Deadly Beasts von stone0902 (and How to Fight Them) ================================================================================ Kapitel 1: Im Verbotenen Wald ----------------------------- Dass das Betreten des Verbotenen Waldes den Schülern untersagt war, erklärte man ihnen bereits am ersten Schultag. Jedes Jahr aufs Neue wies man sie darauf hin und doch hielten es einige nicht für nötig, sich an diesen Hinweis zu halten. Dabei gab es doch recht passable Gründe dafür, sich vom Verbotenen Wald fernzuhalten; zahlreiche, zum Teil gefährliche, Kreaturen trieben sich darin herum und nannten den Wald ihr zu Hause. Wie viele Arten an Tierwesen sich tatsächlich dort aufhielten, wusste niemand, da sie tief verborgen im Dickicht des Waldes lebten. Gerüchten zu Folge sollte es aber sogar Werwölfe geben. Wen der Name „der Verbotene Wald“ nicht abschreckte, musste entweder sehr mutig oder sehr dämlich sein. Des Öfteren trieben sich Schüler an der Grenze des Waldes herum, machten daraus Mutproben und testeten, wer sich am Weitesten hinein traute. Vor allem die Schüler aus den Oberstufen ließen sich von den Hinweisen des Schulleiters nicht abschrecken und setzten ab und an einen Fuß auf verbotenes Terrain. Überall im Schulgebäude und auf den Ländereien wimmelte es nur so von Schülern, sodass man nie wirklich die Gelegenheit hatte mal ungestört sein zu können. Selbst in versteckten Geheimgängen tauchten manchmal Geister auf, und die neugierigen Portraits beobachteten einen auch andauernd. Da bot der Verbotene Wald doch eine hübsche Abwechslung – das hatte sich auch Zacharias Smith gedacht. Keine Menschenseele weit und breit und hier bestand auch nicht die Gefahr, dass einem Hausmeister Filch auf die Schliche kam und einem Nachsitzen und unmenschliche Foltermethoden androhte. Nein, hier im Verbotenen Wald war er ganz allein mit seinem Date. Nur seinen charmanten Überredungskünsten hatte er es zu verdanken, dass Hannah ihn hierher begleitete, die von dieser Idee alles andere als begeistert zu sein schien. Irgendwie schafften sie es sich in der Nacht aus dem Schloss zu schleichen und unbemerkt an Hagrids Hütte vorbei zu kommen. Furchtlos setzte Zacharias einen Fuß über die unsichtbare Grenze und entzündete mit einem geflüsterten „Lumos“ seinen Zauberstab, dessen Spitze daraufhin zu leuchten begann, und hielt Hannah ganz gentlemanlike seinen Arm hin, damit sie sich einhaken konnte. Mit besänftigender Stimme versicherte er ihr, dass sie sich nicht zu sorgen brauchte. Ja, heute würde er die Beschützer-Karte ausspielen und ausnutzen, dass sie sich fürchtete, nur damit sie sich mit vor Angst schlotternden Knien an ihn, den furchtlosen und tapferen Zacharias Smith, klammern konnte. Eins würde dann zum anderen führen. Das hinterhältige Grinsen brauchte er sich gar nicht erst verkneifen, da es viel zu dunkel war, als dass sie es hätte sehen können. Sein Zauberstab beleuchtete spärlich den Waldboden und der Rest lag in der Dunkelheit. Gelegentliches Rascheln der Blätter sowie der Wind, der durch Baumkronen und Geäst säuselte, waren die einzigen Klänge, die an ihre Ohren drangen. Weit entfernt konnte man das Schreien einer Eule hören, die wohl gerade auf der Jagd war. „Warum nur musste es ausgerechnet der Verbotene Wald sein?“, flüsterte Hannah leise, als hätte sie Angst, etwas, das im Verborgenen lauerte, aufschrecken zu können. „Weil wir hier ungestört sind“, erinnerte Zacharias sie an seine Worte, mit denen er sie letztendlich dazu gebracht hatte, diesem außergewöhnlichen Date zuzustimmen. Zufrieden bemerkte er, wie sie sich fester an seinen Arm klammerte. Der Körperkontakt war schon einmal da. Ihre Angst amüsierte ihn. Mädchen. Sie waren so einfach gestrickt. Zacharias selbst hatte keine Angst. Wovor auch? Dieser Wald war nicht gefährlich. Er würde nur darauf achten müssen, nicht zu weit hineinzugehen und in der Nähe des Waldrandes zu bleiben. Nur für alle Fälle. Er hatte alles genauestens durchdacht – schließlich tat er das hier nicht zum ersten Mal. „Hast du das gehört?