Paranoia von Ryoko-chan ================================================================================ Prolog: Angst ------------- Die Schritte im Flur kamen näher. Um nicht zu schreien, presste sie sich die Hand fest auf den Mund. Zusammengesunken saß die junge Frau in der Ecke des dunklen Zimmers, versuchte sich so klein wie möglich zu machen und starrte mit weit aufgerissenen Augen zur Tür. Unbarmherzig laut pochte ihr Herz. Das Blut rauschte bereits in ihren Ohren, doch sie wagte es kaum zu atmen. Ihr schlanker Körper bebte unkontrolliert. Sie hatte Angst. Todesangst. Als die Schritte plötzlich verstummten, setzte ihr Herz für einen Augenblick aus. Das blanke Entsetzen ließ die Frau erschaudern und sie wimmerte leise. Er stand nun genau hinter dieser Tür. Schon oft war sie dem Tode sehr nahe gewesen. Doch nie zuvor in ihrem Leben hatte sie sich so sehr davor gefürchtet wie in diesem Moment. Sie wusste, dieses Mal gab es kein Entkommen. Knarrend öffnete sich die Tür. Kapitel 1: Träume sind Schäume ------------------------------ Schreiend erwachte Shiho und neben ihr schreckte Shinichi aus seinem Schlaf hoch. „Shiho!?“ Beim Klang ihres Namen zuckte die junge Frau zusammen. Sie hatte einige Sekunden gebraucht, um die Bilder aus ihrem Traum abzuschütteln. „Ist alles in Ordnung bei dir?“ Besorgt strich Shinichi ihr einige, feuchte Strähnen aus dem Gesicht und endlich blickte sie ihn an. Noch immer zitternd, sank Shiho in seine Arme, krallte sich am Pyjamahemd fest und er drückte sie fest an sich. „Hattest du wieder diesen Traum?“, fragte er leise. Ihr Atem ging noch immer stoßweise und sie leckte sich über die trockenen Lippen, bevor sie antwortete. „Tut mir Leid ...“, erwiderte Shiho und verbarg ihr glühendes Gesicht an seiner Brust. „Wirklich ... es tut mir wirklich Leid, dass ich dich jede Nacht damit wecke!“ Diese verdammten Träume, dachte sie beschämt. Shinichi strich ihr beruhigend über den Rücken. „Red keinen Unsinn, es ist doch schon besser geworden.“ Er blickte auf den Wecker neben dem Bett und lächelte. „Wir haben gleich 6.00 Uhr ... und ich muss auch nicht jeden Samstag ausschlafen!“ Shinichi grinste und gab seiner Freundin einen Kuss auf die Stirn. „Es ist idiotisch, oder?“ Langsam richtete Shiho sich auf und zerrte ihr Nachthemd zurecht. „Was meinst du?“ Seufzend setzte sie sich auf die Bettkante. „Naja ... das ich noch immer von ihm träumte ...“ Bei dem Gedanken an Gin schluckte sie. Nachdenklich verschränkte Shinichi die Arme. Was sollte er ihr antworten? Er wusste noch immer so gut wie Nichts über ihre Zeit als Organisationsmitglied. Und sie hatte ihm nie etwas über ihre Beziehung zu Gin verraten und Shinichi wagte es auch nicht, sie darüber auszufragen. Er hatte nur eine geringe Vorstellung, eine leichte Ahnung ... diese ließ ihn bereits die Galle im Mund schmecken. „Vielleicht ... vielleicht hilft es dir doch, wenn du zu Dr. Tanaka gehst.“ Er sah wie Shiho sich verkrampfte und für einen Augenblick herrscht eine unangenehme Stille im Raum. Unkontrolliert schweifte ihr Blick durch das Zimmer und noch bevor sie ein Wort sagen konnte, unterbrach Shinichi das Schweigen. „Ich weiß, was du denkst! Aber ... du musst mich verstehen ... ich kann dir nicht helfen ... ich weiß nicht, was ich tun kann, damit deine Alpträume aufhören! Vielleicht kann dir diese Psychologin helfen, Shiho!“ Heftig schüttelte die junge Frau den Kopf, bevor sie Shinichis Hand ergriff und ihn ernst anblickte. „Ich kann das nicht, Shinichi! Ich ... wie soll sie mir meine Angst nehmen, wenn es noch immer einen berechtigten Grund für sie gibt?“ Leicht verzweifelt raufte er sich durch die Haare. „Shiho, du weißt doch, dass - “ „Nein!“ Sie sprang auf. „Du kennst ihn nicht, Shinichi!“ Ihre Stimme zitterte. „Er wird nicht aufgeben!“ Sprachlos blickte er seine Freundin an. Ihre Augen spiegelten all ihre Ängste und Zweifel wieder, wie so oft. Doch plötzlich entspannten sich ihre Gesichtszüge und sie lächelte. Zärtlich strich sie ihm über die Wange und gab ihm einen kurzen Kuss. „Ich überleg’s mir ...“, sagte sie leise, bevor sie sich abwandte und im Bad verschwand. Sie entledigte sich ihres verschwitzten Nachthemdes und griff nach dem Duschkopf. Das heiße Wasser lockerte ihre Muskeln und langsam fühlte sie sich besser. Doch ihre Gedanken drehten sich immer noch um diese Träume. Shinichi hatte schon Recht. Viel seltener als früher plagten sie diese Alpträume und sie hatte auch schon lange keine Panikattacke mehr gehabt. Doch nach solchen Nächten fühlte sie sich miserabel. Dabei führte sie seit fast zwei Jahren ein normales Leben. Sie lebte zusammen mit Shinichi in einem kleinen Haus, beide studierten und eigentlich konnte sie sich mehr als glücklich schätzen. Eigentlich ... Vor zwei Jahren war solch ein Leben unvorstellbar gewesen. Damals erhielt das FBI durch Kir einige, wertvolle Informationen über die Organisation. Hidemi Hondo verlor kurz darauf ihr Leben. Sie war sich jedoch dem Risiko bewusst gewesen und letztendlich gelang es durch ihre Hinweise, wichtige Mitglieder festzunehmen. Doch das Katz und Maus Spiel dauerte noch mehrere, blutige Wochen an. Es war eine Zeit der Enthüllungen, doch besonders war es eine Zeit der Gefahren. Es gab einige Anschläge und so wurden Shiho, Professor Agasa, die Moris und viele ihrer Freunde und Bekannte für kurze Zeit ins Zeugenschutzprogramm des FBIs gesteckt. Shinichi ließ es sich hingegen nicht nehmen, selbst an der Zerschlagung der Organisation teilzunehmen. Und tatsächlich schritten die Ermittlungen rasch vorwärts. Man deckte die wahre Identität des Bosses auf und eine der gefährlichsten Verbrechensorganisationen wurde aufgelöst. Weltweit wurden etliche Mitglieder festgenommen und man stellte eine unglaubliche Fülle an Beweismaterialien sicher, unter anderem die Dokumente zu Apoptoxin 4869. Doch einem Mitglied gelang es unterzutauchen. Ausgerechnet Gin hatte man nicht fassen können. Er schien wie vom Erdboden verschluckt. Shiho erfuhr von Gins Entkommen, als man sie bereits aus dem Zeugenschutzprogramm entlassen hatte. Die unglaubliche Angst vor Gin und seiner Rache lähmte sie. Ganz fest glaubte sie an seine Rückkehr. Er würde nicht eher ruhen, bis ihr Blut vergossen war und sie tot vor ihm lag. Sie war sie dessen sicher. Sie versuchte diese Angst in Arbeit zu versticken und verbrachte Stunden im Labor, um das Gegengift fertig zu stellen. Doch irgendwann war sie mit den Nerven völlig am Ende. Die Angst war ihr ständiger Begleiter. Vor Übelkeit konnte sie nicht schlafen. Arbeiten zwar zwecklos, ihre Hände zitterten unkontrolliert. Ihr rasender Herzschlag ließ sie beinahe verrückt werden. Sie hielt es nicht mehr aus, diese ständige Beklemmung und das innerliche Beben. In einer dieser verzweifelten Minuten griff sie nach dem Skalpell auf ihrem Schreibtisch. Shiho zuckte zusammen. Wie lange stand sie bereits unter Dusche und ließ sich von dem heißen Wasser berieseln? Hastig stellte sie es ab und griff nach dem Handtuch. Dabei fiel ihr Blick auf die blassrosa Narbe an ihrem Arm. Wie dumm ich doch war, dachte sie lächelnd. Der Professor hatte ihren kleinen, leblosen Körper gerade noch rechtzeitig aufgefunden. Im Krankenhaus hatte sie sich beschämt geweigert, Besuch zu empfangen. Ihre Angst hatte sich nicht aufgelöst, doch ihr wurde bewusst, dass sie überreagiert hatte. Sie wollte nicht mehr sterben, sie wollte nur keine ständige Angst mehr haben! Kurz vor ihrer Entlassung hatte sie Frau Dr. Tanaka kennen gelernt, eine Psychologin. Scheinbar wurde sie über die ungefähren Umstände aufgeklärt, denn sie sprach mit Shiho trotz ihres Kinderkörpers wie mit einer Erwachsenen. Doch sie war nicht bereit gewesen, mit ihr darüber zu sprechen. Zulange hatte sie ihre Vergangenheit verschwiegen und sie konnte sie nicht einfach so einer fremden Person offenbaren. Überraschenderweise hatte Dr. Tanaka Verständnis dafür und hinterließ ihr eine Visitenkarte. Hastig trocknete Shiho ihre nassen Körper ab und verließ das Badezimmer. Das Bett war bereits gemacht und draußen ging langsam die Sonne auf. Der Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie knapp eine halbe Stunde unter Dusche verbracht hatte. Rasch kleidete sie sich an und betrachtete sich im Spiegel. „Es war nur ein Traum, Shiho!“, murmelte sie ihrem Spiegelbild leise zu. „Shiho!?“ „Ich komme!“ Sie kämmte sich schnell durch das feuchte Haar und lief runter in die Küche. Es duftete nach Pfannkuchen. Grinsend hielt Shinichi ihr eine Tasse Kaffee hin und ihre Laune stieg sofort. „Danke.“, antwortete sie lächelnd. „Geht’s dir besser?“, fragte er vorsichtig und Shiho nickte. Shinichi strahlte, legte seine Arme um ihre Hüfte und zog sie nah an sich. Sie lehnte ihren Kopf an seiner Schulter und schloss die Augen. Sie genoss seine Nähe und die Wärme, die ihrer verfrorenes Herz hatte auftauen lassen. „Du siehst hübsch aus.“, wisperte Shinichi ihr ins Ohr und sie errötete. Gerade wollte sie ihm einen Kuss auf die Lippen drücken, das Telefon schrill klingelte. Er verdrehte die Augen und Shiho nahm seufzend einen Schluck aus ihrer Tasse. Ein Anruf in den frühen Stunden eines Samstagmorgen konnte nichts Gutes bedeuten. Und Shiho behielt Recht. „Megure benötigt meine Hilfe bei einem Fall.“ Der Detektiv verzog schuldbewusst das Gesicht, als Shiho eine Augenbraue hob. „Wir sind heute Mittag mit Ran zum Essen verabredet, schon vergessen?“, fragte sie tadelnd. Shinichi raufte sich durch die Haare. „Stimmt ...“ „Schon gut.“, erwirderte sie lächelnd und umarmte ihn. „Kümmere dich um diesen Fall. Ich gehe alleine hin!“ Er seufzte und gab ihr einen Kuss. „Danke! Sag ihr das es mir Leid tut und lasst es euch schmecken!“ Hastig zog er sich eine Jacke über und lief in den Flur hinaus. Kurz darauf hörte Shiho die Tür zufallen. Sie verschränkte seufzend die Arme und setzte sich zurück an den gedeckten Frühstückstisch. Wenigstens gibt’s Pfannkuchen, dachte sie. Gegen 14:00 Uhr verließ Shiho das Haus und machte sich auf den Weg zu einem kleinen Restaurant in Haido. Als sie das Restaurant betrat, saß Ran bereits an einem Tisch am Fenster und erhob sich lächelnd, um ihre Freundin zu umarmen. „Wo hast du Shinichi gelassen?“, fragte sie verwundert und setzte sich zurück auf ihren Platz. Shiho seufzte und ließ sich gegenüber von ihr nieder. „Ein Fall ...“, antwortete sie knapp und Ran nickte beinahe wehmütig. „Was sonst ...“, sagte sie lächelnd. Sie waren Freundinnen geworden. Jedoch hatten sie sich nach der Auflösung der Organisation zunächst nur sehr distanziert behandelt. Nachdem Shinichi seiner wahren Gefühle für Ran bewusst geworden war, hatte Shiho sich dafür verantwortlich gefühlt. In ihren schlechtesten Zeiten hatte er sich rührend um das Mädchen gekümmert und bemerkt, dass seine Gefühle für die ehemalige Wissenschaftlerin anders waren, als die für seine langjährige Sandkastenfreundin. Shiho selbst war darüber erstaunt gewesen, doch Ran nahm sein Geständnis sehr gut auf. Denn auch ihre Schwärmerei für Shinichi hatte sich nach all der Zeit gelegt und inzwischen war sie mit Tomoaki Araide verlobt. Trotzdem blieben sie und Shinichi sehr gute Freunde und sie sahen sich regelmäßig. Shiho hatte in dem Mädchen immer nur einen bedauernswerten, verliebten Teenager gesehen. Doch hinter ihrer Sorge für Shinichi steckte eine weitere Fassade. Ran hatte eine warmherzige und eigentlich sehr fröhliche Natur ... so, wie ihre Schwester Akemi gewesen war. Und irgendwann brach das Eis zwischen den beiden Frauen. „Er ist schon ein Spinner! Rennt immer noch jedem Fall hinterher und vergisst alles um sich herum ... scheint als hätte er nichts aus der Sache von damals gelernt!“ Ran schüttelte den Kopf und Shiho lächelte amüsiert. „Na ja, inzwischen hört er sogar manchmal auf mich ...“ Ran seufzte und lehnte sich zurück. „Manchmal bin ich richtig froh darüber, dass ich mir nicht ständig um Tomoakis Leben Sorgen machen muss! Das ist eine richtige Erleichterung!“ Shiho schmunzelte über ihre leicht sarkastische Aussage. Sie waren mit dem Essen fertig, als Ran einen Umschlag aus ihrer Handtasche zog und auf den Tisch legte. „Das hätte ich fast vergessen ...“ „Was ist das?