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Der Antagonist

von

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Der Aufprall

Eine heftige Explosion riss sie fast von den Füßen und schleuderte zersplittertes Holz und große Brocken Stein in ihrer Richtung, dass sie schmerzhaft aufschrie als sie von ihnen getroffen wurde. Sie hatte die volle Breitseite abbekommen und ihre rechte Schulter fühlte sich so an, als wäre sie gebrochen. Dennoch hielt sie sich mit aller Macht an der bröckelnden Brücke fest und raffte sich wieder auf, stolperte mit getrübter Sicht voran. Die gesamte Halle stürzte ein und bedrohte sie unter sich zu begraben. Von überall hörte sie Schreie, das Krachen der Steine, das gefährliche Rauschen des Wassers, das sich durch das Loch der Explosion wütend seinen Weg hinab suchte und die unteren Ebenen bereits unter Wasser setzte und die Holzstege davon schwemmte. Die schmale Brücke, die sie zum Ausgang bringen sollte war kaum noch begehbar und mit jedem Schritt den sie tat, brach ein weiteres Stück von ihr ab. Die schwarze Magie wütete wie ein losgelassenes dunkles Monster unter ihr und versuchte nach ihr zu greifen. Sie konnte kaum noch atmen.

Neben sich und vor sich hörte sie ihre Freunde rufen und schreien sie solle sich beeilen. Doch Fuchs war weder schnell noch besonders mutig. Am liebsten wäre sie einfach stehen geblieben und hätte sich Antagonists Magie hingegeben, doch sie wollte noch nicht sterben und so hastete sie voran, sprang über Löcher und Steinhaufen und versuchte bei jedem neuen Erdbeben das Gleichgewicht wiederzufinden. Die Magie brüllte hinter ihr und schürte die Angst in ihr noch weiter. Sie waren fast da, der Ausgang war sogar schon zu sehen, doch die Brücke wurde immer enger. Sie konnte kaum noch allein darauf laufen. Rauch füllte die Luft und Schwefel machte sie so sauer, dass man sie kaum einatmen konnte. Und dann kam ein erneutes Erdbeben, das ihr den Halt nahm und sie auf dem dünnen, unebenen Stück Stein ausrutschen ließ. Schreiend begann sie zu fallen und hörte das schwarze Monstrum bereits nach ihr geifern. In eben diesem Moment jedoch spürte sie, wie eine Hand sie auffing und ihr Körper in derselben Bewegung noch gegen den Rest der alten Steinbrücke krachte, dass ihr Schwindel aufkam.

Blinzelnd blickte sie nach oben, in ein Gesicht, das sie nicht erwartet hatte. Es war sein Gesicht, Zaphirs Gesicht. Seine scharfen, gelben Augen und die harten Wangenknochen, die langen glatten schwarzen Haare wild an seinen Wangen vorbei wehend. Fuchs Herz setzte für einen Moment aus, als sie seine Hand in ihrer spürte. Eine Berührung, die mehr sagte als tausend Worte. Sie wollte lächeln, doch dann blieb ihr das Glück im Halse stecken. Denn Zaphir lächelte nicht, sein Gesicht war zu einer bösen Fratze verzerrt, Gefühle die sie nicht zu deuten wusste. Und ehe sie es sich versah, ließ er los.

Fuchs spürte nur noch die Leichtigkeit des Falls, die ihr den Magen umdrehte, spürte die Kälte seiner Hand sich durch ihren Körper fressen und die Gewissheit sich in ihr Herz stechen. Immer und immer wieder, so brutal als wäre sie ein Dolch. Sein hämisch grinsendes Gesicht entfernte sich nur langsam, so langsam wie die Erkenntnis kam. Er hatte sie fallen lassen. Er hatte sie mit Absicht los gelassen. Er wollte ihren Tod. Fuchs Herz beschleunigte als die Erkenntnis endlich vollkommen zu ihr durchdrang. Doch ehe sie auch nur noch einen Gedanken daran verschwenden konnte, versank sie im Dunkel des Rauches und traf auf den harten Stein, der sich nur wenige Duzend Meter unter ihr erhob und ihr das Genick brach.

Fuchs

Ein Gähnen schlich sich aus Fuchs Mund und erwärmte die frische Morgenluft. Nur langsam begann sie ihre Glieder zu strecken und sich umzusehen. Sie war die Letzte, die aus ihrem Schlaf aufwachte – wie immer. Die anderen waren bereits beschäftigt. Sajid und Berry bauten die ersten Zelte ab während Verona und Monada Tee kochten und etwas halbwegs Essbares aus den Resten von Käse, Dörrfleisch und Eiern zubereiten versuchten. Mit einem letzten verträumten Schmatzen schälte sie sich aus dem Zelt und begann ein paar Dehnübungen für ihre eingeschlafenen Beine.

Sajid und Berry warfen ihr ein freundliches „Guten Morgen“ zu, aber die beiden Frauen schienen zu beschäftigt um sie zu bemerken. Sie stritten um das Essen, aber Fuchs interessierte sich zu wenig dafür um ernsthaft zuzuhören. Stattdessen tat das rothaarige Mädchen, was sie immer morgens tat: sie begab sich außer Sichtweite der anderen, einige Meter von ihrem Camp entfernt, und übte. Ihre Fähigkeiten mit dem Dolch hatten sie über Jahre von den Menschen schützen können, aber sie würden ihr nicht gegen das helfen, was sie nun erwarten würde. Magie war nichts, das man mit einem Pfeil oder einer Klinge durchbrechen konnte. Es war erst wenige Wochen her, seit Sajid sie in die Ebenen der Magie eingeführt hatte. Er hatte etwas in ihr gesehen, was sie selbst niemals erahnt hatte. Ein magisches Talent.

Nur wenige auserwählte Menschen hatten magische Fähigkeiten und Fuchs hätte nie gedacht, dass sie dazu gehören würde. Vor nur ein paar Monaten war sie wie jeder andere gewesen, hatte sich nicht von der Menge unterschieden und hatte diejenigen bewundert, welche Dinge vollbrachten, von denen die Menschen nur träumen konnten. Vor nur zwei Monaten war sie eines von hunderten Waisen gewesen, deren Eltern von dem Antagonisten getötet worden waren. Manchmal fiel es dem rothaarigen Mädchen schwer sich zu erinnern, wie lange das schon her war. Sieben Jahre? Ja, das würde wohl passen. Sieben lange Jahre, in denen sie sich als Diebin hatte herum schlagen müssen. Weit abwärts, am Rand des Kontinents, an dem die Magie des Antagonisten schwächer wurde. Hier gab es keine Monster, keine schwarzen Schatten und keinen Tod. Nein, hier gab es nur Menschen und noch mehr Menschen, sie sich panisch an den Küsten horteten, um dem Magier zu entfliehen, der das Salzwasser fürchtete. Manchmal hatte sich Fuchs gefragt, ob es wirklich schlimmer sein konnte, dort wo seine Macht noch mächtiger war, als hier. Hier kämpfte man um sein Leben und die Gier nach Ruhe und nach Essen hatte schon so manchen Mensch mit einem Messer auf sie zustürmen lassen. Also, wie viel schlimmer könnte es dort schon sein?

Sehr viel schlimmer, wusste sie. Resigniert ließ sie sich im Gras nieder und starrte hinab auf ihre Dolche. Sie hatte sich entschlossen in sein Gebiet vorzudringen, doch um dort zu überleben musste man Magie beherrschen. Und sie hatte ihr „Talent“ erst vor einigen Wochen entdeckt. Talent – wenn man das überhaupt so nennen durfte. Zwar spürte sie etwas in sich, um sich herum, wie es in ihren Fingern kitzelte, aber es fiel ihr schwer es zu leiten, es das tun zu lassen, was sie wollte. Sie war ein offensiver Typ, hatte Sajid ihr erklärt. Offensive Magier konnten Waffen mit Zaubern belegen, die ihre Wirkung verstärkten, ihnen einen Reif aus Feuer, aus Eis oder aus Elektrizität geben. Sie konnten Explosionen hervor rufen, konnten ihre Schnelligkeit und ihre physische Kraft erhöhen und waren imstande einen Gegner mit einem Schlag alle Knochen zu brechen – vorausgesetzt dieser Gegner hatte einen Körper. Das alles sollte sie können, aber sie konnte es nicht. Sie bekam einfach nichts davon hin. Das Beste, das sie hatte zustande bringen können, war eine kleine Flamme an ihrem Dolch. Sie war ein Nichtsnutz.