“ Hannah blieb stehen und sah sich verängstigt um. „Da war so ein… Geräusch.“ „Ich hab nichts gehört“, beteuerte Zacharias. „Das hast du dir sicher nur eingebildet.“ Hannah nickte nervös, hielt aber weiterhin nach beiden Seiten Ausschau. „Hier ist es doch irgendwie romantisch, findest du nicht auch?“, säuselte er ihr verlockend ins Ohr. „Romantisch? Du hast wohl ‘nen Knall!“ Ihr empörter Vorwurf verließ ihre Lippen nur als heiseres Flüstern. „Hier ist es gruselig. Ich will wieder zurück, Zacharias.“ Genervt rollte Zacharias mit den Augen. Sein Plan funktionierte heute überhaupt nicht! Es war bereits ihr drittes Date und Zacharias wollte endlich mal einen Schritt weiter gehen, als nur zu knutschen. Die Chance mal ungestört zu sein wollte er sich ungern durch die Finger gehen lassen, dafür begehrte er Hannah schon viel zu lange. Es hatte ihn verdammt viel Arbeit gekostet, sie diesem Versager namens Macmillan auszuspannen, und er freute sich jetzt schon auf den Moment, wenn er seinem Schulkollegen unter die hässliche Nase reiben konnte, dass er dessen Ex-Flamme vernascht hatte. „Nun hab dich doch nicht so“, raunte Zacharias, das Ziel klar vor Augen. „Sieh mal, wir sind ganz ungestört. Nur du und ich. Endlich mal ganz allein. Und wir haben die ganze Nacht Zeit.“ Sanft strich er ihr über den Rücken, mehrmals, das Rückgrat rauf und wieder runter. Sie entspannte sich ein wenig unter seiner Berührung. Seine Hand fand den Weg hinauf in ihren Nacken. Er strich ihr blondes langes Haar zur Seite, legte somit ihren Hals frei und begann sanfte Küsse darauf zu verteilen. Unter seinen Liebkosungen schmolz sie dahin wie Butter in der Sonne. Vergessen war die kurz zuvor noch verspürte Angst. Zacharias‘ Lippen wanderten hinauf, küssten ihre Wange und trafen dann auf ihre Lippen, die sich sofort öffneten, um seinen Kuss zu erwidern. Mit der freien Hand wanderte er unter ihren Pullover, um die weiche Haut zu spüren, während die andere weiterhin unbeteiligt den Zauberstab hielt. Mit einem kurzen Schwenker ließ er das Licht erlöschen. Hannah hatte die Augen geschlossen, bemerkte nicht einmal, dass ihr Treiben sich nun völlig im Dunkeln abspielte. Das angeregte Keuchen der beiden war dafür umso besser zu vernehmen. Zacharias umschlang sie mit beiden Armen, drückte sie fester an sich und spürte trotz ihrer Kleidung ihre weiblichen Rundungen. Den störenden Stoff wollte er zu gerne beseitigen. Hastig schob er ihren Pullover hoch, zog ihn ihr in einer schnellen Bewegung über den Kopf und ließ das lästige Ding einfach fallen. Er beugte sich hinab und küsste ihr Dekolleté, ließ die Finger über ihre Brüste wandern, die noch von ihrem BH verdeckt wurden, aber auch diesem störenden Kleidungsstück würde er sich gleich entledigen. Mit geübten Fingern begann er den Verschluss des BHs an ihrem Rücken zu öffnen, während sie eine Hand in seinen Nacken legte und wohlig seufzte. Ein lautes Geräusch, das Schlagen von Flügeln und ein schrilles Kreischen, durchbrach so plötzlich die Stille, dass Hannah sich zutiefst erschreckte und selbst einen spitzen Schrei von sich gab. Panisch drückte sie sich an Zacharias. „Was war das?“, hauchte sie mit zitternder und ungewöhnlich hoher Stimme. Zacharias, der selbst kaum merklich zusammengezuckt war, versuchte sie zu beruhigen: „Das waren nur aufgeschreckte Vögel. Es ist alles okay.“ „Ach, und was hat sie aufgeschreckt? Mach das Licht wieder an!“ Was auch immer dafür gesorgt hatte, dass diese verdammten Viecher so einen Krach machten, Zacharias hätte ihnen vor Zorn am liebsten einen Unverzeihlichen Fluch aufgehalst. „Schhht“, machte er um Hannah zu beruhigen. Mehr fiel ihm nicht ein, da sich das Blut nicht mehr in seinem Kopf, sondern an einer anderen Stelle befand. Seine Hände gingen gerade wieder auf Wanderschaft – und hielten abrupt inne, als ein Knacken aus dem Gebüsch ertönte. Das Geräusch schien aus nächster Nähe zu kommen. Beide standen dort wie erstarrt, lauschten, aber nichts weiter geschah. „Mach das Licht wieder an!