Truths and lies von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 13: Es wurde Tag und es wurde Abend 13 ---------------------------------------------- „Kyoko-san, könnten Sie bitte das Kinn noch etwas heben?“, der Fotograf wandte sich wieder ihr zu, nachdem er sich kurz mit dem Regisseur des Videos besprochen hatte, für welches sie nun diese ganze Protzedur über sich ergehen ließ. Es stimmte schon, sie hatte ihre Vernarrtheit in Märchen abgelegt. Es war auch gerade mal ein Jahr her, wenn sie so darüber nachdachte. Nun gut, so ganz genau konnte sie es nicht sagen, aber fest stand, dass sie erwachsener geworden war. Den Grundstein dafür hatte er wohl gelegt, als er ihr überdeutlich klar gemacht hatte, dass das Leben eben kein Märchen war. Das arme, liebe und fleißige Mädchen, dass sich so für andere aufopferte, bekam eben nicht immer, was sie wollte. Sie bekam nicht, was sich ihr Herz am meisten ersehnte, denn keiner hatte den „Prinzen“ gefragt, ob er sich auch das Gleiche wünschte. Ja, sie glaubte nicht mehr an Märchen, weshalb ihr seine Aufmachung nun auch ziemlich lächerlich vorkam. Vor einem Jahr noch hätte sie sich beherrschen müssen, um ihm nicht zu zeigen, wie begeistert sie war. Doch nun musste sie es nicht mehr. Sie veränderte ihre Haltung nach den Anweisungen des Fotografen und senkte den Blick. Wenn sie so darüber nachdachte, hatte sie die Fähigkeit zu glauben selbst erst durch Kuu’s Hilfe zurück erlangt. Sie vermisste Julie und ihn von Tag zu Tag mehr. Durch die Beiden hatte sie die Liebe wiedergefunden. Sie hatte jeden Tag mit angesehen, wie sie miteinander umgingen und wie auch ihre Freunde einander behandelten. Sie waren ihr ans Herz gewachsen und zum ersten Mal hatte sie eine Ahnung davon bekommen, wie elterliche Liebe aussehen konnte. In den Beiden hatte sie vermutlich sogar neue Eltern gefunden. Eltern, denen sie wichtig war und die sie mit Liebe umhüllten, wie es ihre eigene Mutter und auch die Fuwas nie getan hatten. Sie hatten ihr auch geholfen, die Sache mit Joe zu überstehen, ohne in alte Verhaltensmuster zurück zu verfallen. Sie hatte ihn geliebt, aber es hatte einfach nicht gereicht. Es war nach einigen Monaten kaputt gegangen. Die Hizuris hatten ihr den nötigen Halt gegeben, wodurch sie darüber hinaus auch im Job weiter gekommen war. So hatte sie ihre erste Hauptrolle in einem Liebesfilm erhalten und mit einigen Startschwierigkeiten mit Pravour bestanden. Deshalb hatte sie Kuu auch diesen einen Wunsch nicht ausschlagen können. Sie sah seinen Rücken sehnsuchtsvoll und verletzt an und rief sich das Versprechen ins Gedächtnis, dass sie schließlich hierher in diese Situation gebracht hatte. Sie konnte regelrecht sehen, wie Kuu ihr die Hände auf die Schultern legte, ihr ernst in die Augen sah und mit seiner freundlichen, irgendwie väterlichen Stimme, die sie in ihren Ohren zu hören glaubte, sagte: „Jetzt hast du es soweit geschafft, Kyoko-chan. Du hast dich wieder verliebt, den Liebeskummer überstanden, ohne einen Rückfall zu erleiden und bist als Schauspielerin zu der Granate geworden, mit der alle gerechnet hatten. Ich würde sogar sagen, du hast den Einen oder Anderen sogar überrascht.