Heartbeat von Autumn (Kyman, Stenny, Creek, Tyde u. a. (KAPITEL 12 IST DA!!!)) ================================================================================ Kapitel 7: Wahrheit oder Pflicht -------------------------------- Hallo, liebe Leser! Endlich ist das neue Kapitel fertig!^^ Ich dachte schon, das wird diesen Monat nichts mehr (Bewerbungsstress, Kassieren von Absagen am laufenden Band und ein absolutes Krea-Tief...außerdem will ich nach Möglichkeit auch irgendwann wieder an meinem Roman arbeiten), aber jetzt freue ich mich, dass ich es doch noch fertig bekommen habe! Ich wünsche Euch allen viel Spaß beim Lesen - ach ja, und das hier werdet Ihr brauchen! *verteilt Sabberlätzchen* Leser: Wofür brauchen wir die?! Nur vorsorglich. Man kann nie wissen... P.S.: Ich widme dieses Kapitel allen, die diese FF favorisiert haben!^____^ Kapitel 7: Wahrheit oder Pflicht „Kenny, bist du bald fertig? Das ist mein Badezimmer, das du da blockierst!" Kevin McCormick, einundzwanzig Jahre jung, Automechaniker und überzeugter Single, stand ungeduldig vor der geschlossenen Tür seines Badezimmers und wartete darauf, dass sein Bruder wieder herauskam, der vor über einer Stunde darin verschwunden war. „Ich bin gleich soweit!" „Das hast du vor zehn Minuten auch schon gesagt! Was zum Teufel kann so lange dauern?!" Karen, die das Ganze vergnügt verfolgte, erklärte: „Was glaubst du wohl? Heute feiert Stan seinen achtzehnten Geburtstag - und Ken ist eingeladen. Da muss er sich natürlich besonders feinmachen, schließlich will er Eindruck schinden." Die Tür öffnete sich und Kenny trat heraus, ein Handtuch um die nackten Schultern gelegt. Er hatte Karens Bemerkung gehört und zog ein Gesicht, als ob er eine Zitrone kaue. „Was soll das heißen, ich will Eindruck schinden!? Bei wem denn? Es wird eine Party im kleinen Kreis, Stan hat nur seine engsten Freunde eingeladen... Kyle, Wendy, Butters, Eric und mich. Von denen steht keiner auf meiner Trefferliste. Na ja, außer Wendy und Butters, aber da hab‘ ich sowieso keine Chance." „Oh, ich dachte nur... du scheinst nämlich gerne zu vergessen, dass Gary Harrison auch kommt. Deswegen war ich der Meinung, du willst dich richtig in Schale werfen..." „...Womit? Ich werde meine bessere Jeans anziehen und mein Lieblingsshirt, mehr is‘ nich‘. Und was genau hat Harrison mit meiner Garderobe zu tun?" Kevin stupste ihn neckend an, seine braunen Augen blitzten. „Komm schon, kleiner Bruder, tu nich‘ so ahnungslos. Du kannst den Typen nich‘ ausstehen, weil er Stan anbaggert." Der Blondschopf blinzelte überrascht. Man sah ihm an, dass ihm diese Idee völlig neu war. „...Du meinst... ich bin eifersüchtig? Klar, Kevin... sicher..." Der Ältere ließ sich nicht beirren. „Zähl auf, was du gerade alles gemacht hast." „Na, was schon. Ich hab‘ geduscht und mir die Haare gewaschen." „Eine Stunde lang?" „Ich will sauber und ordentlich sein. Ist das verboten?" „Du riechst nach meinem Eau de Toilette. Du benutzt nie Eau de Toilette." „...Einmal ist keinmal." „Du weichst mir aus." „Halt die Klappe!" Kenny strebte in den Wohnraum. Er war viereckig, auf der linken Seite befand sich ein winziger Balkon nebst Fenster, unter dem Kevins Bett stand. Gleich im Anschluss folgten die Ausziehcouch mit Blick auf Schrankwand und Fernseher und rechts die kleine Küchenzeile mit Spülbecken, Kühlschrank und zwei Herdplatten. Auf der Couch lag sein Partyoutfit bereit, das er sich schweigend überstreifte. Karen kicherte. „Was ist!?" „Sorry, aber deine Boxershorts mit dem Playboy-Bunny sind so niedlich!" Er zog seine Jeans hoch und schloss Knopf und Reißverschluss, ohne sie einer Antwort zu würdigen. Kevin war indessen nicht gewillt, seinen jüngeren Bruder einfach davonkommen zu lassen. Er bohrte weiter. „Es stört dich also überhaupt nicht, dass Harrison eingeladen worden ist?" „Warum sollte es?" »Ja, warum? Stan hat Harrison sehr gern. Nun, und? Sicher, der Mormonenjunge will bei ihm landen, will mit ihm gehen, aber es ist ‘ne einseitige Angelegenheit. Ich hab‘ gar keinen Grund, mich aufzuregen... Stan und ich sind seit Jahren gute Freunde, mehr aber auch nicht. Okay, es is‘ nich‘ so, dass ich noch nie darüber nachgedacht hätte... Stan ist supernett und immer für uns da...auch wenn er ‘n zynischer Mistkerl sein kann... er ist witzig und cool und irre sexy und hat eine Stimme zum Dahinschmelzen... Trotzdem, meine Kumpel sind tabu, mit denen fange ich nichts an! Ich bin nicht eifersüchtig... Ich meine, ich war es noch nie, und jetzt sollte mir das bei Stanley passieren?! Bullshit!« Indessen ging Philip Pirrup-Carter einem seiner beiden Hobbys nach, dem Bogenschießen. Seine Adoptiveltern waren sehr wohlhabend, unter anderem gehörte ein weitläufiger Garten zu ihrer Villa im englischen Landhausstil, wo man einen Schießplatz für ihn errichtet hatte. Pip besaß außerdem eigenes Geld aus einem Fond, den seine Eltern kurz nach seiner Geburt angelegt hatten und über das er seit seinem sechzehnten Lebensjahr frei verfügen konnte. Sie starben bei einem Flugzeugabsturz, als er fünf war. Der Pfeil sirrte von der Sehne und traf ins Schwarze. Plötzlich hielt er inne und lauschte in die Stille. Nichts. Dabei war er fast sicher, etwas gehört zu haben. Er legte einen neuen Pfeil ein, zögerte ein paar Sekunden und wirbelte blitzschnell herum. Die Spitze zeigte auf einen Anhänger in Form eines umgedrehten Kreuzes. Damien hob abwehrend die Hände. „Du wirst doch nicht auf mich schießen, oder?" Pip war „not amused". Er spannte die Sehne noch ein wenig. „Du weißt genau, dass ich es hasse, wenn du einfach aus dem Nichts auftauchst! Zukünftiger Antichrist oder nicht, benutz gefälligst die Tür! Ich mag keine Männer mit schlechten Manieren!" „Ich bin der Prinz der Hölle, der Sohn Satans!", entgegnete Damien mit bedrohlichem Unterton. „Warum sollte ich auf meine Manieren achten?!" „Weil ich es sage." „So!?! Hältst du das für klug!? Ein Fingerschnippen und du würdest jämmerlich verbrennen! Ich könnte diese ganze Stadt in Schutt und Asche legen, wenn ich wollte!" Die Pfeilspitze stach in seine Haut. „Das will ich sehen." Drei Jahre Beziehung mit dem Erben des Teufels konnten sich nur auf zweierlei Art auswirken: Entweder ging man unter und hauchte frühzeitig sein Leben aus oder man entwickelte ein Rückgrat aus Stahlbeton und lernte, im Angesicht der Gefahr kaltes Blut zu bewahren. „Ich bin unsterblich, Pip. Du kannst mich nicht töten." „Stimmt. Aber ich kann es versuchen." Der junge Dämon starrte ihn sprachlos an. Dann entriss er dem Blonden Pfeil und Bogen, was dank seiner übermenschlichen Kraft nicht weiter schwierig war, zog ihn an sich und küsste ihn leidenschaftlich auf den Mund. Pip registrierte vage, dass etwas in seiner Nähe Feuer fing, gab sich jedoch bald dem glühenden Kuss hin, der sein Inneres in ein Inferno verwandelte. Nur widerwillig löste er sich von Damien, der ihm ein diabolisch-triumphierendes Lächeln schenkte. Pip sah sich um und seufzte. Der preisgekrönte Fliederbusch seiner Mutter war abgebrannt. Vermutlich war das Damiens Alter geschuldet; manche seiner Kräfte hatte er noch nicht hundertprozentig unter Kontrolle, seine Feuermagie zum Beispiel. In einem leidenschaftlichen Moment konnte es geschehen, dass der Höllenprinz unabsichtlich etwas anzündete - und das Feuer der Unterwelt war weitaus zerstörerischer als gewöhnliches Feuer. „Den ersetzt du mir." „Und wenn ich nicht will?" „Oh, glaub mir, du wirst wollen." Diesmal wurde Damien von Pip geküsst. Seine Küsse waren weniger drängend, weniger fordernd, dafür aber umso zärtlicher und inniger. Satans Sohn fühlte seine Knie weich werden und verfluchte Philips Talent zur subtilen Verführung. Die seinem Charakter zugrundeliegende Sanftheit ließ jede seiner Liebkosungen zu einem Paradies werden. Es war ohnehin erstaunlich, dass er sich diese Eigenschaft erhalten hatte, denn mit Sanftheit allein ließ sich kein Dämon erobern. Damien erinnerte sich, dass