“, forderte sie, nun panischer als zuvor. Zacharias tat wie ihm geheißen und leuchtete in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Das Licht seines Zauberstabes reichte nur wenige Meter weit, erhellte kreisförmig die Bäume und Sträucher, die sich in seinem Radius befanden. Dahinter war nichts als endlose Dunkelheit. Erneut das Knacken eines Astes. „Ist da jemand?“, fragte Zacharias in die Dunkelheit hinein. „Spinnst du?“, fragte Hannah schrill. „Was ist, wenn das ein gefährliches Tier ist? Bring mich wieder zurück!“ Aber Zacharias ignorierte sie und starrte weiterhin ins Dunkle, ging einige Schritte in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Hannah hielt ihn zurück. „Bist du wahnsinnig? Geh da nicht hin! Bring mich zurück, Zacharias! Bitte!“ Zacharias nahm das Rütteln an seinem Arm kaum wahr, wie gebannt starrte er ins Nichts. Ein seltsames Gefühl überkam ihn, beinahe so, als würde jemand zurückstarren. Er fühlte sich beobachtet. Da war wer, er spürte es genau. Womöglich andere Schüler, die sich im Wald herumschlichen? Oder Filch, der sie gesehen hatte und ihnen gefolgt war? Zacharias hoffte wirklich, dass es nur Filch war… „Ich gehe jetzt“, sagte Hannah entschieden, die ihren Pullover vom Boden aufhob und ihn sich überzog. Sie klopfte sich rasch Erde und Staub vom Stoff. „Mich halten hier keine zehn Hippogreife mehr!“ „Warte doch“, bat Zacharias, aber als er sich umdrehte sah er nur noch, wie Hannah bereits mehrere Meter von ihm entfernt ihren Zauberstab zum Leuchten brachte und die schwache Lichtkugel sich in die Richtung zum Schluss fortbewegte. Entnervt stöhnte Zacharias auf und fasste sich an die Stirn. Wieso musste das heute so nach hinten losgehen? Hannah hatte ihn auch gewollt, das hatte er ganz genau gespürt, und jetzt ließ sie ihn wie einen Trottel völlig unbefriedigt im Wald stehen? Wäre dieses komische Knacken, was vermutlich sogar nur vom Wind ausgelöst worden war, nicht gewesen, dann wären sie jetzt bestimmt schon eine Stufe weiter. Zacharias lauschte in die Stille hinein. Jetzt gab es natürlich keine mysteriösen Geräusche mehr, war ja klar. Beleidigt trat er gegen einen morschen Baumstumpf und machte sich ebenfalls auf den Rückweg. Vielleicht würde er Hannah ja im Schloss abfangen können, bevor sie den Gemeinschaftsraum erreichte, dann könnte er - Ein Schrei durchbrach die Stille und fuhr ihm durch Mark und Bein. Ohne Zweifel war das Hannah gewesen. Dieser Schrei klang, als hätte sie Todesangst. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, in den Verbotenen Wald zu gehen… Zacharias lief los, den Arm mit dem Zauberstab weit vor sich ausgestreckt, damit das Licht seinen Weg erhellte. Er rannte, nahm den direkten Weg zu der Stelle, von der der Schrei gekommen war, sprang dabei über Wurzeln, die aus dem Boden ragten, größere Äste und kleinere Büsche. Mehrmals rief er ihren Namen, erhielt von Hannah aber keine Antwort. Wieso antwortete sie nicht? Zacharias hoffte nur, dass ihr nichts zugestoßen war... Sein Zauberstab beleuchtete schließlich eine reglose Gestalt am Boden und er blieb wie angewurzelt stehen. Mit zitternder Hand hielt er den Stab etwas höher. Er hatte Hannah gefunden. Leblos lag sie auf dem Rücken, der Zauberstab war ihr aus der Hand gefallen und befand sich wenige Zentimeter neben ihren schlaffen Fingern, die braunen Augen blickten starr ins Leere. Das Licht seines Stabes flackerte, als seine Hand anfing kräftig zu zittern. Zacharias hatte nicht einmal richtig realisiert, was er da sah, als sich hinter ihm etwas bewegte. Schritte, da waren eindeutig Schritte, und sie kamen langsam auf ihn zu. Er drehte sich nicht einmal um, um zu sehen, was dort war, sondern rannte einfach los, so schnell ihn seine Beine trugen und feuerte blindlings einen Stupor in die Richtung in der sich