Azrael von _-Gaaras_Alissa-_ (Pfad eines Dämonen) ================================================================================ Kapitel 22: Vertrauen --------------------- Seit Sotos und Azraels Abreise sind nun schon fast fünf Tage vergangen. Es ist Abend. Kira läuft in ihrem Zimmer auf und ab. Ihre grünen Augen sind voller Sorge, ihre Hände zittern vor Anspannung. **Wo Soto wohl ist? Ist er wohlauf? Wann kommt er zurück? ** Diese Fragen quälen sie, fressen sie innerlich auf und laben sich an ihrem Schmerz. Ständig starrt sie nach draußen in der Hoffnung ihn irgendwo zu sehen. Auch jetzt steht sie wieder am Fenster. Mit bangendem Herzen und zusammengebissenen Kiefern. **Komm schon, Soto … Wo steckst du?** Sie spürt Tränen in ihren Augen. Verzweiflung schürt ihre Angst. **Was zum?!** In der Ferne nähert sich eine Gestalt. Ihre Flügelschläge sind langsam und schwer, ihr Flug scheint eine Qual. Sie kommt immer näher bis Kira den Schemen plötzlich erkennt. Einen erstickten Schrei ausstoßend reißt sie das Fenster zur Gänze auf und beugt sich nach draußen. „Soto!“ Er ist es. Nach der langen Zeit lähmender Angst, erblicken Kiras feuchten Augen ihren Freund wieder. Die verdrängten Tränen rinnen nun Flutwellen gleich über ihre Wangen. Seine furchtbar müden und kraftlosen Augen hellen sich auf, dann stürzt er an ihr vorbei durchs Fenster und prallt mit einem lauten Knall auf den Boden. Seine Atmung ist schwer und stoßweise, er stöhnt vor Schmerz. Nach einem kurzen Moment des Entsetzens geht Kira neben ihm nieder. Um sie herum liegen unzählige Federn Sotos verstreut. „Soto! Soto was ist passiert?! Komm zu dir!“ Sie dreht ihn um, seine stumpfen Augen gewinnen bei ihrem Anblick etwas an Glanz zurück. „Ki …ra …“ „Ich bin hier! Bleib bei mir, Soto!“ Ihre Hände ergreifen seine Linke. „Ich hole Hilfe!“ „Nein … bleib hier … bitte.“ „Aber … du blutest!“ Mit zittrigen Händen löst sie den Knoten seines blutdurchtränkten Shirts und offenbart eine klaffende Wunde, die sich diagonal über seine Brust zieht. Die Wundränder sind durch den langen Flug eingerissen. Kira unterdrückt einen Schrei. „Was ist nur geschehen?! Du musst große Schmerzen haben … Es tut mir so leid! Ich hätte das nicht zulassen dürfen! Hätte ich dich nur dabehalten, wärst du jetzt nicht …“ Ihre Stimme bricht und ein Schluchzen entrinnt ihrer Kehle. „Es ist nicht … deine Schuld.“ Er hebt eine Hand und berührt ihre Wange. Seine Finger sind eiskalt. „Ich bin wieder bei dir. Wie versprochen …“ „Ich liebe dich …“ „Nicht so … wie ich dich.“ Sie beugt sich über ihn, küsst seine blutbenetzten Lippen und steht auf. „Ich hole Hilfe. Beweg dich nicht!“ Ohne sich noch einmal umzudrehen stürmt sie nach draußen. „Soto?!“ Azrael schreckt aus dem Schlaf und fährt hoch. Sein Blick schweift umher. „Puh. Es war nur ein Albtraum.“ Er steht auf und geht ans Fenster. Einige Minuten lang starrt er nach draußen, als er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter spürt. Er seufzt und dreht sich um. „Was ist passiert?“ Alessandra. Ihr sorgenvoller Blick hält seinen fest. „Du siehst aus als hättest du einen Geist gesehen. Albtraum gehabt?“ Er nickt stumm und wendet sich wieder dem Ausblick zu. „Mein Bruder. Ich …“ „Du machst dir sorgen, er könnte den Kampf nicht überlebt haben?“ **Woher weiß sie so genau was in mir vorgeht?** „Mach dir keinen Kopf, Azrael. Ich war bis eben einkaufen und habe mich umgehört. Euer Kampf ist Gesprächsthema Nummer eins. Die Leute sagten, sie haben noch immer keine Ahnung wo du bist, die meisten halten dich aber für tot. Dein Bruder allerdings … Ein Wächter soll mit ihm gesprochen haben. Danach ist er verschwunden. Dein Bruder ist nach Hause gegangen, Azrael.