Pips Güte und Freundlichkeit ihn einst zum Spott gereizt hatten. Er hatte ihn verachtet, denn barmherzigen Menschen fehlte die Kraft, sich zu wehren. Sie waren schwach und wertlos (das glaubte er zumindest). Um Anschluss zu finden und sich einen Spaß zu machen, hatte er ihn sogar angezündet! Und Pip? Nun, er war wütend auf ihn und strafte ihn monatelang mit Nichtachtung. Er konnte ihn bedrohen und beschimpfen wie er wollte, der blonde Junge ignorierte ihn. Er hatte keine Angst. Als es ihm endlich gelang, Pip zu konfrontieren, bekam er eine niederschmetternde Antwort: „Hör zu, Thorn... du bist ein Idiot. Du hast mir diesen bösartigen Streich gespielt, um von den anderen akzeptiert zu werden. Es hat nicht funktioniert. Das einzige, was du geschafft hast, ist, mich zu verletzen und meine Zuneigung zu dir kaputtzumachen! Ich wollte dein Freund werden, ohne irgendetwas von dir zu verlangen. Man braucht mir nichts zu beweisen. Die Kinder in meiner Klasse verstehe ich nicht. Ich bin nett und gut erzogen, also bin ich nicht cool. Ich weiß nicht, wer ihnen diese bescheuerte Vorstellung eingetrichtert hat. Und du, ausgerechnet du, den ich für einsam und unverstanden hielt...du bist genau wie sie. Genauso arrogant, genauso oberflächlich, genauso dumm, genauso erbärmlich. Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben. Du bist es nicht wert." Ja. Der liebe, ach so wehrlose Pip hatte ihm einen ordentlichen Brocken reingewürgt. Die Erkenntnis, dass er durch seine eigene Schuld den einzigen Menschen verloren hatte, der bereit gewesen war, ihn um seiner selbst willen gernzuhaben, hatte ihn tief erschüttert. Noch am selben Tag hatte er sein Kinderzimmer abgefackelt und den gesamten Ostflügel des Palastes vernichtet. Und er hatte geheult. Er hatte nie zuvor geweint, doch damals vergoss er seine ersten bewussten Tränen - wegen eines unwürdigen Sterblichen! »Ein unwürdiger Sterblicher, dessen Freundschaft zu ergattern mein Lebensziel wurde... Ein unwürdiger Sterblicher, in den ich mich verliebte, als ich kaum dreizehn war... Ein unwürdiger Sterblicher, der so sanft und so naiv und so verletzlich war... und dessen Herz sich als die härteste Substanz der Welt erwies. Er ist wie ein Diamant, schön, rein und unzerstörbar. Ich werde nie wieder ohne ihn sein können.« »Damien, du dickköpfige, herrliche Katastrophe... Du bist eigenbrötlerisch und ungeduldig, exzentrisch und herablassend... und dabei so ungeschickt, ja, beinahe ängstlich, wenn es um deine Gefühle geht... Dich zu reizen, kann gefährlich sein, aber dich zu küssen, ist wundervoll... Mein Dämon... Ich liebe dich!« Sie trennten sich schwer atmend. „Entschuldige meine miese Laune, Pip... meine Mutter versucht gerade, eine Rebellion anzuzetteln und Vater zu stürzen - mal wieder. Wenn sie ihre Hölleneroberungstage hat, darf man sie nur mit Samthandschuhen anfassen, ihre explosionsartige Stimmung verdient eine Neun auf der Richterskala. Hat sie mir doch vorhin vorgeworfen, ich soll in ihrer Gegenwart nicht so laut atmen, das stört sie in ihrer Konzentration! Wenn es nur das wäre... aber leider ist da noch mehr..." Ernst und ein wenig geistesabwesend schnippte er mit den Fingern, woraufhin der preisgekrönte Fliederbusch in Sekundenschnelle aus der schwarzen Erde wuchs. „Was meinst du?" „Ich habe vor einigen Wochen auf Butters‘ Party eine dunkle Aura wahrgenommen. Sie war nicht dämonisch, aber dennoch unheimlich. Ich bin besorgt, weil ich diese negative Energie keinem Ursprung zuordnen konnte. Das ist ein schlechtes Zeichen." „Könnte es... könnte es der Serienkiller sein?", fragte Pip beklommen. „Welcher Serienkiller?" „...Siehst du nicht fern? Oh, warte, tust du nicht, Dämonen jagen Seelen oder massakrieren Monster in ihrer Freizeit..." „Na und? Natürlich könnte ich mich neben Dad vor der Glotze parken, aber das Programm der Menschen ist stinklangweilig. Ich interessiere mich nicht dafür. Also, da läuft ein Serienkiller durch die Gegend, sagst du?" „Ja, seit ungefähr einem Monat. Er scheint sich vorwiegend in der Umgebung von North Park herumzutreiben. Er greift seine Opfer von hinten an, ersticht sie und schneidet ihnen dann die rechte Hand ab." Er unterdrückte ein Schaudern. „Noch ist nicht bekannt, ob er sein Gebiet ausdehnen wird, aber die Polizei ‚mahnt die Bevölkerung zu äußerster Vorsicht‘, wie es so schön heißt. Wäre es möglich, dass du ihn gespürt hast?" „Nein. Killer oder nicht, er ist ein Mensch und hat keine magische Aura. Und er schneidet seinen Opfern die rechte Hand ab? Gab es da nicht vor ein paar Jahren schon mal so einen Irren, der den Leuten die linke Hand abgeschnitten hat?" „Ja, der ‚Left Hand‘-Killer, aber er wurde von einem Polizisten erschossen. Er ist tot. Es sei denn, er kann aus dem Fegefeuer zurückkehren?" „Unsinn, niemand kann das. Das Abschneiden der Hände ist allerdings eine beunruhigende Übereinstimmung. Vielleicht handelt es sich um einen Nachahmungstäter?" „Jedenfalls ist es schrecklich! Könnten du und Kenny nicht in der Stadt patrouillieren, oder sowas ähnliches?" „Klar, wir kennen schließlich keine Müdigkeit und haben Schlaf nicht nötig. Aber lass den Kopf nicht hängen, es kann sicher nicht schaden, Vorkehrungen zu treffen. Ich werde meine Späher ausschicken... und mich mit dem ‚Untergrund‘ in Verbindung setzen." „Mit... mit dem ‚Untergrund‘? So hast du die Hölle noch nie genannt..." „Ich spreche nicht von der Hölle. Ich spreche vom besten Spionage- und Informationsnetzwerk, das diese Stadt zu bieten hat." Pip hätte gern mehr erfahren, doch Damien verschwand nach einem Abschiedskuss in einer Feuersäule. Dass ein Verrückter frei herumlief, war schlimm genug, und nun gab es auch noch eine dunkle Aura, die der Sohn Satans nicht identifizieren konnte? Scheiße. Er hob seinen Bogen und den Pfeil auf, stellte sich in Positur, legte an, zielte und schoss. Der Pfeil schlug ein Stück über dem ersten ein. Die einzige Art, der Gefahr zu begegnen: Man bewahrte kaltes Blut. Zur gleichen Zeit hatten es sich Craig und Teresa Tucker vor dem Fernseher gemütlich gemacht, um „Red Racer" anzuschauen, ihre Lieblingsserie. Die Stimmung trübte sich, als der Vater der beiden das Wohnzimmer betrat, denn seine Miene verhieß nichts Gutes. „Craig... gerade erfahre ich von deiner Mutter, dass du entgegen meiner Anweisung schon wieder einen Handarbeitskurs besuchst! Ich dachte, du hättest dich für Automechanik als Wahlfach entschieden! Du solltest lernen, wie man einen Motor auseinander baut, nicht, wie man Socken stopft! Jungs tun so etwas nicht!" Terry beobachtete ihren Bruder bei dieser Anklage. Kein Muskel schien sich in seinem Gesicht zu bewegen, es war starr und undurchdringlich. „Dad, hör zu: In dem Kurs sind nur Mädchen, ich bin der einzige Kerl. Die sind ganz begeistert von mir, weil ich ‚dazu stehe‘, Handarbeiten zu machen. Das gefällt ihnen." „...Soll das heißen, das ist nur eine Masche, um sie für dich zu interessieren?" Mr. Tuckers Züge entspannten sich und wichen einem zufriedenen Lächeln. „Klar. Ich hasse Handarbeiten, das ist Weiberkram." Unter normalen Umständen hätte Terry Craig dafür eine heruntergehauen, aber das hier war nicht normal. Ihre Eltern wussten wenig von ihrem Sohn, vor allem ihr Vater, weil das Image, das Craig nach außen präsentierte und sein wahres Ich, das er in seinem Zimmer einschloss, immer mehr auseinander zu driften drohten. Sicher, er war oft ein Arsch und seine spitze Zunge konnte böse Wunden schlagen, aber sie kannte einen Craig, der sie, als sie noch kleiner gewesen war, mit selbstgebastelten Handpuppen zum Lachen gebracht hatte; einen Craig, der sich liebevoll um sein Meerschweinchen kümmerte, der heimlich neue Mützen für sich strickte oder hübsche Stickereien anfertigte, der sich beim Ende von „The Green Mile" regelmäßig in Tränen auflöste und der noch nie geküsst hatte (oder geküsst worden war). Ja, Tatsache. Natürlich schleppte er immer mal wieder die eine oder andere Tussi an, aber keine von ihnen schien irgendwelche echten Qualitäten zu besitzen, praktisch alle erfüllten das Klischee von „sexy, aber dämlich/ungebildet/eitel/egoistisch". Sie eigneten sich zum Herzeigen, damit Daddy nicht die Orientierung seines Sohnes in Zweifel ziehen musste, aber zu mehr auch nicht. Und Craig? Craig spielte diese Farce mit erschreckendem Durchhaltevermögen. »Warum tust du dir das an, großer Bruder? Mom würde dich sofort so akzeptieren, wie du wirklich bist... und Dad? Okay, er hätte Schwierigkeiten damit... aber er würde dich annehmen, ganz bestimmt. Er ist unser Vater. Er liebt uns. Schau mich an! Ich hasse es, Röcke zu tragen und bin der amtierende Skateboard-Champion von South Park. Das hindert mich nicht daran, immer noch My Little Pony zu sammeln und Rosa zu meiner Lieblingsfarbe zu erklären. Ich würde dir so gerne helfen... aber du willst dir nicht helfen lassen. Dabei kann ich genau sehen, wie unglücklich du bist...