“, fragte Shiho stirnrunzelnd. „Eine Einladung!“ Sie begriff erst, als in Rans strahlendes Gesicht blickte. „Der Termin für eure Hochzeit steht fest!?“ Glücklich nickte die junge Frau. „Der 12. Mai ... in zwei Monaten ist es soweit!“ Shiho konnte nicht anders als sich für Ran zu freuen. Selten hatte sie einen solch glücklichen Menschen gesehen und sie gönnte dem Mädchen ihr Glück von ganzen Herzen. Würde es ihr eines Tages auch noch so ergehen, fragte sie sich. „Ich freue mich für euch! Wir kommen gern zur Hochzeit!“, erwiderte sie lächelnd. Sie sprachen noch eine Weile über die Vorbereitungen, bis sie das Restaurant verließen und gemeinsam nach einem möglichen Geschenk für Shinichis Geburtstag Ausschau hielten. Gegen Abend verabschiedeten sie sich voneinander und Shiho versuchte vergeblich Shinichi auf seinem Handy zu erreichen. Sie nahm an, dass der Fall ihn noch immer beschäftigte. Öfters vergaß Shinichi sich darüber hinaus bei ihr zu melden und dann wurde sie sauer. Doch bisher hatte er immer gewusst, wie sie zu versöhnen war. Bei dem Gedanken lächelte sie und bog gedankenversunken um die Ecke. Und plötzlich war dieses Gefühl da. Wie erstarrt blieb sie stehen und keuchte auf. Augenblicklich begann ihr Herz zu rasen und ihre Handflächen wurden feucht. Er ist da! Er ist hier in meiner Nähe!! Sie war sich totsicher. Ihre Intuition hatte sie noch nie im Stich gelassen, auch wenn sie dieses Gefühl ungewohnt lange nicht mehr verspürt hatte. Das grauenhafte Gefühl, wenn sich ein Mitglied der Organisation in ihrer Umgebung befand. Shiho wagte es nicht hinter sich zu blicken, um ihre Vermutung zu überprüfen. Sie rannte einfach los, rannte um ihr verdammtes Leben. Atemlos hastete sie die Straße entlang, riss das Tor auf ohne es zu schließen und versuchte mit zitternden Händen die Haustür aufzuschließen. Es gelang ihr nicht sofort und sie wimmerte verzweifelt auf. Die Tränen in ihren Augen machten es nicht besser, verschleierten ihre Sicht. Endlich öffnete sich die Tür und als Shiho sie hinter sich zu zog, sank sie weinend und am ganzen Körper zitternd zu Boden. Und plötzlich hörte sie ein Geräusch. Erschrocken hielt sie den Atem an und hob ruckartig den Kopf. Am Ende des Flurs stand eine Person. Kapitel 2: Schein und Sein -------------------------- Ihr Mund öffnete sich bereits zum Schrei, als Shiho seine Stimme vernahm. „Shiho? Warum hockst du denn da auf dem Boden?“ Erleichtert verbarg die junge Frau ihr Gesicht in den Händen und weinte. Augenblicklich war Shinichi neben ihr, hielt sie fest an sich gedrückt und strich ihr hilflos über’s Haar. „Was ist passiert? Was hast du denn!?“ Sie schlang die Arme um seinen Hals und presste sich wimmernd an ihn. Unkontrolliert bebte ihr Körper und es gelang ihr nur schwer, ein Wort zu sprechen. „Er war da, Shinichi! Er ist da draußen ... ich hab so Angst ...“ Sie krallte ihre Hand fest in seinen Hemdkragen. „Was?“ Stirnrunzelnd ließ er von Shiho ab und blickte ihr ins blasse Gesicht. Er sah die Panik in ihren Augen und in ihm begannen alle Alarmglocken zu schrillen. „Von wem sprichst du, Shiho?“ „Von ihm ... Gin ...“ Ihre Worte waren kaum hörbar, so sehr zitterte und schluchzte die junge Frau. Doch Shinichis Augen weiteten sich entsetzt beim Klang dieses einen Namens. Ohne ein weiteres Wort erhob er sich, riss die Tür auf und hastete nach draußen. „Nicht!“ Panisch lief sie ihm hinterher, erwartete bereits einen Schuss zu hören, doch Shinichi betrat unbeirrt die Straße. Niemand war zu sehen. Nichts deutete auf die Präsenz eines ehemaligen Organisationsmitgliedes hin. Angstvoll klammerte sich Shiho an Shinchi. Sie blickte hastig um sich, darauf gefasst, jeden Augenblick von ihm überrascht zu werden. Doch das grauenhafte Gefühl hatte sich so schnell wieder verzogen, wie es gekommen war. Sie konnte seine Anwesenheit nicht mehr spüren. Sie blickte zu Shinichi rauf, doch die ernste Miene verriet nichts über seine Gedanken. Wortlos legte er den Arm um sie und zog sie ins Haus zurück. Die auf dem Boden liegende Tasche im Flur ignorierte er völlig und betrat die Küche. Shinichi knipste das Licht an und drückte seine Freundin auf einen Stuhl. Ihre Angst legte sich langsam, doch sie zitterte noch immer am ganzen Körper und Shinichis Schweigen verunsicherte die Frau. Er griff in den Schrank und füllte ein Glas mimt Wasser. „Trink!“, sagte er tonlos und reichte es Shiho. Ohne den Blick von seinen tiefblauen Augen zu wenden, nippte sie an ihrem Glas. Es fiel ihr schwer nichts zu verschütten und so stellte sie es auf dem Tisch ab. Kurz herrschte eine unerträgliche Stille in der Küche. Shinichi strich sich über die Augen und plötzlich sah sie die Sorge in seinem müden Gesicht. „Hast du ihn gesehen?“, fragt er. Konfus schüttelte sie den Kopf. „Und warum glaubst du, dass er auf der Straße war?“ Es war keine rhetorische Frage, die er stellte. Sie senkte den Blick und biss sich auf die Lippe. Die Frage war mehr als berechtigt. Für sie gab es jedoch nur eine Antwort. „Ich hab’s gespürt ...“, antwortete sie leise. Sie sah den zweifelnden Blick und erhob abermals die Stimme. „Ich weiß einfach, dass er da war ... er war ganz nah! Hast du es vergessen ... ich wusste es immer, wenn sich einer von in unmittelbarer Nähe befand. Und ich habe mich nie geirrt ... nie ...“ Schon in jungen Jahren hatten sie diese Gabe zu schätzen gelernt, eine Gabe die sie als Mitglied der Organisation erhalten hatte. Für sie war diese Fähigkeit real, sie war ein Lebensretter. Doch Shinichi kannte dieses Gefühl nicht. Er konnte es nicht kennen, weil er nie ein Leben in ständiger Konfrontation mit dem personifizierten Tod geführt hatte. In ihrer Verzweiflung traten Shiho erneut die Tränen in die Augen. „Er wird zurück kommen, Shinichi! Vielleicht schon diese Nacht ... oder vielleicht auch später, aber ...“ Shinichi schüttelte heftig den Kopf, legte ihr einen Finger auf die Lippen, um sie zum Schweigen zu bringen und nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände. „Sieh mich an und hör mir zu, Shiho!“ Stumm gehorchte sie seinen Worten und blickten ihn durch tränenverschleierte Augen an. „Er ist nicht hier, er kann nicht hier sein! Gin wäre ein Idiot, wenn er sich noch immer in Japan aufhalten würde. Das FBI sucht fieberhaft nach ihm und jede Polizeistelle im Land kennt sein Fandungsfoto. Für ihn wäre es viel zu riskant, dir nachzustellen.“ Er seufzte und sah sie eindringlich an. „Shiho ... ich bin mir sicher, du hattest eine Panikattacke. Mit Sicherheit hat sie dein Traum in der Nacht ausgelöst. Du bist sicher, du brauchst dir keine Sorgen vor seiner Rache zu machen. Er wird nicht zurück kommen.“ Seine Gesichtszüge wurden weicher und seine Stimme zärtlicher. „Wenn es dich beruhigt, rufe ich Jodie an und frage sie, ob es in letzter Zeit irgendwelche Hinweise bezüglich seines Aufenthalts gab.“ Shinichi strich ihr die Tränen von den geröteten Wangen. Erschöpft nickte Shiho, bevor sie ihre Arme wieder um ihn schlang. Konnte es sein? Hatten Shihos Nerven ihr einen Streich gespielt oder war es sogar wirklich nur eine Panikattacke? Aber dieses Gefühl ... es war doch eigentlich so ganz anders als die blanke Panik. „Du hältst mich für paranoid, nicht wahr?“, fragte sie nach einer Weile. „Nein, das tue ich nicht. Ich glaube einfach, dass du ... gewisse Dinge noch nicht verarbeitet hast. Es sind Dinge, von denen ich nichts weiß, weil du nie mit mir darüber geredet hast. Ich akzeptiere das, weil es für dich sicherlich nicht einfach ist, solche Sachen anzusprechen. Doch vielleicht solltest du anfangen, dir darüber Gedanken zu machen. Es muss aufhören, dass du Nachts schreiend erwachst oder dich ständig Panikattacken quälen. Ich will dich zu nichts zwingen, aber ich liebe dich und mache mir nur Sorgen.“ Starr sah die junge Frau zu Boden. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als das ihre Angst endlich vorbei ging. Doch war dies überhaupt nach all der Zeit möglich? Sie hatte immer Angst gehabt in ihrem Leben. Dieses Gefühl schien sich bereits tief in ihrer Seele verankert zu haben und bisher hatte es für dieses Gefühl immer einen rationalen Grund gegeben. Schließlich musste sie ihr ganzes Leben lang in ständiger Ungewissheit leben. Die eigentlichen Pläne der Organisation waren ihr nie offenbart worden, sie war letztendlich nicht mehr, als ein Mittel zu Zweck gewesen. Natürlich, eine Zeit lang war sie eine angesehene und begehrte Wissenschaftlerin gewesen. Doch das garantiere ihr nicht, über ihre Zukunft entscheiden zu können oder in gewisse Pläne eingeweiht zu werden. Es hatte nie einen Zufluchtsort gegeben, keine Sicherheit war ihr garantiert worden. Inzwischen waren sie und Shinichi zusammen. Ihre Liebe hatte sie mit den Jahren gefestigt und er nahm sie so, wie sie war. Nämlich als ehemaliges Mitglied einer Verbrechensorganisation, als Mörderin und als psychisches Wrack. „Ich will nicht, dass du mich abstoßend findest. Ich will dich nicht verlieren, wenn du ... Details aus meiner Vergangenheit erfährst. Du weißt nicht, wie es war ... wie ich war ...“ Shihos Stimme zitterte bereits, wenn sie auch nur für einen Moment zurück dachte. Sie brauchte nur die Augen zu schließen ... „Schon gut, hör auf ... jetzt denkt nicht mehr daran! Beruhig dich erst einmal, Shiho.“ Shinichi zog sie an sich, wartete geduldig, bis ihr Körper nicht mehr unkontrolliert bebte. Sie schloss die Augen und versuchte, ihre Gedanken und die vielen Schnipsel und Bilder aus ihrer Vergangenheit zu verdrängen, sie im tiefsten Inneren zu vergraben. Sie lehnte ihren Kopf an Shinichis Brust, lauschte seinen starken, regelmäßigen Herzschlägen und konzentrierte sich vollkommen auf seine Körperwärme, die langsam auf sie übergingen und ihre verkrampften Muskeln zu lockern schien. Irgendwann hob sie den Kopf und lächelte Shinichi an. Er beugte sich zu ihr herab und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. Warm und weich schmiegten sie sich an ihre und als seine Zunge kurz über ihre Unterlippe strich, erschauderte die junge Frau. Lachend löste sie sich von ihm und vergrub ihr erhitztes Gesicht an seiner Brust. „Übrigens ... gibt es Neuigkeiten ...“, sagte sie irgendwann und ließ ihren verdutzten Freund stehen. Als sie zurück kam, griff sie in ihre vergessene Tasche und zog die Einladung hervor. Stirnrunzelnd las Shinichi deren Inhalt und sie betrachtete ihn dabei schmunzelnd. „Sie werden heiraten!?“ Unwillkürlich lachte Shiho über seinen überraschten Ausruf. „Was denn ... stört es dich, dass Ran ihr Glück bei einem anderen Mann gefunden hat?“ Kurz blickte er bei ihrer tonlosen Frage auf, doch dann sah er das herausfordernde Funkeln in ihren Augen. „Sag bloß, ich muss dir das Gegenteil beweisen?“ Wenige Stunden später lagen sie nebeneinander. Es lag noch immer eine erhitzte Atmosphäre über ihrem Schlafzimmer und Shiho hatte nicht sofort einschlafen können, während Shinichi schon lange in einen tiefen Schlaf gefallen war. Fest wickelte sie sich die Decke um ihren verschwitzten Körper und betrachtete im Halbdunkeln Shinichis entspanntes Gesicht. Bis er eingeschlafen war, hatte er sie liebevoll gestreichelt und ihr zarte Küsse auf die Wangen gedrückt. Nach all der Zeit war der Detektiv zu ihrem Lichtpunkt in der Dunkelheit geworden. Und er fing sie immer wieder auf, wenn sie in die Schwärze zu stürzen drohte. Mit aller Kraft hielt er sie bei sich, weil er sie liebte. Im Schlaf seufzend drehte Shinichi sich herum und Shiho rückte näher an ihn heran, schlug die Arme um ihn und lehnte ihre Wange an seine Schulter. Es war Liebe. Eine bedingungslose Liebe. Eine Beziehung, die auf Gegenseitigkeit beruhte und in der keine Zwänge oder Angst herrschte. Sie zuckte nicht zusammen, wenn Shinichi den Arm hob um ihr eine Strähne aus dem Gesicht zu streichen. Sie musste keine Befürchtungen mehr haben, dass sie vielleicht ein falsches Kleid trug. Shinichi würde sie niemals gegen die Wand schleudern und ihr das Kleid vom Körper reißen, weil es ihm nicht gefiel oder es die falsche Farbe hatte. Wenn sie sich liebten, empfand sie keine Schmerzen dabei. Stattdessen konnte Shiho das lustvolle Spiel genießen und voll auskosten. Danach fühlte sie sich nicht mehr beschmutzt und entwürdigt. Und wenn sie morgens erwachte, fühlte sie sich befreit und glücklich. Sie musste nicht mehr stundenlang duschen, um den Ekel vor ihrem Körper zu überwinden. Diese Zeiten waren lange vorbei, doch nie vergessen. Und in dieser Nacht waren die Gedanken an die Vergangenheit präsenter als je zuvor. Und wie immer konnte sie sich nicht von den Bildern in ihrem Kopf losreißen. Immer wieder sah sie sein Gesicht vor sich. Er schien so nah vor ihr, dass sie glaubte, den stinkenden Zigarettenqualm riechen zu können. Mit der Erinnerung an sein mörderisches Grinsen fiel Shiho in einen unruhigen Schlaf. Kapitel 3: Erinnerungen ----------------------- Dieses Kapitel ist eine Rückblende in die Vergangenheit. Sie ist in drei Stücke aufgeteilt (erkennbar durch die langen Absätze) und erzählt von Shihos Leben mit Gin. Seine kalten Augen blickten starr auf sie hinunter und er musterte sie schamlos. „Sherry.