Il mostro von _shinya (She belongs to fairy tales that I could never be.) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- il mostro. Sanfter Wind. Leises Wasserrauschen. Unnötig tiefe Atemzüge. Nichts vermochte mich zu beruhigen, auch nicht die Ruhe um mich. Dass es Stille für mich nicht gab war etwas womit ich mich lange abgefunden hatte. Stille beruhigte nicht, sie machte Lebewesen Angst. Menschen. Tieren. Vielleicht sogar den Pflanzen. Machte es mich also zum Lebewesen, dass es Ruhe bedurfte um mich zu beruhigen? Dass ich die Stille, die ich sowieso nicht haben konnte nicht wollte? Am Ende war das wohl nicht wichtig. Langsam, fast mit Bedacht öffnete ich meine Augen, ließ den Blick in die Weite schweifen. Von hier hatte ich einen Ausblick über die Stadt unter mir, über die überall angrenzenden Wälder, die Wege. Es war dunkel, doch das kümmerte mich nicht. Meine Sicht war durch die Dunkelheit in keiner Weise eingeschränkt. Die vereinzelten Wesen auf den Straßen der Stadt huschten eilig von Laterne zu Laterne, fast als wüssten sie um die Gefahr die ständig um sie lauerte. Seufzend schüttelte ich den Kopf bei diesem Gedanken. Die einzige Gefahr in der näheren Umgebung ging wohl von mir aus. War nicht genau das der Grund aus dem ich hier stand? Unbeweglich wie eine Statue, seit Stunden, mittlerweile Tagen. Das Gefühl in meinem Hals, meiner Kehle sagte mir deutlich, dass ich es nicht ewig überstehen würde. Mein Kopf sagte mir, dass ich musste, denn ich hatte Angst. Welche Ironie. Das Monster der Familie - das schwarze Schaf - fürchtete sich. Vor sich selbst. Vor dem was es tun könnte, was es tun würde, ließe man es frei. Einmal mehr war mir meine Schwäche vor Augen geführt worden. Ich sollte Scham empfinden, mich vor mir selbst ekeln. Im Moment war ich zu alledem nicht in der Lage. Ein weiteres Mal glitt mein Blick ziellos über ein Haus nach dem anderen. Ich mochte die Stadt, ihre Bewohner. Selten kam ich an einen Ort der zufriedenere, glücklichere Menschen beherbergte. Umso mehr fühlte ich mich fehl am Platz. Erneut die Augen schließend suchte ich nach dir, nach der mir so vertrauten Nähe deiner Gefühle. Unzählbar scheinende, unzusammenhängende Empfindungen strömten auf mich ein. Liebe. Hass. Erstaunen. Freude. Leid. Trauer. Lust. Die Impressionen einer Kleinstadt. So sehr mich diese in eine Faszination ziehen konnten, so sehr hasste ich den Gedanken, dass deine sich nicht unter den hunderten, Großteils unzuordenbaren Gefühlen befanden. Alleine deine Nähe konnte ich auf Entfernungen fühlen, von denen andere nicht zu träumen wagten. Allein deine. Wo warst du? Wusstest du überhaupt, wie sehr ich dich bei mir brauchte? Dass deine Abwesenheit mir Angst machte? Angst vor mir, vor dem Monster in mir, vor der Leere in mir, an der Stelle die deine Emotionen in mir ausmachten? Warst nicht von Beginn an du diejenige gewesen, die mich fand? Immer, überall. Ich konnte mich auf dich verlassen. Warst du dir bewusst darüber, was du mir antatest? Körperlich. Seelisch. She belongs to fairy tales that I could never be The future haunts with memories that I could never have Bevor ich dich kennenlernte war ich nicht abhängig. Von nichts. Von niemandem. Nie. Abhängigkeit bedeutete Schwäche und Schwäche den Tod, wenn nicht schlimmeres. Aber vielleicht hatte ich einen Fehler, schlimmer noch als einfache Schwäche. Doch kann etwas schlimm sein, das mich am Ende zu dir geführt hat? War es nicht meine Wehrlosigkeit gegenüber schöner Frauen die mich zu