« Farblich war das Geschwisterpaar ein wandelnder Stereotyp. Craig kleidete sich hauptsächlich in Blau, während Terry mit der hellen Jeans, ihrem rosa T-Shirt (Glitzeraufdruck „Girls Rock") und dem weißen Käppi mit rosa Applikationen und dem großen rosa Herz auf der Frontseite sehr mädchenhaft wirkte - zumindest so lange, bis sie den Mund aufmachte. Bei Craig nutze ihr das wenig, ihre Ratschläge, Bitten oder Drohungen prallten an ihm ab wie an einer Gummiwand. „Na, dann gib nur ruhig weiter den Hahn im Korb, mein Sohn. Vielleicht findest du diesmal eine, mit der du gehen willst." Damit verschwand er. Terry legte in einer Geste des Beistands ihre Hand auf Craigs Schulter, doch er schüttelte sie unwillig ab. Diese Ablehnung traf sie wie ein Faustschlag. Sie sprang wütend auf und zischte: „Weißt du was, du Arsch!? Wenn du dich lieber selbst belügen willst, von mir aus! Du denkst, du brauchst mich nicht? Du denkst, du brauchst niemanden? Du wirst mit allem allein fertig? Schön! Dann versuch‘s mal! Du wirst sehen, was du davon hast!" Er hörte die unterdrückten Tränen in ihrer Stimme und hielt sie fest, als sie in ihr Zimmer laufen wollte. Er sah sie nicht an, seine Worte waren nur ein Flüstern: „Es tut mir leid, Terry." Sie setzte sich langsam wieder, musterte ihn eine Weile aufmerksam und gab ihm schließlich einen tröstenden Kuss auf die Wange. Er streckte seinen Mittelfinger aus und verhakte ihn mit dem ihren. „Du bist ein Idiot, großer Bruder." „Red Racer" erreichte den Höhepunkt der heutigen Episode, aber gerade, als der Titelheld von seinem Rivalen von der Rennstrecke gedrängt wurde, wurde die Sendung unterbrochen. Ein Nachrichtenlogo wurde eingeblendet. „Sehr verehrte Damen und Herren, wir unterbrechen das laufende Programm für eine wichtige Mitteilung: Der ‚Right Hand‘-Killer, in Anlehnung an den ‚Left Hand‘-Killer so genannt, der in North Park, Colorado sein Unwesen treibt, hat der Polizei zufolge sein Gebiet ausgeweitet. Wie ein Pressesprecher der örtlichen Polizeidienststelle vor zehn Minuten verlauten ließ, ist zu befürchten, dass sich nun auch die Bevölkerungen der Städte Middle Park und South Park in seinem Aktionsradius befinden. Die Bürger werden gebeten, ihre Häuser und Wohnungen nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr zu verlassen und die nötigen Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen. Der ‚Right Hand‘-Killer ist mit einem Jagdmesser bewaffnet und extrem gefährlich." Terry erblasste. „Soll das heißen, dieser Durchgeknallte könnte sich in unserer Nähe herumtreiben? Na toll. Bei der Unfähigkeit unserer hiesigen Polizisten kann das ja lustig werden..." „Mach dir keine Sorgen. Ich passe auf dich auf." Er legte schützend den Arm um sie. »Ich werde immer auf dich aufpassen, kleine Schwester.« *** „Happy Birthday, Stan!" „Hallo, Butters! Das ist für mich? Vielen Dank!" Stan legte das Geschenk auf seinen Gabentisch zu den anderen Päckchen. Es war interessant, wie man auf den Charakter der Gäste schließen konnte, wenn man ihre Präsente genauer betrachtete. Butters‘ Paket zum Beispiel war in rosa Hello Kitty-Papier eingewickelt, verziert mit einer großen, sorgfältig gebundenen roten Schleife und Buchstabenstickern, die den Namen des Geburtstagskindes bildeten. Kyles Geschenk in schmucklosem grünen Papier sah aus, als hätte er es mit dem Lineal ausgeschnitten, kein Knick, keine Falte war zu entdecken. Obendrauf schimmerte eine akkurat gesetzte goldfarbene Rosette zum Aufkleben. Wendy hatte sich für ein richtiges Geburtstagsthema entschieden, auf dem weißen Papier prangten bunte Luftballons, Konfetti und Luftschlangen. Cartman hatte sich die Mühe gespart und sein „Päckchen" in eine dieser stabilen Hochglanz-Parfümerie-Tüten gesteckt, während Kenny sein Geschenk in alte Playboy-Poster gewickelt hatte. Nur Gary fehlte noch. „Oh, hallo, Butters. Schick siehst du aus!" „Danke, Wendy. Dieses Kompliment kann ich nur erwidern." „Das finde ich auch. Das Kleid steht dir sehr gut. Neu?" Sie grinste. „Fast. Aber du wirst es kaum kennen, Stan. Ich habe es in deinem Beisein höchstens zehnmal angehabt." „Ah, touché!" Es klingelte und Stan eilte zurück an die Tür. Gary stand draußen, in einer eleganten dunkelblauen Tuchhose und einem weißen Hemd. Er reichte dem Schwarzhaarigen ein liebevoll eingepacktes Geschenk mit allerlei kunstvoll verschnürten Bändern, an denen ein Kärtchen, künstliche Blumen und ein bemaltes Holzfigürchen baumelten. Es spielte Gitarre. „He, das ist niedlich." „Ein kleines Extra... als Glücksbringer oder so..." Garys Belohnung fiel in Form eines bezaubernden Lächelns aus. Er wurde rot und folgte Stan zu der bereits versammelten Gruppe. Er kannte niemanden aus diesem Freundeskreis besonders gut, war aber entschlossen, sie für sich zu gewinnen. Natürlich war ihm der schöne Leo Stotch ein Begriff, der ihn mit entwaffnendem Charme begrüßte, und auch Wendy Testaburger und Eric Cartman genossen einen hohen Bekanntheitsgrad. Kyle Broflovski als Stanleys bester Freund bedurfte ebenfalls keiner großartigen Vorstellung mehr. Dann war da noch Kenny McCormick, die ungerade Zahl, das, was nicht ins Bild passte. Leo war der Leiter der Musical-AG und konnte tanzen wie ein junger Gott. Wendy war die Star-Reporterin der Schülerzeitung und schrieb hervorragende Artikel. Cartman war der Kapitän der Footballmannschaft und spielte meisterhaft. Kyle war der offizielle Schulprimus und zugleich Mitglied der Judo-AG. Stan gehörte zur Soccermannschaft und konnte wundervoll singen. Außerdem war er ein entschiedener Verfechter des Umweltschutzes und wollte Meeresbiologie studieren. Was tat Kenny hier, inmitten dieser erfolgreichen, zielstrebigen Menschen? Was zeichnete ihn aus? Er stammte aus dem Ghetto der Stadt und Gerüchten zufolge schlief er mit allem, was Sexappeal hatte, nahm regelmäßig Drogen und war, wie jeder Hedonist, stets auf der Suche nach dem nächsten Kick, dem nächsten Sinnesrausch, Konsequenzen unerwünscht. Warum war ein Mann wie Stan mit so jemandem befreundet? Gary versuchte, seine Vorurteile zu unterdrücken, doch es gelang ihm nicht. Man hatte ihm beigebracht, immer nett und offen zu allen Menschen zu sein und sich nicht von Vorurteilen blenden zu lassen, aber genau das erwies sich oft als sehr schwierig. Als Kenny ihm die Hand schüttelte, fragte er sich unwillkürlich, ob der Junge aus dem Ghetto sauber war und keine Bazillen mit sich herumschleppte. Und dieses alberne T-Shirt... Prahlerisch. Kindisch. Geschmacklos. »Was ist bloß los mit mir? Will ich denn unbedingt auf die Gerüchte hören!? Aber warum? Warum kann ich ihn nicht leiden? Das ist lächerlich, er hat mir nichts getan...!