Der Antagonist von Alma ================================================================================ Kapitel 2: Zaphir ----------------- Mit einem lockeren Handschlag hievte Zaphir sein edles Breitschwert über die linke Schulter und ging einfach an ihr vorbei, als gäbe es sie gar nicht. Wie in einem Traum entfernte er sich aus Fuchs Sichtfeld und ließ sie allein mit sich und ihrer Angst, mit all dem Blut und dem Dunkel, das sie über und über bedeckte. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie nicht atmete, dass nicht einmal ihr Herz geschlagen hatte. Panisch riss sie die Augen auf und versuchte nach Luft zu schnappen, doch sie kam nur langsam, quetschte sich widerwillig durch ihre zugeschnürte Kehle und schmerzte bei jedem neuen Atemzug. Ihr Husten wurde lauter und ihre Fingernägel vergruben sich in dem schwarzen Gras unter sich, suchten nach Halt. Doch was ihr tatsächlichen Halt gab waren zwei warme Hände, die sich über ihre Schultern legten und eine Stimme, die sie langsam zurück in die Realität holte. Sajids Stimme. »Geht es dir gut?« Tränen quetschten sich aus ihren Augen und sie wusste nicht, ob es Tränen der Freude oder Tränen der Furcht waren. Sie brauchte noch einen Moment, ehe sich ihr Atem wieder angepasst und ihr Puls sich wieder beschleunigt hatte. Dann nickte sie heftig und drehte sich zu ihm um. Als sie ihn sah, blieb ihr beinahe erneut das Herz stehen. Die Hälfte seines Kopfes und sein gesamter rechter Arm waren bedeckt von dem gleichen schmierig fettigen Blut, das auch an ihr klebte. Die schwarze Materie hatte sein blondes Haar in der Mitte geteilt und machte sein freundliches Gesicht zu einer Fratze des Bösen. Beinahe hätte sie aufgeschrien, doch sie hielt sich davon ab und schluckte den Schrei herunter. Sie sah sein Lächeln darauf. »Sehe ich so gruselig aus, ja?« Hastig senkte Fuchs den Blick wieder und atmete tief durch. Es war vorbei, richtig? Der Kampf war vorbei. Aber warum fühlte sie sich dann so leer, so unfertig und ängstlich? Sie hatte noch immer das Bildnis ihres Gegners vor sich. Manifestiertes Leid, zu einer Form gewordene Angst. Und all das kalte Blut auf sich, das sie besudelte. Sie schüttelte sich und wich Sajids Blick aus, ließ die Augen stattdessen zu den anderen gleiten. Sie konnte sehen wie Berry sich schwungvoll vom Boden erhob und große Schritte auf den Neuankömmling zumachte, ehe er Verona aus dem Augenwinkel entdeckte und stattdessen auf sie zulief. Sie blutete. Monada auf der anderen Seite schien noch mit der Gravitation zu kämpfen, keuchte etwas, als sie versuchte sich zumindest aufzusetzen. Der Stoß hatte ihr die Luft aus den Lungen gepresst. »Verona! Bist du in Ordnung?!« Die schwarzhaarige Frau zischte nur und wandte sich von ihm ab, versuchte langsam aufzustehen. »Ja, alles okay.« Am liebsten hätte Berry ihr unter die Arme gegriffen, sie gestützt. An ihr war doch nicht viel dran. Aber das hätte sie nicht zugelassen, nicht wahr? Innerlich seufzend wandte sich sein Kopf wieder zu dem Neuen. »Oi, wer bist du? Und was glaubst du was du hier machst, huh?« Der große, braungebrannte Mann fuchtelte etwas mit seinem Speer herum, deutete auf seinen Gegenüber. »Das war UNSER Monster! Wir hatten alles im Griff!« Statt jedoch sofort zu antworten, starrte der Schwarzhaarige dem Riesen entgegen, ein leichtes, gehässiges Grinsen auf den Lippen »Hm.