Der Vollmondfluch von Gisi ================================================================================ Kapitel 11: ------------ Als er am Haus der Roziers ankam war Coeur Sauvage ziemlich außer Atem und auch Leonard rang nach Luft. Erst als er sich wieder beruhigt hatte klopfte er an die große Holztür. Als Antoinette die Tür öffnete blieb sie wie angewurzelt im Türrahmen stehen. Sie starrten ihn überrascht an. Ein Lächeln ging über Leonards Gesicht. „Bonjour Mademoiselle“, sagte er, „mein Pferd ist sehr müde und ich wollte fragen ob es sich ein wenig bei ihnen ausruhen könnte.“ Noch immer starrte Antoinette, doch dann fiel sie ihm in die Arme. Ein paar Tränen liefen ihr über die Wange und sie schlug ihm leicht auf den Hinterkopf. „Wofür war das denn jetzt?“, beschwerte sich Leonard und rieb sich den Kopf. Antoinette wischte sich die Tränen vom Gesicht und lachte, „das war dafür das du mir so dreist gesagt hast du würdest das sicherlich überleben.“ „Na danke“, schmollte er, „aber es schön zu sehen, dass du über alles lachen kannst.“ „Antoinette?“, Monsieur Roziers Stimme drang aus seinem Schlafzimmer bis an die Haustür. „Oh der Monsieur ruft mich. Komm doch rein und fühl dich wie zu Hause ich bin gleich wieder da.“ „Danke sehr Mademoiselle“, sagte er und betrat das Haus. Ein unangenehmes Gefühl kam in ihm auf. Dieser Ort erinnerte ihn nur zu sehr an die Kampfnacht mit Madam Rozier. Er schloss die Augen und biss die Zähne zusammen. Nach einigen Minuten kam Antoinette wieder zu ihm. Sie setzte sich mit ihm zusammen an den Esstisch in der Küche. Einen Augenblick lang sahen beiden stumm auf die Tischplatte. „Du bist jetzt also frei?“, fragte Antoinette. „Ja und deshalb bin ich hier. Ich bin hier um mich bei dir zu bedanken und dich zu fragen warum du dich für mich eingesetzt hast?“ Antoinette überlegte kurz. Ja, warum hatte sie sich eingesetzt? „Ich denke ich habe es getan, weil ich deine Lage zu dem Zeitpunkt von vor 14 Jahren verstanden habe. Du hattest keine Wahl, du wurdest damals qualvoll zu dem gemacht, dass du jetzt bist und hattest keine Kontrolle über dich. Ich denke mein Vater, der dir immer vertraute, hätte, wenn er gewusst hätte was geschehen war, deiner Tat sogar zugestimmt.“ „Dein Vater, mir vertraut? Woher…“ „Ich habe es ihr erzählt“, hustend und außer Atem war Monsieur Rozier in die Küche gekommen. „Monsieur!“, besorgt erhob sich Antoinette und wollte ihn stützen, doch der alte Mann wies sie von sich. „Du warst es damals also wirklich? Du hast Antoinettes Vater umgebracht und die Kinder in diese Lage gebracht? Das hätte ich dir nicht zu getraut, nein dir nicht.“ Aus Monsieur Roziers Worten wurde Verachtung und Trauer, Wut und Missgunst deutlich. „Monsieur, bitte. Bitte verstehen sich doch.“ „Nein, da gibt es nichts zu verstehen und ich habe Antoinette auch noch ermutigt. Gevierteilt gehörst du Bastard. Hinaus aus meinem Haus. Sofort.“ Trotz seinem Zustand und seiner Krankheit, lag in Monsieurs Worten so viel Kraft und angesammelte Wut, wie Antoinette es noch nie bei einem Menschen, und schon gar nicht bei Monsieur Rozier, erlebt oder vermutet hätte. Leonard erhob sich. „Gut, wenn sie es sagen. Es ist ihr Haus. Ich dachte sie wären ein Mensch dem ich Antoinette und Thomas Sorgenfrei anvertrauen könnte, doch sie sind ihrer Frau so ähnlich, das ich befürchten muss, das ihnen etwas zustößt wenn sie hier bleiben. Also denke ich, dass wir uns wiedersehen werden.