« Außer vielleicht... die Art, wie er Stanley ansah... sie gefiel ihm nicht. Sie gefiel ihm ganz und gar nicht. Nachdem Stan seine Geschenke ausgepackt und man den Kuchen verspeist hatte, begann der ausgelassene Teil der Party. Die Marshs waren gegen sieben Uhr ausgegangen, damit die Jugendlichen ungestört feiern konnten. Randy hatte bleiben wollen, doch Sharon hatte ihm das rasch wieder ausgeredet. Stan war dankbar, dass sie das richtige Gefühl für diese Dinge besaß. Jetzt hockten alle im Kreis, in der Mitte lag eine leere Plastikflasche. Das Geburtstagskind machte den Anfang und drehte die Flasche, die nach ein paar bangen Sekunden vor Wendy anhielt. „Das war so klar.", bemerkte sie säuerlich. „Augen zu und durch, Wendy, das ist das Beste. Also, Wahrheit oder Pflicht?" „...Wahrheit." „Okay. Was ist das Schlimmste, das du je getan hast?" „Stan!!!" „Du wolltest Wahrheit, du kriegst Wahrheit. Nun?" „Puh... na gut. Erinnert ihr euch noch an Miss Ellen? Sie hat ‚It‘ vertreten, als er sich das erste Mal unters Messer gelegt hat." „Wie könnte man Miss Ellen vergessen?", seufzte Kenny verzückt. „Sie war ‘n heißer Feger, Lesbe hin oder her! Eine meine ersten Lieben!" „Wohl eher eines deiner ersten Gelüste", meinte Stan mit einem leichten Anflug von Ärger, den er selbst nicht ganz verstand. „Sei nich‘ so scheinheilig, Alter! Du warst auch hinter ihr her, sogar noch mehr als ich!" „Genau. Deswegen war Wendy auch so ‘ne Zicke." „Halt die Klappe, Cartman! Ich möchte dich mal sehen, wenn dir jemand deinen Freund streitig macht! Oh, warte... du hattest noch nie einen." „Fick dich, Hure!" „Fick dich selber, Hurensohn!" „SCHLUSS JETZT!!!" Stille trat ein und alle wandten sich Kyle zu. „Das hier ist eine Party und keine Schlacht! Wenn ihr streiten wollt, dann tut das, aber bitte draußen!" „Und seit wann spielst du den Friedensrichter, Jude?" „Lass mich in Ruhe, Blödarsch." „Ginger!" „Halb-Ginger!" „Jerseybastard!" „Dreckskerl!" „Schnauze, Jungs. Fahr fort, Wendy... aber schnell, sonst sitzen wir morgen noch da." „Danke, Stan. Also, ich war sehr eifersüchtig, das gebe ich zu... deshalb habe ich... na ja, deshalb habe ich sie bei der Polizei angezeigt, anonym natürlich. Ich habe behauptet, sie würde einen ihrer Schüler sexuell belästigen." „WENDY!!!" Sie zuckte schuldbewusst zusammen. „Ich weiß, es war dumm von mir. Als es dann hieß, Miss Ellen solle der Schule verwiesen werden, bekam ich ein schrecklich schlechtes Gewissen und bin zu Principal Victoria gegangen, um mich zu stellen. Sie hat mir drei Wochen tägliches Nachsitzen aufgebrummt und ich erhielt einen Vermerk in meine Schulakte. Miss Ellen wurde rehabilitiert, aber nach dem Vorfall wollte sie nicht mehr bei uns unterrichten." „Du kämpfst mit harten Bandagen, Wendy.", sagte Cartman mit einem Hauch Bewunderung, was sie zu einem Lächeln veranlasste. Nun war sie an der Reihe, die Flasche zu drehen und sie stoppte vor Kenny. „Okay, Kenny... Wahrheit oder Pflicht?" „Pflicht. Was sonst?" „Hm..." Sie überlegte einen Moment, bis ihr das Gespräch einfiel, das sie vor ein paar Tagen mit Patty und Bebe geführt hatte. „Ich hab‘s! Ich fordere dich heraus, Stan zu küssen!" Stan gab ein leicht panisches „Hä!?" von sich, das Tweeks Ausrufen alle Ehre gemacht hätte, während Kennys breites Grinsen kläglich in sich zusammenstürzte, dicht gefolgt von seiner Gelassenheit. „Wa-was hast du da gerade...?" „Oh, du hast mich schon verstanden. Du sollst Stan küssen...und zwar auf den Mund. Keine Sorge, ich bestehe nicht auf Zunge." „Wendy!!!" „Das ist mein Name." „Wendy!!!" „Wieder richtig, ich gratuliere dir, Stan! Also, Kenny, wenn ich bitten darf?" Hätte sie ihn dazu aufgefordert, sich den Hals zu brechen, er wäre schnurstracks auf das Dach des Hauses geklettert und heruntergesprungen. Leider hatte sie ihn nicht dazu aufgefordert, sich den Hals zu brechen. Das wäre ihm lieber gewesen. „Na schön... äh... dann... dann fange ich mal an...?" Er konnte förmlich spüren, wie sich die Blicke sämtlicher Anwesender in ihn hineinbohrten, besonders die von Harrison, dessen Miene mörderisches Missvergnügen verriet. Es half auch nicht, dass Stan ihn anstarrte wie das Kaninchen die Schlange. „Reg dich nicht auf, ja? Es ist bloß ein... ein Küsschen, nichts weiter..." „Ich hoffe, du hältst dich daran, Kenneth...", sagte Stan, wobei seine Stimme aus unerfindlichen Gründen die Anschmiegsamkeit von Samt anzunehmen schien. Hatte er schon erwähnt, dass er immer so ein komisches Kribbeln in der Magengegend bekam, wenn das passierte? Und warum fand er es...aufregend, wenn der andere seinen vollen Namen so aussprach? Er beugte sich nach vorn, schloss die Augen und küsste Stan. Dieser war sich nicht sicher, wie er reagieren sollte. Kennys Lippen waren etwas rau, aber warm und angenehm, so angenehm wie der Duft, den er verströmte. Er musste an den Kuss denken, den Gary ihm gegeben hatte, und stellte fest, dass ihn eine ähnliche Verwirrung befiel wie damals, nur war sie diesmal intensiver. Auch sein Herzschlag beschleunigte sich und er war kurz davor, seine eigenen Augen zu schließen, als Kenny sich plötzlich zurückzog. „Bitte sehr - bist du zufrieden?" Wendy nickte und grinste wie ein Honigkuchenpferd. Der Blondschopf runzelte die Stirn, entschied jedoch, sich nicht weiter darum zu kümmern und die Flasche zu drehen. Er vermied es allerdings, in Stans Richtung zu schauen. Die Flasche hielt vor Kyle. „Oh la la! Wahrheit oder Pflicht, Mr. Schulprimus?" Kyle verfluchte sein Pech. Bei Kenny waren Wahrheit oder Pflicht keine Alternativen. Er hatte eine perverse Fantasie und praktisch keine Skrupel, was Peinlichkeiten anging. Zwar hatte er (noch) kein Liebesleben, nach dem Kenny hätte fragen können... aber statt dessen würde er dann vermutlich fragen: ‚An wen denkst du, wenn du dir einen runterholst?‘ Und Pflicht? Du liebe Zeit, Kenny könnte alles mögliche von ihm verlangen! Trotzdem war es das kleinere Übel, denn Kyle war es extrem zuwider, über intime Details zu sprechen, jedenfalls in der Öffentlichkeit. Allein mit einem Liebhaber? Das konnte er sich vorstellen. Aber sonst? Er holte tief Luft. „Pflicht." „Ah, prima! Also, Kyle, ich fordere dich heraus, uns einen Striptease zu zeigen!" „WAS!?!" „Mit Musik, natürlich. Und ausziehen musst du dich bis auf die Shorts, damit es wirklich zählt. Deine Socken kannst du vorher wegtun. Äh... Stan, dein Dad und du, ihr habt doch so ‘ne große CD-Sammlung. Ist da nicht irgendwo ein passender Song drunter?" Die Blicke der beiden trafen sich frontal. Der Schwarzhaarige lief rosa an (was Kenny dazu brachte, verlegen den Kopf zu senken) und wurde gleich darauf blass, als er Kyles entsetztes Gesicht bemerkte. „Kannst du dir nicht was anderes ausdenken? Muss bei dir immer alles sexuell sein? Lass ihn von mir aus einen Handstand machen oder sowas, aber keinen Strip!" „Ja, also", schaltete Cartman sich ein, „ich finde es auch nicht gut, Ken. Ich glaube nicht, dass Kyle sich dabei wohlfühlen würde..." „Seit wann kümmert es dich, ob Kyle sich wohl fühlt?" Cartman ignorierte die Frage. „...außerdem gehört Rhythmus zu einem Striptease, man muss sich zur Musik bewegen können. Kyle ist ein Jude, die haben keinen Rhythmus!" „Was!? Das ist nicht wahr, ich habe Rhythmus!" „Ach ja? Du meinst die Art von Rhythmus, die du im Regenwaldchor bewiesen hast? Stimmt, das war sehr überzeugend... darin, wie man es nicht macht! Gib dir keine Mühe, Jude, jeder hier weiß, dass dein Striptease erbärmlich wäre!" Kyle ballte die Fäuste. „Das werden wir sehen! Stan, such‘ bitte Musik für mich aus!" „Ist... ist das dein Ernst...?" „Ja!!" »Dem Blödarsch werde ich‘s zeigen!!