“ „Er lebt also noch … Das ist … Aach! Ist doch auch egal!“ Er stellt einen genervten Blick zur Schau und setzt sich wieder ins Bett. „Du freust dich. Stimmts?“ Ihr warmes Lächeln bring ihn dazu sich verlegen abzuwenden. „Meinetwegen. Ja ich freu mich. Zufrieden?“ „Na also.“ Sie lacht und postiert sich vor ihn, stellt eine große Einkaufstüte zu seinen Füßen ab. „Hier.“ „Hä?“ Hab dir etwas zum Anziehen mitgebracht. Ich hoffe es passt. Außerdem brauchst du ein größeres Zimmer. Komm mit!“ Sie nimmt die Tüte in eine Hand, mit der anderen zieht sie ihn hoch. Unfähig sich zu wehren lässt er sich mitziehen. Durch den Flur und über die Treppe in ein Zimmer, das mindestens doppelt so groß ist wie das in dem Azrael bis eben noch ruhte. Zu seiner Rechten nehmen zwei riesige Schränke die komplette Wand ein, in einer Ecke sind alle möglichen Trainingsgeräte an Ständern angebracht. Hanteln, Seile und daneben ein Laufband. In der Mitte der gegenüberliegenden Wand steht ein riesiges Bett, groß genug für zwei Personen. Azrael blickt sich forschend um und schnüffelt prüfend die Luft. „Hier riecht es nicht allein nach dir. Wer ist da noch?“ „War …“ Alessandras Blick senkt sich und ihre Stimme beginnt zu zittern. „Dieses Zimmer gehörte meinem Freund. Meiner ersten Liebe … Er wurde sehr, sehr krank weißt du … Ich kann nicht darüber reden.“ Sie wendet sich ab. Ihre Augen werden zu Meeren der Trauer und des Schmerzes. „Ich verstehe …“ Ohne genau zu wissen warum geht Azrael auf sie zu und legt einen Arm um ihre bebenden Schultern. Erschrocken starrt sie ihn an, ihre Augen füllen sich mit Tränen. „Azrael …“ „Ist schon gut.“ Plötzlich lässt sie ihren Tränen freien Lauf. Sturzbächen gleich ergießen sie sich über ihre Wangen. Sie lehnt sich an ihn, vergräbt ihr Gesicht in seinen langen Haaren. Azrael lässt sie ihre Trauer Wind machen und legt instinktiv seine Arme um sie. „Lass es raus …“ In seinem Innern regt sich etwas. Ein längst vergessenes Gefühl. Sein Instinkt sagt ihm sie zu beschützen. Sich für sie einzusetzen und ihr Trost zu spenden. Im Moment vergeht jeder Gedanke an seine bis vor kurzem noch so wichtige Mission. Vielleicht ist sie ihm sogar egal geworden. Seine Arme schließen die Engelsfrau fester an sich. Ihr Schluchzen wird allmählich weniger bis es nur noch ein leises Wimmern ist. „Geht’s wieder?“ „I … Ich denke schon .. Ah! Entschuldigung!“ Sie drückt sich von ihm weg und weicht einige Schritte zurück. Ihr Blick wendet sich ab. „Es tut mir leid. Ich wusste nicht … Es ist nur …“ „Du hast Jemanden verloren, der dir am Herzen lag und suchst Trost. Ist so etwas … nicht normal?“ Sie begegnet seinem Blick und versucht ein schiefes Lächeln. „Danke.“ Azrael kann nicht anders, er muss sie einfach ansehen. Trotz ihrer geröteten Augen ist sie das schönste Wesen, das er jemals zu Gesicht bekam. Er kommt auf sie zu und legt sanft eine Hand auf ihre Schulter. „Ich bin dir zu tiefstem Dank verpflichtet, Alessandra.“ „Was?“ Ihre Augen werden größer, das tiefe Blau hält ihn gefangen. „Du hast mir das Leben gerettet. Du nahmst mich bei dir auf und pflegtest mich. Und das Obwohl ich ein Dämon bin. Ein Todfeind deines Volkes. Du hättest das nicht tun dürfen.“ „Ich weiß.