Der Vollmondfluch von Gisi ================================================================================ Kapitel 4: ----------- Leonard stand in der Stalltür und beobachtete Thomas bei seiner Arbeit. Jeden Tag faszinierte dieser Junge ihn mehr. „Thomas?“, er rief den Jungen zu sich, „warum arbeitest du so hart?“ „Warum? Na weil ich meiner Schwester keine Last sein will.“ Leonard lachte, Thomas war ein Engel, ein Sonnenkind, das stand außer Frage. Antoinette konnte sehr stolz auf ihn sein und sie war es auch, Leonard wusste das. Er sah zum Himmel. Es schien als wollte die Sonne zeigen das es sie noch gab, hatte es doch eine volle Woche lang durchgeregnet. Ein paar Knappen und Magdkinder spielten im Innenhof fangen. Leonards Blick wanderte zu der Fensterreihe im zweiten Stockwerk. Dort konnte man eine Handvoll gesprächiger Mägde sehen die Wäsche zum trocknen auf hingen. Auch Antoinette war dabei. Er beobachtete sie ein wenig. Was dachte sie von ihm? Konnte er es wagen sie einfach zu fragen? Einfach das Thema einmal anzusprechen? Er fürchtete sich vor ihrer Reaktion, aber er musste es versuchen. „He Mon frére.“ Baptiste klopfte Leonard auf die Schulter und holte ihn damit in die Realität zurück. „Was soll das denn Baptiste? Willst du mich zu Tode erschrecken?“ „Na ganz sicher nicht“, er lachte und sah dann in die Richtung in die Leonard bis eben noch geschaut hatte, „ah du beobachtest deine Prinzessin, ja?“ Leonard verdrehte die Augen, aber was wusste Baptiste schon. Sollte er nur reden. Die Wahrheit würde er sowieso nicht glauben. „Na du musst dich nicht schämen, wir haben doch alle einen solchen Wundenpunkt“, beschwichtigte Baptiste und deutete in die Richtung des kleinen Gemüsegartens in dem die Prinzessin stand eine Magd beim pflanzen half. „Na, dann halt dich mal rann mein Guter. Das könnte ein hartes stück Arbeit werden.“ Diesmal war es Leonard der Baptiste auf die Schultern klopfte und sich dann seiner Arbeit widmete. „He, he. Warte mal. Was meinst du mit „hartes Stück Arbeit“?“ Leonard drehte sich zu seinem Freund um. „Mann, verstehst du’s nicht? Sie ist die Prinzessin, in ein paar Jahren werden hier Horden von Prinzen antreten und um sie werben und der König wird den erwählen der das beste Landgut besitzt. Wenn du die Prinzessin haben willst, dann halt dich mal rann um gegen die Prinzen anzukommen, das meine ich.“ Baptiste sah zur Prinzessin. Er wusste Leonard hatte Recht. „Glaubst du nicht, es gäbe trotzdem eine Chance.“ „Wer weiß, Wunder soll es ja immer wieder geben. Vielleicht wenn sie dich liebt. Ich kann es nicht sagen.“ „Hm, aber sie ziemlich vernarrt in dich, oder?“ Leonard seufzte, wenn das Gespräch noch länger dauern würde, würde er gar nicht mehr zur Arbeit kommen. „Mag sein, ich hab für so was kein Gespür und das ist auch gut so. Wenn du mich jetzt bitte arbeiten lassen würdest, ich würde sehr gerne auch heute noch eine Mahlzeit zu mir nehmen.“ „Ja, ja du arbeitest nur für Nahrung, aber trotzdem ich finde dieses Thema sehr wichtig.“ „Ich nicht, ich habe ganz andere Sorgen, also bitte Baptiste.“ „Nein, ich lass dich jetzt nicht arbeiten. So kann es mit dir nicht weiter gehen. Allen gehst du aus dem Weg, du redest mit keinem mehr, jedenfalls nicht freiwillig. Du würdest dich am liebsten in deiner Kammer einschließen, nehme ich an. Was ist denn nur mit dir passiert? Nicht das es mich stört, das du keine Witze mehr machst, aber trotzdem. Das ist doch alles angefangen seit du diese Frau kennst. Ich versteh das alles nicht. Alle machen sich sorgen um dich, aber du interessierst dich nur für…“ „Sei still“, Leonard schrie ihn an, „sag kein Wort mehr. Du hast einfach keine Ahnung, wer ich bin. Keiner hier kennt mich, alle sind angeblich meine Freunde, aber keiner von euch kennt mich wirklich, also braucht ihr euch auch keine Sorgen um mich machen. Hast du verstanden und jetzt lass mich in Ruhe.