Die Legende von Tyr von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Erstes Treffen ------------------------- Im ersten Moment glaubte sie, man hätte sie geblendet. Dann jedoch wurde ihr bewusst, dass sie dann hätte Schmerz verspüren müssen, doch der existierte nicht. Als Nächstes meinte sie, das wohl schon so viel Zeit vergangen sein musste, sie schon alles verheilt war, doch es dauerte nur einen Moment, bis bewusst wurde, wie kindisch dieser Gedanke war und als sie sich Umblickte, gewahr sie auch durchaus so etwas wie Licht. Es war nur ein schwacher Schein, der unter einer Tür hindurch schimmerte, aber es war Licht und sie konnte es sehen. Somit war sie schon mal nicht blind. Und taub auch nicht, denn sie hörte, wie aus weiter ferne, Stimmen, die leise miteinander sprachen. Sie zögerte einen Moment. Sie wusste nicht, was sie hier tat, sie wusste nicht, wie sie hierher gekommen war oder warum, aber sie hatte keine angst. Und das war seltsam. Sie war nicht irgendwer, aber das hier war einfach irgendwo. Wer wusste schon, wer die Leute waren, die sie verschleppt hatten oder warum sie es taten. Nun, sie wusste es nicht, doch sie wollte es herausfinden. So stand sie auf und öffnete die Tür. Nur der Schein einer Fackel erhellte den Gang, Fenster gab es nicht. Das wunderte sie, den kein Gebäude das sie zuvor je betreten hatte, was fensterlos gewesen. Doch in dem Moment lauschte sie mehr auf die Stimmen und folgte ihnen. Sie lief den Gang entlang, bis sie zu einer Tür kam, die nur angelehnt war. Sie schaute hindurch und gewahr drei Menschen. Der, der ihr am nächsten war, war ein alter Mann. Er hatte grauweißes Haar, ein gütiges Gesicht und kluge Augen, die viel älter wirkten, als der Mann selbst zu sein schien. An einen Schrank angelehnt stand ein junger Mann, der seltsam düster wirkte. Er hatte bernsteinfarbene Augen, schwarzes Haar, eine sonnengebräunte Haut, die ihr sagte, dass es sich nur um einen Arbeiter, einer aus dem niederen Volk handeln musste. Sie rümpfte die Nase angesichts seiner entspannten, selbstbewussten Haltung. Das niedere Volk hatte nicht so selbstbewusst aufzutreten. Die dritte Person war ebenfalls ein Mann. Er saß auf einem massiv wirkenden Holztisch und hatte dunkelblondes, fast goldenes Haar und Augen, die auf sie irgendwie seltsam wirkten. Er selbst machte aber keinen sonderlich glücklichen Eindruck. Er starrte traurig und wütend auf den Boden. »Du konntest es nicht verhindern, Hikari. Du hast getan, was du konntest, alles weitere liegt nicht mehr in deiner Hand«, beschwor ihn der alte Mann sanft. »Ich hätte schneller sein müssen«, widersprach der Blonde und hieb mit der geballten Faust auf die Schreibplatte. »Sie sind ihm gefolgt, das konntest du nicht wissen. Und auch nicht, das er scheinbar ein noch größerer Fisch ist, als du. Ich meine, verdammt, wie leicht hätten sie dich töten können? Stattdessen haben sie auf ihn geschossen. Alleine das zeigt doch mehr als alles andere, das sie ihn unbedingt haben wollten.« Der Mann mit dem dunklen Haar schüttelte den Kopf. »Du hast ihm das Leben gerettet. Er hat noch eine Chance, er muss nur kämpfen. Hättest nicht du ihn hierher gebracht, wäre er jetzt ganz sicher tot, denn dann hätten sie ihm gleich die Kehle durchgeschnitten.