“ „Kyoko-san, mit diesen Aufnahmen sind wir fertig.“, der Regisseur riss sie aus ihren Gedanken, während der Fotograf offenbar den Film wechselte: „Geh dich bitte umziehen.“ Er lächelte. Offenbar hatte er nicht gemerkt, dass sie mit ihren Gedanken in der Vergangenheit schwelgte, statt sich auf das Shooting zu konzentrieren. Auf dem Weg zur Umkleide hörte sie wieder Kuu in ihren Ohren: „Sag mir, warum hast du dich in der vergangenen Zeit so angestrengt? Was war dein Antrieb?“ Sie hatte ihn unsicher angesehen: „Ich wollte gut sein, glaube ich.“ Sein Blick war weicher geworden und hatte sie irgendwie an Tsuruga-san erinnert: „Dann solltest du den Job annehmen!“ „Aber was ist, wenn ich wieder anfange wie früher?“ „Das wirst du nie wissen, wenn du dich ihm nicht stellst. Wenn es so sein sollte, weißt du, dass du ihm noch nicht gegenüber treten kannst und dass du noch Zeit brauchst. Du wirst den Job abbrechen, ohne Blödsinn anzustellen und Jobs nachgehen, die nichts mit ihm zu tun haben. Mit der Zeit wirst du dann merken, dass du so weit bist. Vielleicht wird es dir nicht mal wirklich bewusst sein.“, er hatte eine Pause gemacht und sie zuversichtlich angesehen: „Aber wenn du solche Angst davor hast, bin ich mir sicher, dass du es schaffst!“ Sie hatte auf ihre Hände gesehen: „Ich möchte Sie nicht enttäuschen.“ Er hatte ihr Kinn angehoben und sie liebevoll angesehen: „Versprich mir, dass du es zumindest versuchst und nicht davon läufst. Dann kannst du mich nicht enttäuschen!“ Kyoko verließ die Umkleide wieder. Sie trug ein schwarzes Kleid, dass ihr bis auf die Oberschenkel reichte und am Rücken völlig frei war. In der Hüfte hatte es eine kleine schwarze Stoffrose. Ihr rechter Arm streifte sie bei jedem Schritt. Sie seufzte. Ja, das war genau Sho’s Geschmack: Viel Haut, wenig Stoff und High Heels. Ihre Haare waren ausgefranst und hochgesteckt worden, sodass sie wie Spinnweben wirkten und ihre Augen und ihr Mund waren schwarz geschminkt. Es war etwas zu viel Gothik für ihren Geschmack. Sie ging wieder zum Set das Shootings zurück und blieb am Rand beim Fotografen stehen, der fleißig und begeistert Fotos von Sho schoss. Der stand vor einem bourgunderroten Satinstoff, der kunstvoll drapiert worden war. Das linke Bein hatte er angewinkelt und hochgestellt wie ein Gipfelstürmer, der seine Flagge gesetzt hatte. Seine linke Hand dagegen krallte er in ein schwarzes Gitter, dass am Rande des Satins aufgestellt worden war. Während er böse das Gitter betrachtete, hielt er in seiner rechten Hand eine schwarze Rose fest, den Daumen in eine Gürtelschnalle geharkt. Ein von einem Ventilator künstlich erzeugter Wind bließ ihm die Haare dramatisch aus dem Gesicht, die nicht Opfer einer Hargelattacke geworden waren und bauschte seinen schwarzen Mantel im Rücken so auf, dass man von der Seite noch etwas von seinem Gesäß und seinen Beinen sehen konnte die von einer schwarzen Lederhose verhüllt waren. Kyoko fand es fürchterlich, aber es passt zu seiner CD. „Kyoko-san, setzen Sie sich bitte mit dem Rücken zu Fuwa-san auf die andere Seite des Gitters.