« Berry kam einen Schritt näher und schon wieder lud sich die Luft mit negativen Vibrationen auf. Seine Augen glühten förmlich. »Wer bist du, eh?« Der Angesprochene grinste nur weiter vor sich hin, doch ehe Berry wirklich wütend werden konnte, kam eine kurze Antwort. »Ich bin Zaphir.« »Ah ja.« schnaubte sein Gegenüber. »Und was willst du?« Endlich bleckte er die Zähne. »Wäre ein bisschen Dankbarkeit nicht angebracht? Ich habe euch euer wertloses Leben gerettet.« »Wie war das?« »Lass das Berry.« Kam es mit einem bösen Unterton, der keine Widerworte erlaubte von Verona, welche sich ihren blutenden Arm hielt und die beiden Männer ansah. »Du kannst keine Chance gegen ihn.« »Ja, aber...« Der Speerkämpfer knurrte, schmollte beinahe und flüsterte dann nur noch etwas in seinen nicht existenten Bart. »...Platt machen würd ich ihn, den Schönling...« Ihre Anführerin kam langsam näher und in ihren dunklen Augen konnte man ihren Unmut sehen, doch kein Zeichen von Angst. »Du bist ein Schwarzmagier.« Zaphir reagierte nicht darauf, betrachtete sie stattdessen von oben herab, Überheblichkeit deutlich erkennbar. »Dann bist du wohl der Boss hier, Kleine.« »Bist du hier um uns zu töten?« Sie schien gar nicht darauf zu reagieren was er gesagt hatte, die Miene noch genauso steif wie zuvor. » Wollte ich das, wärt ihr schon tot.« Kaum merklich sah er sich zu dem Blonden um, zog die Nase etwas nach oben, als ginge von diesem ein überaus unangenehmer Geruch aus. »Ihr saht so aus, als bräuchtet ihr Hilfe.« Nur ein kleines Zucken konnte man in ihrem Gesicht erkennen, ehe sich ihre Augen noch weiter verdunkelten. »Was willst du von uns?« Sein Blick wandte sich ihr wieder zu, das Grinsen verschwunden. »Ihr wollt zum Antagonisten, richtig? Wir haben das gleiche Ziel.« »Bring mich nicht zu Lachen.« Doch ihr Mund verhärtete sich zu einer scharfen Linie. »Was würde ein Schwarzmagier davon haben gegen den Antagonisten zu kämpfen? Dein Herz ist genauso schwarz wie deine Magie. Glaub nicht, dass du uns verarschen kannst.« »So ein Pech. Und ich dachte, wenn euch euer Leben rette, vertraut ihr mir direkt und ausnahmslos.« Er lachte und es klang gefährlich, wie das Klackern von Krallen eines brutalen Biestes über Stein. »Meinst du etwa, es gefällt mir von jemandem beherrscht zu werden? Mich seiner Macht zu beugen? Streng dein hübsches Köpfchen etwas an.« Daraufhin knurrte Berry wieder, stellte sich direkt neben Verona und war bereit sofort anzugreifen, sollte sie auch nur ein winziges Zeichen geben oder sollte dieser Kerl es wagen sie anzugreifen. Doch Veronas Gesicht veränderte sich nicht einen Deut, gerade so als wäre es fest gefroren, die Augen starr auf seine Gestalt gesetzt. »Du suchst Mitstreiter?« »Nicht direkt. Aber wenn wir schon den gleichen Weg haben, schadet es nichts.« Nur einen kurzen Moment lang musterte sie ihn weiter, ehe sie sich auf dem Absatz umdrehte und schnurstracks zu ihrer Schwester lief, um zu sehen ob sie in Ordnung war. »Kratzbürstig, deine Süße.« Zaphir sah nur kurz zu Berry auf und schenkte auch ihm das Grinsen. »Du....« Während Berry jedes kleinste Bündel Vernunft in sich zusammen suchen musste, den Typ anzuspringen, kam Monada endlich auf die Beine. »Danke, Fremder. Das hätte wirklich böse ausgehen können.