Auch jetzt, nach einer halben Stunde erfolglosem Training, fühlte sie sich nutzlos. Wütend warf sie ihren Dolch vor sich in das Gras, zog ihre Beine zu sich und schlug ihren Kopf verzweifelt gegen ihre Knie, dass es weh tat. Sie war nie dafür gemacht gewesen, nie für etwas Großes bestimmt und doch hatte sie sich an diese Menschen gehängt, um Heldin zu spielen. Aber sie war keine Heldin. Alles was sie war, war ein junges Mädchen, das zu viel Angst vor dem Antagonisten hatte und den Monstern, die er hervor brachte. Sie zeichnete nichts aus, sie war in nichts gut. Ihre Haare waren schulterlang, am Schopf zerstreut und wild gewachsen, zu allen Seiten abstehend und an den unteren Spitzen sanfte Wellen, die sich eng an ihren Hals schmiegten. Ihre Augen waren ein weiches Blau-lila, und ihr rundes Gesicht wurde von einer runden Nase und einem halbrunden Mund vervollständigt. Sie war klein und ihre Stimme war hoch. Sie war weder im Nahkampf noch im Fernkampf, nicht im Zaubern oder gar im Kochen gut. Sie war nicht stark, war nicht schnell, war nicht sonderlich intelligent oder gerissen. Kurzum: sie war ein ganz normales Mädchen, das eine fürchterlich falsche Entscheidung getroffen hatte. Wieso hatte sie sich nur von diesen Menschen überreden lassen mitzukommen? Wie kam sie nur auf diese abstruse Idee, dass sie diesen Leuten helfen konnte den Antagonisten zu besiegen? Das war wirklich einfach nur absurd.
 

»Fuchs.« ertönte es plötzlich hinter ihr und erschreckte sie heftig. Sie hatte ihn nicht näher kommen hören, aber man konnte ihn selten hören, wenn er sich bewegte. Manchmal kam er ihr wirklich vor wie ein Geist. Nur langsam drehte sich das rothaarige Mädchen zu ihm um und versuchte ihre Enttäuschung nicht zu sehr zu zeigen. Vor ihr stand ein mittelgroßer Mann mit strohblonden Haaren, die sich wie Algen um seinen Kopf schlangen und ihm über die Ohren und bis kurz über den Nacken wuchsen. Eine dicke, schwarz umrahmte Brille versteckte seine grauen Augen hinter ihren Gläsern und schaffte es doch nicht seinen Blick weniger penetrant zu machen. Sajid hatte eine Art und Weise jemanden anzusehen, die einen gleichzeitig unwohl und geborgen fühlen ließ. Manchmal hatte Fuchs das Gefühl er schaue ihr direkt in ihre Seele, so tief ging sein Blick. Manchmal fand sie das angenehm, manchmal machte es ihr Angst. Sie wusste nicht, was es dieses Mal in ihr auslöste.

Ein leichtes, stummes Lächeln kam über ihre Lippen, ehe sie den Kopf wieder abwand und auf den Dolch im Gras richtete. Ihre Stimme war leise und ausdruckslos. Sie wollte eigentlich nicht mit ihm reden, aber allein seine Präsenz drückte die Worte aus ihr heraus als wäre sie ein übervolles Fass.

»Hey, seid ihr schon fertig?«

»Ja, wir brechen bald auf. Übst du wieder? Wie geht es voran?«

Seine Stimmlage war tief und ruhig und jedes Mal, wenn sie sie hörte, fühlte sie sich sicher. Sajid war der einzige, dem sie bisher Vertrauen schenken konnte. Die anderen waren alle zuallererst auf sich selbst gerichtet, nur dieser Mann schenkte ihr wirkliche Aufmerksamkeit. Er war es auch gewesen, der sie eingeladen hatte mitzukommen. Der ihr gezeigt hatte, dass sie tatsächlich Magie in ihrem Blut fließen hatte. Er war der selbstloseste und gutmütigste Mensch, den sie jemals gesehen hatte. Und der beste Magier noch dazu. Er konnte Dinge vollbringen, die selbst ihre kühnsten Träume überragten. Seine Magie war weiß wie das Licht und Blau wie die Freundschaft. Er konnte heilen und beschützen, konnte schwarze Magie einfach in Luft auslösen. Und er konnte etwas, von dem sie noch nie gehört hatte. Er konnte die Zeit zurückdrehen – wenn auch nur für eine Minute. Sajid war alles, was sie nicht war und noch viel mehr. Und dennoch blickte er nicht auf sie herab, sondern ermunterte sie immer wieder nicht aufzugeben. Vielleicht war sie auch nur mitgekommen, um bei ihm zu bleiben.

»Ich bekomme es einfach nicht hin.« erwiderte Fuchs resignierend und ließ den Dolch auf dem Boden sich einmal im Kreis drehen. »…Egal was ich versuche, ich fühle es einfach nicht. Es tut nicht, was ich will. …Manchmal habe ich das Gefühl, dass da gar nichts in mir ist.«

»Oh Fuchs.« Nun hockte er sich zu ihr herunter und lächelte sie mit diesem ruhigen, warmherzigen Lächeln an, das ihr Herz etwas höher schlagen ließ. »Gib nicht so schnell auf. Magie benötigt Zeit und Ruhe. Du musst es ruhig angehen lassen, du musst dich hineinsinken lassen, als wäre es Wasser. Komm her…« Sie spürte, dass er ihre Hand nahm und zusammen mit ihr den Dolch vor ihr aufnahm. »Schließ die Augen und halte den Atem an.«
 

Als sie es tat, spürte sie seinen Atem an ihrem Ohr und wie sich seine Stimme durch ihr Gehirn fraß und eine Welle aus heißem Blut durch ihre Adern schickte. »Du kannst es fühlen. So heiß, wie Feuer. Reinigend und doch tödlich. Ein Schlag, der brennt, Rauch und Schwefel… so rot wie deine Haare. Spürst du es, Fuchs?«

Sie schluckte hart und spürte es tatsächlich. In ihrem Innersten brannte es, sie brach in Hitze aus und selbst ihr Atem sprühte wie Feuer. Ihre Muskeln begannen zu zittern. »J-ja…«

Sein linker Daumen drückte sich an ihre Schläfe, zog eine brennende, langsame Linie herab über ihren Hals, ihre Schultern, ihre Arme, bis hinab in ihre Finger. Es brannte so sehr, dass sie fürchtete zu verbrennen. Doch sie tat es nicht, stattdessen spürte sie ein heftiges Brodeln in ihren Fingerkuppen. »Genauso. Und nun denke an den Dolch.«

Sie tat es und mit einem Mal war das Brennen verschwunden – nur noch ein fader Rest von der Hitze schäumte noch durch ihre Venen, wie ein Echo an jeder Biegung zurück prallend. Erschrocken öffnete sie die Augen und bemerkte, dass der Dolch in ihrer Hand Feuer gefangen hatte. Es züngelte wie ein lebendiges Wesen an seiner Klinge entlang und versuchte nach etwas zu greifen. Ihre Hand jedoch blieb unberührt. Voller Überraschung schnappte sie nach Luft und starrte auf ihr Werk, während Sajid sich wieder von ihr entfernte und lächelte.

»Siehst du? Es ist in dir.«

Nachdem ihr Herzschlag sich wieder beruhigt hatte, zog sie die Unterlippe nach vorn und starrte unsicher auf den Stahl vor sich. »Es ist dein Werk, nicht meines.«

Sie spürte seine Hand in ihrem Schopf, wie er ihr Haar noch mehr durcheinander brachte. »Habe Geduld, es wird kommen. Du musst nur daran glauben.«

Glaube, was? Sie hatte den Glauben längst aufgegeben. Sie hatte die Hoffnung an Gott aufgegeben, als ihre Eltern von dem Antagonisten hingerichtet wurden. Sie hatte aufgehört zu beten, als sie zu stehlen begonnen hatte, um überhaupt noch etwas essen zu können. Sie hatte nicht mehr geglaubt, seit die zerstörten Gesichter der Menschen gesehen hatte, die aus dem Inneren des Kontinents kamen – aus seinem Herrschaftsbereich. Wie konnte sie also noch glauben? Ihr Kopf sank ab.
 