dem machte, vor dem ich mich heute fürchte? Wenn ich nur daran denke wie zart und zärtlich du schon immer warst und den Gedanken - nein, die Tatsache - gegenüberstelle, dass ich nichts als ein grober Schlächter war, dann kann ich verstehen, warum du jetzt nicht bei mir bist. Aber warum wartetest du auf mich, an dem Tag an dem wir uns kennenlernten. Warum bliebst du bei mir, Jahrzehnte lang? Keiner der Familie weiß, wie langsam sich alles zwischen uns entwickelt hat. Niemand ahnt auch nur, wie sehr du dich um mich kümmern musstest, wie sehr du um mein Vertrauen und schließlich meine Liebe kämpfen musstest. War es schlussendlich falsch sie dir zuzugestehen? Sorge. Eine Welle unglaublich tiefer, aufrichtiger Sorge überkam mich und ich brauchte einen Moment um zu realisieren, dass es sich nicht um mein eigenes Empfinden handelte. Im selben Augenblich in dem ich ihn bemerkte berührte er mich leicht an der Schulter. Er wusste was in mir vorging. Außer dir war er wohl der einzige, der mich verstand. Vielleicht nur weil seine Gabe ihn dazu zwang. Aber er tat es. „Sie kommt wieder.“ Nur dieser Satz, mehr sagte er nicht und doch drückte es alles aus, was er empfand, was er hoffte. Ich war mir nicht sicher, ob ich die Hoffnung nicht schon aufgegeben hatte. „Du weißt wo sie ist.“ Ich brauchte keine Antwort, ich wusste es auch so. Trotzdem nickte er sachte. Er rang mit sich, war sich unsicher ob er sagen sollte, weswegen er zu mir gekommen war. „Komm zurück zu uns ins Haus. Du wirst ihre Rückkehr auch dort bemerken. Wir alle machen uns Sorgen um dich.“ Seine Stimme klang kontrolliert und ruhig, doch so gut er seine Gefühle äußerlich zu beherrschen mochte, so sehr tobte der Sturm in ihm. Die Sorge galt nicht nur mir, er konnte es nicht verstecken. Sie galt auch dir. Und all den Menschen, die sich mittlerweile in ihre Häuser geflüchtet hatten. „Ich kann nicht.“ Warum konnte er nicht auch diese Leere in mir fühlen? Warum machten ihm meine Gedanken nicht klar, wie sehr mich der leere Fleck in mir quälte? Auch wenn ich der Überzeugung war, er wäre der einzige außer dir, der mich verstehen könnte, schlussendlich konnte auch er es nicht. Weil Gedanken Gefühle auch nicht besser auszudrücken vermochten als Worte. „Du irrst dich.“ Ich wollte nicht antworten, wusste was er sagen wollte. Alles was ich erwiderte war ein sachtes, lustloses und vor allem nonverbales Drängen nach einer näheren Erklärung, wohl mehr aus Höflichkeit, Gewohnheit als Neugierde. „Als wir diesen Ort ohne Bella verlassen haben, als ich sie verletzt habe um ihr glaubhaft zu machen dass ich sie nicht bei mir wollte, ich habe mich leer gefühlt. So schrecklich dieses Empfinden war, so war es nichts gegen die Stunden in denen ich sie tot geglaubt habe. Ich weiß wie es sich anfühlt wenn der wichtigste Teil an dir nicht greifbar scheint und eine Wunde in dir hinterlässt. Und ich verspreche dir, sie wird wiederkommen.“ Wie gerne würde ich ihm glauben, wieder hoffen. Aber du warst so lange weg, du sagtest nichts. Es wusste wohl nur einer wohin du verschwunden warst und mir fehlte jede Kraft für eine Auseinandersetzung. Die ganze Zeit über hatte ich meine Augen geschlossen gehalten, jetzt öffnete ich sie zum zweiten Mal in dieser Nacht und starrte erneut ohne ein Bestimmtes Ziel ins Nichts. Genau konnte ich mich an den Moment erinnern, als du auf mich zugestürmt kamst, mich stürmischer küsstest als jemals zuvor, ehe du dich von mir abwandtest und liefst, mich sprachlos und mit dem langsam schwindenden Eindruck deiner Verzweiflung zurücklassend. Lange lief ich deiner Spur nach, versuchte ich dich einzuholen, doch du ließest mir keine Chance. „Jasper.