« Stan durchforstete das CD-Regal und förderte ein Album von Kylie Minogue zutage. Eine Verwandte im Namen, zumindest fast. Warum nicht sie? Ein geeignetes Lied war schnell gefunden und die Scheibe wanderte in den CD-Player. Kyle zog seine Strümpfe aus und postierte sich vor seinem Publikum. Knew you‘d be here tonight So I put my best dress on Boy, I was so right Our eyes connected Now nothing‘s how it used to be Don‘t second guess it Track in on this feeling Pull focus, close up you and me Nobody‘s leaving Got me affected Spun me 180 degrees It‘s so electric Kyle benötigte eine Weile, um sich in die Melodie einzufühlen, doch nach und nach gelang es ihm. Sein Körper begann, sich mit den Tönen zu wiegen und seine Augen suchten Cartman, dem der Mund offenstand. Er streckte die Arme nach oben, ließ seine Hüften langsam kreisen und drehte sich bei „Spun me 180 degrees" einmal um die eigene Achse. Er bemühte sich, nicht daran zu denken, dass ihn noch andere Leute beobachteten, er konzentrierte sich nur auf seinen fassungslosen Rivalen. Slow down and dance with me Yeah, slow Skip a beat and move with my body Yeah, slow Come on and dance with me Yeah, slow Skip a beat and move with my body Yeah, slow Schlanke Finger strichen über den Bauch und den Torso hinauf und schließlich durch feuerrotes Haar. Er spielte mit dem Saum seines Tops und ließ immer wieder ein Stück nackter Haut hervor blitzen, während seine Hüften weiterhin verführerisch kreisten. Um einen besseren Halt zu haben, lehnte er sich gegen einen Schrank und fing an, mit den Händen seine Lenden und Oberschenkel hinauf- und hinab zu gleiten. Don‘t wanna rush it Let the rhythm pull you in It‘s here so touch it You know what I‘m saying And I haven‘t said a thing Keep the record playing Slow down and dance with me Yeah, slow Skip a beat and move with my body Yeah, slow Come on and dance with me Yeah, slow Skip a beat and move with my body Yeah, slow Er schloss die Augen und schob das Top hoch bis zum Halsansatz, was seine geschmeidige, durchtrainierte Brust und seine rosigen Nippel entblößte. Ob Cartman ihn ansah? Er blinzelte vorsichtig, die übrigen Gesichter waren kaum mehr als verschwommene Flecken... ja, Cartman sah ihn an. Er wirkte wie hypnotisiert, die Augen weit aufgerissen, der Körper regungslos... jetzt fuhr er sich mit der Zunge über die trockenen Lippen... Kyle zog das Oberteil aus und ließ es achtlos zu Boden fallen, begleitet von seinen Hüften, die, passend zum Tempo der Musik, quälend langsame Beckenstöße nachahmten. Er warf den Kopf zurück und fuhr mit beiden Händen über seinen Schritt, ermutigt von der Vorstellung, Cartman tatsächlich beherrschen zu können. Eine heiße Woge erfüllte ihn und er nestelte am Knopf seiner schwarzen Hose. Read my body language Take it down, down Slow down and dance with me Yeah, slow Skip a beat and move with my body Yeah, slow Come on and dance with me Yeah, slow Skip a beat and move with my body Yeah, slow Die Hose war eng, deshalb trug er keine weiten, sondern formschöne weiße Boxershorts, die, wie er genau wusste, seinen Hintern perfekt betonten. Er schälte sich mit dem Rücken zum Publikum wie in Zeitlupe aus dem Kleidungsstück, bis er halbnackt dastand. Dann wandte er sich um und rutschte am Schrank hinunter in die Hocke, die kräftigen Beine gespreizt. Er streichelte seinen Bauch, erhob sich gemächlich wieder und näherte sich seiner Nemesis, wobei er den Text des Liedes mitsang: „Skip a beat and move with my body... Skip a beat and move with my body... Skip a beat and move with my body..." Cartman starrte ihn unentwegt an. Kyle lächelte triumphierend und beendete seine Darbietung, indem er das Schlusswort in das Ohr des Quarterbacks hauchte. „Slow...!" Das schien ihn aus seiner Trance zu wecken, denn er zuckte zusammen, sprang auf und stürzte aus dem Wohnzimmer. Der Rest der Gäste applaudierte. Butters, als der Tanzprofi, der er war, meinte: „Das war ausgezeichnet, Kyle! Inzwischen hast du Rhythmus entwickelt, daran besteht kein Zweifel. Hättest du nicht Lust, der Musical-AG beizutreten?" „Das ist sehr nett von dir, Butters, aber nein", entgegnete Kyle geschmeichelt, während er in seine Klamotten schlüpfte. „Ich habe einfach keine Zeit dafür... und meine Mom würde es auch ganz sicher nicht erlauben. Es war schon schwierig genug, sie vom Judo zu überzeugen." „Wow... das war echt stark, Kumpel!" Stan strahlte ihn an (obwohl er ein bisschen grün um die Nase war). „Ich muss zugeben, dass ich dir das nicht zugetraut hätte..." „Ich auch nicht", räumte Kenny beschämt ein. „Ich habe damit gerechnet, dass du eine einmalig komische Figur machen würdest... aber das? Wow, Alter. Wow." Wendys Wangen hatten sich dezent gerötet. „Ich hoffe, du kannst mir verzeihen, dass ich ein paar Fotos mit meinem Handy geschossen habe?" „Klar... nur wofür?" „Na, damit meine Freundinnen und ich was zum Anschauen haben...Außerdem gibt es neben der Galerie der heißesten Girls auch eine Galerie der heißesten Boys in der Schülerzeitung und für diese Rubrik kann man nie genug Material haben!" Gary, der aus Höflichkeit geklatscht hatte, war zurückhaltender. Kyles Wagemut hatte ihn beeindruckt, aber der Striptease als solcher war im Vergleich zu dem Kuss unbedeutend. Stan war anfangs erschrocken gewesen, doch während des Kusses hatte er erstaunlich... bereitwillig gewirkt. Er mochte McCormick, das war sicher. Aber wie sehr genau? Und warum überhaupt? Er war ein notgeiler Perverser, den die Gefühle anderer nicht interessierten. »Verdammt, ich muss damit aufhören! Da spricht die Eifersucht, nicht mein gesunder Menschenverstand! Wenn Stan ihn mag, muss er einen guten Grund haben! Ich sollte ihm vertrauen, schließlich kennt er McCormick viel besser als ich!« Was nun Kyle selbst betraf, so war er stolz, dass er die Herausforderung angenommen und mit Bravour erledigt hatte. Jetzt galt es, Cartman damit zu konfrontieren. Er wusste, dass das nicht besonders fair war, aber der Wunsch, seinen Gegner zu demütigen, erwies sich als stärker. Er fand Cartman in der Küche, schwer atmend über das Spülbecken gebeugt. „Na, Blödarsch? Hast du gesehen, wie viel Rhythmus ich habe?" Der Quarterback drehte sich aufreizend langsam zu ihm um und fixierte ihn. Kyle wollte etwas sagen, doch der Ausdruck auf Cartmans Gesicht verschlug ihm die Sprache. Dieser Ausdruck war ein einziges Geständnis für die Bedürfnisse, die der Anblick seines Körpers in einem Mann erwecken konnte und er warf Kyle völlig aus der Bahn. Instinktiv wich er ein paar Schritte zurück, als Cartman auf ihn zu kam, bis die Wand ihn stoppte. Der großgewachsene, muskulöse Körper seines Rivalen presste sich gegen den seinen und Kyle schnappte nach Luft. Er hatte nur auf das Mienenspiel des anderen geachtet und auf nichts sonst, weshalb ihn das, was er da spürte, zunächst außerordentlich schockierte. Cartman war... hart. »Oh Gott... das... das kann doch nicht...!« Heißer Atem streifte sein Ohr und eine tiefe, heisere Stimme flüsterte: „Wie grausam du sein kannst, Jude... Mir so deutlich zu zeigen, was ich nie haben werde...!" „Aber... aber du hast mich doch provoziert...!" „Ich provoziere dich ständig. Ich hatte nicht erwartet, dass du dich diesmal darauf einlassen würdest, wo dir der Striptease so unangenehm zu sein schien... Um mir eins auszuwischen, bist du zu allem fähig, was?" „Ich... ich..." Kyles Gedanken wirbelten durcheinander wie Treibholz. Die erregende Hitze, die gegen seinen Unterleib drückte, löste das inzwischen bekannte Prickeln aus, und er hasste sich dafür, dass sein Körper danach schrie, einfach aufzugeben. Er kratzte seine verbliebene Widerstandskraft zusammen und stieß Cartman von sich, doch das glühende Verlangen in den braunen Augen verschwand nicht. Im Gegenteil, seine Abwehr steigerte es offenbar noch. Nie hätte er vermutet, dass ihn irgend jemand so begehren könnte! Cartman machte keinen zweiten Versuch, sich ihm zu nähern, sondern blieb wie versteinert stehen, das Gesicht abgewandt, bis sich sein Atem wieder normalisiert hatte. Dann, nach einem qualvoll langen Moment, holte er ein kleines Kärtchen aus seiner Hosentasche hervor, das er Kyle hinhielt. Es war ein Gutschein. „...Das ‚Weberstübchen‘? Ist das nicht diese deutsche Konditorei? Was soll ich damit?" „Die Tochter des Eigentümers ist eine Freundin von mir. Sie möchte dich gern einmal kennen lernen und das ist ihre Einladung. Ihr Name ist Petra." „Und warum sollte ich sie kennen lernen wollen?" „Warum solltest du nicht? Ich habe ihr von dir erzählt