»Komm schon, wir brechen auf. Wir haben noch einen langen Weg vor uns.«

Ohne Worte tat das rothaarige Mädchen, wie ihm befohlen wurde. Sie sammelte ihre Dolche ein und verstaute sie sicher in den Taschen an ihrem Gürtel und an ihrem Bein. Dann folgte sie dem blonden Mann zurück zum Camp, wo die anderen schon warteten. Berry, der große braungebrannte und muskelbepackte Mönch, dessen bester Freund sein großer Kolbenspeer war; Verona, die Anführerin der Gruppe mit ihrem schulterlangen schwarzen Haar und ihren beiden Pistolen und ihre kleine Schwester Monada, ein hübsches Mädchen mit langen, aalglatten schwarzen Haaren, die ihr streng geschnitten über den Körper flossen. Der Mann und das hübsche Mädchen schenkten ihnen ein Lächeln, doch Verona hatte nur eine strenge Miene für sie übrig. Fuchs hatte sie noch nie lächeln sehen und manchmal fragte sie sich ob sie das überhaupt konnte.

Verona und ihre Schwester hatten ihre Eltern ebenso wie sie verloren, vor vielen Jahren, als der Antagonist die Welt mit seinen Schatten erobert hatte. Jeder, der sich ihm widersetzt hatte, war gestorben. Seine schwarze Magie hatte ganze Städte verwüstet, hatte Tote wiederaufleben lassen, hatte Gewitter heraufbeschworen und die Erde aufbrechen lassen. Er hatte Menschen hingerichtet, sie versteinert, sie zu Staub zerfallen lassen, sie verbrannt oder sie vergiftet – zumindest erzählte man sich dies. Alles mit der Macht der Magie. Sajid hatte ihr erzählt, dass ein Mensch nur den Zauber wirken konnte, der in seinen Adern schlummert. Dass ein Mensch nur das zaubern konnte, was er wirklich war. Was für ein Mensch musste der Antagonist also sein, um so etwas hervorbringen zu können? Wie viel Hass und Verachtung musste er spüren, um solche Magie zu wirken? Fuchs war froh, dass sie keine Schwarzmagierin war. Nicht, dass sie deswegen glaubte sie könne „ihre“ Magie dafür besser.
 

Vor einem Monat hatte sie diese Gruppe in der Hafenstadt von Oyaka getroffen. Sie waren einfach in eine Bar hineingerannt und hatten laut und deutlich verkündet, dass sie gegen den Antagonisten ziehen würden, um ihn ein für alle Mal das Handwerk zu legen. Fuchs erinnerte sich gut – die Hälfte der Leute hatte ihnen schallend entgegen gelacht, die andere Hälfte hatte allein bei dem Namen des Bösen die Flucht ergriffen. Sie allerdings hatte zugehört. Obwohl von den vieren nur Sajid zaubern konnte, waren sie mutig genug in die schwarzen Gebiete hervor zu dringen. Auch wenn ihr das imponiert hatte, hatte sie es doch für dumm gehalten. Niemand konnte gegen den Schwarzmagier ankommen, insbesondere niemand der keine Magie beherrschte. Eigentlich hatte sie sich abwenden wollen, doch sie hatte es nicht gekonnt. Sajid hatte sie angesehen – die ganze Zeit nur sie.

Letztendlich hatte sich niemand der kleinen Partie angeschlossen und die Vier wurden unter Schimpfworten und fliegenden Gläsern aus dem Pub verjagt. Fuchs hatte sich unbemerkt aus der anderen Tür der Kneipe gestohlen. Sie hatte damit nichts zu tun haben wollen. Es musste wohl so etwas wie Schicksal gewesen sein, dass sie sich Sajids Blick letztendlich doch nicht hatte entziehen können. Auf dem Weg zurück zu ihrer Unterkunft in einer engen Seitengasse der Stadt war sie in den Mann gerannt, den sie am Tag zuvor bestohlen hatte. Sie hatte nicht genug Zeit gehabt ihm zu entkommen, der dicke Mann hatte sie einfach am Arm gepackt und ausgeholt. Doch in dem Moment, als der Schlag sie hatte treffen sollen, hatte der Mann geschrien und war wie ein Ball von ihr zurück geprallt. Sie selbst hatte ein blaues Schimmern umgeben, wie eine zweite Haut, dass ihr das Herz in die Hose gerutscht war.

Ein physischer Abwehrzauber, wusste sie nun. Ein Zauber, der jede Berührung, jeden Schlag, jede Waffe zurück katapultierte. Sajid hatte sie damit belegt, um sie zu schützen. Er war zwischen sie und den Mann getreten und hatte ihr in die Augen gesehen. Hatte in ihr Innerstes gesehen, als würde er sie aushöhlen wollen. Sie hatte sich so nackt gefühlt in diesem Moment, ausgebeutet und verängstigt, als hätte er tatsächlich ihre Gedanken, ihre Vergangenheit lesen können. Und dann hatte er etwas getan, das sie überhaupt nicht erwartet hätte. Er hatte gelächelt. Dieses warme Lächeln, das sie wie ein Zuhause anfühlte.

Dann war alles viel zu schnell gegangen. Er hatte sie seinen Freunden vorgestellt und ihnen erklärt, dass er sie endlich gefunden hätte. Vollkommen verdattert hatte sie dagestanden und zugehört, wie er von magischen Fähigkeiten redete, die sie nie zuvor gehabt hatte, wie er davon redete, dass sie ihnen helfen könnte, obwohl sie das nie vorgehabt hatte. Und nun war sie hier. Warum? War es die Neugier nach etwas, das sie zu etwas Besonderem machte, zu einer echten Magierin? War es die Überdrüssigkeit des Lebens an der Küste und ihren zerstörten, kranken Menschen, die jeden Tag starben und geboren wurden nur um erneut viel zu schnell zu sterben? War es der Wunsch nach Rache an dem Antagonisten? Oder war es das Versprechen, das Sajids Augen ihr jedes Mal gaben, wenn sie in sie hineinsah – das Versprechen eines Zuhauses? Fuchs hatte es nicht gewusst und wusste es auch jetzt nicht. Aber nun war sie hier und es war zu spät, um sich noch einmal umzuentscheiden.

Zuerst hatten die drei Anderen sie mit Vorsicht behandelt, hatten sie nur in ihre Gruppe zugelassen, weil Sajid ihnen das Versprechen auf eine wertvolle Mitstreiterin gegen die Magie des Bösen gab. Inzwischen waren Berry und Monada ein wenig aufgetaut. Nur Verona schien sie gar nicht zu beachten – aber sie schien niemanden besonders zu beachten. Sie sah Fuchs nie direkt in die Augen, aber selbst wenn sie die ihren nur aus dem Augenwinkel sah, konnte sie sehen, was in ihnen verborgen lag. Nichts weiter als die blutdurstigen Rachegedanken und eine solche Beharrlichkeit und Ausdauer, wie sie es noch nie gesehen hatte. Diese Frau schien nur noch für eines zu leben: für ihre Rache an dem Antagonisten.

Nichtsdestotrotz war sie ihre Anführerin und jeder befolgte ihre Befehle. Sie war geschickter mit ihren Schusswaffen, als jeder andere, den sie je gesehen hatte. Sie war klug und durchtrieben und hatte etwas in ihrer Stimme, das keine Widerworte zuließ. Ihre Schwester war hingegen ganz anders. Monada war herzlich und sanft und innerlich genauso schön wie äußerlich. Sie lachte oft und lächelte immer und versuchte Tag um Tag ihrer großen Schwester etwas Ruhe auf die angespannten Züge zu zaubern. Bisher hatte sie keinen Erfolg gehabt. Berry ergänzte Monada auf eine perfekte Art und Weise, dass Fuchs die dunkle Aura ihrer Anführerin vergessen konnte. Sie mochte die lockere Art, wie er die Dinge anging, wie ihm nichts Angst zu machen schien und wie er jede Gefahr mit einem Lachen zum Schweigen brachte. Er war stark und überaus geschickt mit seinem Speer und wenn er lachte, bebte der Boden. In seinen dunklen Augen war die gleiche Wärme, wie sie sie in Sajids fand – nur impulsiver und unbarmherziger. Sie hatte begonnen ihn zu mögen.
 

Veronas harte Stimme riss Fuchs aus ihren Gedanken und zog sie zurück in das Jetzt. Der scharfe Blick aus ihren eisig blauen Augen ließ keine Zeit ihr zu widersprechen. »Wir brechen auf.«

Hastig sammelte Fuchs ihr restliches Hab und Gut zusammen und schwang es sich in einem kleinen Rucksack über die Schultern. Sie gesellte sich an Sajids und Berrys Seite, während Monada in einem Gang, der wie ein Tanz aussah, versuchte mit ihrer Schwester Schritt zu halten und sie in ein Gespräch zu verwickeln. Auch damit schien das hübsche junge Mädchen keinen Erfolg zu haben. Die beiden Männer neben ihr schwiegen darauf nur.