die Gefahr befand. Da war jemand im Wald, jemand, der sie angriff, jemand, der Hannah getötet hatte. Hätte er doch niemals vorgeschlagen in diesen gottverdammten Wald zu gehen! Zacharias ignorierte das schmerzhafte Brennen in seinen Lungen – atmen konnte er, wenn er in Sicherheit war – und legte noch einen Zahn zu, denn er konnte bereits hören, dass er verfolgt wurde. Die Schritte waren wieder hinter ihm, jagten ihm nach, wurden schneller und schneller, kamen näher und näher. Zacharias stolperte, ruderte reflexartig mit den Armen um das Gleichgewicht zu behalten und vermied somit das Hinfallen, was ihn zweifelsohne ausgeliefert hätte. Er rannte weiter. Das Licht, das aus den Fenstern von Hagrids Hütte kam, konnte er bereits sehen. Gleich hatte er es geschafft. Zacharias feuerte nach hinten mehrere Flüche ab, in der Hoffnung zu treffen. Doch dann wurde er von hinten gepackt und mit einem Ruck zu Boden gerissen. Hart schlug er auf dem Waldboden auf, der Sturz presste ihm die Luft aus den Lungen und sorgte dafür, dass er für eine kurze Zeit nur schwarz vor Augen sah. Schmerzhaft stöhnte er auf. Er konnte Blut in seinem Mund schmecken. Der Zauberstab war ihm aus der Hand geglitten. Was auch immer ihn zu Boden gerissen hatte, saß auf ihm. Er konnte sich unter dem Gewicht kaum rühren, und das Luftholen fiel ihm schwer. Vom Sturz noch ganz benommen nahm er das Atmen wahr, das sich nun direkt über ihm befand. Er konnte es in seinem Nacken spüren. Ein unangenehm heißer Atem, der ihn in kaltem Angstschweiß ausbrechen ließ. Zacharias tastete nach seinem Zauberstab, um sich zu verteidigen, um seinem Angreifer entgegenzutreten und zu kämpfen. Doch er kam nicht mehr rechtzeitig dazu, ihn zu ergreifen. Kapitel 2: Ein grausamer Fund ----------------------------- „So, Kin’ers, und das is‘ alles, was ihr über Bowtruckle wissen müsst. Sin‘ ganz harmlos, solang man sie in Ruhe lässt, ne? Ma schau‘n, ob wir im Wald welche zu seh‘n bekommen.“ „Im W-Wald, Professor?“ „‘türlich, oder siehst du hier sonst irgendwo Bäume, in denen sie wohnen könnten?“, fragte Hagrid, und sämtliche Schüler wandten sich um, nur um eine baumlose Landschaft zu entdecken. „So, jetzt nehmt euch noch ’n paar Holzläuse, falls euch die Bowtruckle angreifen. Nur für alle Fälle“, fügte er rasch hinzu, als er die erschrockenen Mienen seiner Schüler sah, und reichte einen Eimer herum. Nachdem sich jeder eine Handvoll Läuse genommen hatte, trottete Hagrid, gefolgt von einer Schar Drittklässler, in den Verbotenen Wald. Im Pflege magischer Geschöpfe Unterricht standen momentan die Bowtruckle auf dem Lehrplan und nachdem Hagrid die Hälfte seiner Doppelstunde mit Theorie verplempert hatte, ging er nun endlich zum praktischen Teil über. Das war ihm auch viel lieber, aber die Theorie musste nun einmal sein, das hatte ihm Professor Dumbledore klipp und klar zu verstehen gegeben. Dabei war es doch viel interessanter, wenn man diese faszinierenden Geschöpfe aus nächster Nähe erlebte, anstatt aus den langweiligen Lehrbüchern. „Ich glaub, das ist einer!“, rief ein Gryffindor und zeigte ganz aufgeregt mit dem Finger auf einen Zweig im Gras, den er für einen Bowtruckle hielt. Ein Blick von Hagrid aus dem Augenwinkel genügte, um zu erkennen, dass er sich irrte. „Nee, das is‘ nur ‘n gewöhnlicher Ast. Die leben in Bäumen, nich auf‘m Boden. Hab ich eben doch noch erzählt. Hör ma‘ ‘n bisschen besser zu, Williams!“ Hagrid starrte auf den Gryffindor hinab, der ihm gerade mal bis zum Bauchnabel ging. „Kommt, wir müssen noch ’n bisschen weiter in den Wald hinein.“ Die Schüler folgten ihrem Lehrer. Sie hielten immer noch die Holzläuse in ihren Händen vorsichtig umklammert, bereit, sie einem wildgewordenen Bowtruckle entgegenzuschleudern. An einer kleinen Lichtung blieb Hagrid stehen und wartete darauf, dass die Schüler sich um ihn versammelten und sich auch die letzten Nachzügler einfanden. „So. Hier is‘ ‘n feines Plätzchen. Ihr könnt euch jetzt ‘n wenig umseh‘n. Wer ‘n Bowtruckle entdeckt, der bekommt von mir fünf Punkte für sein Haus. Und denkt dran“, sagte Hagrid, als die Schüler bereits anfingen sich in alle Himmelsrichtungen zu verteilen. „Nur Bäume, aus denen Zauberstäbe gemacht werden.