“ Es war keine Frage, sondern eine einfach Feststellung. Trotzdem nickte das Mädchen und strich sich nervös die Haare hinters Ohr. Wortlos wandte er sich um, verließ den Eingang des Gebäudes und betrat die Straße. Shiho bemühte sich mit ihm Schritt zu halten und folgte ihrem neuen Mentor zu einem schwarzen Porsche. „Na, los. Steig ein.“, erwiderte er und sie ließ sich auf den dunklen Ledersitzen nieder. Mit einer Zigarette zwischen den Lippen fuhr er los. Erst am vorherigen Tag war sie aus den Staaten nach Japan zurück gekehrt, um ab sofort die Leitung eines neuen Projekts zu übernehmen. Ihren wissenschaftlichen Fähigkeiten schenkte man viel Vertrauen, dennoch ließ man es in der Organisation nicht zu, eine Jugendliche alleine arbeiten zu lassen und stellte ihr stattdessen einen Mentor zur Seite. Dieser hatte ihre Arbeit und ihre sonstigen Tätigkeiten zu überwachen. Sie ärgerte sich über diese Entscheidung, doch sie konnte nichts daran ändern. Ihr war eine große Verantwortung übertragen worden und nun musste sie die Erwartungen der Organisation erfüllen. Shiho schielte zu dem Mann rüber. Auffällig waren seine langen, blonden Haare und seine, für einen Japaner, ungewöhnliche Größe. Seinem markanten Gesicht waren keine Gefühle oder Gedanken abzulesen. Seine unbarmherzigen Augen verrieten ihr jedoch, dass mit ihm nicht zu spaßen war. Selbstverständlich trug er wie fast alle höher gestellten Mitglieder schwarze Kleidung. Scheinbar hatte Gin ihren Blick bemerkt und blickte sie aufmerksam an. Sofort schlug sie die Augen nieder, fühlte sich ertappt und spürte, wie ihre Wangen zu glühen begannen. Was fiel ihr nur ein, ihn ungeniert anzustarren? Aus dem Augenwinkel sah sie ihn seine Kippe im Aschenbecher ausdrücken. „Du bist 14?“ Das Mädchen erschrak, als Gin sie ansprach und zuckte kaum merklich zusammen. „Nein, ich bin 15.“, antwortete sie und ärgerte sich über den kindlichen Trotz in ihrer Stimme. Sein Gesicht verriet immer noch nichts über seine Gedanken und die anhaltende Stille drückte auf die seltsame Stimmung. Angestrengt starrte Shiho aus dem Fenster. Die gesamte Fahrt über spürte sie, dass Gin sie immer wieder anblickte. Sie hielten an ihrem Apartment und Shiho schnallte sich ab, unterdrückte dabei einen erleichterten Seufzer. Sie war schon halb aus dem Wagen gestiegen, als er plötzlich ihr Handgelenk umgriff und sie ins Auto zurück zog. Sie hielt den Atem an, sein Gesicht war plötzlich ganz nah und sie schaute ihm direkt in seine grünen Augen. „Vergiss deine Tasche nicht.“, sagte er grinsend und sie schielte in den Fußraum. Tatsächlich war das Mädchen so in Gedanken versunken gewesen, dass sie ihre Tasche mit den Unterlagen aus dem Labor fast hätte liegen lassen. Zu durcheinander, um noch ein Wort von sich zu geben, packte sie die Tasche und riss sich von ihm los. Hastig zog sie ihren Hausschlüssel hervor und warf noch einen letzten Blick über die Schulter. Noch immer stand der alte Porsche am Straßenrand. Sie war sich sicher, dass er sie beobachtete und plötzlich erfasste sie eine unglaubliche Wut auf diesen Mann. Er hatte sie sprachlos gemacht. Und sein unverschämtes Grinsen ... Mit einem Ruck knallte sie die Tür hinter sich zu. In den Tagen darauf wechselte sie kein Wort mit ihm. Sie versuchte sein süffisantes Grinsen zu ignorieren, doch innerlich kochte sie. Doch viel Zeit, um darüber nachzudenken blieb der jungen Wissenschaftlerin nicht. Im Gegenteil. Die Organisation hatte ihr einige Wissenschaftler zur Verfügung gestellt, die unter ihrer Aufsicht und Leitung diverse Experimente durchführten und sie bei der Forschung unterstützten. Diese Forscher waren alle Männer, die meisten über 30 und sie spürte die missgünstige Atmosphäre. Wahrscheinlich war es für die Männer kaum fassbar, dass ein weiblicher Teenager höher gestellt wurde als sie alle. Doch sie ließ sich zunächst nicht daran stören. Shiho kannte ihre Kompetenzen sehr genau, sie war sich ihrer Intelligenz und ihrem weitreichendem Wissen durchaus bewusst. Sie hat es verdient, dieses Projekt zu leiten. Sie war eine fähige Wissenschaftlerin und niemand, absolut niemand von diesen Trotteln befang sich mit ihr auf einer Ebene. Diese Männer waren ihr unterstellt und sie hatten sich nach den Anweisungen der Wissenschaftlerin zu richten. Trotzdem bemerkte sie die wechselnden Blicke der Männer unter sich. An einem späten Abend stand sie am Tisch im Labor und ergänzte gerade ihren Bericht, als sie die Anwesenheit von einem der Forscher hinter sich spürte. „Weißt du eigentlich, dass du einen richtig geilen Arsch hast!?“ Shihos riss die Augen auf, als sie die Worte des Mannes vernahm und sie eine grabschende Hand an ihrem Hintern spürte. Ohne zu zögern, griff sie nach dem Skalpell auf ihrem Tisch und wandte sich um. Der Mann zuckte zusammen, als sie es fest gegen seinen Hals drückte und das Blut aus seinen Wangen wich. „Du verschwindest sofort aus meinem Labor. LOS!“ Ihre Augen funkelten vor Zorn und der Forscher schritt vorsichtig rückwärts, die Hände zur Abwehr gehoben und die nervösen Augen auf das Skalpell gerichtet. Hastig verließ er den Raum und die Tür fiel knallend ins Schloss zurück. Es war still geworden. Schweigend hatten die anderen Männer das Geschehen beobachtet, alle Augen waren auf sie gerichtet. „Hört gefälligst auf zu gaffen und macht weiter!“, fauchte sie wütend und wandte sie scheinbar unberührt ihrer Akte zu. Als sie den Kugelschreiber zwischen die Finger nahm, zitterte ihre Hand. Shiho strich sich fahrig über die Stirn, versuchte sich krampfhaft wieder unter Kontrolle zu bringen. Dieses Schwein, dachte sie erbost. Die junge Frau war mehr als erleichtert, als sie an diesem Tag die Arbeit im Labor für beendet erklärte und sich zu ihrem Spind begab. Seufzend öffnete sie die Tür und griff nach ihrem Mantel. „Ich habe gehört, was passiert ist.“ Innerlich stöhnte Shiho laut auf. „Im gesamten Gebäude herrscht Rauchverbot.“, erwiderte sie kühl und griff nach seiner Zigarette. Amüsiert hob Gin den Arm und drückte den Stummel selbst an der Wand aus. „Ich wusste nicht, das du dich in der Position befindest, Leute zu feuern. Warum hast du ihn rausgeschmissen, Sherry?“ Erstaunt hob sie die Augenbrauen. „Das weißt du nicht? Er hat mich ... belästigt und ich brauche keine perversen Arschlöcher in meinem Labor, sondern arbeitsfähige Forscher. Es war mein gutes Recht, ihn raus zu schmeißen!“, erwiderte sie gereizt. „Inwiefern hat er dich belästigt?“ Sie sah seine ernste Miene, scheinbar wollte er sich nicht über sie lustig machen. Aber mit ihm über diese Situation zu sprechen, war Shiho aus unerklärlichen Gründen unangenehm. „Er hat mich angefasst, mir an den Hintern gegrabscht und ...“ Das Mädchen errötete. Dachte Gin in diesem Moment an ihren Hintern? Die Situation war ihr plötzlich verdammt peinlich. Sie sollte nicht mit ihm darüber sprechen, sie kannte diesen Mann doch kaum. Shiho glaubte fest daran, sein breites Grinsen zu sehen, sobald sie hochblickte. Doch stattdessen waren seine unergründlichen Augen nachdenklich auf sie gerichtet. Und ganz plötzlich raste ihr Herz wie verrückt. „Das war sehr stillos von ihm.“, erwiderte er und lächelte dann. Sie hielt dem Atem an, als Gin sie gegen den Spind drückte und sein Gesicht ihr ganz nah kam. Ihren Blick konnte sie nicht von seinen Augen lösen. „Kleine Sherry ... ist dir bewusst, dass du alle Männer in deiner Umgebung verrückt machst?“ Mit seinem Finger strich er ihr eine rotblonde Strähne aus dem Gesicht und berührte dabei wie zufällig ihre Wange. Shiho erschauderte. Da war wieder dieses Gefühl. Sie spürte diese Hilflosigkeit und fühlte sich ihm ausgeliefert. Aber in ihrem Inneren brannte es. Ihr Herz sprang fast aus der Brust. Sie fühlte plötzlich dieses Verlangen, sie wollte unbedingt eine weitere Berührung von ihm auf ihrer Haut spüren. Das Mädchen erschauderte erneut, als sie seinen Atem an ihrem Schlüsselbein spürte. Wie schaffte er das nur? Wie schaffte es Gin, sie dermaßen aus der Fassung zu bringen und sie so zu überfallen!? Shiho war so wütend, so unglaublich sauer. Aber sie konnte sich nicht wehren. Leise seufzte sie aus, als sie seine Finger zwischen ihren Schenkeln fühlte. Als Gin langsam den Reißverschluss am Rücken ihres Kleides öffnete, schloss sie die Augen und ließ ihn gewähren. Sie stieg aus dem Taxi und zog ihren Mantel fester um den Körper. Ihre Schuhe knirschten leise auf dem Schnee, welcher sich in den letzten Stunden auf die Straßen gelegt hatte. Mit raschen Schritten überquerte Shiho die Straße und ging die Treppen zu ihrem Apartment rauf. Leise fluchend kramte sie in ihrer Tasche, weil sie in der Dunkelheit ihren Schlüssel nicht sofort fand. Nachdem sie wochenlang nur an diesem Gift geforscht und fast jedem Tag im Labor verbracht hatte, war sie an diesem Abend mit ihrer großen Schwester ausgegangen. Akemi war auf der Geburtstagsfeier ihrer Mitstudentin eingeladen und beschloss spontan, ihre kleine Schwester mitzunehmen. Sie war sehr froh über diese Abwechslung gewesen. Gin hingegen war dagegen gewesen. Nein, er war nicht nur dagegen gewesen. Er hatte ihr sogar verboten, mit ihrer Schwester auszugehen. Shiho verstand seine Beweggründe nicht. War er eifersüchtig? Sie hatten gestritten, bis sie sich dann in ihrem Schlafzimmer einschloss. Als Shiho nach einer halben Stunde die Tür öffnete, war Gin aus der Wohnung verschwunden und sie nutzte die Chance. Shiho schloss die Tür hinter sich zu und legte die Tasche auf der Kommode ab. Es war spät geworden, sie war müde und wollte nur noch ins Bett. Dann bemerkte sie erschrocken, dass im Wohnzimmer Licht brannte. Sie trat an den Türrahmen und sah Gin auf dem Sofa sitzen. Sie schluckte, als er sein Glas auf dem Tisch abstellte und aufstand. „Sherry ...“ Wie angewurzelt blieb sie stehen. „Du warst sehr ungezogen.“ In seiner Stimme schwang ein bedrohlicher Unterton mit. Doch Shiho kannte dieses Spiel bereits. Und sie hasste es, wenn er mit ihr wie mit einem Kind sprach. Sie wollte sich herumdrehen, einfach gehen und hatte bereits den passenden Spruch auf den Lippen, als seine flache Hand gegen ihr Gesicht prallte und sie torkelnd an der Wand hinunter sank. Desorientiert bemerkte sie etwas Nasses an ihrem Mund als sie sich über die aufgeplatzte Lippe strich, glänzte hellrotes Blut an ihrem Handrücken. Wankend zog sie sich am Schrank hoch, doch Gin presste sie mit seiner Hand an ihrem Hals gegen die Wand. Röchelnd versuchte sich Shiho aus dem Griff zu befreien, doch er hielt sie mühelos fest und ihre Füße zappelten über dem Boden. „Ist es das, was du willst, Sherry?“ „Fick dich ...“, wimmernd sie atemlos und die nächste Ohrfeige ließ nicht lange auf sich warten. Halb besinnungslos lag sie auf dem Boden, als er sie hochzog und sie seine Hand an ihrem Dekolleté spürte. Plötzlich hörte sie Stoff reißen. „Dieses Kleid steht dir nicht ...