und sie will dich treffen." Kyle war nicht begeistert. Wenn diese Petra mit Cartman „befreundet" war, teilte sie vermutlich auch seine... seine „Gesinnung". Danke, aber danke nein. „Vergiss es. Du kannst ihr ausrichten, dass ich nicht daran interessiert bin, mir noch mehr antisemitische Scheiße anzuhören." „...So. Sie ist eine Freundin von mir und deutscher Herkunft. Das macht sie automatisch zu einem Nazi, ja? Wer klingt jetzt wie ein rassistisches Arschloch?" „Das ist nicht rassistisch. Das ist eine naheliegende Vermutung." „Ist es nicht!! Und verdreh‘ gefälligst nicht die Augen, du scheinheiliger kleiner Mistkerl!! Ich bin mit Kenny, Stan und Butters befreundet und sie sind keine Nazis, oder!? Ich bin mit Patty Nelson befreundet und auch sie ist kein Nazi! Du sagst, dass ich kein Recht habe, dir Dinge zu unterstellen, nur weil du ein Jude bist - aber du unterstellst Petra, dass sie ein Nazi ist, nur weil sie aus Deutschland kommt und mit mir befreundet ist! Weißt du was, Kyle!? Genau das ist Rassismus! Genau das ist das Verhalten, das du mir vorwirfst! Bevor du also weiter in meinem Fahrwasser schwimmst, solltest du dich von den Tatsachen überzeugen, denn diese Frau, von der du da sprichst, hat mir angedroht, mir eins mit ihrem Tablett überzuziehen, falls ich eine blöde Bemerkung über den Holocaust mache!" Kyle glotze ihn dümmlich an, wie eine Eule, die man am helllichten Tag aufschreckt. Er starrte auf das Kärtchen, das in zuckergussrosa Schönschrift die Leckereien des „Weberstübchens" anpries, die er kostenlos würde probieren dürfen und Scham erfüllte ihn. Cartman hatte recht! Wie konnte er diese Person verurteilen, obwohl er sie noch nicht einmal kannte? „Da tönst du immer so groß, dass du keinerlei Vorurteile hast... von wegen! Jeder Mensch hat Vorurteile, das liegt in unserer Natur! Wir ordnen in Schubladen ein, wir verallgemeinern, wir stigmatisieren! Und warum? Weil es einfacher ist! Hinter die Fassade blicken, den Stereotyp nicht als Norm akzeptieren, Erforschen, Lernen, Begreifen - die meisten Menschen tun das nicht. Es kostet zu viel Zeit und Mühe. Ich muss es wissen, denn ich habe es genauso gemacht und es ist schwer, festgefahrene Verhaltensweisen zu ändern... für mich wie für dich. Du siehst dich gern in der Rolle des unschuldigen Opfers, Kyle, aber das bist du nicht. Du hattest zum Beispiel nie ein Problem damit, Butters als Sündenbock zu benutzen. Wenn wir die Schuld auf ihn abwälzen konnten, haben wir es getan und ich kann mich nicht erinnern, dass du je dagegen protestiert hättest. Oh, warte, einmal hast du, bei unserer Toilettenpapieraktion. Aber das war das einzige Mal. Spricht nicht gerade für dich, wenn man bedenkt, wie viel du dir auf dein ‚guter Junge‘-Image einbildest. Wo war er sonst, dein Sinn für Gerechtigkeit, hm? Und als Pip an die Schule kam, hast du ihn verspottet wie wir alle. Wo war sie, deine vielgepredigte Toleranz? Und weißt du noch, wie die Mädchen ihre berühmt-berüchtigte Liste erstellten und du dachtest, du wärst zum hässlichsten Jungen der Klasse gewählt worden? Wendy hat mir später erzählt, dass Stan und sie dich gerade noch daran hindern konnten, die Schule anzuzünden. Gut, es war ursprünglich nicht deine Idee, aber trotzdem wolltest du aus verletzter Eitelkeit ein ganzes Gebäude abfackeln. Das klingt sehr nach mir, wenn du mich fragst. Im Grunde deines Herzens bist du ein hilfsbereiter und freundlicher Mensch, Kyle, aber du hast auch eine gefährliche Seite. Du magst diese Seite vielleicht nicht, doch sie ist ein Teil von dir... und du weißt das." Kyle antwortete nicht. »Es ist wahr... ich habe eine gefährliche Seite. Eine Seite, die unversöhnlich und hartherzig sein kann... Eine Seite, die meinen Stolz in Hochmut verwandelt und meinen Drang, Cartman zu bekämpfen, in blinde Vergeltung... Ich hasse diese Seite, mit all ihrem Egoismus und ihrer Arroganz! Na schön, sie kommt selten zum Vorschein... aber sie ist da. Warum... warum weiß er diese Dinge? Kennt er mich denn wirklich so gut?« „Schau nicht so entgeistert, Jude. Ich kenne dich... sehr viel besser, als du mich kennst." »Und er liest in meinen Gedanken wie in einem offenen Buch!« Der Rotschopf hätte aus Frust und Ärger am liebsten geschrien oder irgendetwas zertrümmert. Er konnte es nicht ertragen, wenn Cartman die Oberhand inne hatte und es juckte ihn in den Fingern, auf dieses verhasste, anziehende Gesicht einzuprügeln. Plötzlich jedoch entdeckte er, dass sein Rivale die Arme hinter dem Rücken verschränkt hielt, wie um der Versuchung zu entgehen, ihn zu ergreifen und dort weiterzumachen, wo er aufgehört hatte. Sein Körper stand unter einer deutlichen Anspannung, seine Augen glichen einer Feuersbrunst. Grün und braun tauchten ineinander und die Zeit fror ein. „..." „..." „...Jungs?" Kyle und Cartman stießen beide einen Laut der Überraschung aus, als Butters sie ansprach. Er schenkte ihnen ein hinreißendes Entschuldigungslächeln. „Verzeihung, ich wollte euch nicht unterbrechen... bei was auch immer ich euch hier gerade unterbreche. Aber wir würden jetzt gern weiterspielen und du bist mit dem Drehen an der Reihe, Kyle. Kommst du?" „Oh, ja..." Butters‘ Blick flirrte neugierig zwischen den beiden hin und her, er sagte jedoch nichts. Kyle starrte sich eine Weile an der Flasche fest und drehte erst, als Kenny ihn mit einem „Jetzt mach schon, Kumpel!" daran erinnerte, warum er das hier überhaupt tat. Die Flasche wirbelte herum, wurde langsamer und kam schließlich zum Stehen. Vor Cartman. »NEIN!!! Im Ernst, Gott, warum hasst du mich so!?!« „..." „..." „Leute? Hat‘s euch die Sprache verschlagen?", erkundigte sich Wendy vorsichtig. „...Hä? Ach so, richtig, ich muss ja... Wahrheit oder Pflicht, Blödarsch?" „...Wahrheit." „..." „Was is‘ jetzt, Jude? Brauchst du ‘ne Einladung?" „...Du willst Wahrheit? Bist du dir da auch ganz sicher? Ich könnte dich etwas Gemeines fragen. Oder etwas Peinliches." „Das ist der Sinn des Spiels. Frag mich, was dir gerade einfällt, ich kann‘s verkraften." „Kannst du?" „Ja doch, verdammt! Jetzt stell dich nicht so an!" „...In wen bist du verliebt?" Eric fiel aus allen Wolken. Genügte es nicht, dass Kyle ihm heute gezeigt hatte, wie unglaublich verführerisch er sein konnte?! Nun sollte er auch noch vor anderen zugeben, dass er in diesen großartigen Mistkerl verliebt war?! Begriff dieser Bastard denn nicht, wie viel Mut und Überwindung es ihn gekostet hatte, es ihm zu gestehen?! „Vielleicht bin ich gar nicht verliebt, Jude. Schon mal daran gedacht?" „Oh, ich bin sicher, dass du verliebt bist. Ich habe meine Quellen, weißt du." »Du scheinheiliges Arschloch!!« wütete Eric im Inneren, hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, dieses verlogene Lächeln in Kyles Gesicht mit seiner Faust zu zerschlagen und dem Verlangen, ihn an sich zu ziehen und diesen Kerl um seinen nervtötenden kleinen Verstand zu küssen. Was sollte er tun? „Also, Cartman? Wir warten auf deine Antwort. Du willst doch nicht etwa kneifen?" Die Siegesgewissheit in Kyles Stimme verursachte ihm Übelkeit. Ah, er war so ein mieser, hinterhältiger, stolzer, anbetungswürdiger Schuft! Er wollte die Wahrheit? Gut, er würde seine Wahrheit kriegen! „...Ich liebe dich, Kyle. Ich brauche dich, so, wie Pflanzen den Regen brauchen. Du bist meine Luft zum Atmen, die Sonne an meinem Himmel. Du machst alles besser - du machst mich besser. Du hast mir meine Fehler, meine Schwächen, meine Irrtümer und meine Dummheiten aufgezeigt. Du hast mir ein Gefühl eingeflößt, das ich vorher nicht kannte, ein Gefühl, das begonnen hat, mich zu verändern. Du hast mein Herz zum Leben erweckt." Er stand auf. „Da hast du deine Antwort." Damit drehte er sich um und verließ das Wohnzimmer. Man hörte ihn im Flur nach seiner Jacke greifen und die Schuhe anziehen. Dann ging die Tür und wie auf Kommando wandten sich alle Blicke Kyle zu, der keinen Ton hervorbrachte. Er hatte fest damit gerechnet, dass sich Cartman irgendein Lügenmärchen zurechtbasteln würde, um ihm nicht die Genugtuung eines Sieges zu gönnen, aber statt dessen hatte er einfach die Wahrheit gesagt und Kyle sämtlichen Wind aus den Segeln genommen. »Was... was zum Teufel ist gerade passiert? Er hat... er hat es zugegeben! Er hat vor allen hier zugegeben, dass er mich liebt! Wann ist er so... so mutig geworden? Früher hätte Cartman garantiert den Schwanz eingezogen! Ich... ich kann es nicht glauben...! Das hätte ich nie von ihm erwartet! Könnte es sein... könnte es sein, dass ich tatsächlich nichts von ihm weiß, wie er selbst gesagt hat? Dabei war ich doch immer derjenige, der Cartman am besten kannte...oder?