« Sie klang erleichtert, freundlich und dankbar. Das entlockte dem großen glatzköpfigen Mann noch mehr Protest. »Monada! Der Kerl-« Doch ehe Berry weiter murren konnte, winkte Monada ihn ab. »Jetzt hab dich doch nicht so.« »Ja, aber... grrrr...« Zaphir hob eine Augenbraue und musterte den Riesen noch einmal abschätzend. So ein Koloss und dabei so ein Waschlappen. »Du stehst gut unter der Fuchtel, hm?« Das wurde Berry dann doch zu viel und er griff nach Zaphirs Kragen, zog ihn etwas zu sich, hob ihn an und wirkte wahrhaft gefährlich. »Ich warne dich, Schwarzmagier!« »Oho, und vor was genau? Wirst du mich in der Tränenflut ertränken, wenn Mami sich an der Leine zurück zieht?« »Das reicht! Mir scheiß egal wer du bist. So ein Großmaul brauchen wir nicht!« Er stieß ihn von sich weg, in der Hoffnung ihn ins Stolpern zu bringen, aber erfolglos. Sobald Berry ihn losgelassen hatte, glitt Zaphir zu Boden, elegant wie ein Blatt im Wind. »Hau ab, bevor ich ungemütlich werde!« »Ungemütlich? Komm her, du machst mich neugierig.« Mit einem bösen Grinsen streckte der Schwarzmagier die Hand aus und lockte mit einem Finger. »Schoßhündchen.« Mit der Faust auf Bruchkurs raste Berry auf ihn zu. »Berry.« Ertönte es plötzlich in einer sanften und ruhigen Stimme hinter ihm. Es war Sajid, der nun auf die beiden zukam und ein kaum zu erahnendes Lächeln auf den Lippen hatte. Seine Stimme allein hatte so viel Nachdruck gehabt ihn aufzuhalten. »Es wäre doch eine Schande, wenn wir uns noch mehr Feinde machen, oder? Es ist nicht so als würden wir keine Hilfe brauchen, dort wo wir hingehen.« Automatisch ließ Berry die Hand sinken, in seinen Augen ein widerwilliges Funkeln. »Hilfe, die spontan in Verrat umschlägt, brauchen wir nicht.« Das brachte nur wieder ein Grinsen auf Zaphirs Gesicht. »Nun, geborgene Sicherheit kann ich euch nicht versprechen. Für Kuscheleinheiten musst du zu deiner Mami gehen.« Ehe Berry sich wieder aufregen konnte, beachtete Zaphir ihn gar nicht mehr sondern sah Sajid entgegen. »Weiße Magie. Deswegen der Geruch.« Darauf lächelte der blonde Mann bloß freundlich. »Vielen Dank, dass du uns geholfen hast, obwohl wir es wirklich auch allein geschafft hätten. Falls du wirklich gegen den Antagonisten kämpfen willst, würde ich mich freuen, wenn du dich uns anschließt.« Das brachte sogleich einen tiefen Protestruf hinter seinem Rücken auf. Verona kam erneut angestapft und warf Sajid einen sauren Blick zu. »Hast du sie noch alle? Dort wo wir hingehen haben wir schon genug schwarze Magie! Wir brauchen nicht auch noch einen zweiten Antagonistenverschnitt!« »Beruhige dich, Süße. Noch nie etwas von "Feuer mit Feuer bekämpfen" gehört?« Scheinbar hatte der Schwarzmagier wirklich seinen Spaß mit ihnen. »Verona hat völlig recht! Das ist Irrsinn!« Endlich stimmte man ihm zu. Berry wollte den Kerl auf keinen Fall dabei haben. Man würde nie wieder ruhig schlafen können. »Ich finde Sajid hat Recht.« kam es leise aber rational von Monada. »Er sagte, er habe den gleichen Weg. Also wird er uns immer wieder begegnen, ob wir das wollen oder nicht. Warum seine Kraft also nicht ausnutzen?« »Hm, du darfst mich gern "ausnutzen".« kam es lachend von Zaphir. Darauf lief das Mädchen prompt rot an. »Ich… ich meinte deine schwarze Magie zu unserem Vorteil nutzen.« »Ich doch auch.« Das Grinsen wurde immer breiter. »Ich werde NICHT mit einem Schwarzmagier reisen!