“ Mit diesen Worten verließ Leonard das Haus. Er band Coeur Sauvage los und ritt mit ihr zurück zum Schloss. Hinter sich hörte er Antoinettes Rufe, er solle doch noch bleiben, doch nichts auf der Welt weder Antoinette noch sonst jemand hätten ihn auch nur eine Minute länger in diesem Haus verweilen lassen. Nie wieder wollte er einen Schritt hinein wagen. Antoinette fiel auf die Knie. Warum, warum war es für alle undenkbar, dass Leonard leben durfte? Der Prinz, der Monsieur. Was hatte Leonard böses getan? Monsieur Rozier legte eine Hand auf Antoinettes Schultern, doch sie wand sich von ihm ab. „Antoinette…“ „Nein, nein. Ich will nichts hören“, schrie sie, „ich will nie wieder etwas hören. Sie scheinen gesund genug zu sein um auf sich selbst aufzupassen. Wie ich sehe brauchen sie mich nicht mehr.“ Antoinette stand auf und ohne sich umzusehen lief sie in die Dunkelheit. Sie hatte eine Vorahnung wo Leonard hingegangen sein könnte. Vollkommen außer Atem zwang sie sich weiter zu laufen. Sie wusste, sie würde niemals ein Pferd einholen können, aber sie wollte so schnell sie konnte mit Leonard sprechen, denn sie hatte sich für etwas entschieden. Thomas kniete auf seinem Bett und sah aus dem Fenster, seiner Kammer. Er war schon eine ganze Weile alleine auf dem großen Schloss, als es an der Tür klopfte. „Herein“, rief Thomas. „Bonsoir Thomas“, sagte der Prinz der soeben die Kammer betreten hatte. „Oh bonsoir euere Majestät.“ Er setzte sich neben den Jungen aufs Bett und sah eine Weile lang mit ihm hinaus aus dem Fenster. „Deine Schwester ist schon eine ganze Weile fort, nicht wahr?“, fragte der Prinz Thomas, der daraufhin nur stumm nickte. „Aber sie kommt sicher zurück, meinst du nicht?“ „Das kommt auf Monsieur Roziers Befinden an“, sagte der Kleine und sah dem Prinzen in die Augen, „wenn es dem Monsieur nicht gut geht, dann wird sie noch länger bei ihm bleiben, denn Antoinette kümmert sich um ihn und sie kümmert sich immer bis man gesund ist, das hat sie bei mir auch immer gemacht.“ Der Prinz lächelte. Thomas war ein bemerkenswerter Junge. „Und magst du Leonard?“, fragte der Prinz weiter. „Ja“, antwortete Thomas und setzte sich nun neben den Prinzen, „Leonard ist immer so nett und freundlich und Antoinette ist immer so glücklich in seiner Nähe. Egal wann, ich habe nie Angst vor Leonard, auch nicht in der Nacht in der er mit Madam Rozier gekämpft hat und Antoinette und mich beschützte.“ Der Prinz erinnerte sich wie Antoinette einmal gesagt hatte das Leonard sie beschützt hätte. „Ja Leonard ist genauso bemerkenswert wie Antoinette“, sagte der Prinz mehr zu sich selbst als zu Thomas. „Was wollen Sie hier eigentlich“, erkundigte sich das Kind. „Ich? Oh na ja eigentlich wollte ich mich nur einmal mit dir unterhalten und sehen wie es dir ohne deine Schwester geht. Hoffentlich kommt sie bald wieder.“ „Ja, das hoffe ich auch.“ Wie Antoinette erwartet hatte saß Leonard auf der großen, alten Eiche, mitten auf dem Feld, auf dem er sich jede Vollmondnacht verwandelte. „Leonard?