“ Vergnügt sah er dabei zu, wie seine Schüler die Eichen, Eschen und Ulmen anvisierten, davor stehen blieben und sie genauestens nach den Holzwichteln absuchten. Es dauerte nicht lange, bis der erste Bowtruckle entdeckt wurde. „Sehr schön, Goodwin. Fünf Punkte für Ravenclaw“, sagte Hagrid zu seinem Schüler, der wie gebannt in die braunen Augen des Bowtruckle starrte. Als dieser blinzelte, keuchte Goodwin erschrocken auf und hielt seine Holzläuse bereit. „Das is‘ aber ‘n ganz hübsches Exemplar.“ Hagrid streckte seine riesigen Finger nach dem Bowtruckle aus, um ihn zu streicheln, was Goodwin kritisch beobachtete. Ein spitzer Aufschrei erregte die sofortige Aufmerksamkeit aller Anwesenden. Aus einem Gebüsch kamen zwei Schüler gesprungen, die wie von der Acromantula gebissen auf Hagrid zuliefen. Aus ihren Gesichtern war jegliche Farbe gewichen. Völlig verstört und mit weit aufgerissenen Augen standen sie, am ganzen Leib zitternd, vor Hagrid und zeigten in die Richtung, aus der sie eben gerade gekommen waren. „P-Professor!“ „Da… D-d-da…“ „Kommen Sie schnell! Aus ihrem Gestammel wurde Hagrid nicht schlau. Hatte sie etwa ein Bowtruckle angegriffen? Aber das konnte ja gar nicht sein; die waren doch ganz harmlos. „Widmore! Bowen! Was’n los?“, fragte Hagrid verständnislos. „D-d-da…“, stotterte der kleinere von beiden, Bowen. Er sah aus, als würde er jeden Moment in Ohnmacht fallen. „Sir, da liegt eine Leiche!“, sagte Widmore, der bereits seinen Zauberstab gezückt hatte. Das letzte Wort sorgte für allgemeine Beunruhigung. Die anderen Schüler keuchten schockiert auf, schnappten nach Luft und einige schlugen sich entsetzt die Hände vor den Mund. „Was?“, fragte Hagrid verwirrt. Eine Leiche in Hogwarts? Hagrid konnte sich nicht vorstellen, dass dies möglich war, denn immerhin war Hogwarts der sicherste Ort der magischen Welt. Allerdings gehörten Widmore und Bowen nicht zu der Sorte von Schülern, die gerne Streiche spielten und ihren Gesichtern nach zu urteilen handelte es sich hierbei keinesfalls um einen Scherz. Beunruhigung breitete sich in Hagrid aus. „Ihr bleibt hier, habt ihr verstanden?“, befahl er der verängstigten Gruppe an Schülern und marschierte auf die Büsche zu, aus denen Widmore und Bowen herausgestürmt kamen. Er durchquerte sie ohne große Mühe und ging einige Meter durch den Wald, entfernte sich mehr und mehr von der Lichtung. Dann blieb er wie angewurzelt stehen. „Verdammich!“ Die blutüberströmte Leiche war kaum zu übersehen; die scharlachrote Farbe hob sich so stark von dem erdigen Untergrund und dem Grün der Umgebung ab, dass sie deutlich ins Auge stach. Hagrid traute sich kaum näher zu treten. Er suchte die Umgebung ab, nach irgendetwas Gefährlichem; einer Person, einem Tier, einer Waffe, einem Ding, irgendetwas, das hierfür verantwortlich sein musste, aber er fand nichts. Abgesehen von seinem eigenen, beschleunigten Atem war es ruhig. Unnatürlich ruhig. Im Verbotenen Wald war es selten so still gewesen. Hagrid näherte sich der Leiche und erkannte schnell, dass es sich um einen Schüler handeln musste. Die Gestalt war groß, größer als die Drittklässler, die er auf der Lichtung zurückgelassen hatte, aber die jugendliche Muggelkleidung deutete eindeutig darauf hin, dass es sich um einen Schüler, einen Jungen, und nicht um einen Lehrer handelte. Die Gestalt lag auf dem Bauch, das Gesicht in die Erde gedrückt und die tiefe, klaffende Wunde an seinem Hinterkopf färbte das blonde Haar in ein schmutziges, dunkles Rot. Das Blut hatte sich um den Kopf herum ausgebreitet, den Pullover ebenfalls durchtränkt und rot gefärbt. Das Blut, das nicht in Kleidung, Haar oder Erdboden gesickert war, war bereits geronnen. Er musste also schon