« »Es ist…«, begann der Blonde abermals, da öffnete sich jedoch eine Tür auf der anderen Seite. Ein kleines Mädchen kam herein und schaute aus großen Augen in den Raum. »Papa«, sagte sie leise und verzog das Gesicht, als wollte sie gleich anfangen zu weinen. »Warum bist du noch wach, mein kleiner Stern? Eigentlich solltest du doch schon lange schlafen.« Der Blonde war vom Schreibtisch gerutscht, ging zu dem Mädchen und hob sie hoch. »Ich kann nicht schlafen, der Wind draußen macht so einen Lärm. Darf ich bei dir im Bett schlafen?«, fragte sie und schaute mit Dackelblick ihren Vater an. »Ich geh jetzt noch nicht schlafen, mein Stern. Ich muss noch ein wenig arbeiten. Geh zu Rena, schlaf bei dir im Bett und ich hol dich dann«, sprach der Blonde sanft und leise. Das Mädchen nickte, er stellte sie wieder auf den Boden und sie lief davon. Er schaute ihr noch nachdenklich nach, als der Schwarzhaarige das Wort ergriff. »Du hättest sie auch ins Bett bringen können«, fand er. »Sie scheint ja zu schlafen wie ein Stein.« »Ich will aber hier sein, wenn sie aufwacht«, antwortete der Blonde und schloss die Tür. »Sie ist bereits wach und hört uns aufmerksam zu«, lächelte da der alte Mann und deutete auf die Tür, hinter der sie stand. »Ach, ist dem so…?« Der Schwarzhaarige stieß sich ab, kam zur Tür und öffnete sie ganz. »Prinzessin, darf ich euch hereinbitten?«, spottete er. Und sie war im ersten Moment so erstaunt, das sie nicht einmal antwortete. »Bitte, Sev, sei freundlich zu unserem Gast«, bat der alte Mann lächelnd. Mit einer galanten Bewegung gebot er ihr, einzutreten und platz zu nehmen. Sie zögerte, tat dann aber, was er wollte. Sie setzte sich auf einen Sessel und schaute einmal auffordernd in die Runde. »Wer seid ihr, was tue ich hier und wie bin ich hierher gekommen?«, fragte sie distanziert. Die drei Männer warfen sich einen langen Blick zu, jeder sprach dabei seine eigenen Gedanken aus, nur mit der Mimik ihres Gesichts. »Wie wollen wir sie nennen?«, der Schwarzhaarige ignorierte ihre Anwesenheit einfach, sprach über sie, wie über einen jungen Hund. »Vielleicht will sie nicht bleiben«, gab der Blonde zu bedenken. »Aber solange sie hier ist, sollte sie einen Namen haben«, fand der alte Mann. »Ich habe einen Namen, ich brauche keinen mehr«, merkte sie an. »Den kannst du hier aber nicht verwenden. Glaub mir, du willst nicht, dass alle wissen, dass du die Prinzessin bist«, prophezeite der Blonde. »Wieso sollte ich das nicht wollen? Sie müssen es wissen, sonst behandeln sie mich nicht mit dem gebührenden Respekt«, fand sie. Da seufzte der Schwarzhaarige. »Ich fürchte, du hast kein besonders realistisches Bild von der Wirklichkeit, Kleines. Außerhalb deines Schlosses gibt es genug, die dich lieber Heute als Morgen tot sehen würden. Es wäre nicht sinnvoll ihnen mitzuteilen, dass die Tochter ihres größten Peinigers mitten unter ihnen weilt. Also, habt ihr Vorschläge für einen Namen?« »Nein. Für gewöhnlich verteile ich keine Namen an Prinzessinnen«, verneinte der Blonde. »Ich fände Ira ganz passend«, murmelte der alte Mann. »Ira?«, fragten die anderen Beiden wie aus einem Mund. »Ja. Ich sehe den Zorn in ihrem Herz und Ira bedeutet Zorn«, erklärte der Alte. »Gut, dann Ira«, lächelte der Blonde. »Und was ist, wenn ich den Namen nicht mag und ihn für völlig unpassend halte?