« Seine Überlegungen wurden unterbrochen, als ihn Stan und Kenny plötzlich packten, auf die Füße stellten und in die Küche zerrten. Beide wirkten verärgert, besonders Stan, der auch gleich zum Punkt kam: „Hast du den Verstand verloren, oder was?! Ist dir allen Ernstes keine andere Frage eingefallen? Eine, die ihn nicht so vorführt?! Eine, die nicht ganz so tief unter die Gürtellinie zielt?! Du weißt seit rund einem Monat, dass Cartman in dich verliebt ist und du benutzt dieses Wissen, um ihn so rücksichtslos zu beschämen!? Tut mir leid, Kyle, aber das ist nicht nur taktlos und daneben, das ist schlicht und ergreifend Scheiße!" „Stan..." „...Du weißt es?", wiederholte Kenny fassungslos. „Die ganze Zeit über wusstest du, was er für dich empfindet und du hast trotzdem den Striptease durchgezogen und ihm diese Frage gestellt!? Ist dir eigentlich klar, dass ich bis vorhin keine Ahnung hatte!? Und du... du hast den Nerv, so auf seinen Gefühlen herum zu trampeln?! Sicher, Eric ist kein Heiliger, aber diese Nummer war echt mies! Du glaubst vielleicht, dass dein Verhalten gerechtfertigt ist, doch wenn man sich wie ein Arschloch aufführt, um einem anderen Arschloch etwas heimzuzahlen - nun ja, dann ist man selbst ein Arschloch. Der Zweck heiligt nicht immer die Mittel, Kyle! Es stimmt schon: Um Eric eins auszuwischen, bist du zu allem fähig!" In Kyle regte sich der Trotz. „Du bist ein Heuchler, Ken", erwiderte er ungnädig, „was ist denn mit dir? Wenn einer deiner One Night Stands Gefühle für dich entwickelt, trampelst du auch darauf herum, um sie loszuwerden! Und dass du von Cartmans Gefühlen nichts wusstest, überrascht mich sehr, wo du doch immer behauptest, sein bester Freund zu sein! Ein schöner bester Freund, der keine Ahnung von nichts hat und sich nur für Sex interessiert, stets auf der Suche nach dem nächsten Kick, der dir den Rest deines Gehirns auch noch wegpustet!" „Das reicht, Kyle!", rief Stan, aber der andere beachtete ihn nicht. „Warum du Wert darauf legst, als Cartmans Freund zu gelten, verstehe ich sowieso nicht! Ihr seid doch im Grunde nur zwei Fremde, die sich Beleidigungen an den Kopf werfen und aus Gewohnheit und Langeweile zusammen abhängen...!" Kennys Faust schnellte vor und traf Kyles Wange mit voller Wucht. Stan schlang seine Arme um den wütenden Blondschopf, um ihn von weiteren Gewalttätigkeiten abzuhalten. „Du verdammter Mistkerl!! Woher nimmst du dir das Recht, über die Freundschaft zwischen Eric und mir zu urteilen?! Du als Sohn einer reichen Familie, du, der du Eltern hast, die ihr Leben im Griff haben, weißt nicht das geringste über Menschen wie uns!! Was glaubst du wohl, wie es ist, hilflos dabei zusehen zu müssen, wie dein Vater oder deine Mutter sich selbst ruinieren?! Was glaubst du wohl, wie es ist, sie nicht aus ihrer Lethargie herausholen zu können, weil sie sich schon längst aufgegeben haben?! Was glaubst du wohl, wie es ist, sich um Eltern zu kümmern, die nichts von dir wissen wollen, denen du nicht vertrauen kannst, die so in ihr eigenes Leid verbohrt sind, dass es ihnen scheißegal ist, wer sonst noch vor die Hunde geht?! Ja, Eric und ich streiten, wir beleidigen uns, aber wir teilen die gleiche Verantwortung, den gleichen Frust, das gleiche Elend!! Eric hat etwas mehr Geld als ich und wohnt in einem besseren Viertel, aber das ändert nichts daran, dass ihm das Leben kaum mehr geschenkt hat als mir!! Er ist höchstens geschickter darin, es zu überspielen, das ist alles! Mit welchen Schwierigkeiten hast du denn schon zu kämpfen?! Du hast eine überfürsorgliche Mutter und einen Pantoffelhelden als Vater, wie schrecklich! Du bekommst reichlich Taschengeld, wohnst in einem schönen Haus, fährst ein eigenes Auto und hast einen Notendurchschnitt, der dich in jedes College deiner Wahl bringen wird - und deine Eltern werden es dir bezahlen, ohne dass du einen Finger krumm zu machen brauchst!" Er spuckte Kyle vor die Füße. „Du bist wirklich sehr zu bemitleiden!", fügte er mit beißendem Sarkasmus hinzu, entwand sich Stans Umklammerung und stapfte hinaus, Richtung Haustür. Stan folgte ihm. „Du willst gehen?" „Ja, ich bleibe keine Sekunde länger, ich hab‘ so einen Hals! Vielleicht erwische ich Eric noch und kann mit ihm reden. Ich hatte ehrlich keine Ahnung von seinen Gefühlen für Kyle. Na ja, was Gefühle betrifft, da bin ich oft ein ziemlicher Trottel, das stimmt schon, aber ich mache große Unterschiede zwischen meinen One Night Stands und meinen besten Freunden. Meine Freunde sind mir immer wichtig. Kyle sollte das wissen." „Ich bin sicher, dass er das weiß. Er hat es nicht so gemeint, Kenny." „Wahrscheinlich nicht, aber das ist keine Entschuldigung. Wenn du mich nicht zurückgehalten hättest..." Er verweilte einen Moment bei der Erinnerung an Stanleys kräftige Arme, die sich so fest und entschlossen um seinen Körper gelegt hatten und dachte an den Kuss, jene kurze, flüchtige Berührung von warmen weichen Lippen. Erneut verspürte er dieses merkwürdige Kribbeln und schüttelte unwillig den Kopf. „...hätte ich unserem Schulprimus gezeigt, wie die Jungs im Ghetto solche Sachen lösen. Sorry, dass ich deine Party versaut habe." „Hä? Na hör mal, du hast gar nichts versaut! Du brauchst dich für nichts zu entschuldigen! Sehen wir uns morgen in Englisch?" „Klar. Also, bis dann!" Kenny wirbelte davon und Stan ging in die Küche zurück, wo sich zu seinem Erstaunen der Rest seiner Partygäste versammelt hatte. Butters war sichtlich empört und fuchtelte mit seinem Zeigefinger vor Kyles Nase herum. „Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?! Du kennst Erics wahre Gefühle! War es nötig, ihn so bloßzustellen!? Begreifst du denn überhaupt nicht, wie viel Überwindung es ihn gekostet hat, dir seine Liebe zu gestehen!? Hältst du das alles nur für eines seiner üblichen Spielchen?! Antworte mir, du Idiot, oder ich verliere gleich die Geduld!" Kyle hockte wie ein Häuflein Elend auf einem Stuhl und schwieg. Seine Wange schmerzte, aber noch mehr schmerzte die Gewissheit, dass er viele Dinge, die er genau zu kennen geglaubt hatte, falsch eingeschätzt hatte. Er war immer so überzeugt davon gewesen, dass Kenny und Cartman außer einer Pseudo-Freundschaft nicht wirklich etwas verband... und nun? „Du hast eine überfürsorgliche Mutter und einen Pantoffelhelden als Vater, wie schrecklich!" Cartman hatte seine Eltern mit den gleichen Worten beschrieben, hatte die gleichen Vorwürfe erhoben wie Kenny... „Kyle! Hörst du mir zu!? Ich verlange eine Antwort!" „...Ich... ich bin ein Trottel..." Butters runzelte die Stirn. „Oh? Wie zutreffend, mein Freund! Sag schon, was sollte das? Eric versucht nicht, dich hereinzulegen, verdammt nochmal, es ist ihm ernst! Ich kann ja verstehen, dass dich seine Gefühle vermutlich überfordern, aber könntest du wenigstens so tun, als würdest du sie respektieren?!" „Also, ich bin völlig durcheinander!", bemerkte Wendy. „Ich hätte nie gedacht, dass Cartman tatsächlich in dich verliebt sein könnte! Gut, zugegeben, ich habe mich oft gefragt, warum er nur dir seine uneingeschränkte Aufmerksamkeit schenkt, aber das...! Und was er gesagt hat...Dass du sein Atem bist, seine Sonne... dass du sein Herz zum Leben erweckt hast! Und du wusstest, was er für dich empfindet?! Kyle, wie konntest du! Cartman war vollkommen aufrichtig, so habe ich ihn noch nie erlebt...!" »Ja, ich weiß. Kein Trick der Welt hätte mich so aus den Fugen bringen können wie die Wahrheit. Warum war ich nur so unfair? Ich meine, wenn er mir einen Streich gespielt hätte oder sowas, dann hätte ich auch das Recht, es ihm heimzuzahlen, aber im Grunde habe ich seine Gefühle nur benutzt, um ihm eins reinzuwürgen. Was habe ich denn erwartet? Dass er plötzlich alles abstreitet und seine Liebe verleugnet, nachdem er mir verzweifelt und leidenschaftlich gestanden hat, wie viel ich ihm bedeute? Habe ich wirklich darauf gehofft? Wollte ich, dass er lügt? Wollte ich, dass er es zurücknimmt, damit ich endlich aufhören kann, mich so verdammt schuldig zu fühlen?