« zischte ihre Anführerin und warf Zaphir einen Blick zu, der nichts weiter in sich hatte als Hass und Verachtung. »Verona.« Versuchte Sajid zu beschwichtigen. Er hob seine Hände abwehrend nach oben und schüttelte den Kopf. »Ich weiß wie du fühlst. Aber meinst du nicht, dass es eine gute Gelegenheit ist? Ihr beherrscht alle keine Magie, Fuchs und ich sind die einzigen. Aber weiter im Inneren des Kreises brauchen wir Magie. Wir brauchen Unterstützung und das weißt du.« Wütend drehte sich die große Frau zu ihm um und blickte hinauf in seine Augen, bleckte die Zähne und ballte die Faust. »Alle schwarze Magie ist abgrundtief böse, das weißt du. Gerade du! Warum bist gerade DU es der mir erzählen will, dass dieser Kerl uns helfen wird anstatt uns an den Antagonisten zu verfüttern! Riechst du nicht die Falle dahinter, Sajid?!« Leise begann er zu seufzen, ehe sie ein winziges Lächeln in seinen Mundwinkeln sah. »Du kennst meine Fähigkeiten und du weißt, dass du mir vertrauen kannst. Schwarze Magie kann mir nichts anhaben und auch euch nicht solange ihr bei mir seid. Wovor hast du Angst? Früher oder später würden wir sowieso in eine seiner Fallen laufen.« Nun lächelte er Zaphir von der Seite an. »Nicht dass ich denke würde du hättest keine guten Absichten.« »Natürlich nicht.« Zaphir grinste nicht mehr, sein Gesicht war starr und undurchdringlich. »Das ist doch Schwachsinn!« brummte Berry vor sich hin. »Selbstmord.« Monada legte einen Arm um Berry's Hüfte, weiter hinauf kam sich nicht, und lächelte ihm entgegen. »Du kannst uns doch beschützen.« »Das werde ich!« meinte er zuversichtlich, stockte dann und grummelte erneut. Das Mädchen wusste genau, wie sie ihn ködern konnte. »Nein!« Voller Zorn schlug Verona Sajids Hand weg, die sich noch immer beschwörend in der Luft befand. In ihren Augen tobte es. »Ich ziehe nicht gegen den Antagonisten in den Kampf um einen anderen, egoistischen Schwarzmagier an die Macht zu verhelfen!« Dann glitt ihr Blick zu Zaphir und war so kalt wie es seine eigene Magie nur sein konnte. »Ich werde dich umbringen. Sobald ich mit dem Antagonist fertig bin, bringe ich dich um. Solange, bis kein einziger Schwarzmagier mehr lebt...« Zaphir zeigte kein Anzeichen, dass es ihn störte oder überhaupt kümmerte. Er stand einfach nur da und sah ihrem Zorn ins Gesicht. »Du hast dir eine Menge vorgenommen. Ein Herz aus Stein und zwei Spielpistolen werden dich aber nicht sehr weit bringen.« »Du wirst schon sehen.« Knurrte sie, ehe sie herum wirbelte und davon ging. Darauf sagte er nichts mehr, sah zurück zu dem Weißmagier. »Da hast du dir aber eine interessante Gruppe gesucht. Sind das die Bauern in deinem Spiel gegen den Antagonisten? Das Opferfleisch?« Etwas überrascht begann Sajid den Kopf zu neigen. »Ich verstehe nicht ganz. Das sind meine Freunde. Alles was ich mir wünsche, ist dass all dieses Chaos aufhört. Ich möchte niemanden opfern und auch nicht, dass es irgendjemand anderes tut.« »Ihr habt alleine keine Chance gegen Antagonisten. Das ist dir klar, nicht wahr?« Es war nicht ersichtlich, was Zaphir eigentlich damit bezwecken wollte. »Davon abgesehen, dass deinen Freunden nicht der Sieg wichtig ist, sondern auf ihre Art und Weise zu kämpfen und zu verlieren.