«, erkundigte sie sich. »Dann werden wir das einfach ignorieren und dich weiterhin so nennen«, grinste der Schwarzhaarige. »Toll«, brummte Ira schlecht gelaunt. »Nun, kommen wir zu deinen Fragen zurück.« Der Blonde lächelte. »Ich bin Hikari, der unfreundliche junge Mann mit dem schwarzen Haar ist Sev und unser Alterchen hier ist Orestes«, stellte er sich und die beiden anderen Männer vor. »Und was tue ich nun hier? Wo bin ich und wie bin ich hierher gekommen?« »Du, Prinzessin Ira, bist hier bei den Rebellen. Wir haben dich bei deinem letzten Reitausflug entführt«, lächelte Hikari. »Entführt… obwohl ihr wisst, dass darauf die Todesstrafe steht? Und wieso überhaupt? Ich… verstehe das alles nicht.« Ira schob schmollend die Unterlippe vor. »Dann lass es uns erklären. Weißt du, wir können auch noch die nächsten hundert Jahre gegen deinen Vater kämpfen. Oder wir tun etwas Sinnvolleres. Die Kronprinzessin davon überzeugen, wie Sinnlos das Ganze ist zum Beispiel«, lächelte Sev. »Aber vorab lass dir gesagt sein, das du zu jedem Zeitpunkt die Wahl hast. Wir halten dich hier nicht fest, du kannst gehen, wenn du willst. Es ist dir zu jedem Zeitpunkt freigestellt«, erklärte Hikari. »Wir würden dir die Augen verbinden und dich in einen Teil des Waldes bringen, wo dich deine Leute finden können. Damit du uns nicht verraten kannst«, fügte Orestes hinzu und lächelte. »Das dient dazu, dass du uns nicht verraten kannst. Zu unserem Schutz«, erklärte Hikari weiter. »Also ich kann gehen, wenn ich will. Gut.« Eigentlich war es ja paradox. Ira saß inmitten ihrer größten Feinde, jeder hier hatte wohl zumindest einen Grund, sie tot sehen zu wollen, doch sie fühlte sich sicher. Und seltsam neugierig. Als wäre das alles hier richtig so. »Allerdings bitten wir dich, hier zu bleiben. Wir wollen dir zeigen, dass die Herkunft der Menschen keinen Unterschied macht. Damit du es besser machst, als deine Vorfahren.« Hikari schaute sie fast schon flehend an. »Ja, das ihr dieser Ansicht seit, sieht man«, bemerkte Ira und schaute vielsagend auf Sev. Der schnitt ihr eine Grimasse. »Solange du hier bist, solltest du dir diese herablassende Haltung abgewöhnen, sonst erkennt man deine Herkunft nur allzu schnell, Ira. Du bist hier nicht mehr, als jeder andere auch«, ermahnte Orestes. »Wir sind alle Menschen. Wir können uns unsere Herkunft nicht aussuchen, deswegen sollten wir einander auch nicht danach beurteilen«, fügte Hikari noch hinzu, schüttelte dann denn Kopf. »Aber wir haben dich auch hierher gebracht, damit du so etwas lernen kannst. Wirst du bei uns bleiben?« »Nun…« Ira ließ sich gerne bitten. Immerhin war sie eine Prinzessin, sie musste nicht gleich zustimmen. Doch schließlich nickte sie. »Ich denke, es kann nicht schaden.« »Gut. Dann werde ich dir morgen unser Lager zeigen, aber heute ist es zu spät«, lächelte Hikari. Dann ging die Tür auf und ein Mädchen trat ein. »Sie ist wach. Und sie hat angst«, sagte sie und wirkte bedrückt. »Wieso? Sev hat sie doch noch gar nicht getroffen«, bemerkte Orestes und erhielt sogar ein Lächeln, doch das Mädchen wurde gleich wieder ernst. »Sie ist blind. Und in einer völlig fremden Umgebung, sie kennt nichts und niemanden. Da hätte ich an ihrer statt auch Angst. Ich habe Nocturna bei ihr gelassen, wenn es dir recht ist, Hikari.