“ Leonard hatte geschrien und alle die im Hofe gearbeitet hatte, sahen nun zu Baptiste und Leonard. „Ach“, Leonard warf den Besen, den er sich eben zum arbeiten genommen hatte, zur Seite und verließ den Innenhof. Antoinette hatte auch, wie die anderen Mägde neben ihr, aus dem Fenster geschaut und die Geschehnisse beobachtet. „Ich wusste immer schon, dass er nicht an den Hof gehört.“ „Ja, ja er hat diese Aura, als würde er den nächst besten angreifen, der ihm in den Weg kommt. Unheimlich.“ „Oh ja, ein Wunder das der König so jemand an seinem Hof arbeiten lässt.“ „Nun, er soll sich ja hervorragend mit den Tieren verstehen, sonst wäre er sicher nicht mehr hier.“ Die Mägde schienen endlich einen Anlass gefunden zu haben, all ihre Sorgen wegen Leonard loswerden zu können. Antoinette sah Leonard hinterher. Sie hatte jedes Wort verstanden was er gesprochen hatte. Ein Gefühl von Mitleid stieg in ihr hoch. Plötzlich tat ihr dieser Mensch so leid, dass ihre Arbeit stehen ließ und zu ihm lief. Die Mägde sahen Antoinette verwundert hinterher. Bis zu diesem Tag an, hatte sie ihre Arbeit immer Kommentarlos gemacht und jetzt das. Wieder waren die Klatschtanten am diskutieren und ließen kein Auge trocken. Leonard stand auf der Wiese, auf der er sich in Vollmondnächten seinem Schicksal fügte. Antoinette stand ein wenig entfernt neben einem großen, alten Baum und sah zu ihm herüber. Leonard fühlte sich elend. Er hatte noch nie so mit Baptiste gesprochen und er wusste genau, dass e ihn mit seinen Worten verletzt hatte. Er hasste sich dafür, dass seine Wut nicht zügeln konnte, aber diese Wutanfälle waren ein bitterer Beigeschmack seines Fluches. „Es muss dir nicht leidtun was du gesagt hast.“ Erschrocken zuckte Leonard zusammen. „Im Grunde stimmt ja was du gesagt hast.“ „Und jetzt? Willst du dich auch noch in mein Leben einmischen?“ „Nein“, Antoinette ging auf ihn zu, Leonard stand noch immer mit dem Rücken zu ihr. „Ich will mich nicht in deine Angelegenheiten einmischen. Ich will dir nur sagen das du von Glück reden kannst das du solche Freunde hast. Vielleicht kennen sie das, was ich kenne, nicht, aber sie halten dich für einen guten Menschen und ich denke Baptiste wird dir verzeihen was du gesagt hast, weil er dich gerne hat.“ „Und? Wie hilft mir das?“, nun drehte er sich zu ihr um, „ich will nur nicht mehr gestört werden. Ich weiß nicht einmal genau was mit mir los ist, aber…“ „Baptiste hatte Recht, es liegt an mir, nicht wahr. Es liegt an den Dingen die geschehen sind. Damals vor 14 Jahren. Du hängst deinen Gedanken hinterher, ständig und ununterbrochen.“ „Woher…?“ „Mir geht es genauso. Ich versuche, seit ich weiß wer du bist, herauszufinden, ob ich dir vertrauen kann. Ich versuche alle Ereignisse zu begreifen, aber es funktioniert nicht. Es ist zu viel passiert und trotzdem habe ich das Bedürfnis dich nicht zu hassen.“ Leonard schloss die Augen. Das Gespräch vor dem er sich gefürchtet hatte, war begonnen. „Nun, du hasst mich also nicht? Warum? Du hast keinen Grund mir zu verzeihen, durch mich ist dein ganzes Leben zu einem Haufen trauriger und schrecklicher Umstände geworden.“ „Das mag sein“, Antoinettes Stimme zitterte ein wenig, „ aber dennoch bin ich froh, dass mein Leben so verlaufen ist wie es ist. Immer wenn ich Thomas sehe oder an ihn denke, weiß ich, dass alles seinen richtigen Weg gegangen ist, alles ist gut so wie es jetzt ist. Niemand behauptet, dass das Leben in einer anderen Weise leichter gewesen wäre.