Fuchs hatte gar nicht erst versucht Kontakt mit ihrer Anführerin aufzunehmen, sie war kein Mensch der offenherzig auf andere zuging. Stattdessen hatte sie zuerst einmal beobachtet und ihre Kameraden zu analysieren versucht – eine alte Angewohnheit aus den Straßen Oyakas. Der große braungebrannte Mann und Monada schienen vertrauenswürdig und ehrlich, nur über Verona konnte sie sich partout kein Bild machen. Fuchs versuchte ihre Gedanken in eine andere Richtung zu lenken und genoss stattdessen in der Mitte zweier Männer zu laufen, neben denen sie sich nicht fürchten musste. Diese Art von Sicherheit hatte sie lange vermisst und stürzte sich nun übermütig in die Endorphine, die sie auslösten. Sie wusste, dass diese trügerische Sicherheit bald vorbei war.

Die Gruppe hatte innerhalb eines Monats bereits viel hinter sich gelassen. Die Küstenregionen waren weit weg und je näher sie der Mitte des Kontinents kamen, umso penetranter wurde das Gefühl beobachtet zu werden. Menschen und Dörfer sah man hier kaum noch und selbst die Tiere verhielten sich anders, als man es gewöhnt war. Die Schattenländer waren nah, die Grenze zum innersten Kreis seines Herrschaftsgebietes. Ab dort, das wusste sie, würde sich alles ändern. Der Tod würde ihnen auf Schritt und Tritt folgen und sie für jeden Fehler richten. Ihr Herz begann sich in ihrer Brust schmerzhaft zusammenzuziehen, als sie daran dachte. Sie war längst nicht bereit dafür. Sie konnte ihre Magie doch noch nicht einmal anwenden! Sie würde sterben, sobald sie in den inneren Ring trat. Sie war einfach nicht dafür gemacht eine Heldin zu sein.

Doch die Angst vor dem Tod konnte sie längst nicht mehr lähmen. Sie hatte sie die letzten sieben Jahre begleitet – warum sollte sie nun also in der Lage sein etwas zu ändern? Fuchs hatte sich mit ihrer Furcht arrangiert, hatte mit ihr zu leben gelernt und sie akzeptiert. Und dennoch war dieses Gefühl ein anderes als all die Male zuvor. Sie kroch ihr bis unter die Haut und begann sie auszuhöhlen. Ihr Tod lauerte dort auf sie, wartete nur darauf, dass sie sich in sein Maul begab. Und sie würde es tun, nur um dem wahren Leben, dort draußen an der Küste, zu entgehen. Um sich der Illusion hinzugeben etwas verändern zu können.
 

Die Sonne neigte sich dem letzten Drittel ihres Weges zu, als die Gruppe in ein Tal stieß, das an seinen Rändern mit großen Bäumen besetzt war, deren Wurzeln wie Finger nach dem Grasland griffen und seine Oberfläche zerfetzten, große Spalten der Zerstörung in sie rissen. Es wirkte beinahe wie ein Gladiatorium, so eingezäunt von hohen Bäumen war die ovale Grasfläche in der Mitte, fast so als wäre hier vor langer Zeit ein Meteorit gelandet. Fuchs strengte ihre Augen an, um die Umgebung auszuspähen, doch sie sah nichts Ungewöhnliches. Nichts, was einen Angst zu machen brauchte zumindest. Selbst wenn sie auch hier das Gefühl hatte beobachtet zu werden. Der Gedanke rieselte ihr kalt den Rücken hinab und lähmte für einen Moment ihren Schritt. Ehe sie jedoch etwas sagen konnte, stürmte ihre Anführerin bereits davon und watete hinab in das Tal, den Blick erbarmungslos nach vorn gerichtet.

Sie ließ der Gruppe keine Zeit um stehen zu bleiben. Berry und Monada tauschten einen wissenden, unsicheren Blick aus und folgten Verona auf Schritt und Tritt. Sajid und Fuchs blieben einen Moment lang zurück, der Blick prüfend auf dem Tal gelegen.

»Mir gefällt das nicht.« wisperte Fuchs endlich.

Sie spürte sein Lächeln, selbst wenn sie es nicht sah. »Du spürst die Magie des Ortes, dass etwas näher kommt.« Doch dann versiegte seine Freude. »Mir geht es ganz ähnlich. Etwas ist hier.«

Das rothaarige Mädchen schluckte so hart, dass sie beinahe ihre Zunge verschluckt hätte. Die Angst streckte ihre Finger nach ihr aus und riss an ihrem Verstand, doch Fuchs drängte sie angestrengt zurück. Gerade als sie den ersten Schritt machen wollte, spürte sie Sajids warme Hand auf ihrer Schulter und schreckte zurück, als sie das angenehme Prickeln fühlte, das seinem Zauber inne wohnte. Von der Stelle aus, an der er sie berührt hatte, schlängelte sich nun ein blauer Schimmer über ihren Körper und ließ sie sich kalt und einsam fühlen. Defensive Magie, ein Schutzschild gegen physische Attacken. Fuchs schluckte und ließ ihre angstzerissenen Augen zu dem blonden Mann gleiten. Sein Lächeln war längst vergangen, er nickte ihr nur noch zu und setzte sich dann in Bewegung. Sie selbst brauchte einige Sekunden, ehe sie sich endlich überreden konnte ihm zu folgen.

Als die beiden Magier endlich zu ihren Gefährten aufgeschlossen hatten, schrak ein Schwarm tiefschwarzer Vögel aus einem angrenzenden Baum auf und ergoss sich krächzend in den nahenden Sonnenuntergang. Ein leichtes Beben ertönte, die Erde begann sich zu bewegen und ein Donnern lag in der Luft als hätte jemand den Schall überwunden. Verona und ihre Schwester blieben stehen, während Berry sich bereits kampfbereit machte. Aus dem Augenwinkel sah sie wie die beiden Schwestern ihre Waffen zogen und Sajid begann die gleichen Abwehrzauber auf die Anderen zu wirken. Und dann, schneller als es ihr lieb war, tauchte etwas aus dem Wald aus, das ihren Körper vollkommen der Angst übergab.
 

Mit einem dumpfen, tiefen Blöken das an einen Hirsch erinnerte, trat ein Koloss zwischen den Bäumen hervor und stampfte direkt auf sie zu. Es wirkte nicht menschlich und doch war es der Körper eines Menschen, der auf sie zukam. Riesig, aufrecht auf den Beinen laufend, mit einem Bauch und zwei Armen, mit annähernd so vielen Muskeln ausgestattet wie mit Haaren. Ein Fell überspannte seinen Körper, ähnlich der rauen Haut eines Büffels und eine Mähne wie bei einem Pferd hatte sich tief in seinen Rücken geschnitten und reichte bis hinauf zu seinem Kopf. Die Augen leuchteten gelb und furchterregend und das Maul war voller scharfer ebenso gelber Zähne, die sich knirschend aneinander rieben, als das Monstrum seine Beute erkannte.

Fuchs Magen drehte sich um und sie war kurz davor sich zu übergeben. Es war nicht die Gestalt, die ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ, sondern sein trauriges, schmerzerfülltes Heulen und die Gewissheit, was es wirklich war. Ein unschuldiges Tier, vielleicht auch ein Mensch, übernommen von dunkler Magie, eine Mutation aus Hass, Angst und Verzweiflung. Eines der Monster des Antagonisten. Sie hatte viele Geschichten über die Schattenländer gehört und sie wusste, dass es egal war ob diese stimmten oder nicht. Was sie hier vor sich sah, war echt - es war das, was aus einem Menschen werden konnte, wenn er sich dem Hass ergab und sich in seinem Schmerz suhlte. Es war pures Leid, das eine physische Form angenommen hatte.
 