“ Sie blickt zu Boden. „Aber ich konnte nicht anders. Du lagst vor mir. Verwundet, Verzweifelt und voller Angst. Ich sah etwas in dir. Neben dem Schmerz und der Furcht konnte ich etwas gutes sehen. Ich … ich sah in dir … etwas von meinem Freund. Ich weiß, das muss ziemlich blöd klingen …“ „Aber nicht doch. Es ist mir eine Ehre dich an ihn zu erinnern. Er hatte Glück jemanden wie dich zu haben. Du halfst mir, einem verfeindeten Wesen und stelltest somit mein Wohl über deine eigene Sicherheit. Ich habe noch nie zuvor jemanden getroffen der so … gütig ist.“ „Vielen Dank … Das bedeutet mir viel.“ Azrael lächelt. „Ich werde es bereuen …“ „Bereuen? Was?“ „Sieh mich doch mal an! Ich bin bei einem Engel zu Hause. Ich spreche mit diesem Engel … Aber das Schlimmste ist …“ Er kommt ihr ganz nahe und sieht ihr tief in die Augen. „Ich glaube sogar diesen Engel zu mögen …“ „Was?!“ Sie errötet und schubst ihn von sich. „Jetzt hör schon auf! Du machst mich noch ganz verlegen! Jetzt … Jetzt nimm schon die Tüte und geh Duschen! Das Bad ist nebenan.“ Azrael lacht und blickt ihr hinterher als sie schnellen Schrittes das Zimmer verlässt. Er seufzt und schnappt sich die Tüte. Sein Herz rast. Im Bad angekommen schließt er die Tür hinter sich, legt sich ein großes Tuch zurecht und öffnet die Verbände. Er betrachtet die Wunden im Spiegel und berührt vorsichtig die Naht der Schulterverletzung. „Sie scheint zu heilen. Gut.“ Langsam entledigt er sich seiner restlichen Klamotten und steigt in die Dusche. Endlich eine Dusche in der er sich bewegen kann. Erinnerungen an seine winzige Kabine aus Trainingszeiten kommen ihm in den Sinn. Ebenso das Gefühl des eisigen Wassers. Durch krampfhaftes Kopfschütteln vertreibt er den Gedanken und stellt den Hahn an. Das heiße Wasser verbrüht seine Haut, lässt ihn zusammenzucken. Doch schon nach kurzer Zeit weicht der Schmerz Entspannung. Azrael schließt seine Augen. „Hmm …“ Mit dem Schmutz und den Resten getrockneten Blutes scheint auch seine Anspannung und all der Ballast von ihm abzuwaschen. Seine Gedanken kreisen umher. Gedanken an seine Kindheit, die so plötzlich beendet wurde. All der Schmerz den er erleiden musste. All die vielen Leben die er nahm. Auf einmal bereut er jedes einzelne. Es geht weiter. Er denkt an seine Mutter. An Soto. Auch sie verletzte er. **Habe ich eigentlich auch mal etwas … gutes getan? ** Geistesabwesend fährt er eine seiner größeren Narben mit den Fingerspitzen entlang. All das viele Kämpfen. All das Training. Es war scheinbar umsonst. Er war nie stark genug den Himmel allein einzunehmen. Um ein Haar wäre er sogar gestorben. **Doch dann traf ich sie … ** Ein Lächeln auf den Lippen spürt er wie sich sein Herzschlag wieder beschleunigt. Er schüttelt alles Schlechte von sich und atmet einige Male tief durch. Dann steigt er schließlich aus der Dusche und trocknet sich ab. „Das habe ich jetzt gebraucht.“ Sich das Tuch um die Hüften bindend stellt er die Tüte auf die Fensterbank und wirft einen Blick hinein. „Oho … Sie hat Geschmack.“ Geweiteten Blickes nimmt er ein eng anliegendes Shirt, schwarze Shorts und eine enge, schwarze Jeans heraus. Weiter unten in der Tüte findet er ein paar dünne Socken und stößt dann einen anerkennenden Pfiff aus. Dunkelbraune Lederstiefel. Azrael pfeift erneut und schlüpft sogleich in die Klamotten. Das Shirt lässt er weg, schließlich müssen noch seine Wunden versorgt werden. Die Sachen passen wie angegossen. Die Hose allerdings benötigt noch eine kleine Änderung. Da der Reißverschluss vorne ist muss er sie für seinen Schweif hinten ein Stückchen aufreißen. Dann pass auch sie wunderbar. „Schon besser.“ Er wirft noch einen kurzen Blick auf die restlichen Klamotten in der Tüte und hält dann überrascht inne beim Anblick eines kleinen, unscheinbaren Päckchens. „Was zum …?