“, hörte Shiho ihn fast liebevoll flüstern. Doch sein Griff war fest und sie schrie leise auf, als er sie grob anfasste. Zwar konnte sie ihre Augen kaum noch aufhalten, doch ihr einziger Gedanke galt dem zerrissenen Kleid. Ihre Schwester hatte es ihr für diesen Abend geliehen. Nun konnte sie es wegwerfen. Was sollte sie ihr erzählen? Ein Fleck, der nicht mehr rausging ... ? Er drückte ihre Beine auseinander, hob ihr Becken an und presste das Mädchen gegen die Wand. Sie brachte keine Energie mehr auf, um irgendwas zu tun. Sie klammerte sich an Gin fest, ließ ihn einfach machen und wusste genau, danach würde er sie in Ruhe lassen und sie durfte schlafen. Anfangs war es anders gewesen. Da war er noch sanfter und geduldiger. Das Mädchen fand schnell Gefallen an dem, was sie taten und machte sich zunächst keine Gedanken, wenn einmal nur Gin sein Vergnügen fand. Doch inzwischen galt diese Behandlung des öfteren als Strafe, wenn sie es gewagt hatte, ihm ihre Meinung ins Gesicht zu sagen oder nicht das tat, was er wollte. Als Gin fertig war und von ihr abließ, konnte sie sich vor Schmerzen kaum bewegen. Mühsam schleppte sie sich ins Badezimmer. Während dieser Prozedur war ihr dermaßen schlecht geworden, dass sie sich würgend über der Schüssel übergab. Sie zog sich zitternd am Waschbecken hoch und blickte ihr Spiegelbild an. Fast hätte Shiho sich vor Ekel ein weiteres Mal übergeben. Fröstelnd und sank das Mädchen auf die kalten Fliesen. Würde es jemals aufhören? Die junge Frau unterdrückte ein Schaudern, als sie seine Anwesenheit hinter sich spürte. „Was ist das, Sherry?“ Mit klopfendem Herzen wandte sie sich auf dem Sofa um und sah, dass ihre Befürchtung wahr geworden war. Er hatte ihn gefunden ... im Müll? Mit eiskalten Augen blickte Gin auf sie hinunter. „Willst du mich eigentlich verarschen!?“ Er warf ihr den positiven Schwangerschaftstest vor die Füße und in ihr stieg trotz der Angst eine unbeschreibliche Wut auf. Es war ja schließlich nicht ihre Schuld, wenn er sich ständig und voller Ungeduld, das nahm was er wollte. Ihr war klar, dass so was passieren musste. Aber diesen Gedanken hatte sie immer verdrängt. Nachdem sie jedoch zum zweiten Mal ihre Periode nicht bekam, hatte sie am Morgen diesen Test gemacht. Bei dem Ergebnis hatte sie geweint und an ihre Schwester gedacht. Wie sollte sie Akemi diese Schwangerschaft erklären? Schwanger von einem Mann, den sie nicht liebte und für den sie nicht mehr als eine kleine Puppe war. Und sie hatte es immer zugelassen, hatte sie nie dagegen gewehrt. Und das Schlimmste: Akemi wusste bisher absolut nichts über diese quälende Beziehung. Obwohl sie nun in der gleichen Stadt lebten, sahen sich die Schwestern nur selten. Die kostbare, gemeinsame Zeit mit ihrer Schwester wollte sie doch genießen. In diesen Stunden wollte Shiho nicht über Gin oder die Organisation sprechen, geschweige daran denken. Sie wollte eine möglichst unbeschwerte Zeit verbringen, ein wenig Normalität verspüren. Diese Augenblicke sollten erhalten bleiben. Und daher fasste sie einen endgültigen Entschluss. Dieses Kind musste weg. Ihr eigentlicher Plan war gewesen, das Baby still und heimlich abzutreiben. Es sollte unbemerkt geschehen ... doch wie sie dies, trotz der ständigen Überwachung machen wollte, war ihr unklar geblieben. „Du glaubst doch nicht im Ernst daran, dieses Balg zu behalten!?“ Seine Stimme dröhnte in ihren Augen und für einen kurzen Moment verspürte sie das Bedürfnis, sich die Hände an ihre Ohren zu pressen. „Ich hatte es nicht vor ...“, erwiderte sie stattdessen kalt. „Gut! Ich habe auch nichts anderes von dir erwartet, Sherry.“ Sie sah ihm hinterher, wie er das Wohnzimmer verließ. Insgeheim war sie für das stille Einverständnis dankbar. Als Gin zurück kehrte, trug er seinen langen, schwarzen Mantel. „Wohin gehst du?“, fragte sie überrascht. „Ich bin in einer Stunde zurück.“, antwortete er nur. Ohne ein weiteres Wort verließ er die Wohnung und Shiho blickte seufzend auf ihren Bauch hinunter. Bisher war von diesem Kind noch nichts zu sehen, dass sie in sich trug. Es war das Beste, wenn es so schnell wie möglich verschwand. Dann konnte sie sich auch endlich wieder auf ihre Arbeit konzentrieren. Es war noch soviel zu tun ... Als Gin zurück kehrte, legte er eine kleine Schachtel auf den Tisch. „Da sind vier Tabletten drin. Du wirst die drei kleinen Pillen jetzt nehmen und die Andere übermorgen, vergiss sie nicht!“ Stirnrunzelnd nahm sie die Tabletten aus der Schachtel. Die Verpackung verriet absolut nichts über die Wirkstoffe. „Was ist das, Gin?“ „Danach ist es weg.“, antwortete er knapp. „So ist es am einfachsten und du wirst schnell wieder arbeiten können.“ Wütend haute sie mit der Faust auf den Tisch und erhob sich. „Du kannst nicht von mir erwarten, dass ich einfach irgendwas zu mir nehme! Ich will wissen, was das für ein Zeug ist!“ Regungslos blickte er sie an, verzog wie immer keine einzige Miene. „Du nimmst diese Tabletten, Sherry. Du bist für drei Tage von der Arbeit befreit, keinen Tag mehr.“ Er ging, ließ sie vor Wut bebend zurück. Es war egal, was Shiho wollte. Gin interessierte es nicht, er verschwendete keinen Gedanken daran und die Organisation erst Recht nicht. Wichtig war, dass die Wissenschaftlerin sich in der Lage befand, an ihrem Projekt zu arbeiten. Dagegen konnte sie sich nicht wehren, sie war völlig machtlos. Shiho wollte dieses Kind nicht. Aber sie hatte zumindest gehofft, selbst entscheiden zu können, wann und wie sie es wegmachen wollte. Doch auch dieses Recht nahm man ihr. Sie war schließlich nur ein Werkzeug, dass seinen Dienst zu erfüllen hatte und wenn es das nicht tat, wurde es entsorgt. Shiho nahm die drei Tabletten in ihre Hand und ging in die Küche. Für eine winzige Sekunde hegte sie den Gedanken, diese Dinger im Abfluss zu versenken. Stattdessen füllte sie ein Glas mit Wasser und nahm die Tabletten ein. Die junge Frau hatte ein ungutes Gefühl. Am nächsten Morgen erwachte Shiho mit einer leichten Übelkeit. Als sie aus dem Bett stieg, erfasste sie ein Schwindelanfall. Wankend lief sie in die Küche, um Kaffee zu kochen. Sie fühlte sich so ausgelaugt, dass sie sich auf das Sofa fallen ließ. Was waren das nur für Tabletten? Sie wollte doch nur genau wissen, wie sie wirkten. Was geschah gerade mit ihr, mit ihrem Körper ... und diesem Kind? Starb es in diesem Moment? Oder war es schon längst tot? Bei diesem Gedanken begann sie zu würgen und schaffte es gerade noch rechtzeitig zur Toilette. Hinterher blieb sie keuchend auf dem Boden liegen, lehnte ihr erhitztes Gesicht an die kalten Fliesen. Sie war so erschöpft. Wie lange würde es noch dauern, bis es vorbei war ... ? Stunden später erwachte die junge Frau. Sie wusste nicht, wie spät es war oder wie lange sie auf dem Badezimmerboden gelegen hatte. Mit schmerzenden Gliedern erhob sie sich und trat ins Wohnzimmer. Es war bereits später Abend. Sie hatte etliche Stunden geschlafen. Oder war sie bewusstlos gewesen? Den ganzen Tag über hatte Shiho nichts zu sich genommen und sie fühlte sich schwach und zittrig. Aber ihr war auch übel und sie hatte Angst, sich weiter zu übergeben. Erschöpft ließ sie sich auf ihrem Bett nieder. Worauf hatte sie sich nur eingelassen? Sie wusste nicht, ob diese Symptome normal waren und sie konnte nicht einschätzen, wann die Behandlung falsch lief. Das machte ihr Angst. Sie überlegte, Gin anzurufen und ihn ein weiteres Mal nach den genauen Wirkungen zu fragen. Doch Shiho konnte und wollte ihn einfach nicht um Hilfe bitten. Sie musste das alleine durchstehen. Am kommenden Tag musste sie die letzte Tablette zu sich nehmen. Zögernd nahm Shiho die Pille zwischen ihre Finger. Danach würde es hoffentlich ganz schnell vorbei sein! Dann würde das Kind weg sein. Doch sie war noch für den heutigen und den morgigen Tag beurlaubt ... würde sich die Abtreibung noch so lange hinziehen? Sie fühlte sich doch gerade etwas besser. Doch im Laufe des Tages verschlechterte sich ihr Zustand. Es war schrecklich. Ständig erfasste sie ein heftiger Würgereiz. Shiho hatte nicht damit gerechnet, dass es so übel werden würde. Ihr war unglaublich heiß und irgendwann war sie nass geschwitzt Und dieses Ziehen im Unterleib ... Sie beschloss, sich in der Wanne abzuduschen und entkleidete sich im Badezimmer. Das Mädchen erschrak, als sie Blut in ihrem Slip sah. Es war allerdings nicht sehr viel und sie stieg vorsichtig in die Wanne. Mit geschlossenen Augen genoss sie das warme Wasser auf ihrer Haut. Diese Wärme tat so gut und nahm ihr gleich die Übelkeit. Nach all den Stunden ging es Shiho ein wenig besser ... bis sie ein weiteres, heftiges Ziehen in ihrem Unterleib verspürte und sie sogleich das Gefühl hatte, das etwas sie verließ. Irritiert öffnete sie die Augen und sah an sich herab. An ihren Beinen lief tiefrotes Blut herunter, der ganze Wannenboden hatte sich bereits verfärbt. In einem Schwindelanfall ließ sie die Brause fallen, rutschte am Wannenrand hinunter und starrte entsetzt auf das, was zwischen ihren Schenkeln hervorkam. Sie sah der inzwischen rotbraunen, schmierigen Brühe nach, wie sie Richtung Abfluss lief. Schluchzend zog Shiho die Knie an. Sie war 16. Sie verlor gerade ihr Kind und war dabei ganz allein. Kapitel 4: Wandel ----------------- Röchelnd strich Shiho sich die verklebten Haarsträhnen aus dem verschwitzten Gesicht. Sie hielt die Luft um an, um nicht ein weiteres Mal ihren Mageninhalt abzugeben. Doch es half nichts. Sie hörte das leise Knarren der Tür und schloss erschöpft die Augen. Warum musste er ausgerechnet in diesem Moment auftauchen? „Bitte komm nicht näher, Shinichi, bitte!“ Sofort war er bei ihr und strich der jungen Frau mit warmen Händen beruhigend über den Rücken. „Es geht schon wieder ...“, flüsterte Shiho heiser und stand auf, um die Toilettenspülung zu betätigen. Etwas beschämt und von sich selbst angewidert, beugte sie sich über das Waschbecken. „Du hast dir doch hoffentlich nichts eingefangen!?“, fragte Shinichi besorgt und musterte sie aufmerksam. Befangen schüttelte sie den Kopf. Wenn Shinichi sie doch nicht so anblicken würde. Wahrscheinlich sah sie furchtbar aus und mit Sicherheit roch es ekelerregend in dem kleinen Badezimmer. „Vielleicht hab’ ich gestern einfach etwas Falsches gegessen.“ „Oder vielleicht zuviel?“, erwiderte der junge Mann spöttisch und sie blickte ihn empört an. Lachend umarmte er seine Freundin. „Also du brauchst dir wirklich keine Sorgen um deine Figur zu machen ...“, Er kicherte leise und sie rümpfte die Nase. Nachdem sie Nachts kaum noch diese Alpträume hatte und nicht mehr ganz so stark von ihren Ängsten geplagt wurde, verspürte sie auch wieder mehr Appetit. Aber vielleicht sollte sie es einfach langsamer angehen ... vielleicht war ihr Körper noch nicht soweit ... Nach der letzten Panikattacke vor zwei Monaten, hatte Shinichi wie versprochen mit Jodie telefoniert. Und tatsächlich gab es keine Hinweise darauf, das Gin oder andere geflüchtete Organisationsmitglieder sich in Tokyo oder Umgebung befanden. Jodie betonte mehrmals, dass sie sich mit Sicherheit im Ausland aufhielten und nicht nach Japan zurückkehren würden. Diese Aussage beruhigte Shiho zwar etwas, doch sie blieb weiterhin skeptisch. Ihr blieb jedoch nicht allzu viel Zeit um über diese Sache nachzudenken, denn Ran hatte sie völlig in ihre Hochzeitsvorbereitungen eingeplant. Es war eine angenehme Abwechslung gewesen, über fast belanglose Dinge wie die Farben der Dekoration oder die Auswahl der Blumen nachzudenken. Die erste Hochzeit, auf die sie eingeladen gewesen wurde, war die von Sato und Takagi gewesen. Aber selbst an den Vorbereitungen beteiligt zu sein, war verdammt anstrengend gewesen und so war sie am Tag der Trauung selbst ganz nervös gewesen. All das hatte ihr geholfen, um einen weiteren, wertvollen Abstand zu der Vergangenheit zu bekommen. Sie dachte nicht mehr so oft zurück. Shiho fühlte sich ein Stück weit normaler. Und auch wenn sie nun vom Alltag der Universität wieder eingeholt wurde, war sie froh darüber. Sie wollte doch nur ein ganz normales Leben und sie hatte endlich das Gefühl, das es fast soweit war. Nachdem sie geduscht und ein wenig Make Up aufgelegt hatte, lief Shiho nach unten, um noch rasch eine Tasse Kaffee zu trinken. Das Telefon klingelte und sie seufzte auf. Wahrscheinlich wartete wieder einmal ein weiterer Fall auf den großen Meisterdetektiv ... Genervt nahm sie den Hörer ab. „Miyano hier, wer ist da bitte?“ Sie glaubte, sofort Takagis nervöse Stimme hören zu müssen. Doch sie irrte sich. Einzig ein leises Rauschen war zu hören. „Hallo?