“ Die Eindringlichkeit in seiner Stimme beeindruckte mich nicht. „Ich will und werde dich nicht zwingen mit mir zu kommen, aber du musst zumindest jagen!“ Ja, das sollte ich. Aber ich hatte Angst jemanden dabei zu verletzten. Die Furcht vor dem Monster in mir. Vor dem dunklen Geschöpf, das nur du im Griff hattest. Es gehorchte dir aufs Wort, fast wie ein gut erzogener Hund. Auf mich hörte es nicht. „Du hast dich im Griff, auch ohne sie.“ Nein, das hatte ich nicht, egal was er behauptete. Vielleicht hätte ich eine Möglichkeit es zu besiegen, wenn nicht dieses Loch in meinem Inneren wäre, doch in diesem Zustand? Das konnte ich ihnen nicht antun. Nicht meiner Familie. Nicht den Menschen. „Ich werde bei dir sein. Du weißt dass deine Gedanken dich verraten würden, ehe du die Möglichkeit hättest mir auszuweichen.“ Wir beide waren uns bewusst darüber dass er log. Er war schnell. Schneller als ich, aber ich war stärker. Er würde mich nicht aufhalten können. „Du bist gefährlicher für sie“, er deutete in Richtung der Häuser, „wenn du in deinem Zustand und durstig hier stehst, als auf der Jagd, tief im Wald.“ Er appellierte an mein Monster, mit Erfolg. Ich musste auf mich vertrauen. Und auf dich, auch wenn du nicht bei mir warst. Maybe she will save me in the oceans of her dream Langsam wandte ich mich um, blickte ihm entgegen. Er kannte meine Entscheidung, war zufrieden und beruhigt darüber, dass ich Einsicht gezeigt habe. Ein letztes Mal werfe ich einen Suchenden Blick über Bäume wie Häuser und verlassen meinen Standplatz schließlich endgültig. Deutlich fühle ich das ehrliche Bedauern, welches von ihm ausging. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er mich auf meinem Aussichtsposten verharren lassen. Vielleicht wusste er doch mehr über meine Gefühle als ich zu hoffen wagte. Ohne einen Laut zu erzeugen und ebenso Stumm liefen wir nebeneinander tiefer, immer mehr in die Wildnis. Ich sollte erleichtert sein und war es auch und trotzdem versetzte es mir einen schmerzhaften Stich als mir klar wurde, dass er mir nicht so sehr vertraute, wie es den Anschein machte. Mit keinem Wort reagierte er auf meine Gedanken, doch fühlte ich deutlich, dass ich ihn verletzt hatte. Es kümmerte mich nicht. Minuten später wurden seine Schritte langsamer, ehe er mich fragend anblickte. „Fühlst du dich sicher hier?“ Ich fühlte mich nirgendwo sicher. Nicht ohne dich. Stumm senkte ich meinen Blick, darum wissend, dass er die Antwort meinen Gedanken entnahm. Er deutete sie als Zustimmung. Er kam einen Schritt näher, stand nun noch einen knappen Meter entfernt von mir. „Ich vertraue dir.“ Er meinte seine Worte ehrlich. „Aber ich vertraue mir nicht.“ Auch ich log nicht. Tiefe Zuneigung kam mir entgegen und ich merkte wie ein winziger Teil meiner Anspannung von mir abfiel. „Ich werde aufpassen. Auf dich und auf alles dem du zur Gefahr werden könntest.