« Gary sagte nichts, er war zu überrumpelt. Er hatte sich stets für einen sehr guten Beobachter und Menschenkenner gehalten, doch Cartmans offenes Geständnis widerlegte das Bild, das er sich von dem Quarterback gemacht hatte, zumindest teilweise. Seine Augen suchten Stanley, der besänftigend auf den immer noch verärgerten Butters einredete. „Beenden wir die Party, ich möchte jetzt gern mit Kyle allein sprechen. Noch einmal vielen Dank für eure Geschenke und dass ihr hergekommen seid, um mit mir zu feiern. Ich habe mich sehr darüber gefreut." Seine ruhige Stimme stellte die Ordnung wieder her und die Gäste traten, wenn auch etwas zögernd, den Nachhauseweg an. Wendy und Butters gaben Stan ein Abschiedsküsschen (sie rechts, er links), und Gary überkam eine Art Neid, als ihm klar wurde, wie unverkrampft und herzlich ihr Umgang mit seinem Angebeteten war. Er war zwar mit Stan befreundet, aber nicht in gleichem Maße. Es fehlte diese natürliche Vertrautheit zwischen ihnen, die auch McCormick für sich beanspruchen durfte. Wieder spürte Gary den winzigen Stachel der Eifersucht, doch er unterdrückte ihn sofort. „Mach‘s gut, Gary. Hoffentlich hattest du ein bisschen Spaß, trotz des verfrühten Endes." „Nun, es war... sehr interessant." „..." „Stan?" „Hör mal, wenn es dir nicht gefallen hat, dann sag‘s mir." „Ich möchte aber deine Gefühle nicht verletzen. Außerdem wäre es unhöflich, den Gastgeber auf Mängel hinzuweisen." Stan verdrehte die Augen. „Und wie soll der Gastgeber dann aus seinen Fehlern lernen? Gary, zu allen Menschen nett und freundlich sein zu wollen, das ist lobenswert, aber einfach kritiklos alles zu schlucken, nur weil man die Gefühle sämtlicher Beteiligter schonen will, bringt auf Dauer auch nichts. Man kann es nicht allen recht machen." „Ja, das stimmt vermutlich... doch man kann es versuchen, nicht wahr?" „Das ist hoffentlich nicht dein Ernst?" Stanleys Reaktion erschütterte Gary ein wenig. Bislang hatte er geglaubt, der andere würde seine idealistische Weltsicht teilen, aber er vergaß gern, dass der Schwarzhaarige eine sarkastisch-zynische Seite besaß, die zu Garys Gutgläubigkeit einen starken Gegensatz bildete. Das war ein Aspekt von Stans Persönlichkeit, der ihn abstieß. „Wenn man immer nur versucht, es allen recht zu machen, verliert man das, was man selbst will, aus den Augen, bis man sein Ich irgendwann auch verloren hat. Erzähl‘ mir bloß nicht, dass du dein Leben so ausrichten möchtest, dass sich niemand auf den Schlips getreten fühlt!" „Ich... ich muss jetzt gehen." Damit ergriff Gary die Flucht. Er hatte selten Angst vor Konfrontationen, doch wenn Stan in den „Deadpan Snarker"-Modus wechselte (bei gleichzeitiger Aktivierung des „Sarcasm Mode"), hatte er ihm kaum etwas entgegenzusetzen. Außerdem wollte er nicht mit ihm streiten. »Ich weiß nicht... wenn wir ein Paar wären, könnte ich auch nicht ständig weglaufen, sobald er... sobald er ‚schwierig‘ wird. Ich muss lernen, mit seiner... nun, seiner stachligen Seite besser zurechtzukommen...« Stan sah ihm eine Weile verstimmt nach und kehrte schließlich zu Kyle zurück. Der Rotschopf ließ ihn erst gar nicht zu Wort kommen, sondern sprudelte den Inhalt des Gesprächs, das nach dem Striptease zwischen Cartman und ihm stattgefunden hatte, einfach so hervor. „...Er kennt dich wirklich gut." „Ja. Ist das nicht furchtbar?" „Für dich? Total. Ist sicher nicht angenehm, daran erinnert zu werden, dass man nicht so perfekt ist, wie man sich selbst sieht." „Stan! Wie kannst du so etwas sagen!?" „Ich bin dein bester Freund, ich darf das. Ich muss das sogar. Und jetzt hör auf, mich so mitleidheischend anzuschauen, ich habe nicht die Absicht, dich zu bedauern. Du wirst dich morgen bei Cartman und Kenny entschuldigen." „Bei Kenny will ich mich gern entschuldigen, es tut mir auch sehr leid, was ich gesagt habe, aber bei Cartman? Ich... ich kann nicht richtig mit seinen Gefühlen umgehen." „Du kannst überhaupt nicht mit ihnen umgehen, Kumpel. Ich weiß, das mit euch beiden ist kompliziert, aber es wird nicht besser, wenn du solche Sachen bringst. Wovor hast du eigentlich Angst? Dass ihr womöglich echte Freunde werdet? Gott bewahre, nein! Das kann nicht sein, das darf nicht sein, weil nicht sein kann, was nicht sein darf! Ist das dein Problem?" Kyle zuckte ratlos mit den Schultern. „Keine Ahnung... vermutlich." »Stan hat recht, wovor habe ich Angst? Warum fällt es mir so schwer, Cartmans Liebe zu akzeptieren? Weil ich insgeheim immer noch nicht daran glauben kann?« Ja. Das musste es sein. Sein Misstrauen gegenüber Cartman war zu tief verwurzelt, er konnte seine Gefühle nicht einfach so annehmen und ihre jahrelange, von Hass und Zorn vergiftete Beziehung vergessen. Er konnte nicht an diese Liebe glauben. Und ein Teil von ihm wollte auch gar nicht daran glauben. Eric war indessen fast zu Hause angekommen. Er konnte immer noch nicht fassen, dass er es geschafft hatte, offen vor allen Partygästen zu seinen Gefühlen zu stehen. So unangenehm es für ihn gewesen war, jetzt war er beinahe ein wenig stolz auf sich. Sofern es sein Innenleben betraf, hatte er bisher die Lüge der Wahrheit vorgezogen, denn hinter einer Lüge konnte man sich verstecken. Plötzlich zuckte er zusammen und drehte sich um. Hatte er da nicht gerade etwas gehört? Er hätte schwören können... aber es war niemand zu sehen, nur der Wind rüttelte an den kahl werdenden Ästen der Bäume und trieb Blätter vor sich her. »Ich... ich hab‘ mich wohl getäuscht...« Er setzte seinen Weg fort, hielt jedoch erneut abrupt an, als er wieder ein Geräusch zu hören meinte. Er versuchte, in der Dunkelheit etwas zu erkennen, aber es war sinnlos. Nervosität, fast Angst, stieg in ihm auf, während er in die Stille hinein lauschte. »Ich werde allmählich paranoid! Wer sollte...« In diesem Moment traf ihn ein harter Schlag am Hinterkopf und er verlor das Bewusstsein. Leser: ... *baut eine Schutzvorrichtung, um den fliegenden Tomaten zu entgehen* Leser: Du kannst doch nicht DA aufhören?! Aber ja, ich kann! *finsteres Gelächter* Das ist ein sehr guter Cliffhanger, der in die nächsten drei Kapitel überleitet. Ja, die nächsten drei, denn nach diesem Kapitel folgt meine erste South-Park-Kapitel-Trilogie, die den Episoden-Trilogien der Serie entspricht. Ich hoffe, dass ich das so spannend hinkriege, wie ich es mir vorstelle. Sonstige Kommentare zu diesem Kapitel? Nun, ich mag die kleine Stenny-Szene und das Gespräch zwischen Kyle und Cartman am liebsten. Und falls sich jemand über "Sarcasm Mode" und "Deadpan Snarker" wundert - ich spreche TV Tropes. Für diejenigen unter Euch, die diese Seite noch nicht kennen, hier ist der Link zur englischsprachigen Startseite: http://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/HomePage Das ist der Entry für South Park: http://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/WesternAnimation/SouthPark?from=Main.SouthPark Sicher kennen viele diese Seite schon. Und wenn nicht, na ja, dann schaut einfach mal dort vorbei. Vielen Dank fürs Lesen, wir sehen uns beim nächsten Kapitel, dem Auftakt zur ersten Heartbeat-Trilogie: "The Dark Angel"! Bis dann!^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)