“ Noch immer gab der Anrufer keine Antwort und sie legte kopfschüttelnd auf. „Und?“ Shinichi stand im Flur und zupfte vor dem Spiegel seinen Hemdkragen zurecht. Mit der anderen Hand strich er sich lässig durch die Haare. Bei seinem Anblick unterdrückte Shiho ein Seufzen. „Ich weiss nicht, wer das war ... derjenige hat Nichts gesagt, ich hab nur ein Rauschen gehört.“ Sie zuckte mit den Schultern und verschränkte die Arme. „Sicherlich hat sich da irgendein Handy in der Hosentasche entsperrt und die Person merkt’s nicht ...“ Shiho griff gerade nach dem Telefon, um die Nummer zu überprüfen, als es ein weiteres Mal klingelte. „Unbekannt.“, murmelte sie und ging erneut dran. Wieder ertönte nur ein Rauschen. „Wie eben ...“, antwortete sie leise und reichte das Telefon an Shinichi. Kurz lauschte er stirnrunzelnd, bevor er mehrere Male laut ins Telefon rief. Lachend fasste Shiho sich an die Stirn und er legte das Telefon beiseite. „Da wird jemand eine ganz schön hohe Rechnung bekommen ...“ „Haben sie schon einen Schwangerschaftstest gemacht, Frau Miyano?“ Bei diesen Worten zuckte sie zusammen. „Bitte? Ich dachte, ich habe eine Grippe ..“ Sie konnte einfach nicht schwanger sein, ihr war doch nur übel gewesen. Aber da es ihr nach drei Tagen nicht besser ging, war sie zum Arzt gegangen. „Das ist ausgeschlossen, meine Periode habe ich letzten Monat wie gewohnt gehabt.“, erwiderte sie nervös. Die Ärztin blickte sie durch die dicke Brille hindurch an. „Haben sie Veränderungen bemerkt?“ Kurz überlegte sie. Es war doch alles wie immer gewesen, oder? Sie achtete eigentlich nicht besonders drauf ... „Nein, eigentlich nicht ... okay, es war weniger als sonst, aber ...“ Shiho verstummte. Ihr Herz begann zu rasen. Es konnte doch nicht wirklich sein, dass sie ... „Ich schlage vor, sie machen einen Test oder lassen sich bei ihrem Gynäkologen untersuchen. Falls es keine Schwangerschaft ist, dann kommen sie wieder.“ Wie betäubt verließ sie die Praxis und steuerte geradezu automatisch die nächstliegende Apotheke an. Die pharmazeutische Fachangestellte musterte sie seltsam, als sie einen Schwangerschaftstest forderte. Doch darauf achtete sie nicht. In dem nächstbesten Café ließ sie sich nieder und bestellte ein Wasser. Die junge Frau saß lange dort, bevor sie die Toilette betrat und den Test aus der Verpackung nahm. Die Prozedur war ihr nicht unbekannt und die Situation ließ sie unweigerlich an Damals zurück denken. Das beklemmende Gefühl in ihr wuchs. Als das Ergebnis sichtbar war, hielt sie den Atem an. Der Test war positiv. In ihr wuchs ein Kind. Sie stopfte den Test zurück in die Verpackung, steckte alles in die Tasche und setzte sich zurück an den Tisch. Die junge Frau war dermaßen fassungslos, dass sie keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Geschockt ließ sie sich ein weiteres Glas Wasser bringen, welches sie jedoch nicht anrühren würde. Sie hatte lange und vor allem hervorragend verdrängt, dass sie ihr Kind hatte töten müssen. Doch nun sickerten die Erinnerungen durch, tauchten aus der Tiefe des Unterbewusstseins hervor. Ein innerlicher Ruck durchfuhr sie, als sie die braunrote Schmiere vor sich sah, wie sie langsam und mit einem widerlich – schmatzenden Geräusch den Abfluss herabsickerte. Panisch schüttelte sie den Kopf und versuchte die Tränen wegzublinzeln. Erst als sie sich hektisch im Raum umblickte, bemerkte sie es. Ihre Fingernägel gruben sich in die Handfläche ihrer geballten Faust. Sie saß in dem Café, in dem sich das letzte Mal mit Akemi getroffen hatte. In diesem Moment brachen alle Dämme. Etwa eine Stunde später saß Shiho zu Hause auf dem Sofa und starrte in die Leere. Irgendwann hatte sie das Geld auf den Tisch geknallt und fluchtartig das Café verlassen. Nun saß sie im Wohnzimmer. Weinen konnte sie schon lange nicht mehr, stattdessen hatte sich bereits eine lähmende Erschöpfung in ihr breit gemacht. Eigentlich wollte sie aufstehen und nach all der Zeit endlich ihre Jacke ablegen. Sie wollte sich eiskaltes Wasser ins Gesicht spritzen, um dem Zustand der inneren Betäubung zu entkommen. Doch all das schaffte sie nicht. Sie dachte an das Kind in ihrem Bauch und an das Kind, das die Chance zu leben nie erhalten hatte. Die Erinnerung an die Schmerzen und das viele Blut quälte sie. Nach der Abtreibung hatte sie Alpträume gehabt, schreckliche Träume, in denen rotbraune Pampe aus allen Abflüssen und Löchern kroch ... Das Telefon läutete und riss sie aus ihren grausamen Gedanken. Sekundenlang starrte Shiho es an, bis sie sich einen Ruck gab und abnahm. Rauschen. Schon wieder. Und kaum hörbar; der Atem einer Person. Eine Gänsehaut breitete sich über ihren gesamten Körper aus. „Was soll denn der Scheiss!? Lassen Sie uns in Ruhe, verdammt!“ Atemlos drückte sie den unbekannten Anrufer weg und schmiss das Telefon in die Ecke des Sofas. Diese seltsamen Anrufe machten ihr Angst und begannen zu nerven, doch immerhin hatte es sie aus ihrer inneren Starre befreit. Im Badezimmer betrachtete Shiho sich im Spiegel. Ihr Gegenbild zeigte eine junge, hübsche Frau, die ein wenig zu blass war und völlig erschöpft wirkte. Kein Wunder, dachte sie. Eigentlich war sie noch viel zu jung für ein Kind. Doch so jung fühlte Shiho sich auch nicht mehr. Wie würde es ihr erst im Alter ergehen? Sie verzog das Gesicht. Dieses Lebewesen in ihr, erinnerte sie an eine furchtbare, qualvolle Zeit. Würde sie sich jemals vollkommen von der eigenen Vergangenheit lösen können? Die Erinnerungen schienen sie immer wieder einzuholen, wenn sie glaubte, ein Stück vorwärts gekommen zu sein. Damals war dieses Kind von einem Mann gewesen, dem sie zum Ende hin nur noch Abscheu und Verachtung entgegeben gebracht hatte. Wäre Shiho damals überhaupt in der Lage gewesen, dieses Kind zu lieben? Hätte sie es nicht auf ewig an diesen erbarmungslosen Killer erinnert? War es besser so? War es nicht gut, dass sie es nie zur Welt gebracht hatte? Ein schmerzhafter Stich durchzuckte sie. Der Gedanke schmerzte und sie biss sich auf die Lippen. Sie war schwanger. Von Shinichi. Von einem Mann, der sie liebte. Den sie liebte. Sie musste es ihm sagen. Als Shinichi nach Hause kam, saß sie noch immer auf dem Sofa. Eine ewige Zeit lang hatte Shiho über ihre Worte nachgedacht, doch es erschien ihr alles nur völlig idiotisch. Nur hatte sie sich verboten, zu weinen. Sie wollte mit ihren Gefühlen in der Gegenwart bleiben. Als sein überraschter Blick sie traf, biss Shiho sich nervös auf die Lippen. „Was ist los? Ist etwas passiert!?“ Entsetzt weiteten sich seine Augen und sie wusste, dass er an den Arzttermin dachte. Schnell schüttelte sie den Kopf. „Nein, es ... es ist nicht so schlimm ... denke ich ...“ Mit besorgter Miene ließ der junge Mann sich auf dem Sofa nieder. Sie schluckte und suchte noch nach Worten, als er zu sprechen begann. „Du bist schwanger.“ Wortlos starrte sie ihn an. „Woher zum Teufel ...?“ „Es sprach einfach ... vieles dafür, sagen wir es so.“ Voller Spannung wartete Shiho auf weitere Reaktionen seinerseits. Natürlich konnte er sich diese Tatsache erschließen. Es fing bei ihrer Übelkeit an, ging über ihr Verhalten, bis hin zu ihrer Körpersprache. Ihm konnte sie nichts vormachen. „Wie alt ist es?“, fragt er leise und kaum hörbar. „Vielleicht sechs, sieben Wochen alt ...“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich weiß es nicht genau, ich war noch nicht beim Frauenarzt.“ Es war jedoch noch genügend Zeit um abzutreiben, dachte Shiho und erschauderte innerlich. „Glaubst du, wir wären gute Eltern?“, fragte er nachdenklich und blickte dabei ganz abwesend auf ihren Bauch. Dabei war noch nichts von ihrer Schwangerschaft zu sehen. Shiho lächelte, zum ersten Mal seit der Untersuchung beim Arzt. „Abgesehen davon, dass das Kind eine leicht verrückte Mutter und einen besessenen Detektiv als Vater hat!?“ Shinichi lachte auf und legte seinen Arm um sie. „Du bist nicht verrückt. Du hast viel durchgemacht, ja ... aber, das macht dich nicht zu einem schlechten Menschen. Im Gegenteil. Irgendwie denke ich, das du eine wundervolle Mutter wärst.“, erwiderte er und Shihos Herz machte einen Sprung. Sie hatten nie über dieses Thema gesprochen, dafür war es eigentlich noch viel zu früh gewesen. Doch diese Worte machten ihr erst klar, wie viel er für sie empfand. Trotzdem blickte sie ihn zweifelnd an. „Das meine ich ernst, Shiho!“, sagte er zärtlich und strich ihr über die Wange. „Denkst du, es würde mich glücklich machen?“ Sie griff nach seiner Hand und blickte nervös auf seine Finger. „Diese Frage müsstest du dir doch selbst beantworten können, oder?“ Sie schüttelte den Kopf, suchte nach den richtigen Worten. „Ich kann es eben nicht. Ich hab’ einfach Angst, Shinichi. Ich will nichts ... nichts Falsch machen ...“ Er zog die junge Frau zu sich und hielt sie fest in seinen Armen. Vorsichtig drückte er ihr einen Kuss aufs Haar. „Ich will nur, dass du weißt, das ich mich freuen würde.“ Wortlos, doch sehr berührt nickte sie und schlang die Arme um seinen Hals. Als das Telefon an diesem Abend erneut klingelte, ignorierten sie es. Kapitel 5: Illusion ------------------- Bis auf die Unterwäsche unbekleidet stand Shiho vor dem mannshohen Spiegel im Schlafzimmer. Mit einem Lächeln betrachtete sich die junge Frau, drehte sich zur Seite und strich sich über den deutlich gewölbten Bauch. Sie war nun im fünften Monat und laut ihrer Ärztin war das Kind völlig gesund. Auch das Geschlecht war ihnen inzwischen bekannt. Ein kleines Mädchen wuchs in ihrem Körper heran. Shihos Lächeln wurde breiter. Anfangs hatte sich noch so viele Gedanken und Sorgen gemacht. Sie zweifelte. Sie hatte Angst gehabt. Doch die erste Untersuchung, das erste Ultraschallbild hatten alle Ängste weggewischt. Sie würde endlich eine kleine Familie haben. Soviel Glück, soviel Normalität in ihrem Leben hätte sie sich niemals erträumen können. Es war fast unheimlich, wie gut sie sich dabei fühlte. Irgendwann konnte sich von dem Anblick ihres kleinen Babybauches losreißen und begann sich anzukleiden. Shinichi war schon lange in der Uni und würde erst am Nachmittag nach Hause kommen. Sie selbst hatte das Studium vorerst abgebrochen. Nach der Schwangerschaft würde Shiho es fortsetzen – soweit es die Kleine zulassen würde. Shinichi hatte sie dazu überredet. Sie solle sich schonen. Die freie Zeit war zwar recht entspannend, aber genauso langweilig. Daher verließ Shiho gegen Mittag das Haus und bummelte seelenruhig durch die Stadt. Die Spätsommersonne schien warm auf ihre Haut, die Temperaturen waren ideal. Sie wollte sich in einem neuen Babygeschäft im Einkaufszentrum von Beika umsehen. Ran hatte ihr vor nicht allzu langer Zeit einen Flyer in die Hand gedrückt und ihr versprochen, ihn mit ihr zu besuchen. Doch sie hatte noch keine Zeit gefunden und so beschloss Shiho, sich den Laden alleine anzusehen. Ein wenig befangen, betrat sie das Geschäft und sah sich um. Sie steuerte zunächst auf die Umstandsmode zu, den die brauchte sie zurzeit am ehesten. Ihr Bauch wuchs und ihre Hose ließ sich nur noch mit viel Mühe schließen. Bald würde sie bauchfrei herumlaufen, weil jedes Oberteil sich über ihren Bauch rollte. Shinichi amüsierte sich darüber, während sie selbst diese Tatsache nicht so lustig fand. Zweifelnd begutachtete sie einige Ständer und kam zu dem Schluss, dass die Sachen einfach nur hässlich waren. Sie würde sich woanders umsehen. Stattdessen sah sie sich die winzigen Strampelanzüge, Mützchen und Schühchen für Neugeborene an und ihr Herz ging auf. Neugierig beobachtete Shiho die werdenden Mütter um sie herum. Nicht wenige waren mit ihren Kindern oder ihren Freundinnen unterwegs. Es versetzte ihr einen Stich, als sie eine Schwangere mit ihrer Mutter sah. Sie besahen gerade die Kinderwagen und diskutierten. Das gute Gefühl verließ Shiho schlagartig. Sie hatte niemanden mit dem sie sich austauschen konnte oder der ihr Tipps gab. Ihre Mutter war seit so vielen Jahren tot. Und sie hatte sie eigentlich nur aus Erzählungen gekannt. Doch jetzt wurde ihr erst bewusst, wie sehr Shiho sie vermisste. Und nicht nur sie, auch Akemi hätte sich über eine Nichte gefreut. Sie konnte sich verdammt gut vorstellen, wie ihre große Schwester stapelweise Bücher las, um am Ende besser auf die Geburt vorbereitet zu sein, als sie selbst. Sie konnte nicht verhindern, dass ihr Tränen über die Wangen liefen. „Geht es Ihnen gut?