“ Er nahm sich viel vor. Trotzdem nickte ich abgehackt, während ich meine Angst zurückkehren fühlte. Einen kurzen Moment blieb ich bewegungslos stehen, zittrig atmete ich ein, ehe ich es wagte die Gerüche um mich bewusst wahr zu nehmen. Nur zögerlich erlaubte ich meinen Instinkten die Oberhand zu gewinnen. Ich nahm Gerüche und Gefühle in mich auf, schaltete mein rationales Denken ab, vergaß meine Furcht und die Tatsache, dass du nicht bei mir warst. Kein Teil meines Körpers reagierte auf etwas anderes als die tierischen Triebe des Monsters in mir. Mit keiner Faser spürte ich, wie ich zu laufen begann, wie ich mich umwandte, unentschlossen welche Richtung zuerst einzuschlagen war. Fließende Bewegungen trieben mich voran, schneller als ich jemals gelaufen war, ausgehungert und meinen Trieben ausgeliefert. Ich wollte schmecken, womit ich so lange meinen Gaumen nicht benetzen durfte. Wollte fühlen was mir so lange verwehrt geblieben war. In keinem Moment formte sich mein Verlangen zu Gedanken, so sehr war ich von meinem inneren Tier besessen. Ungehindert und unaufhaltsam sprintete ich immer tiefer in die Wälder, folgte nur noch dem zart-süßen Geruch, den ich nicht verfolgen sollte doch ich hatte keine Aussicht ihm zu entkommen. Plötzlich schien es, als würde er mich umgeben, die Süße, die Wärme, der unvergessliche Duft menschlichen Blutes. In diesem Moment fühlte ich etwas auf mich zukommen. Ich würde mich nicht abhalten lassen, von nichts. Von niemandem. Ich wünschte meinem Verfolger den Tod noch ehe ich wusste, wer er war. Der Krieger, der Schlächter in mir erwachte mit einem Schlag, begann sich gleich neben dem Monster zu regen. Noch war der Fremde nicht nah genug, doch spürte ich schon die Absicht, die sein herannahen begründete. „Jasper!“ Ein Knurren, mehr antwortete ihm nicht. Er sollte sich der Folgen bewusst sein, mich von meiner Beute fernhalten zu wollen! Mein bedrohlicher Laut schien sein Ziel verfehlt zu haben, denn der unbekannte hinter mir wurde noch schneller, war mir mittlerweile so nah, dass ich seinen Geruch wahrnahm. Es brachte mich einen Moment ins Wanken. Das war kein Unbekannter. Er wollte mich beschützen. Wovor? Ich wusste dass etwas falsch war, dass die Situation aus dem Ruder gelaufen war, doch bevor ich den Grund für diese Erkenntnis fassen konnte war mir der gesamte Gedankenstrang entschlüpft und ich wandte mich um, blickte meinem Gegner ins Gesicht und holte zum Schlag aus. Der Krieger wusste was zu tun war um auch das Monster schnellstmöglich zufrieden zu stellen. Mein Gegenspieler schien dies allerdings verhindern zu wollen. Seine Arme schlossen sich um meinen Brustkorb, versuchten mich festzuhalten, mir die Bewegungsfreiheit der Arme zu nehmen. Ich ließ ihm diese Möglichkeit nicht, sondern zog ihn über meinen Kopf, ehe er seine eigenen Hände auf meinem Körper platzieren konnte. Ein aggressives, kampfbereites grollen kam mir über die Lippen, als ich ein weiteres Mal nachsetzte und ihn mit gesamter Kraft durch den Wald schleuderte und mich noch in derselben Bewegung wieder in Richtung des himmlischen Wohlgeruchs wandte und zu laufen begann. So schnell er auch war, ein weiteres Mal würde ich mich nicht einholen lassen. Sie waren zu zweit, in einem kleinen, engen Kunststoffzelt. Sie waren jung, ihr Blut voller Hormone, die sie noch anziehender wirken ließen. Sie schliefen, würden keine Zeit haben zu schreien oder versuchen Gegenwehr zu leisten. Mit der Zunge benetzte ich meine Lippen, lächelte vorfreudig, als ich mich der kleinen Lichtung näherte, die meine Opfer als Schlafplatz gewählt hatten. Nur Sekunden bevor ich mein Ziel erreichen konnte fühlte ich, wie mein Verfolger erneut zu mir aufschloss. Diesmal kümmerte ich mich nicht weiter darum, ich wusste dass er nicht rechtzeitig hier sein würde. Kaum hatte ich diesen Gedanken vollendet trat ich zwischen den Bäumen hervor und betrachtete das rote Zelt, das in der Dunkelheit vom Waldboden aufragte. Schnellen Schrittes