mehrere Stunden, womöglich sogar schon die ganze Nacht hier liegen. Bei dem Blick auf den eingeschlagenen Schädel blieb keine Hoffnung mehr, dass der Junge noch am Leben war. Hagrid wollte sich die Übelkeit erregende Wunde nicht zu genau ansehen, aber er konnte seine Augen nicht von diesem scheußlichen Anblick losreißen. So etwas hatte Hagrid noch nie zuvor gesehen. Es war entsetzlich. Das war kein Unfall. Der Junge war zweifelsohne angegriffen worden. Hinter ihm hörte Hagrid entsetzte Schreie und als er sich empört umdrehte, musste er feststellen, dass ihm seine Schüler aus törichter Neugierde gefolgt waren. Zwei Mädchen fingen an zu weinen, bei dem Anblick des leblosen und blutverschmierten Körpers. Ein halbes Dutzend lief panisch Richtung Schulgebäude davon. „Geht!“, befahl Hagrid mit ernster Stimme den Schülern, die immer noch hinter ihm standen. „Verschwindet! Das is‘ nichts für eure Augen!“ Das ließen sich die Schüler nicht zweimal sagen. Sie rissen ihre entsetzten Blicke von dem Leichnam los, ließen ihre Holzläuse fallen und rannten davon. Hagrid hockte sich neben den toten Körper und drehte ihn an der Schulter vorsichtig herum. Als er in das bleiche, blutbefleckte Gesicht sah, keuchte er entsetzt auf. Zacharias Smiths Augen starrten an ihm vorbei, ausdruckslos und leer. Ein bitterer Geschmack breitete sich in Hagrids Mund aus und er verspürte tiefstes Bedauern für den armen Jungen, der noch viel zu jung gewesen war, um zu sterben. Wenige Zentimeter von ihnen entfernt lag Smiths Zauberstab. Hagrid nahm ihn und steckte ihn in die Tasche seiner Weste. Anschließend, mit einem letzten traurigen Blick auf Smith, nahm er den leblosen Körper in die Arme und trug ihn hinaus aus dem Verbotenen Wald und den Weg hinauf ins Schloss. * * * Madam Pomfrey bedeckte den Leichnam von Zacharias mit einem weißen Laken. Die gesamte Lehrerschaft sowie der Schulleiter und der Hausmeister, hatten sich im Krankenflügel zusammengefunden, nachdem sie die Nachricht erhalten hatten, dass ein Schüler ums Leben gekommen war. Sie standen um das Bett herum, in dem Zacharias lag. Pomona Sprout hatte sich auf einem Schemel neben dem Bett niedergelassen, da ihre Beine sie bei dem Anblick ihres Schülers nicht länger hatten tragen können. Immer wieder schüttelte sie fassungslos den Kopf. Tränen glitzerten in ihren Augen. „Was genau ist geschehen?“, wollte Dumbledore nun wissen. „Professor Dumbledore, Sir…“ Hagrids Stimme glich einem heiseren Krächzen. Er war ebenfalls den Tränen nahe. Den Kopf hatte er betreten zu Boden geneigt und an seiner Bieberpelzweste klebte ein wenig Blut von Zacharias. „Meine Drittklässler haben ihn im Wald gefunden. Hab ihn hierher getragen, den armen Kerl.“ Dumbledore schüttelte mitleidig den Kopf. „In diesem jungen Alter sollten Kinder solch einen schrecklichen Anblick noch nicht ertragen müssen. Die jeweiligen Hauslehrer kümmern sich im Anschluss bitte noch um sie. Dieses Erlebnis wird gewiss nicht leicht zu verdauen sein. Aber erst einmal müssen wir herausfinden, was genau Mister Smith widerfahren ist. Poppy?“ Dumbledores besorgter Blick, den er zuvor über die versammelten Lehrer hatte schweifen lassen, richtete sich nun auf Madam Pomfrey, die Heilerin von Hogwarts. „Er ist keinem Zauber zum Opfer gefallen. Die Wunde an seinem Hinterkopf deutet darauf hin, dass er von hinten angegriffen wurde. Ein schwerer Schlag hat ihn getroffen. Ich konnte nichts mehr für ihn tun.“ Madam Pomfrey bedeckte mit ihrer Hand ihren Mund, unfähig weiterzusprechen. So etwas hatte sie in ihrer gesamten Karriere als Heilerin noch nicht erlebt. „Aber wer ist nur zu so etwas Grausamen in der Lage?“, fragte McGonagall, die zittrigen Hände an die Brust gepresst. Niemand wusste darauf eine Antwort. Sorgenvolles Schweigen ob dieser Brutalität breitete sich im Krankenflügel aus. Professor Snape räusperte sich. „Nun, wie viele von Ihnen bestätigen können, hatte Mister Smith viele Feinde.