« Bedächtig nickte der blonde Mann. »Wir werden jede Hand brauchen, wenn wir weiter ins Innere vorrücken. Es ist mir persönlich egal wie wir das Ziel erreichen - ich möchte einfach nur, dass der Antagonist für das bezahlt, was er den Menschen angetan hat.« Erneut das kurze, nachdenkliche Nicken. »Ich werde mit ihr reden.« Dann blickte er kurz zu Berry und Monada. »Wir brauchen Hilfe, wir brauchen Magie. Ich kann euch nicht alleine beschützen, wenn es hart auf hart kommt. Versteht ihr das?« Monada nickte zuversichtlich, während Berry ihm nur stumm und grimmig entgegen sah, ehe er seufzte. »Ich vertraue dir Sajid und wenn du meinst, dass er uns helfen kann, dann... kch, von mir aus!« Darauf lächelte der blonde Mann erleichtert und zuversichtlich. »Danke, das bedeutet mir viel. Allerdings...« Und damit wandte er sich wieder zu Zaphir. »...heißt das nicht, dass ich dir vertraue.« »Du wärst dumm, tätest du es. Ich habe einen Ruf zu verteidigen.« Wieder dieses schneidende Grinsen, das Unheil versprach. »Ach ja? Dumm Rumquatschen?!« »Das Vertrauen eines Weißmagiers zu besitzen. Nicht sehr anerkannt in meinen Kreisen.« Zaphir ging gar nicht mehr auf Berry ein, als wäre er unsichtbar, was diesen nur wieder auf 180 brachte. Erneut das sanfte Lächeln seitens Sajids. »Dann sind wir uns wohl einig.« Seine Hand hob sich wieder und streckte sich ihm entgegen. »Nicht wahr?« Ohne Zögern griff dieser nach seiner Hand und lächelte ebenfalls und in gewisser Weise wirkte er wie das finstere Spiegelbild Sajids. »Oh ja.« Nur kurz berührten sich ihre Hände, ehe Sajid sich umdrehte und ohne weitere Worte auf Verona zulief um sie zu heilen. Zaphir sah ihm nach. Als Schwarzmagier mistraute er dem Kerl genauso, wie dieser ihm. Ihm waren diese "Gutmenschen" nicht geheuer. Jeder Mensch trug Dunkelheit in seiner Seele. Und die, die das verdrängten oder verleugneten, waren am gefährlichsten. Plötzlich riss ein kurzes Klatschen ihn aus seinen Gedanken. Monada kam auf ihn zu. »Schön. Dann heiße ich dich willkommen. Ich bin Monada, der Große hier ist Berry und meine Schwester Verona hast du ja auch schon erlebt. Sajid wird sie bestimmt überreden können oh und Fuchs...« Sie sah sich um, bis sie das Mädchen am Boden erkannte und auf sie zulief. »Hey, alles okay bei dir?« Nur verzerrt bekam Fuchs ihr Rufen mit. Sie saß noch immer an genau der gleichen Stelle, inmitten des Kadaver des Monsters, dessen schwarzes Blut das Gras verbrannte und brodelnde Blasen schlug. Ihr ganzer Körper war überdeckt mit schwarzem Blut, dass so kalt war, dass sie zu Zittern begonnen hatte. Doch das bekam sie nur unterschwellig mit. Ihr Blick lag weiterhin auf dem Mann, der sie "gerettet" hatte und der in ihr noch viel mehr Angst schürte als es das Monster getan hatte. Jedes Wort hatte sie gehört, hatte genau zugesehen und sich doch nicht einen Millimeter rühren können. Sie wollte diesen Mann nicht bei sich haben. Sie hatte Angst vor dem, was kommen würde, wenn sie mit einem Schwarzmagier reisten. In diesem Aspekt stimmte sie zum ersten Mal vollkommen mit Verona überein. Noch mehr irritierte sie daher Sajids Verhalten. Er hatte ihm wirklich angeboten mit ihnen zu reisen? Wieso tat er das? Wie konnte er ihre Angst so verraten, sie solch einem großen Risiko aussetzen? Fuchs Atem beschleunigte und ihre Brust hob sich panisch immer wieder an. Wieso?! »Welt an Fuchs, hallo?