umrundete ich die Unterkunft meiner Opfer, riss ohne mir weiter Gedanken zu machen die dünne Plane in Fetzen. Wie erwartet erwachten sie nicht davon. Zum dritten Mal in dieser Nacht entflieht meiner Kehle ein knurren, doch dieses war vorfreudig. So nah vor ihnen zu stehen machte mich beinahe wahnsinnig. Ich vergeudete keinen weiteren wertvollen Augenblick, sonder beugte mich über das Mädchen, deren Blut noch um so vieles süßer roch als das ihres Begleiters. Sachte, fast zärtlich strich meine Zunge über ihren Bauch, der durch ihr verrutschtes Shirt hell in der Nachtluft schimmerte. Sie regte sich, doch ich nahm ihr jede Gelegenheit zu reagieren. Ein schneller, präziser durch meine Zähne durchgeführter Schnitt ließ sie verstummen, ehe sie rufen konnte. Ihr Blut, ihr Leben floss aus ihr. Ein Schaudern durchfuhr sie als ich meine kalten Lippen an ihre Wunde legte, den Geschmack ihres Lebenssaftes genoss. Das Mädchen rang nicht lange mit dem Tod, doch ihr Blut floss weiterhin warm, sündhaft süß über meine Lippen, meine Kehle und wärmte meinen Körper. Ich blendete meine Umgebung aus, konzentrierte mich nur auf das Gefühl, das sich in mir ausbreitete. Doch plötzlich war er wieder da. Bedrohlich grollend Blickte ich auf, direkt in seine dunklen Augen. Sie verwirrten mich für einen kurzen Moment, der doch lang genug war um meine Umwelt wieder wahrzunehmen. Seine Gefühle trafen mich mit unvorstellbarer Wucht. Sein Schmerz, die Enttäuschung, Trauer und vor allem die Selbstanklage, die in jeder dieser Emotionen mitschwang. Ich hielt meinen Atem an, als mich Übelkeit überkam, als mir bewusst wurde, was geschehen war. Er sah wohl, dass ich wieder klar sehen konnte, dass es mir gelungen war meinen Instinkten zu entfliehen, denn er kam näher. Langsam, bedächtig. „Jasper. Komm weg von hier.“ Erschütterung lag in seiner Stimme, doch ich konnte mich nicht bewegen, konnte meinen Blick nicht von dem Mädchen lassen, das ich getötet hatte. Das Entsetzen in ihrem von blonden Locken gerahmten Gesicht brannte sich in mein Gedächtnis, verhinderte dass ich gehen konnte. Nur am Rande nahm ich wahr, wie sich auch andere näherten. Es war nicht wichtig für mich. Ich hatte wieder getötet. Ich hatte einen Menschen getötet. Mit ungreifbarer Heftigkeit traf mich die Sicherheit, dass ich dich spätestens jetzt verloren hatte. Selbst wenn du zurückkehren solltest, so würdest du mich nicht mehr wollen. Ich hasste mich selbst. Die gleichen Emotionen wie nur wenige Minuten zuvor prasselten auf mich ein, doch vielmal verstärkt. Ich war nicht mehr in der Lage die Empfindungen anderer und die meinen zu trennen, die Welt schien in ein einziges Chaos zu versinken. Als jemand auf mich zu kam hisste ich erschrocken auf. Der Laut erinnerte sogar mich selbst an einen geschlagenen Hund. Der Klang der näher kommenden Schritte löste etwas in mir aus, doch ich vermochte es nicht zu benennen. Die zarte, schmale Hand an meinem Rücken beruhigte mich nur wenig. All das beeindruckte mich nicht. Es war das Gefühl nicht mehr geteilt zu sein, wieder vervollständigt zu sein, das mich aus meiner Starre holte. Ich blickte in deine Augen. Sah den Schmerz den du fühltest, sah das bedauern, spürte die Angst. Den Schrecken als du die Veränderung in den meinen erkanntest. Das Brennen unter meinen Lidern sagte mir, dass ich weinen würde, wenn ich könnte. Ich schämte mich, konnte dich keinen Moment länger ansehen. Wishing I could find a way to wash away the past Knowing that my heart will break but