Mein Tagebuch von Kupferschweif (OS-Reihe zum Thema "Was geschah davor?") ================================================================================ Kapitel 8: Kagome ----------------- Liebes Tagebuch, Ich heiße Kagome Higurashi und bin zehn Jahre alt. Warum habe ich mich jetzt vorgestellt? Außer mir wird das hier doch sowieso nie jemand zu lesen bekommen. Aber Papa hat mir halt beigebracht, dass man sich immer vorstellen soll, wenn man neue Bekanntschaften und Freundschaften schließen möchte und Mama hat mir dieses hübsche Buch, dich, mein liebes Tagebuch, geschenkt und gemeint, dass ich vielleicht einen Freund gebrauchen kann, der nichts sagt, aber meine Gefühle wirklich versteht. Ich weiß, dass Mama sich Sorgen um mich macht, weil ich in letzter Zeit so still gewesen bin. Aber ich schaffe es einfach nicht, über das zu sprechen, was in mir vorgeht seit diesem Tag vor vier Monaten, zwei Wochen und fünf Tagen. Eine meiner besten Freundinnen, Eri, meinte, dass es helfen könnte, wenn man seine Gefühle und Gedanken aufschreibt, weil man sie dann vor sich sehen kann. Vielleicht hat sie recht und es hilft mir wirklich... Vor vier Monaten, zwei Wochen und fünf Tagen dachte ich, dass es ein ganz normaler Tag werden würde. Ich saß mit Mama, Opa und Souta-chan am Frühstückstisch. Unser winziger Kater Buyo ist um unsere Beine gestreift und hat gebettelt. Ich gebe dem armen Kater manchmal etwas. Er ist ja noch so klein und muss noch wachsen. Jedenfalls war Papa mal wieder spät dran und hatte keine Zeit für ein ausgiebiges Frühstück mit der Familie. So hat er sich nur kurz von uns verabschiedet und ist dann zur Arbeit losgegangen. Also nichts Ungewöhnliches. Nach der Schule holt Papa mich normalerweise ab, dann gehen wir zusammen nach Hause und er fragt mich, wie mein Tag war. Doch an diesem Tag ist er nicht aufgetaucht. Fast eine Stunde habe ich gewartet, aber er ist nicht aufgetaucht. Also bin ich alleine nach Hause gegangen. Ich bin ziemlich böse auf ihn gewesen und auch enttäuscht. Hatte er mich denn ganz vergessen? Als ich alleine zuhause reinkam, stürmte meine Mama mir weinend entgegen und umarmte mich ganz fest. Ich habe angenommen, dass sie sich Sorgen gemacht hat, weil ich so spät dran war und wollte sie beruhigen, indem ich ihr erklärt habe, dass ich auf Papa gewartet habe, aber er mich offenbar vergessen hat. Sie ist daraufhin ganz still geworden und war mir richtig unheimlich. Ohne etwas zu sagen ist sie mit mir ins Wohnzimmer gegangen und hat mich auf das Sofa neben sich gezogen. Der kleine Buyo ist mir auf den Schoß gesprungen und hat seinen Kopf an mir gerieben. Mama hat mich angesehen und ich habe Angst bekommen. Noch nie hatte ich sie so traurig gesehen. Und dann hat sie es mir gesagt. Papa hat mich nicht vergessen. Er hatte auf dem Weg zu meiner Schule heute kurz nicht aufgepasst, als er über die Straße gegangen ist und dann ist er vor ein Auto gelaufen. Mama sagte, dass Papa tot ist. Ich habe es nicht glauben können. Ich habe gedacht, dass die beiden mich erschrecken wollen, damit ich nicht mehr böse auf Papa bin, weil er mich vergessen hat. Ich habe überall im Haus nachgesehen, aber er war nicht da. Er war wirklich weg. Papa ist wirklich tot. Ich konnte es nicht begreifen. Was bedeutete tot? Erst bei der Trauerfeier habe ich es begriffen. Viele Menschen waren da, Arbeitskollegen von Papa, Freunde meiner Eltern, entfernte Verwandte, die ich gar nicht kannte. Sie alle hatten diese traurigen Augen, haben meiner Mama die Hand gegeben oder sie umarmt und ihr ihr Beileid ausgesprochen und gefragt, ob sie etwas für sie tun können. Dann haben sie Souta-chan angesehen und die meisten haben bei seinem Anblick Tränen in den Augen gehabt, weil er ja noch so klein ist und Papa gar nicht richtig kennen lernen konnte und gar nicht verstehen kann, was überhaupt los ist. Auch mich haben sie umarmt und gesagt, dass es ihnen leid tut und gefragt, ob sie irgendwas für mich tun können. Was könnten sie denn tun? Einen Zauberstab schwingen und mir meinen Papa zurückbringen? Nein, das können sie nicht, niemand kann das. Da habe ich wirklich verstanden, was tot bedeutet. Tot bedeutet für immer fort. Papa wird nicht mehr spät dran sein und sich unterwegs ein schnelles Frühstück holen. Er wird mich nie mehr von der Schule abholen kommen. Er wird nie wieder für mich da sein können und mit mir etwas unternehmen. Ich vermisse ihn so sehr. Ich wünschte, ich könnte ihn noch ein Mal sehen und ihm sagen, dass es mir leid tut, dass ich so böse auf ihn war, weil er mich nicht abgeholt hat und dass ich so böse auf ihn bin, weil er seinen eigenen Rat nicht befolgt hat und unaufmerksam über die Straße gegangen ist und darum nicht mehr für mich da sein kann. Alle um mich herum sind so traurig, dass Papa tot ist und bemitleiden mich. Ständig muss ich mir anhören, wie sehr er mir doch fehlen muss und wie leid es allen tut, dass er weg ist, dass ich ihn verloren habe. Warum sagen mir das alle? Ich will das nicht hören! Ich will nicht hören, wie ich mich fühlen soll und wie leid es den Leuten tut, dass mein Papa gestorben ist, obwohl sie ihn nicht mal kannten! Aber wie soll ich ihnen allen das sagen? Ich habe es versucht, aber dann haben sie mich in den Arm genommen, mir über den Kopf gestreichelt und gesagt, dass sie mich verstehen können. Wie können sie mich verstehen? Ist ihr Papa gestorben oder meiner? Haben sie eine der wichtigsten Personen in ihrem Leben verloren oder ich? Und damit ich das alles nicht mehr hören muss, höre ich kaum noch zu und sage auch nichts mehr, wünsch mir dann einfach nur, dass Autos nie erfunden worden wären, wünsch mich in eine Vergangenheit ohne Autos, aber mit meinem Papa. Jetzt habe ich alles aufgeschrieben, was mich bedrückt, aber es wird nichts ändern! Ich werde trotzdem weiter diese Blicke auf mir spüren und diese leeren Worte hören. Es kann nichts an meiner Lage ändern und doch hat es mir irgendwie geholfen, einmal meine Gedanken und Gefühle aufzuschreiben. Vielleicht bis bald, Kagome Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)