“ Snape erntete für seine Bemerkung einen fassungslosen Blick von Professor Sprout. „Wie bitte?“ Sprout, die zuvor betrübt in sich gesunken war, sprang nun auf. Mit geballten Fäusten drohte sie Snape. „Was erlaub-“ „Pomona.“ Dumbledore ging dazwischen und legte eine Hand auf Sprouts Schulter, um sie zu beschwichtigen. „Severus versucht nur dieses Rätsel zu lösen. Aber wenn ich meine Meinung hinzufügen darf, dann möchte ich behaupten, dass kein Schüler, ob unbeliebt oder nicht, so etwas verdient hat, und ich bin davon überzeugt, dass keiner unserer Schüler in der Lage wäre, solch einen grausamen Mord zu begehen.“ „Wer sagt denn überhaupt, dass es jemand war“, äußerte sich Professor Flitwick und alle Köpfe wandten sich nun ihm zu. Für ihn war der Fall klar. „Er wurde im Verbotenen Wald gefunden. Es ist eindeutig ein Tierwesen gewesen.“ „Nein!“, donnerte Hagrid aufgebracht und Flitwick zuckte erschrocken zusammen. „Die Tiere sin‘ alle harmlos!“ „Der Verbotene Wald hat seinen Namen nicht durch einen Zufall erhalten“, sagte McGonagall zu Hagrid. „Der Wald ist gefährlich. Was hat Smith da überhaupt zu suchen gehabt?“ Ihre Adleraugen fixierten Hufflepuffs Hauslehrerin, als wäre es ihre Schuld, dass Zacharias etwas zugestoßen war. Professor Sprout sank wieder auf den Schemel, ohne eine Antwort zu geben. „Das werden wir wohl nie erfahren“, sagte Dumbledore. „Bisher hat es nie einen derartig brutalen Angriff der Tierwesen, die sich derzeitig in unserem Wald befinden, gegeben. Die meisten Arten sind keinesfalls“, er wandte sich zu Hagrid, „harmlos, aber sie leben tief im Inneren des Waldes und wagen sich selten hinaus. Mister Smith hätte dennoch nicht hineingehen dürfen.“ „Vielleicht hat jemand ein Tier gegen ihn aufgehetzt?“, überlegte Flitwick laut. „Mit dem Imperius.“ „Ja, das wäre möglich. Wir werden alle Möglichkeiten prüfen, bis wir erfahren haben, was Mister Smith zugestoßen ist.“ Dumbledore wandte sich wieder an Sprout, die auf das Laken starrte, welches Zacharias verdeckte. „Pomona, sprechen Sie mit den Hufflepuffs. Finden Sie heraus, wann man ihn zuletzt gesehen hat. Vielleicht hat irgendjemand etwas Auffälliges bemerkt und weiß, wohin Mister Smith wollte, ob er sich vielleicht mit jemandem verabredet hatte.“ Nun wandte er sich an Snape. „Kontrollieren Sie die Schutzzauber, die über Hogwarts gelegt sind. Ich möchte sichergehen, dass sich niemand unerlaubten Zutritt auf unser Gelände verschafft hat. Und Sie, Mister Filch, kontrollieren Sie jegliche Geheimgänge. Vielleicht finden wir ja einen Hinweis. Ich werde in der Zwischenzeit Mister Smiths Eltern benachrichtigen.“ Vor den Türen des Krankenflügels hatte sich die halbe Schülerschaft von Hogwarts versammelt. Die meisten Schüler waren ihren Lehrern gefolgt, als diese aus dem Unterricht gerufen worden waren und einige von ihnen hatten Hagrid gesehen, wie er mit einem blutbefleckten Körper in den Armen durch Hogwarts gelaufen war, dadurch hatte sich die Nachricht in rasender Geschwindigkeit unter den Schülern verbreitet. Einige Geister schwebten neugierig über ihre Köpfe hinweg und hofften mehr zu erfahren. Eine Gruppe Hufflepuffs stand der Tür am nächsten und drei von ihnen versuchten an der Tür des Krankenflügels zu lauschen. Diese war jedoch zu dick – und womöglich auch durch Zauber vor Lauschangriffen geschützt – und die aufgebrachte Schülermenge war zu laut, um etwas verstehen zu können. In Hogwarts waren schon allerhand seltsamer Dinge geschehen und diejenigen, die damals dabei gewesen waren, fühlten sich an die Zeit zurückversetzt, in der die Kammer des Schreckens geöffnet worden war und ein Basilisk durch Hogwarts streifte, der Schüler versteinerte. Draco Malfoy kam mit den Slytherins und einigen anderen Schülern aus den Kerkern, nachdem Professor Slughorn Hals über Kopf den Klassenraum verlassen hatte und quetschte sich, dicht gefolgt von Pansy Parkinson, durch die Menge, bis er auf weitere Vertrauensschüler traf. „Was geht hier vor sich?