Verona und Monada waren die ersten, die in den Angriff übergingen. Der erste Schuss der Pistole ertönte zeitgleich mit dem Zischen des Pfeiles aus Monadas Bogen. Und in dem Moment als sie ihr Ziel trafen, rammte Berry seinen Speer gegen das Bein des Kolosses, auf dass dieser stöhnend und wütend in die Knie ging und mit seiner gewaltigen Pranke nach ihm schlug. Mit nur einem einzigen geschickten Sprung wich der braungebrannte Mann dem Angriff aus und setzte sogleich erneut zu einem Angriff an. Weitere Schüsse ertönten und ein Hagel aus Pfeilen segelte auf das Monster herab, das Fleisch bereits an duzenden Stellen durchbohrt und heraus gerissen. Doch statt Blut leckte nur eine schwarze, dicke Flüssigkeit aus seinen Wunden, die das Gras verbrannte, als es zu Boden tropfte. Entsetzt starrte Fuchs dem Schauspiel entgegen und konnte sich nicht bewegen. Sie war starr vor Angst. Sie stand einfach nur am Rand, während die anderen kämpften und sich Befehle zu schrien, mit jedem Angriff etwas mehr Schaden verursachend. Ihre Beine wollten sich einfach nicht bewegen.

Plötzlich ertönte erneut das Erdbeben und die Luft begann zu erzittern, als der Koloss das Maul öffnete und einen schmerzhaften Schrei ausstieß. Er war in so einer hohen Frequenz, dass Fuchs glaubte ihr Trommelfell würde heraus gesprengt, war so laut, dass nicht einmal ihre Hände über ihren Ohren den Schmerz dämpfen konnten. Ihr wurde schwindlig und je länger das Jaulen ging, desto weniger Kraft spürte sie in ihren Beinen. Kraftlos sank sie zu Boden, die Hände noch immer gegen ihre Schläfen gepresst und schrie. Sie schrie all ihren Schmerz heraus und hoffte so, die Angst zu verdrängen. Doch ihr Wunsch erfüllte sich nicht. Stattdessen bebte die Erde so sehr, dass es in ihren Knochen nachbebte. Jemand schrie und dann ertönte ein Schlag, der den Boden aufriss und Fuchs beinahe in seinen Schlund gerissen hätte. Das Mädchen öffnete ihre Augen, aber es ging alles viel zu schnell. Sie erkannte, dass Berry und Monada wenige Duzend Meter neben ihr lagen und schwer aufkeuchten, konnte Verona sehen wie sie sich den blutenden Arm hielt und Sajid, der auf sie zulief. Und vor sich den Koloss, seine Augen auf ihre kleine Gestalt gelehnt, den Arm ausholend und mit dem gewaltigen Bein auf den Fleck zielen, auf dem sie stand. Sie hatte nicht einmal mehr Zeit zu schreien.
 

Der Boden erbebte so schlimm, wie nie zuvor, als sein massiger Körper fiel und noch mehr der Grasnarbe aufriss. Sie spürte heißes Blut und kalte Finsternis auf sie hinab regnen, sie vollkommen bedecken und ertränken. Ihr Körper war umrahmt von Dunkelheit, die Hände schmierig von dem Blut des Kolosses und ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Neben ihr lag der Körper des Monstrums, links seine rechte Körperhälfte, rechts seine linke – einfach entzwei geschnitten wie ein Stück Butter. Sie kniete in seinem Tod, war über und über bedeckt mit dunkler Magie, die kälter war als jedes Eis. Und vor ihr stand ein Mann, genauso dunkel wie ebendiese Magie. Gekleidet in schwarzen Stoff, die dunklen Haare glatt und bis zu seiner Schlüsselbein in feinen Linien über seine Schultern fallend, vom Ansatz bis zu den Spitzen hin gerahmt von blutroten Strähnen. Seine stechend gelben Augen auf sie gerichtet, bis oben angefüllt mit Arroganz, Unmut und Dunkelheit. Und ein Lächeln, so böse wie sie es noch nie gesehen hatte.

Zaphir

Mit einem lockeren Handschlag hievte Zaphir sein edles Breitschwert über die linke Schulter und ging einfach an ihr vorbei, als gäbe es sie gar nicht. Wie in einem Traum entfernte er sich aus Fuchs Sichtfeld und ließ sie allein mit sich und ihrer Angst, mit all dem Blut und dem Dunkel, das sie über und über bedeckte. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie nicht atmete, dass nicht einmal ihr Herz geschlagen hatte. Panisch riss sie die Augen auf und versuchte nach Luft zu schnappen, doch sie kam nur langsam, quetschte sich widerwillig durch ihre zugeschnürte Kehle und schmerzte bei jedem neuen Atemzug. Ihr Husten wurde lauter und ihre Fingernägel vergruben sich in dem schwarzen Gras unter sich, suchten nach Halt. Doch was ihr tatsächlichen Halt gab waren zwei warme Hände, die sich über ihre Schultern legten und eine Stimme, die sie langsam zurück in die Realität holte. Sajids Stimme.

»Geht es dir gut?«

Tränen quetschten sich aus ihren Augen und sie wusste nicht, ob es Tränen der Freude oder Tränen der Furcht waren. Sie brauchte noch einen Moment, ehe sich ihr Atem wieder angepasst und ihr Puls sich wieder beschleunigt hatte. Dann nickte sie heftig und drehte sich zu ihm um. Als sie ihn sah, blieb ihr beinahe erneut das Herz stehen. Die Hälfte seines Kopfes und sein gesamter rechter Arm waren bedeckt von dem gleichen schmierig fettigen Blut, das auch an ihr klebte. Die schwarze Materie hatte sein blondes Haar in der Mitte geteilt und machte sein freundliches Gesicht zu einer Fratze des Bösen. Beinahe hätte sie aufgeschrien, doch sie hielt sich davon ab und schluckte den Schrei herunter. Sie sah sein Lächeln darauf.

»Sehe ich so gruselig aus, ja?«
 

Hastig senkte Fuchs den Blick wieder und atmete tief durch. Es war vorbei, richtig? Der Kampf war vorbei. Aber warum fühlte sie sich dann so leer, so unfertig und ängstlich? Sie hatte noch immer das Bildnis ihres Gegners vor sich. Manifestiertes Leid, zu einer Form gewordene Angst. Und all das kalte Blut auf sich, das sie besudelte. Sie schüttelte sich und wich Sajids Blick aus, ließ die Augen stattdessen zu den anderen gleiten.

Sie konnte sehen wie Berry sich schwungvoll vom Boden erhob und große Schritte auf den Neuankömmling zumachte, ehe er Verona aus dem Augenwinkel entdeckte und stattdessen auf sie zulief. Sie blutete. Monada auf der anderen Seite schien noch mit der Gravitation zu kämpfen, keuchte etwas, als sie versuchte sich zumindest aufzusetzen. Der Stoß hatte ihr die Luft aus den Lungen gepresst.

»Verona! Bist du in Ordnung?!«

Die schwarzhaarige Frau zischte nur und wandte sich von ihm ab, versuchte langsam aufzustehen. »Ja, alles okay.«

Am liebsten hätte Berry ihr unter die Arme gegriffen, sie gestützt. An ihr war doch nicht viel dran. Aber das hätte sie nicht zugelassen, nicht wahr? Innerlich seufzend wandte sich sein Kopf wieder zu dem Neuen. »Oi, wer bist du? Und was glaubst du was du hier machst, huh?« Der große, braungebrannte Mann fuchtelte etwas mit seinem Speer herum, deutete auf seinen Gegenüber. »Das war UNSER Monster! Wir hatten alles im Griff!«

Statt jedoch sofort zu antworten, starrte der Schwarzhaarige dem Riesen entgegen, ein leichtes, gehässiges Grinsen auf den Lippen »Hm.«

Berry kam einen Schritt näher und schon wieder lud sich die Luft mit negativen Vibrationen auf. Seine Augen glühten förmlich. »Wer bist du, eh?«

Der Angesprochene grinste nur weiter vor sich hin, doch ehe Berry wirklich wütend werden konnte, kam eine kurze Antwort. »Ich bin Zaphir.«

»Ah ja.« schnaubte sein Gegenüber. »Und was willst du?«

Endlich bleckte er die Zähne. »Wäre ein bisschen Dankbarkeit nicht angebracht? Ich habe euch euer wertloses Leben gerettet.«

»Wie war das?«

»Lass das Berry.« Kam es mit einem bösen Unterton, der keine Widerworte erlaubte von Verona, welche sich ihren blutenden Arm hielt und die beiden Männer ansah. »Du kannst keine Chance gegen ihn.«

»Ja, aber...« Der Speerkämpfer knurrte, schmollte beinahe und flüsterte dann nur noch etwas in seinen nicht existenten Bart. »...Platt machen würd ich ihn, den Schönling...«

Ihre Anführerin kam langsam näher und in ihren dunklen Augen konnte man ihren Unmut sehen, doch kein Zeichen von Angst. »Du bist ein Schwarzmagier.«
 

Zaphir reagierte nicht darauf, betrachtete sie stattdessen von oben herab, Überheblichkeit deutlich erkennbar. »Dann bist du wohl der Boss hier, Kleine.«

»Bist du hier um uns zu töten?« Sie schien gar nicht darauf zu reagieren was er gesagt hatte, die Miene noch genauso steif wie zuvor.