at least the pain will last Es hätte nicht so weit kommen dürfen, ich hätte mich nicht in eine Abhängigkeit begeben dürfen. Liebe. Basierte sie auf Abhängigkeit? War es vielleicht nie Liebe gewesen, die dich zu mir gezogen hatte, die uns zusammen schweißte? War es meine Schwäche, die Tatsache dass ich ohne dich nicht der sein konnte, der ich sein wollte? Dass Mein inneres Monster nur bei dir der zahme Hund war? Eine erneute Welle der Scham überkam mich, die Verachtung vor mir selbst wurde immer größer. Ich wünschte mir die Zeit zurückdrehen zu können, zu dem Tag als wir uns trafen, zu dem Tag an dem ich dir mein Herz schenkte. Zu dem Moment, der Liebe für mich falsch definierte. Vielleicht war dieser Moment die Strafe für meine Blindheit. Zierliche Arme schlangen sich um mich. „Komm mit mir“, wisperte deine unverwechselbare Stimme an meinem Ohr. Lockend. Sachte. Ich gehorchte ihr, wie ich dir gehorchte. Weil ich dafür geschaffen wurde, dein zu sein. Nur undeutlich nahm ich den Wink wahr, den du dem Rest der Familie gabst. Erst jetzt bemerkte ich, dass alle gekommen waren. Auch sie gehorchten und du zogst mich in die Höhe, dein kleiner Körper dich an meinem und zogst mich weg von diesem Schrecklichen Ort. Die Anderen würden sich wohl darum kümmern, dass keine Spuren zurück blieben. Willenlos ließ ich mich von dir führen, bemerkte erst als du stehen bliebst wo wir waren. Wusstest du darum, dass ich Tagelang hier stand und auf deine Rückkehr wartete? Kein Wort verließ deine Lippen, du kamst nur näher und sahst mich an. Dein Blick war undurchdringlich, deine Gefühlswelt ein Durcheinander. Ich konnte dich nicht lesen und fühlte mich schon wieder als wärst du nicht da. Ohne ein Vorzeichen dafür zu geben, schlangst du plötzlich erneut deine Arme um mich, drücktest mich mit all deiner Kraft an deinen Körper. Du scheinst diese Berührung gebraucht zu haben um deine Emotionen zu definieren, denn nun kristallisierten sie sich aus der vorherrschenden Konfusion heraus. Trotzdem verstand ich nicht. „Es tut mir leid.“ Deine Worde waren leiser als ein Flüstern, wären für Menschliche Ohren nicht zu vernehmen gewesen. „Es tut mir leid.“ Immer wieder wiederholtest du diese Worte, bis ich die Kraft dazu aufbrachte meine Arme zu heben, die Umarmung zu erwidern. Du fühltest wohl, dass ich wie mechanisch handelte, denn mit einem Mal sahst du auf, bemerktest dass ich unverändert apathisch in eine Richtung starrte. Zärtlich umfingen deine Finger nun mein Gesicht, nachdem sie sich von meinem Rücken gelöst hatten. Es brauchte keine Gewalt um meinen Kopf in eine Haltung zu bringen, in der ich dein Gesicht sehen konnte. „Jasper. Bitte sprich mit mir. Bitte verzeih mir.“ Verzweiflung und Flehen lag in ihrer Stimme. „Ich hätte dir sagen müssen wohin ich gehe, ich hätte dich nicht allein lassen dürfen ohne dir den Grund zu nennen!“ Nein, das hättest du nicht, doch es ändert nichts. Vielleicht war es auch gut so, denn nun weiß ich wie schwach ich wirklich bin. Doch eines gab es, das ich wissen musste. „Liebst du mich?“ Deine Verwirrung spiegelte sich in allem an dir wieder und doch antwortetest du, ohne zu zögern. „Ja.“ Ich schüttelte den Kopf, wusste selbst nicht warum. „Ich habe Angst. Vor mir selbst, du bist die einzige die das weiß und du bist die einzige, die mich unter Kontrolle halten kann. Du weißt das, du weißt, dass ich dich brauche. Dass ich dich liebe und dass ich dich brauche.“ Ich schloss meine Augen, wollte dich nicht mehr ansehen müssen als ich meine Frage wiederholte: „Liebst du mich?