“ Eine junge Verkäuferin, kaum älter als sie selbst, stand mit besorgtem Gesicht neben ihr und strich ihr über den Rücken. Hastig wischte sie sich übers Gesicht und versuchte zu lächeln. „Ja ... schon gut, ich ...“ Ausgerechnet jetzt bekam sie die Hormone zu spüren, dachte sie verärgert. „Sind Sie sicher? Vielleicht kann ich Ihnen ein Glas Wasser anbieten?“ Die Sorge dieser Frau berührte und machte sie gleich gleichzeitig wütend. Shiho schüttelte den Kopf und verabschiedete sich dankend. Halbwegs gefasst verließ sie den Laden. Was für ein Reinfall, dachte sie. In dieses Geschäft würde sie sich wahrscheinlich nicht mehr trauen. Niedergeschlagen machte sich die junge Frau auf den Heimweg. Sie hoffte, dass Shinichi bereits zu Hause war. Sie brauchte ihn jetzt einfach. Sie wollte in seinen Armen liegen, sich trösten lassen ... vielleicht sogar über das sprechen, was ihr durch den Kopf gegangen war. Es fiel Shiho noch immer schwer, Gefühle oder Dinge aus ihrer Vergangenheit anzusprechen. Noch immer wusste er nichts von der Abtreibung. Er wusste eigentlich nichts. Aber Shinichi drängte sie auch nicht dazu und darüber war sie sehr erleichtert. Irgendwann würde sie sich ihm anvertrauen. Irgendwann. Doch an diesem Nachmittag würde sie enttäuscht. Auf dem Esstisch lag eine Notiz von ihm. Er hatte mehrmals versucht sie auf dem Handy zu erreichen. Ein Fall war dazwischen gekommen, wie so oft. Seufzend rief sie ihn an. Seine Stimme klang gestresst. „Shiho! Warum gehst du denn nicht an dein Handy?“ „Tut mir Leid.“, erwiderte sie leise. „Ich hab’s zu Hause liegen gelassen. Ich war in der Stadt ...“ „Okay ... entschuldige, ich hab mir nur Sorgen gemacht, verstehst du?“ Ganz automatisch nickte sie, obwohl er es nicht sehen konnte. „Ist denn alles okay bei dir?“, fragt er. „Ja ...“ Sie biss sich auf die Lippen. Lügen war noch nie ihre Stärke gewesen. „Du hörst dich nicht so an ...“ „Wann kommst du nach Hause, Shinichi?“ Sie hörte ihn seufzen. „Das kann ich nicht so genau sagen, es könnte noch dauern ... geh bitte nicht so spät ins Bett, warte nicht auf mich, ja?“ Shiho versprach es ihm und sie verabschiedeten sich voneinander. Frustriert schmiss sie das Handy aufs Sofa und zog das Haargummi aus ihrem Zopf. Sie hatte es immer toleriert, dass er einem Fall nach dem Nächsten hinterer jagte, doch so konnte es nicht weiter gehen. Sie vermisste ihn. Und wenn das Baby da war, konnte er auch nicht ständig verschwinden. Mit einer dünnen Decke über den Beinen, legte sich Shiho auf das Sofa und schaltete den Fernseher ein. Sie musste mit Shinichi reden. Er würde es einsehen, da war sie sich sicher. Aber nach diesem mehr oder weniger misslungenen Tag würde sie sich einfach nur noch von schlechten, koreanischen Dramas berieseln lassen und dann schlafen gehen. Sie träumte. Sie sah ihn deutlich vor sich. Sie konnte ihn riechen. Sie konnte seinen Atem auf ihrem Gesicht spüren. Sherry ... meine kleine, süße Sherry ... Nein, wisperte sie. Geh weg ... Er strich ihr über die Wange und sie erschauderte. Ich habe dich so vermisst ... es wird mir ein Vergnügen sein, dich kalt und blass in den Armen zu halten ... Sie schrie. Sie schrie so laut, dass sie davon erwachte. Hektisch schlug Shiho um sich, versuchte ihn damit aus ihren Gedanken zu vertreiben. Am ganzen Körper bebend sah sie sich um. Es war bereits dunkel und allein der Fernseher erleuchtete das Zimmer mit flackernden Bildern. Es war, als könne sie seine Finger noch auf ihrer Haut spüren und sie schluchzte laut auf. Als es hinter ihr knarrte, gab sie einen erstickenden Schrei von sich und schrak vom Sofa auf. Dort war niemand. Aber er war da, er war da, sie konnte ihn spüren. Die Panik begann ihre Gedanken zu vernebeln. Sie hastete zum Schrank und zog mit zitternden Händen einen Revolver aus der Schublade. Sie hatte ihn selbst gekauft. Vor Jahren. Aus Angst. Wieder knarrte es und sie wimmerte auf. Es schien vom Flur, von der Treppe zu kommen. Sie musste wählen. Entweder sie verbarrikadierte sich im Wohnzimmer und rief Shinichi an ... Aber was, wenn sie sich erneut irrte? So wie damals, als sie glaubte, er wäre auf der Straße gewesen. Und selbst, wenn er sich in diesem Haus befand, sollte sie nicht beginnen, sich ihrer Angst zu stellen? Dieser Mann hatte Jahre ihres Lebens zur Hölle gemacht und jetzt ließ sie sich immer noch von ihm einnehmen? Ihr Herz klopfte dermaßen laut, dass es ihr schwer fiel, einen klaren Gedanken zu fassen.. Schließlich beschloss Shiho, sich selbst zu vergewissern. Wenn er es war, wenn er wirklich hier war, dann ... Zitternd entsicherte sie die Waffe und lief zur Tür. Wie am Rahmen festgeklebt, tastete sie im Dunkeln nach dem Lichtschalter. Als die Lampe endlich brannte, blickte sie sich hektisch um. Die Geräusche waren von der Treppe gekommen. Also musste er oben sein. Vorsichtig ging sie Stufe für Stufe hinauf. Alles in ihr widerstrebte sich, schrie und kämpfte um ihr Leben. Sie wollte umkehren, nach draußen stürmen, sich und ihr Kind retten ... Doch schließlich erreichte sie den oberen Flur. Alle Türen bis auf die des Schlafzimmers waren geschlossen. Also konnte er sich nur dort befinden. Unbewusst hielt sie die Luft an und ging auf den Raum zu. Sie würde ihn einfach erschießen, dachte sie. Sie würde ihm keine Zeit geben, sie zu verunsichern. Sie trat näher. Ihr Herz setzte aus, als sie im Zimmer einen Schatten erkannte. Ohne die weit aufgerissenen Augen abzulassen, glitt ihre schweißnasse Hand zum Schalter. Sie kniff die Augen zusammen, als die Helligkeit sie blendete, die Hände noch immer fest um den Abzug gepresst. Ihre Beine ließen nach und sie sank am Türrahmen herunter. Der Schatten war ihr gespiegeltes Selbst in der Scheibe des Fensters gewesen. Sie keuchte auf, als die gesamte Anspannung aus ihrem Körper wich und ihr die Waffe aus der Hand rutschte. Kraftlos lehnte sie den Kopf an die Wand und schloss für wenige Sekunden die Augen. Sie war doch verrückt. Das war der Beweis. Jahrelang hatte sie sich auf ihre Fähigkeit, auf ihren Instinkt verlassen. Und nun spielte Shihos Verstand ihr Streiche. Lautlos weinend saß sie auf dem Boden. Sie war ein verdammtes Wrack. Ihr Kind würde eine paranoide Verrückte als Mutter haben. War das ihr Schicksal? War das der Preis dafür, dass sie der Organisation entkommen konnte? War die Angst für den Rest ihres Leben ein ständiger Begleiter, egal wie glücklich sie zu sein schien? Das war kein Leben, dachte sie. Es war eine Strafe. Vielleicht bestrafte man sie, für all die Menschen, die durch ihr Gift umgekommen waren. Die Haustür öffnete sich. „Shiho?“ Wie vom Blitz getroffen, griff sie nach der Waffe und raste ins Badezimmer. Den Revolver verbarg sie gut versteckt im Korb bei ihren Utensilien. Hastig spritzte sie sich Wasser ins Gesicht. Ihre Hände zitterten noch immer, als sie die Zahnpasta aus der Tube drückte. Sie hörte Shinichi die Treppe hinauf laufen und ehe sie sich versah, stand er mit einem breiten Grinsen im Badezimmer. „Es ging schneller, als ich dachte!“ Er gab seiner Freundin einen Kuss und blickte ihr ins Gesicht. „Wolltest du ins Bett gehen? Du siehst ziemlich müde aus ...“ Sie nickte, während sie sich die Zähne putzte. So musste sie nicht sprechen. Es wäre ihm sofort aufgefallen, dass etwas nicht stimmte. „Warum hast du denn den Fernseher unten angelassen?“ Sie hob die Augenbrauen und zuckte mit den Schultern, erst dann spülte sie sich gründlich den Mund aus und räusperte sich. „Hab ich wohl vergessen.“, erwiderte sie mit halbwegs fester Stimme. Sie lächelte und küsste ihn. Zärtlich strich Shinichi über ihre Wange und sie musste das Schaudern unterdrücken. „Leg dich schon mal ins Bett, ich komm’ nach.“, sagte er leise und gab ihr einen weiteren Kuss. Kurz bürstete Shiho ihre Haare durch, bevor sie sich ins Schlafzimmer begab und dort entkleidete. Er hatte nichts bemerkt, dachte sie. Lautlos seufzend öffnete sie den Schrank und zog das spitzenbesetzte Nachthemd über, welches Shinichi ihr zum Geburtstag geschenkt hatte. Dann setzte sie sich aufs Bett und zog die Knie an. Während sie an die Wand starrte, hörte sie Shinichi in der Küche hantieren. Wie sollte sie das aushalten? Kapitel 6: Spielbeginn ---------------------- So ... ein bisschen Geplänkel muss jetzt doch sein. Verzeiht mir bitte, dass es solange gedauert hat ... dank Schule und eigener Wohnung fiel es mir schwer, an der Geschichte weiter zu schreiben. Daher habe ich beschlossen, dass dieses Kapitel nun schon das vorletzte ist. Jetzt geht's also auf's Ende zu. Entschuldigt bitte, wenn einige Fehler im Kapitel zu finden sind ... ich habe es mit einem anderen Programm als gewohnt geschrieben und irgendwie noch nicht herausgefunden, wie die Rechtschreibprüfung funktioniert ... naja ...dann mal Schluss mit dem Bla Bla. Viel Vergnügen ... "Bitte setzen Sie sich doch!" Ein junger Mann erhob sich von seinem Platz und trat zur Seite. Peinlich berührt lächelte Shiho und verbeugte sich dankend. "Schon gut, ich steige an der nächsten Station schon wieder aus.", erwiderte sie und sah so unauffällig wie möglich an sich herunter. Die enge Bluse betonte ihren Babybauch aber auch verdammt gut, dachte die junge Frau. Vielleicht sollte sie besser auf legere Shirts umsteigen, da flogen wenigstens keine Knöpfe wie Wurfgeschosse durch die Luft. Mühsam unterdrückte Shiho ein Kichern, während ihr gleichzeitig und vollkommen überraschend übel wurde. In Gedanken betete sie dafür, wenigstens noch bis zur Station aushalten zu können und hielt die Luft an. Wenn sie sich jetzt übergeben musste ... Eine quälende Minute später hielt die Bahn und Shiho stürmte nach draussen. Tief atmete sie die klare Luft an und sofort ging es ihr etwas besser. Seufzend lehnte sie sich an einen Pfosten und wischte sich über die Stirn. In die vollbesetzte Bahn zu kotzen, wäre so ziemlich das Schlimmste gewesen, das sie sich hätte vorstellen können. Nach dem Regenschauer vor nicht einmal einer Stunde war die Luft noch immer angenehm frisch und kühl. Kurz genoß sie den leichten Wind und langsam verging die Übelkeit. Sie öffnete die Augen und warf einen Blick auf die Uhr. Shinichi würde noch nicht zu Hause sein. Also hatte sie noch kurz Zeit um im Konbini ein paar Einkäufe zu machen. Seufzend nahm sie ihre Handtasche vom Boden und erstarrte. Langsam richtete sie sich auf. Ihre Blick war auf den gegenüberliegenden Gleis gerichtet. Auf dem Bahnsteig der anderen Linie stand weiter abseits ein Mann. Seine grünen Augen fixierten sie, das breite Grinsen kam ihr vertraut vor und sie erschauderte unwillkürlich. Die Hände im Mantel vergraben und an der Säule lehnend stand er dort und blickte Shiho an. Sie wich einige Schritte zurück, sie war von seinem Erscheinen dermaßen überrascht, dass sie ihren Blick nicht von ihm lösen konnte. Es war Gin. Er war es leibhaftig. Und es war kein Auswuchs ihrer Hirngespinste, keine Illusion oder Einbildung. Sie irrte sich nicht, denn zwei Schulmädchen die sich in seiner unmittelbaren Nähe befanden, musterten ihn mit sichtlichen Unbehagen. Er hatte sich verändert, stellte sie im Bruchteil von Sekunden fest. Seine langen Haare ließen sich nicht mehr als Blond bezeichnen. Sein Gesicht wirkte hager, beinahe dämonenhaft. Und seine Augen sprühten nun nicht länger vor leidenschaftlichen Hass – es war purer Wahnsinn. In diesem Moment wurde es ihr bewusst. Jetzt, wo er leibhaftig vor ihr stand, wich die Panik und die Angst. Es war so surreal ihn mitten am Tag an einem Bahnhof zu treffen, umgeben von anderen Menschen. Sie wollte schreien vor Wut. Doch ehe sie noch die Chance dazu hatte, bewegte Gin die Lippen. Natürlich drangen seine Worte nicht bis zu ihr hin, doch ein Wort konnte sie erahnen. ... tot ... Der einfahrende Zug ließ sie zusammen zucken und riss sie gewaltsam auf den Boden der Tatsachen zurück. Die Anspannung in Shihos Körper ließ nach und ihre Beine zitterten. Ihr war eiskalt. Stolpernd verließ sie den Bahnsteig, irrte orientierungslos