“, ihre Stimme hallte durch die aufgezogene Dunkelheit und wurde von keinem Ton unterbrochen. „Ich weiß das du hier bist“, sagte sie weiter, „du musst dich mir nicht zeigen, bleib einfach wo du bist, aber bitte hör mir zu. Ich kann nicht für das was die Menschen zu dir sagen, ich verstehe nicht einmal was so schlimm an dir ist. Vielleicht bin ich dumm, vielleicht bin ich naiv, aber ich vertraue dir. Ich habe dir von Anfang an vertraut und wann immer der Prinz mich überreden wollte anderer Meinung zu sein, fühlte ich mich schlecht. Ich habe Thomas beschworen dir zu trauen, oder er mich, denn er traute dir seid dem Tag an dem du ihn beinahe überfahren hättest, allein deiner Pferde wegen. Ich bin in meinem Leben schon so oft Verraten worden und musste Vertrauensbrüche erleben, aber bei dir fühlte ich mich nicht verletzt. Als du vor einiger Zeit für so lange Zeit verschwunden bist, wolltest du mir nicht sagen wo du warst oder was du getan hattest. Ich war damals ziemlich enttäuscht, dass du mir nicht zu vertrauen schienst, doch ich habe begriffen wo du warst. Du warst bei Eleonore, bei der Frau die du bis zum letzten Tag abgöttisch geliebt hast. Du hast sie in einem Menschen zurück verwandelt, ich weiß das, weil nur das der Grund dafür war, das Madam Rozier zu diesem Blutband imstande war. Und dennoch hast du in jener Nacht auf Thomas und mich aufgepasst und das obwohl du spürtest, dass etwas nicht stimmte. Mein Vertrauen wuchs in dieser Nacht und es hat sich bis heute so sehr gefestigt, dass ich niemandem anders so schnell mein Leben anvertrauen würde wie dir. Ich dachte immer mein Leben wäre schlimm, doch deines ist schlimmer und das habe ich jetzt verstanden. Du hast mehr verloren als ich, denn du hast den Glauben an das verloren für das du gekämpft hast. Vielleicht ist es kein sonderlich guter Trost, aber ich möchte versuchen die entstandenen Wunden zu schließen und den Platz einnehmen, den einst Eleonore in deinem Herzen hatte. Ich hoffe nur das du das auch zulassen wirst.“ Antoinette schwieg, sie hatte sich alles von der Seele geredet was sie in den letzten Wochen angesammelt hatte. Leonard sprang vom Baum herunter und stand Antoinette nun direkt gegenüber. „Du vertraust mir also?“, fragte er, „du lässt mich dein Leben schützen und hältst mich nicht für einen Bastard? Und das obwohl ich sicherlich einer bin?“ Antoinette nickte und ging einen Schritt auf ihn zu. „Du bist kein Bastard. Monsieur war einfach nur sehr enttäuscht von dir. Das ist …“ „Einfach nur sehr enttäuscht? Das ich nicht lache. Er meinte Todernst was er gesagt hat und ich denke es wird ihm nicht gefallen das du hier bist. Genauso wenig wie übrigens dem Prinzen.“ „Warum sagst du so was? Ich will nicht wissen, wem es nicht gefällt das ich hier bin, sondern was du darüber denkst. Ich habe dir gerade all meine angesammelten Gedanken offenbart und du, du sagst nur das es einigen nicht gefallen wird das ich hier bin? Es ist wirklich immer dasselbe. Du bist so sturköpfig und stellst dich quer. Warum kannst du nicht einmal bis zum Ende zu hören und dann einfach akzeptieren ohne blöde Fragen zu stellen.“ Antoinette wischte sich ein paar Tränen weg, die trotz ihrem Zwang nicht weinen zu wollen aus ihren Augen gequollen waren. Leonard sah sie an, wieder war sie böse auf ihn geworden und wieder wusste er, dass er schuld war. Er ging auf Antoinette zu. Er hatte seinen Blick nicht abgewandt, er hob seine Hand und legte sie auf Antoinettes Hand die die Tränen abwischte. Antoinette sah Leonard an. Eigentlich wollte sie gar nicht böse auf ihn sein, eigentlich hatte sie ihn doch gern. Leonard senkte seinen Kopf und küsste Antoinette, die überrascht den Kuss erwiderte. „Ich hoffe, dass wir es jetzt erst mal darauf belassen können“, sagte Leonard und lächelte. „Hm“, machte Antoinette. „Lass uns lieber zum Schloss gehen, Thomas wartet sicherlich schon auf sich.