“, der Fotograf hatte das Schießen der Fotos unterbrochen. Sie folgte seinen Anweisungen und ließ sich auf der anderen Seite des Gitters nieder, den Rücken Sho zugewandt, der sie sogleich leise ansprach: „Passt irgendwie, findest du nicht?“ „Was denn?“ „Nun ja, du kehrst mir den Rücken zu und ich verzweifle.“ „Lass das.“ „Was?“ „Diese Vergleiche.“, sie wandte sich zu ihm um: „Das hat nichts mit uns zu tun, nichts davon!“ „Ach nein?“, er sprach wieder mit ihrem Nacken, denn sie hatte sich wieder umgedreht: „Das finde ich aber schon.“ „Dieser Ausdruck ist klasse, Fuwa-san!“, der Fotograf war ganz aus dem Häusschen und knippste wild drauf los: „Kumi-chan könntest du Kyoko-sans Haar auf der linken Seite bitte noch einmal feststecken? Wir müssen den Ventilator etwas drehen, damit nur Fuwa-san davon erfasst wird.“ Die Maskenbildnerin kam zu ihr herüber und machte sich an dieser Horrorfrisur zu schaffen. Die Stäbe, an denen ihre Haare festgemacht waren, bohrten sich ihr schmerzvoll in ihre Schädeldecke. „Es passt sogar genau!“, Sho ließ nicht locker: „Das weißt du auch, aber du verdrängst es.“ Kyoko konnte sehen, wie Kumi verständnislos zwischen ihnen hin und her sah, dann aber wieder ging: „Du verrennst dich da in etwas.“ „Kyoko-san, könntest du dich bitte etwas länger machen? Streck dein rechtes Bein etwas weiter aus und lass das Linke leicht angewinkelt. Genau so.“ Sie stütze sich auf den Unterarmen ab, den Kopf an das Gitter gelehnt, während Sho gänzlich auf die Knie sank, die Hände mit der Rose in ihrem Rücken an das Gitter gepresst. Sie konnte spüren, wie er ihr ins Genick atmete und sich seine Finger in die Gitterspeichen harkten. Es war extrem unbequem. „Kyoko-san, sehen Sie mich bitte etwas arroganter an. Genau so.“, der Fotograf knippste ein weiteres Mal: „Fuwa-san, der schmerzvolle Ausdruck ist super!“ „Wenn ich dir wirklich egal bin, warum machst du das hier dann überhaupt?“, flüsterte er ihr ins Ohr, während er seine linke Wange an das Gitter legte. Vor einigen Monaten hätte diese Frage sie noch verunsichert: „Es ist ein Job, nicht mehr und nicht weniger. Ich werde dafür bezahlt, dass ich sowas wie hier mache und dass ich es ordentlich erledige.“ „Das redest du dir doch nur ein!“, er geriet kaum merklich in Rage: „Den Floh hat dir bestimmt dieser Tsuruga ins Ohr gesetzt!“ „Tsuruga-san hat damit nichts zu tun.“, erwiederte sie aufrichtig. „Das glaube ich dir nicht.“ Ohje, da war wohl noch eine Menge Redebedarf: „Lass es, Sho. Das bringt dir nichts.“ „Was genau bitte?“, seine Stimme klang zornig. „Deine Aufnahmen mit diesem Geschwätz zu stören.“ „Geschwätz nennst du das?“ Sie seufzte, als auch schon der Fotograf rief: „Fuwa-san, mach deinen Blick noch etwas sanfter bitte. Gut so.“ Aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, wie er sie sehnsuchtsvoll ansah und sie wusste, dass es nicht nur gespielt war. Ihr drehte sich der Magen um. Das war nicht gut! Wie sollte sie es ihm nur begreiflich machen? „Tu doch nicht so. Ich bekomm doch mit dass der Typ scharf auf dich ist.“ Sie war irritiert: „Unsinn. Wir sind nur Freunde.“ „Achso, du hast ihn also wegen mir abblitzen lassen.“, er klang triumphierend. Sie seufzte erneut: „Shotaro, dass ist Unsinn und das weißt du!