aus dem Bahnhof und ließ sich außerhalb auf die nächste Bank plumpsen. Er war noch immer auf der Jagd nach ihr. Noch immer trieb ihn der Wunsch, sie zu töten. Es war ganz so, wie sie es vermutet hatte. Sie war sich dessen immer bewusst gewesen, doch nun konnte sie es trotzdem nur schwer fassen. Warum nur, war er so versessen auf sie? Wie oft hatte sie sich diese Frage bereits gestellt? Er nahm das Risiko einer Festnahme auf sich, um sie in den Wahnsinn zu treiben. War er also damals wirklich bei ihnen im Haus gewesen? Sie dachte an ihren Traum ... seinen Atem, die Finger, die sie streiften ... sie spürte die Panik in sich aufsteigen und ermahnte sich. Nein, sie konnte sich dessen nicht sicher sein. Es gab keinen Beweis dafür, dass er sich wirklich im Haus aufgehalten hatte. Ihre Nerven konnten ihr ebenso gut einen Streich gespielt haben. Denn wenn es so gewesen wäre, wenn er an diesem Tag da gewesen war ... warum hatte er sie nicht getötet? Er hätte die Chance dazu gehabt. Er gab soviele Gelegenheiten dazu. So auch damals, als sie geglaubt hatte, ihn auf der Straße zu spüren. Aber vielleicht lag es nicht in seiner Absicht sie zu töten. Vorerst zumindest. Vielleicht liebte er es einfach zu spielen. Mit ihr. Für ihn war Shiho doch immer nur ein Spielzeug gewesen, eine kleine Puppe. Schon damals hatten sie gespielt, sie hatte es immer zugelassen. Es hatte ihm soviel Freude bereitet ... bis sie zur Spielverderberin wurde. Du warst sehr unartig, kleine Sherry. Dafür muss ich dich bestrafen, das verstehst du doch? Es wird weh tun. Sehr sogar. Aber du gehörst mir, für immer. Das Knallen einer Autotür riss Shiho aus ihren Gedanken. "Shiho, was machst du denn hier?" Sie sah auf und blickte geradewegs in Shinichis besorgtes Gesicht. Weiter hinten sah sie Takagis Wagen. Sollte sie es ihm wirklich sagen? Was würde er denken? "Komm, Takagi wollte mich nach Hause fahren." Sie ergriff seine warme Hand und folgte ihm bis zum Auto. Sie ertappte sich dabei, wie sie einen Blick über die Schulter warf. Aber Gin war fort. "Was war denn los mit dir?", fragte er sie, als Shiho im Flur ihren Mantel ablegte. "Es war nichts ... mir ist in der Bahn schlecht geworden und da habe ich mich kurz hingesetzt.", erwiderte sie lächelnd. "Ich glaube, ich möchte ein Bad nehmen ..." Er strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht und musterte sie aufmerksam. Wusste er, dass sie log? Doch dann drückte er ihre Hand und machte sich auf dem Weg zum Badezimmer. Auf der letzten Treppenstufe stutzte Shinichi. Stirnrunzelnd blickte er Richtung Flur. "Warst du im Kinderzimmer?" Rasch trat sie zu ihm. Die Tür des Zimmers stand weit offen, das Licht brannte und sie erstarrte. "Nein.", antwortete sie heiser. War es denn möglich ... ? Sofort wurde ihr wieder übel. Ohne zu zögern betrat Shinichi das Zimmer und Shiho folgte ihm mit klopfenden Herzen. Alles wirkte normal. Noch immer roch es leicht nach frisch gestrichener Farbe. In den Regalen stand bereits alles für ein Kind bereit. Windeln, Kleidung, Babypuder, Spielzeug. Alles stand an seinem Platz. Doch dann blickte sie Richtung Bettchen. Vor wenigen Tagen hatte Shiho eine kleine Stoffpuppe gekauft. Sie hatte blondes Haar, Knopfaugen und trug ein rotes Kleidchen, welches sich ganz weich anfühlte. Sie hatte es neben dem Kissen platziert. Und nun lag es dort in der Mitte des Bettes. Wie weggeworfen. In zwei Teilen. Erschrocken hielt sie die Luft an. Der Kopf war abgetrennt worden und die weiße Watte ragte aus ihrem halslosen Körper ... eine kleine, tote Puppe ... "Gin war hier.", sagte sie ganz ruhig. Es war eine Tatsache, sie wusste es. Er war hier gewesen, bevor sie ihm am Bahnhof gesehen hatte. "Was!?" Fassungslos starrte Shinichi zwischen der Puppe und ihr hin und her. In seinem Kopf rotierte es. "Wie kommst du denn auf sowas!?" "Ich hab ihn gesehen, am Bahnhof." Mit ernster Miene blickte er hoch. Er ließ sich auf dem Hocker nieder und starrte auf die Puppe. Er wurde ihr glauben. Dachte sie. Hoffte sie. "Ich hatte Angst, dass du mir nicht glauben würdest ... ich konnte es selbst nicht fassen. Aber er war es wirklich, Shinichi!" Er nickte und strich sich fahrig über die Stirn. Sie sah, wie erschrocken er war. "Ich rufe Jodie an." Die Situation kam ihr vertraut vor. Wie damals standen Jodie, Black und Camel im Wohnzimmer und berieten sich. Nur dieses Mal war sie schwanger und Gin wirklich da gewesen. Die Türen und das Kinderbett im Zimmer wurden auf Fingerabdrücke und sonstige Spuren untersucht. Shiho musste von ihrer Begegnung mit Gin erzählen. Zögernd berichtete sie auch von den vergangenen Vorfällen. Sie hatte sich in Grund und Boden geschämt, als sie ihnen das Gefühl seiner Anwesenheit beschrieb. Sie konnte doch nicht wissen, ob es pure Einbildung, ein Hirngespinst gewesen war oder ob Gin sie nicht vielleicht doch schon seit Monaten beobachtete und sich in ihrer Nähe aufgehalten hatte. Sie sah die Blicke, die Jodie und James sich zuwarfen. Nur konnte sie diese nicht deuten. Waren sie nur von ihrer Aussage alarmiert gewesen oder zweifelte sie auch schon an ihrem Verstand? Und Shinichi beobachtete sie, grübelnd. "Wir werden die nächsten Tage verstärkt nach ihm suchen. Ein Team ist bereits unterwegs. Er muss sich irgendwo in Tokyo aufhalten, soviel steht fest.", meinte Black. "Ich verstehe es zwar nicht ... aber sie müssen ihm ja viel bedeuteten, dass er einen solchen Narren an ihnen gefressen hat." Shiho erwiderte nichts, stur starrte sie zu Boden und kaute nervös auf ihren Lippen herum. Black erwartete eine Art Erklärung von ihr. Er verstand es nicht. Niemand verstand es. Nicht einmal sie selbst kannte den Grund für Gins Besessenheit. Es war einfach so. Es war schon immer so gewesen. Er wollte sich nur zurücknehmen, was ihm zustand. Shiho spürte die Blicke auf sich, aber ihr fehlte die Kraft, um Details aus ihrer Vergangenheit mal eben zu erzählen oder irgendwelche Vermutungen anzustellen. Die so plötzlich aufkommende Erschöpfung gab ihr den Rest und sie kämpfte mit den aufkommenden Tränen. Verdammte Hormone, dachte die junge Frau. Aber Shinichi entging nicht, wie sie sich fühlte und rettete sie. "Mr. Black, vielleicht wäre es besser, alles weitere morgen oder in den nächsten Tagen abzuklären? Und würden Sie mich bitte auf dem laufenden halten? Ich würde ihnen bei den Ermittlungen gerne zur Seite stehen, aber ich will Shiho momentan nicht alleine lassen!" Ich will auch nicht alleine sein, dachte sie dankbar. "Natürlich. Wir werden uns sofort melden, wenn wir eine weitere Spur haben sollten. Er kann nicht weit weg sein, wir werden ihn fnden. Bis dahin lassen sie ihre Freundin nicht aus den Augen, Shinichi. Ich werde veranlassen, dass die Umgebung rund um die Uhr observiert wird. Trotzdem sollten Sie vorsichtig sein, ich traue Gin alles zu!" Während Shinichi noch kurz an der Tür mit Black sprach, vergrub Shiho erschöpft das Gesicht in den Händen. Besorgt blickte sie an sich herunter. Ihr armes, kleines Mädchen ... noch nicht auf der Welt und trotzdem sämtlichen Gefahren ausgesetzt. Sie konnte nur hoffen und beten, dass der Stress ihrer Kleinen nicht schadete. Wenigstens kümmerte sich nun auch das FBI verstärkt um seine Festnahme. Es beruhigte sie etwas. Wenn das Schicksal mit ihr gnädig war, würde das ganze Theater schon bald sein Ende finden. Sie könnte wieder beruhigt schlafen, ohne Angst. Sie wusste, dass auf Gin die Todesstrafe wartete. Und er war der einzige Mensch auf der Erden, dem sie den Tod wirklich wünschte. Ein gehässiger Gedanke, aber welch eine Erleichterung würde sein Ende für sie bedeuten. Nach allem, was Gin ihr angetan hatte. Die Erniedrigungen, die Schmerzen, der Tod ihrer Schwester, die ständige Angst ... an den schlimmsten Augenblicken in ihrem Leben war immer nur er Schuld gewesen. Und dafür würde er bald büßen müssen. Aber noch war es nicht soweit. Nein. Eigentlich ... hatte das Katz – und Maus – Spiel gerade erst begonnen. Seufzend kam Shinichi ins Wohnzimmer zurück. Sofort nahm er sie in den Arm. "Es tut mir so Leid, Shiho. Wirklich ...", flüsterte er und ihr kamen nun wirklich fast die Tränen. "Ich war mir so sicher, er würde es nicht wagen, zurück zu kehren. Aber ich habe ihn unterschätzt ... wie so oft ..." Shiho nickte, drückte sich fester an ihn. Gin war nicht nur gefährlich. Er war wahnsinnig. Besessen. Er ließ Dinge nicht gerne unerledigt. Er klärte sie lieber auf seine eigene, tödliche Weise. "Ich kann es selbst kaum glauben, Shinichi. Ich bin nur froh, dass ich nicht verrückt bin. Er will mich in den Wahnsinn treiben und er ist nahe dran, aber ..." "Nein, du bist nicht verrückt. Ich bin nur ein dummer Idiot, dass ich geglaubt habe, du würdest die Dinge einbilden.", erwiderte Shinichi. Zätzlich strich er über ihre Wange. Seine Finger waren warm und sein Blick jagte ihr kleine Schauer über den Rücken. "Nein ... die einzige Person, die dich in den Wahnsinn treiben darf, bin und bleibe ich!" Shiho lachte leise auf. "Ich hoffe, sie finden ihn schnell. Ich habe Angst, dass der ganze Trubel der Kleinen schaden könnte. Er ... er hat bereits soviel zerstört ... ich ..." Shinichi schüttelte den Kopf, lehnte die flache Hand an ihren Bauch. "Mach dir keine Sorgen. Er wird nicht an dich heran kommen. Ich werde es nicht zulassen!" Sie nickte seufzend. Als sie Gin so überraschend am Bahnhof sah, da hatte sie es gespürt. Das kleine Mädchen in ihr, begann zu leben. Sich zu bewegen und zu treten. Und es missfiel ihr sehr, dass es ausgerechnet in einem Moment der Panik passierte. "Komm ... wir legen uns in Bett." Sie nickte und gingen gemeinsam die Treppe hinauf ins Schlafzimmer. Als Shinichi die kleine Tischlampe anknipste, erhellte gleichzeitig ein Blitz das Zimmer. Ein Gewitter zog auf. Sie schlug die Decke über die Beine und sein Kopf ruhte an ihrem Bauch. Bis auf das ferne Grollen und Donnern war es ruhig im Zimmer. Zärtlich strich Shiho ihm über die Haare. Mit geschlossenen Augen lauschte er den Geräuschen in ihrem Inneren. Lächelnd blickte sie zum Fenster. Als Kind hatte sie solche Gewitternächte gemocht. Sie erinnerte gut daran, wie ihre Schwester an solchen Abenden immer heißen Tee gekocht hatte und ihr dann Geschichten vorlas. In diesen Stunden war immer alles in Ordnung gewesen, alles ganz normal und friedlich. Sie dachte daran, wie sie unter einer Decke gekuschelt auf dem Sofa saßen. Akemis Stimme hatte Shiho die Welt draußen vergessem lassen ... Shiho schlug die Augen auf. Es war stockdunkel und der Regen peitschte erbarmungslos gegen die Fensterscheiben. Sie blickte nach links. Eigentlich hätte sie die Uhrzeit auf ihrem Wecker sehen müssen. Sie streckte den Arm nach der Tischlampe aus und tastete sich an den Schalter. Doch es blieb weiterhin dunkel. "Shinichi ..." Sie rüttelte sachte an seiner Schulter und er wachte augenblicklich auf. "Was ist los?" "Der Strom ... er ist ausgefallen." Seufzend richtete Shinichi sich auf. "Irgendwo war eine Taschenlampe ..." Sie hörte ihn in den Schubladen wühlen und kurz darauf blinkte ein heller Strahl auf. Shinichi griff nach dem Feuerzeug neben den Kerzen und zündete eines der Teelichter an. "Du bleibst kurz hier und ich geh schnell zum Stromkasten. Wegen dem Gewitter ist die Sicherung bestimmt rausgeflogen." Er gab ihr einen Kuss und tappte zur Tür. "Beeil dich, bitte ...", flüsterte sie noch, bevor er im Flur verschwunden war. Seufzend legte sie sich ins Bett zurück und zog die Decke bis zu den Schultern. Das Teelicht flackerte und warf unruhige Schatten an die Wand. Sie schloss die Augen und legte ihre Hand auf den Bauch. Es würde sie beruhigen, dachte sie. Als Shiho die Augen erneut öffnete, richtete sie sich leicht durcheinander auf. War sie eingeschlafen oder nur kurz weggedöst? Verwirrt strich sie sich über die Stirn. Shinichi war noch immer nicht zurück und auch der Strom ließ auf sich warten. Als es laut krachend donnerte, zuckte Shiho erschrocken zusammen. Seit wann hatte sie Angst vor Gewittern!? Sie stand auf, hob die Teelichtschale vorsichtig hoch und tappte mit bloßen Füßen in den Flur. Langsam ging sie Richtung Treppe. "Shinichi?" Keine Antwort. Er musste sie doch hören. Das Kerzenlicht flackerte unruhig im Luftzug. Und sie blieb stehen. Es war soweit. Sie konnte ihn fühlen. Sie spürte seine Anwesenheit ganz deutlich. Sie spürte seinen Hass, seine dunkle Sehnsucht ... er war gekommen, um seine Jagd zu beenden. Er war geradewegs auf dem Weg zu ihr nach oben. In aufkommender Panik lief sie zurück ins Badezimmer, stellte die Kerze auf dem Badewannenrand ab und kramte hektisch in ihren Utensilien. Irgendwo, irgendwo musste sich noch ihre Waffe befinden. Innerhalb von Sekunden war ihr Puls in die Höhe geschossen. Was war mit Shinichi!? Mit zitternden Händen grabschte sie nach dem Revolver, als sie hörte wie er kam und das kleine Teelicht durch den Luftzug gefährlich flackerte. Innerhalb von Sekunden wandte sie sich impulsiv herum und drückte ab. Kapitel 7: Schicksal -------------------- Und hier das letzte Kapitel von "Paranoia". Ich möchte mich nochmals dafür entschuldigen, dass es solange gedauert. Und ich danke allen, die diese Geschichte verfolgt haben. Wir haben Halloween ... ich hoffe, dass euch das letzte Kapitel wenigstens etwas gruselt und für den zweiten Abschnitt empfehle ich euch den Song "Wild World" ... textlich passt es nicht wirklich, aber die Melodie hat mich sehr inspiriert. Viel Vergnügen! Shiho vernahm ein leichtes Ächzen, als sein Blut kaum hörbar gegen die weißen Fliesen klatschte. Die Kugel war in Gins rechte Schulter eingedrungen. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, seine eigene Waffe auf sie zu richten. Sein dämonisches Grinsen ließ ihr fast das Blut in den Adern gefrieren. Es war soweit. Der Jäger hatte sein Opfer im Visier. "Oh Sherry ... deine Begrüßung verlief anders als ich erwartet habe ... bist du enttäuscht, dass ich dir keine Rosen mitgebracht habe? Vielleicht geben mir deine hübschen Lippen trotzdem einen Kuss?" Sein gieriger Blick fixierte sie. In seinen Augen glitzerte die pure Mordlust und Shiho wich zurück. "Ich verzichte liebend gern ..." Ihre Stimme zitterte. Wenn sie überleben wollte, musste sie die Ruhe bewahren. Für Gin war es ein Spiel und ihr blieb keine andere Wahl, als ein letztes Mal daran teilzunehmen. "Ich will wissen, wo Shinichi ist!" Sein dunkles, ihr so vertrautes Lachen jagte der jungen Frau kalte Schauer über den Rücken. "Der kleine Schnüffler muss dir ja viel bedeuten, wie mir scheint. Hast du mich denn überhaupt nicht vermisst, Sherry? Ich habe jeden gottverdammten Tag an dich gedacht. Du glaubst nicht, wie sehr ich diesen Augenblick herbeigesehnt habe! Ich kann es kaum erwarten, dich heute Nacht sterben zu sehen ..." Er trat wenige Schritte näher und sie richtete ihre Waffe wieder auf ihn. Wenn ihre Hände nur nicht so erbärmlich zittern würden ... "Komm nicht näher ... nicht einen Schritt ..." Gins Blick wanderte zu ihrem Bauch, sein Grinsen wurde breiter. "Du hast dich also dazu entschlossen, dich gegen dein Schicksal aufzulehnen? Ist es wegen diesem Balg? Einfach zu schade ... ich vermisse deinen schlanken, warmen Körper, jetzt wirst du sterben, ohne dass wir ein letztes Mal zusammen kommen!" Bei seinen Worten wurde Shiho speiübel. Sein eigentliches Vorhaben ließ sie vor Grauen erbeben, ihr war schindlig. Erwartete er Dankbarkeit dafür, dass ihr dies erspart blieb? Das er so gnädig war? "Es war idiotisch von dir, herzukommen ... das FBI befindet sich in der Nähe, sie sind auf der Suche nach dir ... wusstest du es nicht?" Erneut lachte er. Und jedes Mal schien dieses Lachen sie innerlich zu zerreissen. Es schmerzte. Sie musste handeln ... irgendwie ... sie wusste nicht, was er Shinichi angetan haben könnte. Nun musste sie selbst mit Gin fertig werden. Es blieb ihr eigentlich keine andere Wahl, als ihn zu töten. "Das FBI juckt mich nicht ... wenn sie von meiner Anwesenheit wüssten, wären sie schon längst hier. Gib die Hoffnung auf, Sherry. Es wird dich heute Nacht niemand retten kommen. Und mir wird es ein Vergnügen sein, dich – in deinem Blut liegend – sterben zu sehen!" So schnell, so überraschend hatte er sie innerhalb von einer Sekunde an den Schultern gepackt und an die Wand gepresst. Vor Schreck glitt ihr die Waffe aus den Fingern. Atemlos starrte sie in sein Gesicht, welches sich nur noch wenige Millimeter von ihrem entfernt befand. Die Situation glich der ihrer schlimmsten Alpträume. Und gleichzeitig schien es sie schmerzhaft in die Vergangenheit zu katapultieren. Nicht nur nahm sie seinen nach Qualm stinkenden Atem wahr, sie glaubte seine schmerzhaft festen Griffe an ihrem ganzen Körper spüren zu können. Gequält schloss Shiho für eine Sekunde ihre Augen. Sie zuckte zusammen, als seine eiskalten Finger ihre Wangen streiften. "Bereust du deine Dummheit, Sherry? Nicht, dass es an deinem Schicksal etwas ändern würde, wenn du in die Vergangenheit blickst ... aber du hättest eine großartige Zukunft in der Organisation haben können. Du hättest alles haben können ... und wir beide, wir waren so ein gutes Team ..." Langsam öffnete sie die Augen. Der kalte Lauf seiner Beretta drückte gegen ihren Hals, fast zärtlich strich der Stahl über ihre Haut. "Ich bereue nichts, absolut nichts. Ich bin nicht mehr deine kleine Puppe, Gin. Und ich hasse dich von ganzen Herzen und mit jeder Faser meines Körpers!" Die Worte quetschte sie zwischen ihren zusammengepressten Lippen hervor, der Hass pumpte Adrenalin durch ihren Körper. "Dann werden wir uns wohl eines Tages in der Hölle wiedersehen ... du und ich ... und dieser stümperhafte Schnüffler, der wohl in diesen Minuten sein Leben aushaucht ..." Es war ihr hinterher nicht klar, wie sie es geschafft hatte, sich von ihm loszureissen. Sie prallte schmerzhaft auf dem Boden auf, griff nach ihrer Waffe und als Gin sie an den Haaren hochzerrte, halb bewusstlos, vergaß sie den Schmerz und drückte ab. Bevor Shiho ein weiteres Mal Bekanntschaft mit dem harten Boden machte, spürte sie noch sein warmes Blut auf ihrem Gesicht. Daraufhin verlor sie das Bewusstsein. Mit flatternden Lidern kam Shiho zu sich und schrie auf. In ihrem Schädel schien es zu explodieren. Sie wusste zunächst nicht wo sie sich befand und was geschehen war. Der Schmerz raubte ihr allen Verstand. Doch dann schaffte sie es, unter pochenden und beinahe unerträglichen Stichen in ihrem Kopf, sich aufzurichten. Sie musste eine Gehirnerschütterung haben, ohne Zweifel. Erst als sie sich halbwegs gefasst hatte, spürte sie das Gewicht auf ihren Beinen. Stöhnend zog sie diese unter Gins Leiche hervor. In der Dämmerung erkannte sie nicht viel, aber ein kurzer Blick reichte trotzdem. Sie sah, was von seinem Gesicht übrig geblieben war und erbrach augenblicklich ihren gesamten Mageninhalt. Es war mehr als eindeutig, dass er tot war. Völlig erschöpft lehnte sie ihre erhitzte Wange an die kalten Fliesen, gönnte sich einen Augenblick der Ruhe. Sie lebte. Und sie betete, dass ihrer Tochter nichts geschehen war. Gin war tot. Und Shinichi? Sie musste sich selbst davon vergewissern. Mit letzter Kraft zog sie sich hoch, sie konnte sich kaum auf den Beinen halten. Zitternd stolperte sie in den dunklen Flur. Sie tastete sich an der Wand entlang bis zur Treppe, hielt sich Stufe für Stufe krampfhaft am Geländer fest. Jeder Schritt schmerzte. Als die letzte Treppenstufe erreichte, verschnaufte sie kurz. "Shinichi!?" Ihre Stimme tönte heiser durch den unteren Flur. Langsam wagte sie sich in die Richtung des Sicherungskasten, als ihre blossen Füße gegen etwas stießen. Die Taschenlampe. Hastig und heftig atmend griff sie danach, drückte das Licht an und stockte. In der Ecke lag ein lebloser Körper. Sie trat näher, konnte den feuchten Teppich unter ihren Füßen spüren. Sie kniete sich neben Shinichi, Tränen schossen ihr in die Augen. Sein fahles Gesicht bildetete einen schockierenden Kontrast zu dem vielen Blut. Schluchzend strich sie ihm die blutverkrusteten Strähnen aus der Stirn. "Er ist tot, Shinichi ... ich hab ihm das Hirn rausgepustet ..." Sie kicherte, während unaufhörlich Tränen über ihre Wangen strömten. "Ich bereue nichts, Shinichi ...", sagte sie leise mit brüchiger Stimme. "Aber wenn du mich jetzt alleine lässt ..." Erneut schluchte sie laut auf. Sie rutschte näher an seinen geschundenen Körper heran, bis sie sich langsam niederlegte, die Wange auf den verschmierten Teppich gelehnt und das Gesicht in seine Richtung gedreht. Lächelnd ergriff sie seine kalte Hand. "Du hast immer gesagt ... das alles gut wird und wir alles schaffen. Alles ist in Ordnung, hast du immer gesagt. Ich glaube dir, Shinichi ..." ~ ~ ~ Vergnügt lachte die kleine Megumi auf, ihre tiefblauen Augen funkelten. Sie war ganz fasziniert von der seltsamen Glastür, die sich immer wieder auf geheimnisvolle Art und Weise alleine schloss und aufging, sobald man näher trat. Schon einige Minuten hüpfte sie in ihrem wiesengrünen Kleid immer wieder vor die Tür. "Kommst du, Megumi? Wir gehen nachher nochmal durch die Tür, keine Sorge ..." Das kleine Mädchen wandte sich lachend herum, lief eilig zu ihrer Mutter und griff nach ihrer Hand. "Wir machen jetzt etwas, dass noch mehr Spass macht ...", sagte Shiho lächelnd und Megumi grinste in freudiger Erwartung. "Wir fahren jetzt mit dem Aufzug nach oben ..." Sie sah, wie ihre Tochter misstrauisch den Aufzug betrachtete, als dessen Tür sich öffneten. "Du brauchst keine Angst zu haben.", erwiderte Shiho. Sie fühlte, wie der Griff um ihre Hand sich verstärkte und strich beruhigend mit dem Daumen über ihre Hand. Als die Tür sich verschloss und der Aufzug sich bewegte, hatte Megumi ihre Angst schon wieder vergessen. Stattdessen hatte etwas Anderes ihre Aufmerksamkeit geweckt. Stirnrunzelnd betrachtete sie den Mann im Hemd, der eine Art Stange festhielt. Als er grinste, sah sie verschämt weg. Der Mann zwinkerte Shiho zu und sie lächelte. Die Tür öffnete sich wieder und Shiho nahm Megumi auf den Arm. Eine junge Krankenschwester kam ihnen entgegen, sie kannte sie bereits. "Guten Morgen, Frau Miyano." Sie nickte ihr zu. In der Mitte des Flures blieb sie stehen und ließ ihre Tochter wieder hinunter. "Megumi ... weißt du, wen wir heute besuchen?", fragte Shiho zögerlich. Die Kleine schüttelte den Kopf. "Wir besuchen deinen Papa, er hat heute Geburtstag ..." Megumi blickte sie aufmerksam an. "Lass uns reingehen ..." Sie nahm das Mädchen bei der Hand und öffnete die Tür zu Shinichis Zimmer. Sie legte ihre Handtasche ab und trat an sein Bett, ließ sich neben ihm auf der Kante nieder. Neben dem Bett stand bereits ein Strauß Blumen, wahrscheinlich war er von Ran oder Jodie. Heiji und Kazuha würden ebenfalls im Laufe des Tages nach Tokyo kommen. "Alles Gute, Shinichi ..." Sie gab ihm einen Kuss auf die Stirn. "Komm her, Schatz." Megumi blickte unsicher zu ihrem Vater hin. "Papa schläft ..." Sie nickte und strich der Kleinen über's Haar. "Ja, aber ich bin mir ganz sicher, dass er weiss, dass wir da sind. Und er freut sich sicher, dass du mitgekommen bist.", antwortete sie. Es waren nun über zwei Jahre vergangen, seitdem Gin in ihr Haus eingedrungen war. Zwei lange Jahre, in denen Shinichi bereits im Koma lag. Er hatte dies den schweren Kopfverletzungen zu verdanken. Unklar war, ob er jemald wieder aufwachen würde und in welchem Zustand er sich dann befinden würde. Das FBI hatte sie damals gefunden, neben Shinichi liegend. Sie hatte einen Nervenzusammenbruch erlitten und der Stress hatte dazu geführt, dass Megumi schließlich fast zwei Monate zu früh auf die Welt gekommen war. Aber sie lebte und war gesund. Und Shiho schaffte es irgendwie, weiterzumachen. Für sich, für ihre Tochter. Trotzdem blieb es eine Herausforderung, Shinichi im Krankenhaus zu besuchen. Es versetzte ihr jedes Mal einen Stich, wenn sie ihn sah. Megumi hatte sie nur wenige Male ins Krankenhaus mitgenommen, es war schon so schwer genug gewesen. Aber ihr Vater sollte für sie kein Unbekannter bleiben, das wusste Shiho. Nach Megumis Geburt hatte sie sich geschworen, das Beste aus der Situation zu machen. An der Vergangenheit ließ sie nichts mehr ändern. Also beschloss Shiho, in die Zukunft zu blicken. Sie war nicht allein. Sie würde es schaffen. Und so wie Shinichi ihr Kraft gegeben hatte, so tat es auch Megumi. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)