« Sie schaute den Blonden fragend an. »Wenn du sie für harmlos hältst, Rena, dann ist es okay«, nickte er, wirkte aber nicht begeistert. »Wenn sie uns böses tun kann, dann geh ich freiwillig in die Sklaverei zurück«, erklärte sie ernst. »Du solltest die Blinden niemals unterschätzen, Rena«, wandte Orestes ein. »Tu ich nicht. Wenn du sie kennen lernst, weißt du, was ich meine. Aber okay, ich wollte euch nur bescheid sagen. Ich kümmere mich wieder um sie.« Das Mädchen verließ den Raum wieder. »Dann wirst du morgen also nicht die Einzige sein, der wir ein wenig etwas über uns erzählen«, meinte Sev lächelnd. »Oh, wie toll, weil man einer Blinden ja auch so viel zeigen kann«, bemerkte Ira sarkastisch. Die drei Männer schauten sich vielsagend an. »Ich fürchte, sie muss noch eine Menge lernen«, seufzte Hikari. »Hast du etwas anderes erwartet von der Prinzessin?« Orestes lächelte und stand auf. »Nun, es ist spät. Ich werde ins Bett gehen, morgen ist ein langer Tag. Gute Nacht.« »Dann zeigen wir dir mal dein Zimmer«, meinte der Blonde und stand auf. Da hörten sie einen Tumult in anderen Teilen der Höhle. Er und Sev tauschten einen schnellen Blick. Der Schwarzhaarige machte sich eiligen Schrittes in die entsprechende Richtung auf und auch Hikari wirkte sehr fahrig und nervös, als er auf die Tür deutete, durch die Ira hereingekommen war. »Was ist da los?«, fragte sie, während er an ihr vorbei ging. »Das weiß ich noch nicht, aber ich kann sowieso nichts tun«, erklärte er. »Wieso? Wenn ihr angegriffen werdet, musst du doch auch kämpfen«, fand sie. »Nein. Ich kämpfe nicht. Zumindest nicht mit Waffen. Nur mit Worten. Und von denen lassen sich Angreifer bestimmt nicht abschrecken«, meinte Hikari. »Feigling«, kommentierte die Prinzessin. »Ich bin lieber ein Feigling, als das ich ein Schwert in die Hand nehme um zu töten. Ich bin ein Heiler, meine Aufgabe ist es, leben zu retten, gleich wem es gehört. Und gleich, was er mir angetan hat. Ich kämpfe nicht. Ich töte nicht«, antwortete er ruhig und deutete ihr mit einer einladenden Bewegung, dass sie sie vorangehen sollte. »Und wenn du das Leben eines geliebten Menschen retten könntest, indem du das Schwert gegen wem anderes erhebst?«, fragte sie. »Ich habe zugelassen, dass sie meine Frau töten. Ich denke, das sollte Antwort genug sein«, fand Hikari. Und er erkannte in Iras Augen, dass es das auch war. Er brachte sie in ein anderes Zimmer, als jenes, in dem sie aufgewacht war. Es war größer und Fackeln brannten an der Wand. »Hier wirst du wohnen. Den Luxus eines Fensters können wir dir leider nicht bieten, die Gefahr, dass du verschwindest um uns zu verraten ist einfach zu groß. In diesem Teil darfst du dich frei bewegen, in anderen Bereichen nicht, aber dort gibt es Wachen, die dir den Zugang verwehren werden. Erwähne nicht, dass du die Prinzessin bist. Du bist Ira, eine verbannte Adlige. Vergiss das nicht, wenn du am Leben hängst. Wenn du etwas brauchst, dann frag die, die du triffst. Wir sehen uns erst morgen früh wieder. Gute Nacht«, erklärte Hikari. Dann schloss er die Tür und ließ Ira allein. Allein mit sich selbst, mit alle ihrem Zweifel und all ihrer Angst. Allein in der Dunkelheit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)