“ Leonard war erstaunt von ihren Worten. Er hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass sie sich mit ihrem Leben abfinden würde. „Hm ich weiß gar nicht was ich darauf sagen soll. Aber ich glaube ich verstehe dich. Ich verspüre keinen Hass auf die Person die mein Leben durcheinander gebracht hat. Das einzige was ich fühle ist Enttäuschung und Trauer.“ Einen Augenblick lang sahen sie sich an und dann stellten sie fest, dass ihr Leben wahrscheinlich gar nicht so unterschiedlich abgelaufen war. Sie fingen an zu lachen. „Ja, wahrscheinlich ist alles gut gelaufen.“ Antoinette nickte, „geht’s dir jetzt besser?“ „Ja“, Leonard lächelte, „und das, obwohl ich ziemliche Angst vor diesem Gespräch hatte.“ „Ja, mir ging es genauso“, Antoinette sah sich um, „das ist ein schöner Ort.“ „Ja, hier ist fast nie jemand, weil die meisten lieber in den geschützten Mauern des Schlosses bleiben, deshalb ist dies der perfekte Ort für mich. In Vollmondnächten verwandele ich mich hier.“ „Du verwandelst dich?“ Leonard sah Antoinette erwirrt an, er hatte gedacht sie wüsste was er wäre. „Ja, schließlich bin ich ein Vampir“, er beobachtete sie, er erwartete irgendeine ab geneigte Reaktion, aber nichts dergleichen geschah. „Hm, das erklärt, warum ich mir nicht ganz sicher war, ob du wirklich der Mörder von vor 14 Jahren warst, aber dann warst du’s auch nicht. Sondern nur ein Teil von dir.“ Er lächelte. „Das ist sehr nett ausgedrückt, aber im normal fall bin ich bei klarem Verstand, wenn ich mich verwandele. Nur damals war es meine erste Nacht und mein Durst machte mich wahnsinnig. Dein Vater war dummerweise einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort.“ Antoinette sah ihn an. Sie wurde erneut verunsichert, ob sie ihm trauen konnte. „Versteh mich nicht falsch“, sagte sie, „aber du warst bei klarem Verstand als du meinen Vater getötet hast?“ Leonard starrte sie an. Misstraute sie ihm etwa. Hatte er zu viel Preisgegeben? „Na, na. Ich war damals in einer Art Rausch. Mich trieb mein Hunger nicht mein Verstand. Damals war ich nicht her meiner selbst.“ „Aber jetzt ist es nicht mehr so, ja? Jetzt bist du in Vollmondnächten bei klarem Verstand?“ „Äh, ja.“ Leonard war sich nicht sicher, was Antoinette von ihm wollte. Würde sie ihm als Vollmondmörder anklagen? „Und wer beweist mir, dass du das vor 14 Jahren nicht auch warst?“ „N- niemand, aber damals war es anders. Ich schwöre es.“ Antoinette bekam Zweifel, ob es schlau gewesen war ihm zu vertrauen. „H- he. Du glaubst doch nicht, dass ich deinen Vater mit Absicht getötet hätte. Ich bin kein Mensch der freiwillig Menschen töten will. Bitte glaub mir.“ „Tse, vielleicht ist es an Hofe doch nicht so sicher wie der Prinz meinte.“ „Der Prinz?“ „Ja, der älteste. Er versprach mir Denjenigen zum Tode zu verurteilen, der meinen Vater getötet hat. Er hat für meine und Thomas Sicherheit garantiert.“ „Aber ich würde dir und Thomas. Nein, ich würde Niemandem etwas tun.“ „das sagst du jetzt, aber wer sagt mir, dass du deine Versprechen auch wirklich hältst?“ „Bitte? Machst du das jetzt extra. Ich habe das Gefühl du willst mir gar nicht mehr vertrauen.“ „Ja, vielleicht ist das ja auch so. Vielleicht war es ein Fehler, ein großer Fehler sogar, dir zu vertrauen, aber ich denke das zeigt sich dann ja in zwei Wochen, wenn wir wieder Vollmond haben.“ „W- was hast du vor?“ „Ich habe nichts vor. Ich will lediglich die Wahrheit wissen und dafür musst du dich wohl oder übel verwandeln.