“ Leonard war bereits losgegangen als Antoinette sagte: „Warte, es gibt noch etwas das ich erledigen muss.“ Überrascht blieb Leonard stehen und drehte sich zu ihr um, als Antoinette auf ihn zu kam und ihn von sich aus küsste. Nur einen Wimpernschlag später sackte Leonard in Antoinettes Armen zusammen. Vorsichtig legte sie ihn zu Boden. „Das hast du gut gemacht“, hörte sie die raue Stimme, die ihr einst Todesangst gemacht hatte. „Ihr wart es?“, fragte sie und sah Maxime direkt in die Augen, „Ihr habt mir diesen Brief zukommen lassen, indem stand was einen Vampir erlöst? Warum?“ Maxime lachte kurz auf. Er trat auf Leonard zu, doch bevor er ihn berühren konnte stellte sich Antoinette schützend vor Leonard auf. „Ich wusste du würdest ihn schützen. Er hat großes Glück mit dir.“ „Reden Sie nicht“, schrie Antoinette, das Wissen das sie Leonard erlöst hatte, schenkte ihr den Mut sich laut zu äußern, „also. Erkläre Sies mir. Sie wollte Leonard töten, was hält Sie nun davon ab und warum ließen Sie mich ihn erlösen?“ Maxime schloss die Augen, dann sah er in den dunklen Himmel, an dem kein Anzeichen eines Mondes zu sehen war. Maxime wusste, dass er machtlos war in dieser Nacht und das ihn sogar Antoinette bezwingen könnte. „Jetzt wo Dominique tot ist muss ich mir um Leonard keine Sorgen mehr machen.“ „Was meinen Sie damit?“, Antoinette war verwirrt. Ein Lächeln legte sich auf das Narbengesicht Maximes. „Ich werde es dir erklären“, sagte er, „ Dominique war einst eine junge Magd. Sie lebte bei ihrem Vater wie eine Sklavin und musste viel harte Arbeit verrichten. Als ich sie zum ersten Mal traf war sie ausgelaugt und müde. Ich half ihr oft bei der Arbeit und wir kamen uns näher. Unser Leben nahm einen guten Lauf, bis Dominique ebenfalls unsterblich werden wollte und nicht mehr altern wollte. Ich weigerte mich sie zu einer Verfluchten zu machen, allein die Gier nach Blut und Leben war für mich unausstehlich und ich wollte nicht, dass sie das auch erleben musste, wo sie in ihrem Leben doch schon so viel gelitten hatte. Trotz meiner Absage folgte sie mir unermüdlich. Ich war sie leid. Jahrelang folgte sie mir und war bei mir, aber meine Gefühle waren nie stark genug gewesen um sie zu lieben, so wie sie es gern gehabt hätte. Ich lernte eine andere Frau kennen, die mir einen Jungen gebar. Das war vor 35 Jahren. Aus Angst Dominique würde das Kind töten ließ ich es bei einem alten Schmied, der sich um meinen Sohn kümmerte. Dominique die als alte Frau doch noch irgendwie zu einer Verfluchten wurde, plante Rache für mich. Sie sammelte unzählig viele junge Frauen und Mädchen um sich und verwandelte sie um bei mir Hassgefühle hervorzurufen, damit ich mit ihr kämpfen würde. Doch das geschah nicht. Also suchte sie Leonard, meinen Sohn, meine einzige Schwachstelle. Sie verwandelte ihn, doch sie schaffte es nicht ihn zu töten. Dank dir Antoinette.“ Antoinette stand einfach nur da. Sie musste realisieren was Maxime so eben gesagt hatte. Er war Leonards Vater. Er hatte nie wirklich vorgehabt Leonard zu töten. Er war gar nicht böse. „Ich bin sehr froh, dass du meinen Brief bekommen und verstanden hast und ich wünsche euch beiden ein schönes Leben. Ich versprechen, dass es in Zukunft keine Vollmondmorde mehr geben wird.