“, fragte Draco. „Stimmt es, was hier erzählt wird?“ „Ein Schüler ist tot“, sagte Anthony Goldstein sachlich, aber in seinem Gesicht konnte man eindeutig die Beunruhigung erkennen. Padma Patil und Ernie Macmillan standen ebenfalls in dem kleinen Kreis. Auch sie wirkten besorgt. Draco tauschte einen Blick mit Pansy. „Tatsächlich?“, fragte Draco, nun äußerst interessiert. „Und um wen handelt es sich?“ „Zacharias Smith“, flüsterte Patil ohne Draco anzusehen. Pansy schnappte entsetzt nach Luft und klammerte sich an Dracos Arm fest. „Oh! Der Angeber aus Hufflepuff? Wie furchtbar!“ „Na, um den ist es nun wirklich nicht schade“, sagte Draco und scherte sich keinen Knut darum, dass er gerade einen Toten beleidigte. „Ich dachte schon, es wäre jemand wichtiges. Jetzt kann er seine große Klappe nicht mehr aufreißen, was?“ Draco sah selbstgefällig in die Gesichter der anderen Schüler, in Erwartung einer Zustimmung. Aber nicht einmal Pansy zwang sich ihm zuliebe zu einem gehässigen Grinsen herab. Sie starrten ihn alle nur an. Moment. Sie starrten nicht ihn an, sondern an ihm vorbei. „Mister Malfoy!“ McGonagalls wütende Stimme ließ ihn zusammenzucken und das Schlimmste befürchten. Draco hatte einfach kein Händchen für gutes Timing. Alle anderen Schüler waren mittlerweile verstummt. Ganz langsam drehte er sich um, in der Hoffnung, das Übel hinter ihm würde wieder verschwinden, aber stattdessen sah er sich einer wütenden McGonagall gegenüber, gefolgt vom Rest der Lehrerschaft. Draco hatte seine Lehrerin für das Fach Verwandlung schon oft wütend erlebt, aber das war nichts im Vergleich zu diesem Moment. Wieso hatte er auch nicht bemerkt, dass die Tür zum Krankenflügel sich geöffnet hatte? „Wie können Sie es wagen?“, schrie McGonagall außer sich und Draco befürchtete einen Moment, sie würde ihm ins Gesicht schlagen. „Nachsitzen!“, bellte Snape, der sich zwischen die beiden drängte. Aus seinen schwarzen, zu Schlitzen verengten Augen schossen Blitze auf Draco hinab und seine Nasenflügel waren gebläht. Das war nie ein gutes Zeichen. Er packte Draco grob am Oberarm und schob den sich windenden Jungen durch die Schülermenge, ließ ihn los und schubste ihn in Richtung Kerker. „Verschwinden Sie! Darüber reden wir später“, brüllte Snape und Draco machte sich unter den entgeisterten Blicken der anderen Schüler schnell aus dem Staub. Nachdem wieder Ruhe eingekehrt war, wandten sich die Hufflepuffs an ihre Hauslehrerin. „Professor, ist es wahr, dass Smith…“ Susan Bones‘ Stimme brach, bevor sie den Satz beenden konnte. Professor Sprout nickte und tat es so langsam und schwerfällig, als kostete es sie ihre ganze Willenskraft. Dumbledore trat nun an ihre Seite und sprach zu den Schülern, da Sprout dafür die Kraft fehlte. „Ich möchte“, sagte Dumbledore mit erhobener Stimme, „dass Sie alle wieder zurück in den Unterricht gehen.“ Kein einziger Schüler regte sich. „Professor, wir haben Hannah seit gestern nicht mehr gesehen“, sagte Megan Jones, der die Furcht um ihre Mitschülerin ins Gesicht geschrieben stand. „Sie fehlte im Unterricht und sie war auch nicht in unserem Schlafsaal, als wir heute Morgen aufgewacht sind.“ Drei weitere Hufflepuff-Mädchen – eine von ihnen war Susan Bones – nickten beklommen und Ernie Macmillans Gesicht hatte jegliche Farbe verloren. Die Lehrer tauschten besorgte Blicke. Professor Sprout schien einer Ohnmacht nahe. „Wir werden uns darum kümmern“, versprach Professor Dumbledore. Er wandte sich an die Lehrer. Seine Mimik war ernst. „Diejenigen, die jetzt Unterricht haben, gehen zurück in die Klassenräume und kümmern sich um die Schüler. Der Rest kommt mit mir. Höchste Eile ist geboten!“ Dumbledore hatte kein gutes Gefühl bei der Sache. Er hob den Saum seines Umhangs und lief, gefolgt von einigen Lehrern, so schnell ihn seine Füße tragen konnten aus dem Schloss hinaus und den langen Weg hinab in den Verbotenen Wald. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)