» Wollte ich das, wärt ihr schon tot.« Kaum merklich sah er sich zu dem Blonden um, zog die Nase etwas nach oben, als ginge von diesem ein überaus unangenehmer Geruch aus. »Ihr saht so aus, als bräuchtet ihr Hilfe.«

Nur ein kleines Zucken konnte man in ihrem Gesicht erkennen, ehe sich ihre Augen noch weiter verdunkelten. »Was willst du von uns?«

Sein Blick wandte sich ihr wieder zu, das Grinsen verschwunden. »Ihr wollt zum Antagonisten, richtig? Wir haben das gleiche Ziel.«

»Bring mich nicht zu Lachen.« Doch ihr Mund verhärtete sich zu einer scharfen Linie. »Was würde ein Schwarzmagier davon haben gegen den Antagonisten zu kämpfen? Dein Herz ist genauso schwarz wie deine Magie. Glaub nicht, dass du uns verarschen kannst.«

»So ein Pech. Und ich dachte, wenn euch euer Leben rette, vertraut ihr mir direkt und ausnahmslos.« Er lachte und es klang gefährlich, wie das Klackern von Krallen eines brutalen Biestes über Stein. »Meinst du etwa, es gefällt mir von jemandem beherrscht zu werden? Mich seiner Macht zu beugen? Streng dein hübsches Köpfchen etwas an.«

Daraufhin knurrte Berry wieder, stellte sich direkt neben Verona und war bereit sofort anzugreifen, sollte sie auch nur ein winziges Zeichen geben oder sollte dieser Kerl es wagen sie anzugreifen. Doch Veronas Gesicht veränderte sich nicht einen Deut, gerade so als wäre es fest gefroren, die Augen starr auf seine Gestalt gesetzt. »Du suchst Mitstreiter?«

»Nicht direkt. Aber wenn wir schon den gleichen Weg haben, schadet es nichts.«

Nur einen kurzen Moment lang musterte sie ihn weiter, ehe sie sich auf dem Absatz umdrehte und schnurstracks zu ihrer Schwester lief, um zu sehen ob sie in Ordnung war.

»Kratzbürstig, deine Süße.« Zaphir sah nur kurz zu Berry auf und schenkte auch ihm das Grinsen.

»Du....« Während Berry jedes kleinste Bündel Vernunft in sich zusammen suchen musste, den Typ anzuspringen, kam Monada endlich auf die Beine.

»Danke, Fremder. Das hätte wirklich böse ausgehen können.« Sie klang erleichtert, freundlich und dankbar.

Das entlockte dem großen glatzköpfigen Mann noch mehr Protest. »Monada! Der Kerl-«

Doch ehe Berry weiter murren konnte, winkte Monada ihn ab. »Jetzt hab dich doch nicht so.«

»Ja, aber... grrrr...«

Zaphir hob eine Augenbraue und musterte den Riesen noch einmal abschätzend. So ein Koloss und dabei so ein Waschlappen. »Du stehst gut unter der Fuchtel, hm?«

Das wurde Berry dann doch zu viel und er griff nach Zaphirs Kragen, zog ihn etwas zu sich, hob ihn an und wirkte wahrhaft gefährlich. »Ich warne dich, Schwarzmagier!«

»Oho, und vor was genau? Wirst du mich in der Tränenflut ertränken, wenn Mami sich an der Leine zurück zieht?«

»Das reicht! Mir scheiß egal wer du bist. So ein Großmaul brauchen wir nicht!« Er stieß ihn von sich weg, in der Hoffnung ihn ins Stolpern zu bringen, aber erfolglos. Sobald Berry ihn losgelassen hatte, glitt Zaphir zu Boden, elegant wie ein Blatt im Wind. »Hau ab, bevor ich ungemütlich werde!«

»Ungemütlich? Komm her, du machst mich neugierig.« Mit einem bösen Grinsen streckte der Schwarzmagier die Hand aus und lockte mit einem Finger. »Schoßhündchen.«

Mit der Faust auf Bruchkurs raste Berry auf ihn zu.
 

»Berry.« Ertönte es plötzlich in einer sanften und ruhigen Stimme hinter ihm. Es war Sajid, der nun auf die beiden zukam und ein kaum zu erahnendes Lächeln auf den Lippen hatte. Seine Stimme allein hatte so viel Nachdruck gehabt ihn aufzuhalten. »Es wäre doch eine Schande, wenn wir uns noch mehr Feinde machen, oder? Es ist nicht so als würden wir keine Hilfe brauchen, dort wo wir hingehen.«

Automatisch ließ Berry die Hand sinken, in seinen Augen ein widerwilliges Funkeln. »Hilfe, die spontan in Verrat umschlägt, brauchen wir nicht.«

Das brachte nur wieder ein Grinsen auf Zaphirs Gesicht. »Nun, geborgene Sicherheit kann ich euch nicht versprechen. Für Kuscheleinheiten musst du zu deiner Mami gehen.« Ehe Berry sich wieder aufregen konnte, beachtete Zaphir ihn gar nicht mehr sondern sah Sajid entgegen. »Weiße Magie. Deswegen der Geruch.«

Darauf lächelte der blonde Mann bloß freundlich. »Vielen Dank, dass du uns geholfen hast, obwohl wir es wirklich auch allein geschafft hätten. Falls du wirklich gegen den Antagonisten kämpfen willst, würde ich mich freuen, wenn du dich uns anschließt.«

Das brachte sogleich einen tiefen Protestruf hinter seinem Rücken auf. Verona kam erneut angestapft und warf Sajid einen sauren Blick zu. »Hast du sie noch alle? Dort wo wir hingehen haben wir schon genug schwarze Magie! Wir brauchen nicht auch noch einen zweiten Antagonistenverschnitt!«

»Beruhige dich, Süße. Noch nie etwas von "Feuer mit Feuer bekämpfen" gehört?« Scheinbar hatte der Schwarzmagier wirklich seinen Spaß mit ihnen.

»Verona hat völlig recht! Das ist Irrsinn!« Endlich stimmte man ihm zu. Berry wollte den Kerl auf keinen Fall dabei haben. Man würde nie wieder ruhig schlafen können.

»Ich finde Sajid hat Recht.« kam es leise aber rational von Monada. »Er sagte, er habe den gleichen Weg. Also wird er uns immer wieder begegnen, ob wir das wollen oder nicht. Warum seine Kraft also nicht ausnutzen?«

»Hm, du darfst mich gern "ausnutzen".« kam es lachend von Zaphir.

Darauf lief das Mädchen prompt rot an. »Ich… ich meinte deine schwarze Magie zu unserem Vorteil nutzen.«

»Ich doch auch.« Das Grinsen wurde immer breiter.

»Ich werde NICHT mit einem Schwarzmagier reisen!« zischte ihre Anführerin und warf Zaphir einen Blick zu, der nichts weiter in sich hatte als Hass und Verachtung.
 

»Verona.« Versuchte Sajid zu beschwichtigen. Er hob seine Hände abwehrend nach oben und schüttelte den Kopf. »Ich weiß wie du fühlst. Aber meinst du nicht, dass es eine gute Gelegenheit ist? Ihr beherrscht alle keine Magie, Fuchs und ich sind die einzigen. Aber weiter im Inneren des Kreises brauchen wir Magie. Wir brauchen Unterstützung und das weißt du.«

Wütend drehte sich die große Frau zu ihm um und blickte hinauf in seine Augen, bleckte die Zähne und ballte die Faust. »Alle schwarze Magie ist abgrundtief böse, das weißt du. Gerade du! Warum bist gerade DU es der mir erzählen will, dass dieser Kerl uns helfen wird anstatt uns an den Antagonisten zu verfüttern! Riechst du nicht die Falle dahinter, Sajid?!«

Leise begann er zu seufzen, ehe sie ein winziges Lächeln in seinen Mundwinkeln sah. »Du kennst meine Fähigkeiten und du weißt, dass du mir vertrauen kannst. Schwarze Magie kann mir nichts anhaben und auch euch nicht solange ihr bei mir seid. Wovor hast du Angst? Früher oder später würden wir sowieso in eine seiner Fallen laufen.« Nun lächelte er Zaphir von der Seite an. »Nicht dass ich denke würde du hättest keine guten Absichten.«

»Natürlich nicht.« Zaphir grinste nicht mehr, sein Gesicht war starr und undurchdringlich.