“ Mit diesen Worten verschwand Maxime wieder in der Dunkelheit aus der er vorher so plötzlich erschienen war. Antoinette setzte sich neben Leonard auf den Boden und hob vorsichtig seinen Kopf in ihren Schoss. Sie würde nicht von seiner Seite weichen, egal wie lange es auch dauern würde, bis er die Augen wieder öffnete. Sanft strich sie ihm übers Haar und stellte fest, dass sie ihm in der ganzen vergangenen Zeit nie so nah war wie jetzt und es dann auch noch ruhig um sie war. Sie konnte nicht glauben, dass alles vorbei sein sollte. Das sie all diese Gefahren überstanden haben und jetzt ein neues Leben leben durften. Sie hinauf in den Himmel, trotz der Dunkelheit spürte sie keine Angst, auch wenn sie ganz alleine war. Thomas sah noch immer aus dem Fenster er konnte nicht schlafen und das obwohl er unendlich müde war. Er machte sich Sorgen, seid einer Woche hatte Antoinette sich nicht bei ihm gemeldet. Nicht einmal ein kleines Stück Pergament, nichts. Und zu allem übel war am Morgen auch noch Monsieur Rozier alleine zum Schloss gekommen und berichtete, er habe keine Ahnung wo sich Antoinette und Leonard befinden würden. Thomas seufzte, sprang von seinem Bett auf und schlich sich in die Ställe. Der Schein einer kleinen Kerze verriet ihm, dass noch irgendjemand in den Stallungen war. Leise lauschte er in den Stall hinein. „Warum sorgst du dich noch. Leonard ist jetzt frei. Ich habe schon früher geahnt das der Tag kommen würde an dem er verschwindet.“ Die Prinzessin klang trotz ihrer Worte selbst nicht sonderlich überzeugt von dem was sie sagte. „Nein, es ist nicht seine Art einfach zu verschwinden, egal wie seltsam er auch manchmal drauf ist, er hätte uns bescheid gesagt oder wenigstens mir.“ „Ja und nicht zu vergessen dem kleinen Thomas“, fügte die Prinzessin zu Baptiste Worten hinzu. „Ja Thomas. Um ihn mache ich mir auch Sorgen. Er vermisst seine Schwester sehr. Ich merke es bei der Arbeit. Wie kann sie nur einfach verschwinden. Da muss doch etwas dahinter stecken. Aber was.“ „Ich weiß es nicht Baptiste“, sagte Adeline liebevoll, „bestimmt wird sich alles klären. Wir sollten jetzt wirklich schlafen gehen. Es ist schon sehr spät.“ Die Prinzessin drückte Baptiste einen Abschiedskuss auf die Lippen und verließ den Stall. Thomas der sich dicht an die Stallwand gedrückt hatte, sah die Prinzessin nicht. Erst als sie außer Reichweite war ging Thomas auf Baptiste zu. „Baptiste?“, sagte er und der Rotschopf zuckte erschrocken zusammen. „Thomas mon frère“, sagte Baptiste, „erschrick mich doch nicht so.“ „Tut mir leid Baptiste“, antwortete Thomas klein laut. „Hey, was ist denn los, Großer?“ Ohne ein weiteres Wort zu sagen fiel ihm Thomas in die Arme und schlief ein. Antoinette war gegen die Eiche gelehnt eingeschlafen. Es war nun schon der dritte Tag an dem Leonard schlief. Antoinette hatte sich von den Pflanzen die um sie standen ernährt. Salat stand auf dieser Wiese zum Anbau. Doch ohne schlaf ging es nicht und so hatte sie nach einem und einem halben Tag der Schlaf übermannt. Doch nun hatte sie genug geschlafen. Traurig musste sie feststellen, dass Leonard immer noch schlafend in ihrem Schoss lag. Sie hatte von Thomas geträumt und wollte nur so schnell sie konnte zu ihm und alles beenden doch solange Leonard nicht wach war konnte sie nicht gehen. Gedankenverloren legte sie ihre Hand auf seine Wange. Als sich plötzlich eine andere Hand auf ihre legte schreckte sie aus ihren Gedanken hoch. Ein dunkles Augenpaar sah sie an. „Bonjour“, sagte Leonard als Antoinette ihn ansah. „Leonard“, flüsterte sie. Er stand auf und reichte Antoinette seine Hände. „Jetzt weiß ich es sicher“, sagte er, „die Zeit die es dauert in der Ohnmacht ist selbstbestimmt.