« Monada fuchtelte wild mit der Hand vor Fuchs' Gesicht herum und packte sie schließlich an den Schultern, versuchte sie hochzuziehen. »Komm schon. Suchen wir uns einen Bach um dich sauber zu bekommen. Das kann ja nicht angenehm sein.« Unbeholfen stolperte sie auf, konnte den Blick jedoch nicht von dem Schwarzmagier nehmen. Sie hörte Monada kaum. In ihren Kopf begann es zu rattern. Sie hyperventilierte bald und klammerte sich deshalb an ihren Verstand. Sajid musste einen Grund haben. Er musste keine Angst vor ihm haben, sonst hätte er sich doch nie darauf eingelassen, oder? Er würde sie doch nicht einer so großen Gefahr ausliefern, oder? Er würde nicht unüberlegt handeln, nicht wahr? Fuchs Atem beruhigte sich langsam bei diesem Gedanken. Ja, Sajid würde nicht so leichtsinnig sein. Er war so ein mächtiger Magier, sie musste einfach in seine Kräfte vertrauen. Endlich riss Fuchs ihre Augen von Zaphir und ihr Blick fiel zu Boden. Noch immer zitterte sie, fror sie wegen all der schwarzen Magie, die sich auf sie ergossen hatte. Nur langsam ließ die Angst nach, als ihr bewusst wurde, dass in diesen Moment keine Gefahr lauerte. Das Monster war tot und selbst dieser Schwarzmagier schien auf Waffenstillstand bedacht. Fuchs musste hart schlucken, als ihre Gedanken wieder zu diesem Mann rutschten. Ein eisiger Schauer rieselte ihren Rücken hinab und schüttelte sie durch. Nein, sie musste keine Angst haben solange Sajid bei ihnen war. Er würde sie beschützen, das hatte er ihr gesagt. Sie waren Freunde und er würde sie vor jeder schwarzer Magie beschützen. Ohne es zu wollen glitten ihre Augen wieder zu Zaphir und als sie ihn erblickten wieder zurück, nur um zuallerletzt wieder auf ihm zu landen. Das schwarzhaarige Mädchen redete noch immer mit ihr, aber scheinbar schien das Mädchen nicht darauf zu reagieren. Sie starrte ihm entgegen, starrte schon die ganze Zeit. Oh, er hatte es bemerkt, aber sie interessierte ihn nicht sonderlich. Im gesamten Kampf hatte sie als Einzige keinen Finger gerührt, war festgefroren gewesen vor Angst. Der Weißmagier hatte behauptet, sie wäre Magiern. Schwer vorstellbar. Aber zumindest sollte er sich vergewissern. Seinen Feind zu kennen war das Wichtigste im Kampf. Ohne große Hoffnung in ihr Talent kam er näher auf die beiden Mädchen zu. Monada wurde langsam ungeduldig, weil Fuchs einfach nicht auf sie reagierte. Schließlich seufzte sie. »Also schön, ich hole meinen Wasserbeutel, dann können wir dich zumindest erst mal etwas abwaschen, ehe wir laufendes Wasser finden.« Sie glitt an Zaphir vorbei, der vor Fuchs zum Stehen kam und mit durchdringendem Blick auf sie herunter blickte. Das rothaarige Mädchen schrak unter seinem Blick heftig zusammen und kauerte sich hilflos in sich selbst zusammen, schob den Kopf zwischen die Schultern, drückte ihn nach unten und starrte nur auf seine Schuhe. Allein seine Gegenwart ließ die Kälte noch schlimmer werden. »Welche Magie magst du also haben?« kam es kalt, beinahe desinterssiert. Er hörte sie leise wispern, stottern, über ihre Worte stolpernd und noch mehr zusammenzuckend. »Wie war das?« Ihre Art irritierte ihn, langweilte ihn aber gleichzeitig. »O...offen... sive...« kam es so leise, dass er es fast nicht verstand. Fast hätte er gelacht. »Offensive?