hatte mit solch einer Präzession gearbeitet und hatte das alles geplant. In Gedanken ging ich noch einmal jedes Detail durch das Godley genannt hatte. Und dann hatten wir wenigstens einen Anhaltspunkt gehabt, und konnten schon einmal einen potentiellen Verdächtigen ausschließen. „Ich nehme an der Ex-Mann war es nicht“ murmelte ich nur leise als mir ein Zeitungsartikel wieder einfiel das William Nichols vor ein paar Monaten Selbstmord begangen hatte, nachdem seine kleine Druckmaschienenfirma den Bach runterging und rote Zahlen schrieb. Zumal würde ich ein Gentleman wie er es war, sicher nicht 8 Jahre nach der Scheidung seine Ex-Frau ermorden. Doch während ich so grübelte und mir die Leiche der Frau ansah, fiel mir etwas in ihrer Hand auf. Es sah aus wie Stiele einer Frucht. Behutsam nahm ich die Hand der Toten und drehte diese vorsichtig, so das die Handinnenfläche nach oben zeigte. Fest umschlossen ruhten diese Fruchtstiele in ihrer Hand. Es schien als wäre das sozusagen ihr letzter Halt gewesen, während der Mörder auf sie einstach. „Traubenstiele“ murmelte Godley während ich meine Entdeckung fast schon etwas triumphierend ins Licht hielt. Trauben waren zu dieser Zeit sehr teuer, genau wie alle anderen Obstsorten. „Bleibt nur die Frage- Wie kommt eine Prostituierte an Trauben?“ fragte ich Godley der ebenso ratlos auf die Traubenstiele sah. Doch ich ahnte es ja bereits- es würde eine lange Nacht werden Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)