“ Sie stellte überrascht fest, dass sie sich nicht mehr hinter einer Rolle verstecken musste, umm mit ihm klar zu kommen. Sie konnte sie selbst sein. Vielleicht würde sie es ja doch noch schaffen, es ihm bewusst zu machen. Es stimmt wohl, man wächst mit seinen Aufgaben, schoss ihr durch den Kopf. Kuu wäre stolz auf sie! „Da ist aber noch was zwischen uns, das weißt du!“, er lehnte nun mit geschlossenen Augen seine Stirn an das Gitter. Der Fotograf knippste aufgeregt weiter, während sich Kyoko fragte, wozu sie so viele Fotos brauchten. „Nein, da ist gar nichts mehr.“, sie hielt ihre Pose und wünschte sich, ihm in die Augen sehen zu können, damit er ihr endlich glaubte. „Sag mir, wieso du das machst?“, es war keine Bitte. Sie verstand nicht, was er sich davon versprach. „Ich habe in Amerika begriffen, was mir wichtig ist, Sho. Du gehörst nicht mehr dazu.“ „Das ist eine Lüge!“ „Wir sind fertig. Ihr könnt euch umziehen.“, der Fotograf sah sie dankbar an: „Es hat wirklich Spaß gemacht. Danke für die gute Zusammenarbeit. Ich schicke euch dann die Fotos zu.“ Kyoko erhob sich, ohne das Kleid hochrutschen zu lassen, was allein schon irgendwie ein Kunststück war, wie sie fand und ging zu ihrer Umkleide hinüber, in der Kessy schon wartete. Aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, wie Sho ihr nachkommen wollte, aber in ein Gespräch verwickelt wurde. Vielleicht war es ja doch besser so. Vielleicht war es besser ihm einfach aus dem Weg zu gehen und alles so stehen zu lassen, wie es jetzt war. Aber sie war sich fast sicher, dass er draußen auf sie warten würde, wenn sie wieder aus der Umkleide kam. Was diese Anspielung auf Tsuruga-san anging, konnte sie auch nicht so ganz verstehen. Es war irgendwie schon merkwürdig. Wieso war er eifersüchtig? Das die anderen redeten, okay, sie hatten sie auch zusammen gesehen. Sie hatten gesehen, wie sie zusammen vor der Kamera standen und dann war da noch diese Sach in der Cefeteria. Aber Sho hatte sie nicht zusammen gesehen und Gerüchte konnte er auch nicht gehört haben. Der einzige Grund, aus dem er vielleicht so reagieren konnte, war, dass sie diesen Film zusammen machten. Aber eigentlich war das auch kein richtiger Grund dafür. „Na? Fertig?“, Kessy reichte ihr eine Tasse Kaffee, während Kyoko die Maskenbildnerin an ihre Haare ließ. „Danke. Ja, es wurde auch Zeit.“, sie lächelte. „Dass Sie immer noch lächeln können.“, die Maskenbildnerin sah sie bewundernd im Spiegel an: „Ich könnte das nicht, nicht mit der Frisur.“ „Och, es tut schon ganz schön weh,“, gab Kyoko zu: „Aber es ist mein Job. Also muss ich da wohl durch.“ „Na dann beeile ich mich mal, damit es Ihnen gleich wieder besser geht.“ „Danke.“, Kyoko nahm einen Schluck aus ihrer Tasse. Was sollte sie ihm denn noch sagen, damit er ihr endlich glaubte? Damit das alles endlich ein Ende hatte? „Damit wäre der Job dann endlich zuende.“, Kessy setzte ein Häkchen im Terminplaner, den sie auf der Ablage vor sich abgelegt hatte und lächelte sie an: „Zufrieden?“ „Noch nicht ganz.“, sie seufzte: „Ich muss noch ein unangenehmes Gespräch führen, bevor ich Kuu davon erzählen kann.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)