« Seine Finger glitten durch seine Haare, rieben über sein Nasenbein. »Das kann nicht euer ernst sein. Ein großer Affe, eine Prinzessin mit Pfeilen, eine Domina mit Spieleisen, ein Weißmagier und ein Offensivmagier, die nicht einmal den Mund aufbekommt? Und ihr wollt den Antagonisten besiegen? Gott, gleich muss ich wirklich lachen.« »Sie hat erst vor einem Monat ihre Fähigkeit entdeckt.« Als Fuchs Sajids Stimme hörte, atmete sie kaum merklich auf und wagte endlich den Blick zu heben. Er stand neben Zaphir und sah ihn ausdruckslos an, während er sich das schwarze Blut mit einem Handtuch aus den Haaren rubbelte. »Kann sie nicht für sich alleine sprechen? Oder ist das nicht offensive genug?« »Lass sie einfach in Ruhe, ja?« »Deine Freundin?« »Sie ist meine Freundin, ja. Aber nicht so, wie du es dir ausdenken magst.« »Glaub mir, du weißt nicht, was ich mir ausdenken kann.« Der schwarzhaarige Mann grinste ihm süffisant entgegen, wandte sich schließlich ab. »Allerdings ist da ja nichts über das man fantasieren könnte.« Darauf antwortete Sajid nichts, doch Fuchs spürte seine Augen auf ihr und das machte es nicht besser. Sie kam sich so klein und unnütz vor. Sie hatte nicht mal den Mund aufbekommen, stattdessen hatte er ihr helfen müssen. Aber was sollte sie denn tun? Schwarze Magie war tödlich, schwarze Magie war böse, war nicht normal. Keinem Menschen war zu trauen, der schwarze Magie beherrschte - diese Menschen waren abgrundtief böse. Das hatte man ihr ihr ganzes Leben erzählt und es hatte immer wieder gestimmt. Tränen bildeten sich in ihren Augen. Sie hätte niemals hierher kommen dürfen. Das war nicht ihr Platz. Sie war keine große Magierin. Sie war niemand. Und sie würde hier sterben. Als die erste Träne fiel, spürte sie Sajids warme Hände auf ihrer Schulter und hörte seine Stimme, die noch viel wärmer schien. »Lass dich nicht von ihm runter ziehen. Ich weiß, dass du es schaffen kannst. Ich weiß, dass es in dir steckt. Wir brauchen dich, Fuchs. Wir haben sonst niemanden der offensive Magie wirken kann.« Mit aller Macht versuchte sie nicht zu weinen, schluckte die Tränen hart zurück und nickte. Sie glaubte nicht an seine Worte, aber sie ließen sie trotzdem besser fühlen. Seine Hand klopfte einmal auf ihre Schulter. »Komm, wasch dich erst einmal sauber. Du siehst ziemlich gruselig aus, weißt du das?« Der blonde Mann versuchte sie mit einem Lächeln zurück zu holen, aber es gelang ihm nicht. Fuchs blickte direkt in seine Augen und er konnte neben der Angst noch etwas anderes sehen. Etwas, das Fuchs einfach nicht bemerken wollte. Hartnäckigkeit und Zähigkeit. »Warum lässt du ihn bei uns bleiben?« Er seufzte schwer und dann erschien erneut sein Lächeln, das nach Zuhause roch. »Vertrau mir einfach, Fuchs. Wir brauchen jede Hilfe, die wir kriegen können. Und wenn er uns hintergeht... tja...« Das Lächeln wurde zu einem fast schelmischen Grinsen. »Du kennst meine Fähigkeiten. Er nicht.« Langsam nickte Fuchs und ganz langsam kam ein Lächeln auf ihre Lippen. Sie raffte sich auf und versuchte stark zu sein. Zaphir den Rücken zudrehend und ihn nicht mehr beachtend eilte sie zu Monada um sich endlich die Kälte von der Kleidung zu waschen. Sajid hingegen blieb an dem Punkt, wo er stand und blickte ihrem neuen Mitstreiter nach. In seinem Gesicht war ein ernster, nachdenklicher Ausdruck zu sehen, der das Lächeln von zuvor vertrocknen ließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)