“ Mit diesen Worten drehte Antoinette sich um und ging zurück zum Schloss. Leonard glaubte noch immer nicht was gerade passiert war. Ich Gespräch hatte doch so gut angefangen, warum musste es so ausgehen. Egal warum. Sicher war, das in der nächsten Vollmondnacht schreckliche Dinge geschehen könnten, wenn er nicht aufpasste. Die nächsten zwei Wochen vergingen schleppend. Leonards Laune hatte sich nach dem Streit mit Baptiste und dem Gespräch mit Antoinette keines Wegs gebessert. Noch immer redet er mit Niemandem ein Wort und zog voll und ganz zurück. Er spielte mit dem Gedanken das Schloss zu verlassen, aber er konnte es nicht. Antoinette ging ihrer Arbeit nach wie jeden Tag. Sie lachte mit den Mägden und schien unverändert guter Laune zu sein. Lediglich wenn die Sonne untergegangen war und Antoinette in ihrem Bett lag, kamen all die verdrängten Gedanken der Ereignisse der Vergangenheit wieder zum Vorschein und dann fragte sie sich ob es wirklich klug gewesen war so mit Leonard zu sprechen. Der Tag vor der Vollmondnacht begann bereits mit einer seltsamen Spannung. Jeder am Hofe war reizbar wie noch nie zuvor. Schon am frühen Morgen waren Ritter und Knappen aneinander geraten. Es gab Kämpfe die die Wachen nur schwer stoppen konnten. Leonard hatte den Stall noch nicht ganz betreten, als er das laute Wiehern der Pferde vernahm. Er spürte, dass auch die Pferde die seltsamen Spannungen nicht ignorieren konnten. Er hatte eine schreckliche Vorahnung, dass das ganze nicht nur ein seltsamer Tag bleiben würde. Er seufzte. „Na wieder ein Glücksmoment verloren gegangen?“ Die Prinzessin lächelte Leonard an. „Na ja, glücklich scheint an diesem Tag wohl gar nichts zu sein.“ „Gib dem Tag eine Chance Leonard.“ „Wie kann ich, wenn ich weiß, dass etwas Schreckliches geschehen wird.“ Sie ging auf ihn zu. „Nun, der Tag mag seltsam begonnen haben, aber was sagt dir das es ein schrecklicher Tag wird?“ „Euer Majestät. Auch wenn ich wollte ich könnte Ihnen nicht erklären warum ich so fest an all diese Unglücklichen Dinge glaube. Sie würden mir eh nicht glauben.“ Die Prinzessin sah in traurig an. „Nun du hast Recht. Ich habe keine Ahnung wer du bist und ich sollte dir auch keine Vorträge halten. Ich bin noch sehr jung und habe keine Ahnung vom Leben, aber ich bin mir sicher das du, mit einer anderen Einstellung, besser mit dem Leben klar kommen würdest.“ „Mag sein, aber ich hab nicht mehr die Kraft meine Einstellungen noch zu ändern.“ Die Prinzessin sah ihn an, während er seiner Arbeit nach ging. „Dann will ich gar nicht länger versuchen die zu überzeugen. Es hat dann wohl keinen Sinn.“ Sie drehte sich um und verließ den Stall. Leonard sah ihr nach. Er wusste das er sie sehr verletzt hatte, aber er fühlte nicht dasselbe wie sie und das musste sie endlich begreifen. Antoinette wusch die Wäsche am See in Schlossnähe. Sie hatte sie freiwillig dafür gemeldet um ein wenig Zeit für sich zu haben und um nachzudenken. Thomas hatte sie gefragt was sie auf dem Herzen hätte, sie würde sich so seltsam benehmen. Natürlich hatte er es gespürt, wie war sie nur auf die Idee gekommen, dass er nicht merken würde, dass es ihr schlecht ging. Sie spürte es bei ihm doch auch immer. Sie seufzte, denn sie musste auch immer wieder an die Worte des Prinzen denken. Wie sicher er sich gewesen war, als er ankündigte ihren Vater zu Rächen. Etwas tropfte auf ihre Hand und erst jetzt bemerkte sie das angefangen hatte zu weinen. In ihrem Leben war schon so vieles geschehen was zum weinen gewesen wäre, doch ausgerechnet jetzt, wo sie doch eigentlich nicht über ihr Leben klangen konnte, jetzt musste sie weinen. Ihre Hände verkrampften sich. Was genau war eigentlich der Grund gewesen das Antoinette sich so sehr mit Leonard gestritten hatte? Sie wusste es nicht. Sie wusste nicht warum sie ihm plötzlich nicht mehr vertrauen konnte, warum sie ihn auf einmal nicht mehr glaubte. Sie hatte das Gefühl als hätte jemand in ihrem Kopf für Chaos gesorgt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)