All Your Other Ways von -Moonshine- ================================================================================ Kapitel 14: - John - -------------------- John runzelte die Stirn. Diese Reaktion hatte er nicht erwartet. Einen kurzen Moment lang sahen sie sich beide an und John las in ihren Augen die blanke Furcht, einen Schock, der über ihr ganzes Gesicht gezeichnet war. Was hatte sie so erschreckt? "Liz, alles klar?" Er machte sich Sorgen. Liz war den ganzen Abend schon so komisch gewesen. Er wusste nicht, wie er sich ihr gegenüber verhalten sollte, ihre Launen wechselten von Sekunde zu Sekunde. Liz machte den Mund auf, bekam aber keinen Ton heraus. Dann schüttelte sie wieder den Kopf und schob das kleine Samtkästchen von sich weg. "Ich will das nicht", brachte sie heiser hervor und John hatte das Gefühl, dass sie sich sogar davor fürchtete, die Schatulle anzufassen. Langsam dämmerte ihm, was mit ihr los war - und er fand es keineswegs schmeichelhaft. Er nahm die Schatulle an sich und öffnete sie energisch. "Das ist nur ein Anhänger, Liz", erklärte er, wobei er versuchte, seinen Ärger im Zaun zu halten. "Nicht die Büchse der Pandora." Liz starrte noch eine Weile auf den orangefunkelnden Löwen, bis John das Kästchen wieder zuklappte und auf den Tisch stellte. "Ich weiß auch nicht", sagte er verdrießlich, "warum sie mir ausgerechnet diese Verpackung gegeben hat. Wahrscheinlich dachte sie, es sei etwas Besonderes." Aber das konnte er ja jetzt abhaken. Niemals würde er diesen Gesichtsausdruck vergessen, der ihm alles sagte, was er wissen musste: Liz wollte ihn nicht. Zumindest nicht so, wie er sie wollte. Sie fasste sich an den Kopf und massierte ihre Schläfen, während er schwieg. "Tut mir leid, John", entschuldigte sie sich, aber es klang erschöpft und nur halbherzig. "Ich dachte... Ach, ich weiß auch nicht." "Aber ich", erwiderte er brüsk. "Du dachtest, es wäre ein Ring." Dieses Statement ließ er über ihnen in der Luft schweben, erdrückend und unheilvoll. Liz widersprach nicht. "Warum schenkst du mir überhaupt etwas?", fuhr sie ihn dann selbst etwas unbeherrscht an. "Ich hab nichts für dich." Er lehnte sich zu ihr über den Tisch und sah sie scharf an. Um ihre Lautstärke zu kompensieren, raunte er ihr leise zu: "Darum geht es doch gar nicht. Ich wollte dir eine Freude machen. Und du warst kurz davor, aufzuspringen und das Land zu verlassen. Wäre es wirklich so schlimm, wenn sich hier drin ein Ring befunden hätte?" Er nahm das Kästchen wieder in die Hand und schwenkte er verärgert hin und her. Sein Blick traf auf kühle, braune Augen, einen plötzlich reservierten Zug um den Mund. "Das ist nicht meine Welt, John. Ich möchte nicht so ein spießiges Leben führen", antwortete sie ruhig, aber ihre Stimme zitterte von unterdrückter Wut. "Und in diese Richtung möchtest du doch?" Er runzelte die Stirn. "Was?" "Du willst so was - heiraten, Haus bauen, und so weiter. Oder etwa nicht? Du bist der Typ dafür. Aber ich - ich nicht!" John konnte sich jetzt kaum zurückhalten. Wären sie nicht in der Öffentlichkeit - er hätte ihr durchaus seine Meinung dazu gesagt. Aber es wäre einfach unfein, in einem Restaurant einen Streit anzufangen. "Ach ja? Bin ich das?", murmelte er wütend. "Und was sagt deine begnadete Psychoanalyse zu dir selbst?" Liz funkelte ihn erbost an. "Ja, natürlich hast du Recht. Jemanden zu finden, der zu einem passt und den man liebt - warum sollte das auch nicht mein Ziel sein?", fragte er sie ernst. "Aber willst du mir vielleicht erzählen, dass du nicht so denkst? Dass du dein Leben alleine verbringen willst, bloß, weil du zu viel Angst davor hast, in der Menge unterzugehen?" Ihr Gesicht veränderte sich für den Bruchteil einer Sekunde, in der er merkte, dass er sie gekränkt haben musste. Sanft, in der Hoffnung, sie würde sich überzeugen lassen, fügte er hinzu: "Ich kenne dich doch. Wir sind nicht so verschieden, wie du glaubst, Liz. Das muss dir doch auch klar sein?" Sie wich seinem Blick aus, schloss kurz die Augen und atmete durch. Dann schüttelte sie resigniert den Kopf. "John, du hast dir die Falsche für deine Ziele ausgesucht. Es war ein Fehler, sich mit dir einzulassen. Tut mir leid." Dann stand sie auf und raffte ihre Sachen zusammen. Völlig durch den Wind erhob