»Das ist doch Schwachsinn!« brummte Berry vor sich hin. »Selbstmord.«

Monada legte einen Arm um Berry's Hüfte, weiter hinauf kam sich nicht, und lächelte ihm entgegen. »Du kannst uns doch beschützen.«

»Das werde ich!« meinte er zuversichtlich, stockte dann und grummelte erneut. Das Mädchen wusste genau, wie sie ihn ködern konnte.

»Nein!« Voller Zorn schlug Verona Sajids Hand weg, die sich noch immer beschwörend in der Luft befand. In ihren Augen tobte es. »Ich ziehe nicht gegen den Antagonisten in den Kampf um einen anderen, egoistischen Schwarzmagier an die Macht zu verhelfen!« Dann glitt ihr Blick zu Zaphir und war so kalt wie es seine eigene Magie nur sein konnte. »Ich werde dich umbringen. Sobald ich mit dem Antagonist fertig bin, bringe ich dich um. Solange, bis kein einziger Schwarzmagier mehr lebt...«
 

Zaphir zeigte kein Anzeichen, dass es ihn störte oder überhaupt kümmerte. Er stand einfach nur da und sah ihrem Zorn ins Gesicht. »Du hast dir eine Menge vorgenommen. Ein Herz aus Stein und zwei Spielpistolen werden dich aber nicht sehr weit bringen.«

»Du wirst schon sehen.« Knurrte sie, ehe sie herum wirbelte und davon ging.

Darauf sagte er nichts mehr, sah zurück zu dem Weißmagier. »Da hast du dir aber eine interessante Gruppe gesucht. Sind das die Bauern in deinem Spiel gegen den Antagonisten? Das Opferfleisch?«

Etwas überrascht begann Sajid den Kopf zu neigen. »Ich verstehe nicht ganz. Das sind meine Freunde. Alles was ich mir wünsche, ist dass all dieses Chaos aufhört. Ich möchte niemanden opfern und auch nicht, dass es irgendjemand anderes tut.«

»Ihr habt alleine keine Chance gegen Antagonisten. Das ist dir klar, nicht wahr?« Es war nicht ersichtlich, was Zaphir eigentlich damit bezwecken wollte. »Davon abgesehen, dass deinen Freunden nicht der Sieg wichtig ist, sondern auf ihre Art und Weise zu kämpfen und zu verlieren.«

Bedächtig nickte der blonde Mann. »Wir werden jede Hand brauchen, wenn wir weiter ins Innere vorrücken. Es ist mir persönlich egal wie wir das Ziel erreichen - ich möchte einfach nur, dass der Antagonist für das bezahlt, was er den Menschen angetan hat.« Erneut das kurze, nachdenkliche Nicken. »Ich werde mit ihr reden.« Dann blickte er kurz zu Berry und Monada. »Wir brauchen Hilfe, wir brauchen Magie. Ich kann euch nicht alleine beschützen, wenn es hart auf hart kommt. Versteht ihr das?«

Monada nickte zuversichtlich, während Berry ihm nur stumm und grimmig entgegen sah, ehe er seufzte. »Ich vertraue dir Sajid und wenn du meinst, dass er uns helfen kann, dann... kch, von mir aus!«

Darauf lächelte der blonde Mann erleichtert und zuversichtlich. »Danke, das bedeutet mir viel. Allerdings...« Und damit wandte er sich wieder zu Zaphir. »...heißt das nicht, dass ich dir vertraue.«

»Du wärst dumm, tätest du es. Ich habe einen Ruf zu verteidigen.« Wieder dieses schneidende Grinsen, das Unheil versprach.

»Ach ja? Dumm Rumquatschen?!«

»Das Vertrauen eines Weißmagiers zu besitzen. Nicht sehr anerkannt in meinen Kreisen.« Zaphir ging gar nicht mehr auf Berry ein, als wäre er unsichtbar, was diesen nur wieder auf 180 brachte.

Erneut das sanfte Lächeln seitens Sajids. »Dann sind wir uns wohl einig.« Seine Hand hob sich wieder und streckte sich ihm entgegen. »Nicht wahr?«

Ohne Zögern griff dieser nach seiner Hand und lächelte ebenfalls und in gewisser Weise wirkte er wie das finstere Spiegelbild Sajids. »Oh ja.«

Nur kurz berührten sich ihre Hände, ehe Sajid sich umdrehte und ohne weitere Worte auf Verona zulief um sie zu heilen. Zaphir sah ihm nach. Als Schwarzmagier mistraute er dem Kerl genauso, wie dieser ihm. Ihm waren diese "Gutmenschen" nicht geheuer. Jeder Mensch trug Dunkelheit in seiner Seele. Und die, die das verdrängten oder verleugneten, waren am gefährlichsten.
 

Plötzlich riss ein kurzes Klatschen ihn aus seinen Gedanken. Monada kam auf ihn zu. »Schön. Dann heiße ich dich willkommen. Ich bin Monada, der Große hier ist Berry und meine Schwester Verona hast du ja auch schon erlebt. Sajid wird sie bestimmt überreden können oh und Fuchs...« Sie sah sich um, bis sie das Mädchen am Boden erkannte und auf sie zulief. »Hey, alles okay bei dir?«

Nur verzerrt bekam Fuchs ihr Rufen mit. Sie saß noch immer an genau der gleichen Stelle, inmitten des Kadaver des Monsters, dessen schwarzes Blut das Gras verbrannte und brodelnde Blasen schlug. Ihr ganzer Körper war überdeckt mit schwarzem Blut, dass so kalt war, dass sie zu Zittern begonnen hatte. Doch das bekam sie nur unterschwellig mit. Ihr Blick lag weiterhin auf dem Mann, der sie "gerettet" hatte und der in ihr noch viel mehr Angst schürte als es das Monster getan hatte. Jedes Wort hatte sie gehört, hatte genau zugesehen und sich doch nicht einen Millimeter rühren können. Sie wollte diesen Mann nicht bei sich haben. Sie hatte Angst vor dem, was kommen würde, wenn sie mit einem Schwarzmagier reisten. In diesem Aspekt stimmte sie zum ersten Mal vollkommen mit Verona überein. Noch mehr irritierte sie daher Sajids Verhalten. Er hatte ihm wirklich angeboten mit ihnen zu reisen? Wieso tat er das? Wie konnte er ihre Angst so verraten, sie solch einem großen Risiko aussetzen? Fuchs Atem beschleunigte und ihre Brust hob sich panisch immer wieder an. Wieso?!

»Welt an Fuchs, hallo?« Monada fuchtelte wild mit der Hand vor Fuchs' Gesicht herum und packte sie schließlich an den Schultern, versuchte sie hochzuziehen. »Komm schon. Suchen wir uns einen Bach um dich sauber zu bekommen. Das kann ja nicht angenehm sein.«

Unbeholfen stolperte sie auf, konnte den Blick jedoch nicht von dem Schwarzmagier nehmen. Sie hörte Monada kaum. In ihren Kopf begann es zu rattern. Sie hyperventilierte bald und klammerte sich deshalb an ihren Verstand. Sajid musste einen Grund haben. Er musste keine Angst vor ihm haben, sonst hätte er sich doch nie darauf eingelassen, oder? Er würde sie doch nicht einer so großen Gefahr ausliefern, oder? Er würde nicht unüberlegt handeln, nicht wahr? Fuchs Atem beruhigte sich langsam bei diesem Gedanken. Ja, Sajid würde nicht so leichtsinnig sein. Er war so ein mächtiger Magier, sie musste einfach in seine Kräfte vertrauen.

Endlich riss Fuchs ihre Augen von Zaphir und ihr Blick fiel zu Boden. Noch immer zitterte sie, fror sie wegen all der schwarzen Magie, die sich auf sie ergossen hatte. Nur langsam ließ die Angst nach, als ihr bewusst wurde, dass in diesen Moment keine Gefahr lauerte. Das Monster war tot und selbst dieser Schwarzmagier schien auf Waffenstillstand bedacht. Fuchs musste hart schlucken, als ihre Gedanken wieder zu diesem Mann rutschten. Ein eisiger Schauer rieselte ihren Rücken hinab und schüttelte sie durch. Nein, sie musste keine Angst haben solange Sajid bei ihnen war. Er würde sie beschützen, das hatte er ihr gesagt. Sie waren Freunde und er würde sie vor jeder schwarzer Magie beschützen. Ohne es zu wollen glitten ihre Augen wieder zu Zaphir und als sie ihn erblickten wieder zurück, nur um zuallerletzt wieder auf ihm zu landen.
 