“ Kaum hat er es berührt durchströmt ihn sogleich eine gewaltige, dunkle Energie. Vor Schreck schreit er auf und wirft die herausgenommenen Sachen wieder in die Tüte. Sie in der Hand und die alten Verbände und Klamotten unterm Arm öffnet er die Tür und geht eilig hinaus. „Alessandra?!“ Er findet sie in seinem neuen Zimmer. Ihr betrübter Blick wandert zu Boden. „Ich sehe, du hast es gefunden.“ „Was ist das?!“ Er kramt es hervor und legt es neben sie ins Bett. Sein Blick hält den ihren gefangen. „Es ist für dich. Bessergesagt ist es eine Entscheidung, de du treffen musst.“ Sie öffnet das Päckchen und holt eine silberne Kette hervor. Der goldene Anhänger ist ein Ring mit einem Pentagramm in der Mitte. Die Dunkle Energie, die es abstrahlt ist gewaltig. „Diese Kette wurde vor Jahrtausenden in den tiefsten Tiefen der Unterwelt geschmiedet um Euresgleichen zu unvorstellbarer macht zu verhelfen. Der damals mächtigste Dämon, sein Name wurde nirgendwo erwähnt, trug es damals um den Hals. Er war übermächtig. Viele Engel starben durch seine Hand. Doch er war zum Glück sehr überheblich und konnte schließlich niedergestreckt werden. Den Anhänger nahmen meine Vorfahren an sich und versteckten ihn. Er ist in der Lage all Stärke um ein Vielfaches zu steigern und verhindert den Kraftverlust hier im Himmel, solange du ihn trägst.“ „Das ist eine gefährliche Waffe! Warum willst du ihn mir geben?!“ „Erstens: Ich vertraue dir. Zweitens: Du sagtest du hast eine Mission zu erfüllen. Eine äußerst Wichtige noch dazu. Du kannst es zuende bringen oder verzichten. Krieg oder kein Krieg. Es hängt an dir.“ Azrael weiß nicht was er sagen soll. Er setzt sich neben sie aufs Bett und starrt sie an. Sieht, wie ihre Augen traurig werden. **Hält sie mich für ein Monster? Glaubt sie … Sie hat versagt?** Sein Blick fällt auf den Anhänger. Die Kraft ist immens. Damit würde er sicher siegen. Könnte seine Mission beenden und den Wunsch seines Vaters erfüllen. **Was soll ich nur tun?! Kämpfen oder verzichten? Der Kampf würde ein Blutbad werden. Was passiert dann mit Alessandra? Würde sie überleben?** Azrael atmet tief durch, nimmt den Anhänger an sich und legt ihn zurück in die Box. Mit Aufsetzen des Deckels sperrt er auch die dunkle Energie weg. Sein Blick trifft Alessandra. „Ich werde es sicher irgendwann einmal brauchen. Im Moment jedoch verlasse ich mich lieber auf meine eigene Stärke. Ich Verzichte.“ Ihre Miene hellt sich auf. Sie rückt enger an ihn. „Ich wusste ich kann dir vertrauen! Du hast also doch ein gutes Herz.“ Liebevoll küsst sie ihm auf die Wange. Er errötet sofort und bewegt sich blitzschnell von ihr weg, presst eine Hand auf die geküsste Stelle als würde sie schmerzen. „H …Hey! Was soll das?!“ „Kleines Geschenk.“ Sie zwinkert ihm süß zu und erhebt sich. Dann nimmt sie Azraels schmutzige Wäsche und die alten Verbände an sich und macht sich daran das Zimmer zu verlassen. „Ich hole neues Verbandszeug. Rühr dich nicht von der Stelle!“ Ehe sie durch die Tür verschwindet dreht sie sich noch einmal um und lächelt. „Übrigens, In den Klamotten siehst du unheimlich gut aus.“ Sie verschwindet und lässt Azrael völlig verdattert und errötet zurück. Seufzend schmeißt er sich rücklings ins Bett und ignoriert das Stechen in seiner Schulter. Er spürt seinen rasenden Herzschlag und eine eigenartige, jedoch nicht unangenehme Wärme in sich aufsteigen. **Alessandra …** Ein Lächeln auf den Lippen schließt er seine Augen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)