“ Ich hatte dich verletzt. Das spürte ich deutlich, doch wusste ich nicht weshalb. Deine nächsten Worte machten es mit klar. „Wie viele Jahrzehnte sind vergangen seit ich dir zum ersten Mal gesagt habe, ich würde dich lieben? Wie oft in den Jahren bis heute habe ich dir immer wieder gesagt, was du mir bedeutest? Du bist es, der sich immer meiner Gefühle sicher sein kann, denn für dich genügt ein Augenblick um die Wahrheit herauszufinden. Du bist derjenige, der die Gefühle aller kennt, warum glaubst du ausgerechnet meine nicht zu kennen, wo sie doch die sind, die du am besten kennst?“ Ich hatte dich nicht nur verletzt, ich hatte dich auch enttäuscht. Zutiefst getroffen löstest du dich von mir, begannst erneut zu sprechen. „Warum denkst du ich würde dich nicht lieben? Glaubst du tatsächlich ich wäre selbstlos genug mein Leben damit zu verbringen denjenigen der glaubt mich zu brauchen glücklich zu machen ohne selbst glücklich dabei zu sein?“ Ich fühlte mich wie geschlagen. Jedes deiner Worte war berechtigt und wahr. Ich erkannte, dass ich einen Fehler gemacht hatte, einen fatalen Fehler. Und doch fiel es mir noch schwer daran zu glauben, zu tief saß der Schock über deine Abwesenheit und über meine Tat noch, als dass ich es hinter mir lassen könnte. „Kannst du mich denn jetzt noch lieben? Jemanden, der sich selbst hasst. Jemanden der tötet, weil er sich alleine nicht im Griff hat.“ „Wenn du dich verurteilst heißt das nicht, dass ich es auch tue.“ „Ich hatte Angst, dass du nicht mehr zurück kommen würdest. Ich hatte Angst weil ich alleine war, weil du nicht da warst, weil ich deine Nähe nicht spüren konnte.“ „Es tut mir leid.“ Langsam erwachend war nun ich es, der auf dich zuging, deine Wange berührte. Schließlich wagte ich es, dir die Frage zu stellen, die mir auf der Zunge brannte. „Wo warst du?“ Warum hörte man meine Verzweiflung immer noch so deutlich, dass es dir Schuldgefühle bereitete? „In Italien. Aro wollte etwas mit mir besprechen und bat mich alleine zu kommen.“ Das war nicht alles, das konnte ich deutlich spüren, doch war ich froh, dass sie mich zumindest zum Teil informierte. „Du hättest mich nicht gehen lassen. Es wäre gefährlich gewesen, wäre ich nicht alleine gegangen.“ Dass mir klar war, dass die Gefahr auch so groß gewesen war musste ich dir nicht sagen. Für den Moment beruhigte mich was du mir anvertrautest, später würdest du auch den Rest erzählen, darauf konnte ich vertrauen. Als du erneut dazu ansetztest, dich zu entschuldigen, legte ich dir sachte einen Finger auf die Lippen. Ich konnte es nicht ertragen. Du hattest nichts falsch gemacht. Außerdem wollte ich von hier weg, bevor die ersten Menschen aus den Häusern kommen würden. Ich war im Moment gefährlicher als alles andere. Trotzdem ließ ich mir den Moment Zeit dich zu küssen. Zärtlich und mit aller Liebe die ich aufbringen konnte legte ich meine Lippen auf deine, hörte und spürte dein erleichtertes Seufzen. Uns beiden war klar, dass die Auswirkungen der heutigen Nacht noch nicht vorhersehbar waren, doch zugleich wussten wir, dass sie möglicher Weise fatal werden konnten. Für einen kurzen Augenblick erlaubten wir uns aber, alles zu verdrängen, ehe wir die Hand des jeweils anderen ergriffen und gemeinsam aufbrachen. Ich musste mich meiner Familie stellen. Und dem was ich getan habe. Dass du wieder bei mir warst gab mir Kraft. Surely she will save me in the oceans of her dream Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)