“ Antoinette fiel ihm in die Arme. „Wir sollten jetzt gehen, ich denke der Große macht sich schon Sorgen um seine Schwester und der rothaarige Zwerg sicherlich auch.“ Antoinette lachte und sie ritten zurück zum Schloss. Es war tiefste Nacht als sie am Hofe ankamen. Die Wachen, die im Gedanken in ihren kuscheligen Betten lagen, ließen sie ohne Murren passieren. Leonard brachte Coeur Sauvage in ihren Stall. Sie wieherte glücklich als er sie vom Zaumzeug losmachte, sie abbürstete und ihr etwas Futter und Wasser gab. Antoinette hatte in der Stalltür auf ihn gewartet. „Fühlst du dich eigentlich anders als vorher?“, fragte sie ihn, als sie zu den Schlafkammern gingen. Leonard überlegte einen Augenblick dann schüttelte er den Kopf. „Nein“, sagte er, „irgendwie ist es nicht anders und doch fühle ich mich befreit.“ Antoinette wollte zu ihrer Kammer abbiegen als Leonard sie fest hielt. „Ich danke dir“; sagte er, „ich danke dir für alles was du in der vergangenen Zeit für mich getan hast, weil ich weiß das ich es nicht verdient habe und schon gar nicht von dir.“ Antoinette sagte diesmal nichts außer: „Gern geschehen.“ Dann trennten sie sich und gingen in ihre Kammern. Als Antoinette so leise wie möglich die Tür öffnete, sah sie Thomas auf seinem Bett liegen. Neben ihm saß, an die Wand gelehnt, Baptiste, ebenfalls schlafend. Antoinette lächelte und musste an Leonards Worte denken „Der Große macht sich schon Sorgen um seine Schwester und der rothaarige Zwerg auch.“. Sie nahm eine zweite Decke aus dem Schrank und legte sie behutsam um Baptiste. Dann legte sie sich auf ihr Bett und schlief ein, ehe ihre Gedanken das Geschehene erfassen konnten. Baptiste und Antoinette wurden gleichzeitig wach. Es dauerte eine Weile bis sie begriffen hatten wo sie waren, dann sahen sie sich eine Weile an. „Antoinette!“, stellte Baptiste stammelt fest, „du bist wieder da!“ Sie nickte, „ja und du hast dich um Thomas gekümmert. Ich danke dir dafür.“ Baptiste sah auf den Goldgelockte der im Bett neben ihm lag. „Ach das, das war Ehrensache.“ „Finde ich nicht“, meinte Antoinette. Der Rotschopf lächelte und erhob sich. Mit Schmerzverzehrter Miene rieb er sich den Nacken. „Autsch“, sagte er, „na ja ich muss dann mal los. Wenn du da bist, ist der Chef sicherlich auch wieder da und der mag es nicht wenn ich unpünktlich bin.“ Sich immer noch den Nacken reibend verließ Baptiste die Kammer. Mit dem quietschen der Tür schrak Thomas aus seinem Schlaf und fiel seiner Schwester in die Arme als er sie sah. Nach einem guten Frühstück ging Antoinette zum König um ihm zu berichten das sie und Leonard ihre Arbeit am Hofe weiter führen würden und das jegliche Gefahr gebannt worden war. Auch Maxime hatte sich beim König gemeldet und versprochen von nun an in den Vollmondnächten das Volk zu beschützen. Monsieur Rozier hatte sich mit Leonard ausgesprochen und durfte am Hofe bleiben. Am letzten Abend vor Vollmond trafen sich Maxime und Leonard auf der großen Wiese. Schweigend standen die Männer neben einander erst nach einigen Minuten begann Maxime damit Leonard zu erklären, was der Grund für sein Jahre langes Leiden und die zu erduldenden Schmerzen gewesen war. Trotzdem wusste Maxime, dass er seinen Sohn für immer verloren hatte und Leonard ihn niemals als seinen Vater anerkennen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)