sich auch John. "Was hast du vor?", fragte er sie misstrauisch, obwohl er genau wusste, worauf das Ganze hinauslief. "Ich gehe", rief sie ihm zu, als sie ihm schon den Rücken zugewandt hatte und sich hastig an den Tischen vorbeischlängelte. Einige Gäste hatten Wind vom den Ganzen bekommen und blicken nun empört oder neugierig auf, verfolgten die ganze Szene. Als die Eingangstür zufiel und er Liz durch die hohen Fenster an dem Gebäude vorbeihasten sah, fielen alle Blick auf ihn, wie er einsam und verloren an seinem Tisch stand. Angespannte Stille herrschte im Raum. Sogar der Kellner starrte ihn mit großen Augen an. Eine junge Frau, die am Nebentisch mit ihrem Mann - oder Freund - speiste, lehnte sich zu ihm herüber. "Gehen Sie ihr nach", raunte sie ihm hinter vorgehaltener Hand zu. "Na los doch." Wie aus seiner Starre erwacht blickte er sie an und sie nickte ihm bestärkend zu. Ein Ruck ging durch seinen Körper und John kramte aus seiner Geldbörse einen Schein hervor und legte ihn auf den Tisch, bevor er sich eilig zum Ausgang des Restaurants bewegte. Ihm war vollkommen egal, dass der Betrag zu hoch war für ein Mahl, das noch nicht einmal eingenommen worden war - und ihm war egal, dass alle ihn mitfühlend anstarrten - ihm war auch egal, dass er seine Jacke an der Garderobe hängen gelassen hatte und dass es draußen zu dieser Tageszeit ohne sie viel zu kalt war. Er wollte nur Liz einholen und sie zur Vernunft bringen. Mein Gott. Die Frau musste doch mit irgendetwas zu überzeugen sein. Er sah es doch. Er sah, dass sie ihn mochte. Dass sie Spaß zusammen hatten, dass sie sich sorgte, dass sie ihn anhimmelte, dass sie ein perfektes Zweierteam waren, dass sie auf einer Wellenlänge waren. Noch nie hatte er solche Zufriedenheit verspürt, wenn er mit jemandem zusammengewesen war. Und keiner konnte ihm erzählen, dass sie das alles ganz anders sah! Sie musste es doch auch sehen. Er war sich vollkommen sicher. Aber aus irgendeinem Grund hatte sie eine Phobie gegen den Ernst des Lebens. Worauf hatte er sich da bloß wieder eingelassen? Auf etwas, das den ganzen Ärger wert war, beschloss er, noch voller Hoffnung. Natürlich holte er sie nicht mehr ein. Liz war verschwunden - wie vom Erdboden verschluckt! Wahrscheinlich war sie in die U-Bahn geflüchtet, wo sie in der Menge untertauchen konnte. Blöd war sie wirklich nicht. John seufzte. Jetzt zu ihr nach Hause zu fahren würde keinen Sinn machen, denn sie wusste, dass er sie dort am ehesten suchen würde. Verdammt, sagte John sich. Er kannte sie wirklich viel zu gut, und sie kannte ihn auch. Wie konnte sie da behaupten, sie passten nicht zusammen? Dass er sich die Falsche ausgesucht hatte? Obwohl er es ihr gegenüber nicht erwähnt hatte, war er sich ziemlich sicher, dass sie sich irrte. Sie war die Richtige für ihn, die absolut einzig Richtige mit nur ein paar... Schwierigkeiten, sich selbst so zu sehen, wie er sie sah. Aber John war zuversichtlich. Er würde sie schon noch zur Vernunft bringen. Heute, beschloss er, würde er sie nicht mehr belästigen. Sie musste erst mal wieder zur Ruhe kommen und sich abkühlen. Morgen würde er sie anrufen und alles mit ihr klären. Über die Nacht würde sich all ihr Ärger und ihre Zweifel setzen und bei Anbruch des neuen Tages würde auch sie sich einsichtig zeigen. So blind konnte sie nicht sein, dass sie die offensichtlichsten Zeichen falsch deutete. Er seufzte und machte sich auf den Weg nach Hause. Der ganze Abend war ein Reinfall gewesen - er hätte gar nicht erst von dem Anhänger anfangen sollen, als er gemerkt hatte, dass Liz so explosiv geladen war. Apropos Anhänger... er bemerkte, dass er etwas umklammert hielt und blickte auf. Es war das Schmuckkästchen. Er öffnete es und nahm behutsam den schimmernden Löwen heraus. Die Schatulle beförderte er achtlos in den nächsten Mülleimer. Die hatte ihm nur Unglück gebracht. John ließ den Löwen in die linke Brusttasche seines Hemdes gleiten - näher an sein Herz - und lächelte schicksalsergeben. So hatte er Liz wenigstens noch bei sich, auch wenn diese ihn vermutlich zu diesem Zeitpunkt verteufelte und am liebsten auf den Mond schießen würde. Aber morgen sah schon wieder alles ganz anders aus. Davon war er überzeugt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)