Das schwarzhaarige Mädchen redete noch immer mit ihr, aber scheinbar schien das Mädchen nicht darauf zu reagieren. Sie starrte ihm entgegen, starrte schon die ganze Zeit. Oh, er hatte es bemerkt, aber sie interessierte ihn nicht sonderlich. Im gesamten Kampf hatte sie als Einzige keinen Finger gerührt, war festgefroren gewesen vor Angst. Der Weißmagier hatte behauptet, sie wäre Magiern. Schwer vorstellbar. Aber zumindest sollte er sich vergewissern. Seinen Feind zu kennen war das Wichtigste im Kampf. Ohne große Hoffnung in ihr Talent kam er näher auf die beiden Mädchen zu.

Monada wurde langsam ungeduldig, weil Fuchs einfach nicht auf sie reagierte. Schließlich seufzte sie. »Also schön, ich hole meinen Wasserbeutel, dann können wir dich zumindest erst mal etwas abwaschen, ehe wir laufendes Wasser finden.« Sie glitt an Zaphir vorbei, der vor Fuchs zum Stehen kam und mit durchdringendem Blick auf sie herunter blickte.

Das rothaarige Mädchen schrak unter seinem Blick heftig zusammen und kauerte sich hilflos in sich selbst zusammen, schob den Kopf zwischen die Schultern, drückte ihn nach unten und starrte nur auf seine Schuhe. Allein seine Gegenwart ließ die Kälte noch schlimmer werden.

»Welche Magie magst du also haben?« kam es kalt, beinahe desinterssiert.

Er hörte sie leise wispern, stottern, über ihre Worte stolpernd und noch mehr zusammenzuckend.

»Wie war das?« Ihre Art irritierte ihn, langweilte ihn aber gleichzeitig.

»O...offen... sive...« kam es so leise, dass er es fast nicht verstand.

Fast hätte er gelacht. »Offensive?« Seine Finger glitten durch seine Haare, rieben über sein Nasenbein. »Das kann nicht euer ernst sein. Ein großer Affe, eine Prinzessin mit Pfeilen, eine Domina mit Spieleisen, ein Weißmagier und ein Offensivmagier, die nicht einmal den Mund aufbekommt? Und ihr wollt den Antagonisten besiegen? Gott, gleich muss ich wirklich lachen.«

»Sie hat erst vor einem Monat ihre Fähigkeit entdeckt.« Als Fuchs Sajids Stimme hörte, atmete sie kaum merklich auf und wagte endlich den Blick zu heben. Er stand neben Zaphir und sah ihn ausdruckslos an, während er sich das schwarze Blut mit einem Handtuch aus den Haaren rubbelte.

»Kann sie nicht für sich alleine sprechen? Oder ist das nicht offensive genug?«

»Lass sie einfach in Ruhe, ja?«

»Deine Freundin?«

»Sie ist meine Freundin, ja. Aber nicht so, wie du es dir ausdenken magst.«

»Glaub mir, du weißt nicht, was ich mir ausdenken kann.« Der schwarzhaarige Mann grinste ihm süffisant entgegen, wandte sich schließlich ab. »Allerdings ist da ja nichts über das man fantasieren könnte.«

Darauf antwortete Sajid nichts, doch Fuchs spürte seine Augen auf ihr und das machte es nicht besser. Sie kam sich so klein und unnütz vor. Sie hatte nicht mal den Mund aufbekommen, stattdessen hatte er ihr helfen müssen. Aber was sollte sie denn tun? Schwarze Magie war tödlich, schwarze Magie war böse, war nicht normal. Keinem Menschen war zu trauen, der schwarze Magie beherrschte - diese Menschen waren abgrundtief böse. Das hatte man ihr ihr ganzes Leben erzählt und es hatte immer wieder gestimmt. Tränen bildeten sich in ihren Augen. Sie hätte niemals hierher kommen dürfen. Das war nicht ihr Platz. Sie war keine große Magierin. Sie war niemand. Und sie würde hier sterben.

Als die erste Träne fiel, spürte sie Sajids warme Hände auf ihrer Schulter und hörte seine Stimme, die noch viel wärmer schien. »Lass dich nicht von ihm runter ziehen. Ich weiß, dass du es schaffen kannst. Ich weiß, dass es in dir steckt. Wir brauchen dich, Fuchs. Wir haben sonst niemanden der offensive Magie wirken kann.«

Mit aller Macht versuchte sie nicht zu weinen, schluckte die Tränen hart zurück und nickte. Sie glaubte nicht an seine Worte, aber sie ließen sie trotzdem besser fühlen. Seine Hand klopfte einmal auf ihre Schulter.

»Komm, wasch dich erst einmal sauber. Du siehst ziemlich gruselig aus, weißt du das?« Der blonde Mann versuchte sie mit einem Lächeln zurück zu holen, aber es gelang ihm nicht. Fuchs blickte direkt in seine Augen und er konnte neben der Angst noch etwas anderes sehen. Etwas, das Fuchs einfach nicht bemerken wollte. Hartnäckigkeit und Zähigkeit.

»Warum lässt du ihn bei uns bleiben?«

Er seufzte schwer und dann erschien erneut sein Lächeln, das nach Zuhause roch. »Vertrau mir einfach, Fuchs. Wir brauchen jede Hilfe, die wir kriegen können. Und wenn er uns hintergeht... tja...« Das Lächeln wurde zu einem fast schelmischen Grinsen. »Du kennst meine Fähigkeiten. Er nicht.«

Langsam nickte Fuchs und ganz langsam kam ein Lächeln auf ihre Lippen. Sie raffte sich auf und versuchte stark zu sein. Zaphir den Rücken zudrehend und ihn nicht mehr beachtend eilte sie zu Monada um sich endlich die Kälte von der Kleidung zu waschen. Sajid hingegen blieb an dem Punkt, wo er stand und blickte ihrem neuen Mitstreiter nach. In seinem Gesicht war ein ernster, nachdenklicher Ausdruck zu sehen, der das Lächeln von zuvor vertrocknen ließ.

Die Tunnel von Xephirot

Seit dem Tag, an welchem sie dem Monster begegnet waren und Zaphir sich der Gruppe angeschlossen hatte, waren sechs weitere Tage vergangen. Fuchs verstand gar nicht wie schnell die Zeit hatte vorbei gehen können, wo sie doch von Tag zu Tag unruhiger wurde, paranoider wurde. Es verging inzwischen keine Minute mehr, in der sie ihre Sinne nicht schärfte, indem sie nicht über ihre Schulter sah, in der ihr Herz nicht bei jedem kleinen Geräusch zu schreien begann. Eigentlich war Fuchs kein Angsthase gewesen. Sie hatte sieben Jahre lang an der Küste überlebt und das nicht mit Betteln oder dem Verkauf ihres Körpers. Sie hatte mit der Angst zu leben gelernt, hatte sie als ständige Begleiterin gehabt. Und doch war dies hier eine andere Hand, die sich um ihren Hals schlang. Etwas viel tieferes, etwas viel bedrohlicheres. Nein, diese Angst war wie eine Vorahnung, wie die Angst vor der Dunkelheit, vor dem Aufprall, wenn man fiel. Sie hatte so viele Geschichten gehört und jetzt, als sie den Schattenländern näher kamen, glaubte sie zum ersten Mal an diese Mythen.

Hier starb niemand, hier war niemand tot. Hier gab es nur ewiges Leiden, nur ewiges Sterben aber kein Ende. Sie hatte einige Menschen getroffen, die aus dem innersten Kreis an die Küste geflohen waren. Falls man sie noch Menschen hätte nennen dürfen. Es war als wäre ihnen die Seele ausgesaugt worden, als wandle der Körper nur noch aus Reflex. Diese Menschen waren nicht gefährlich gewesen, sie waren einfach nur da gewesen. Zerstörte Gesichter, Augen aus denen alles Leben geschnitten war, ein stetiges Lallen im Mund, ein Flüstern, ein Schreien. Zusammengekrümmt wie unter Schmerzen, zitternd vor Furcht, weinend und wimmernd. Aber das waren nicht die schlimmsten gewesen. Nein, am meisten hatte sich Fuchs vor denjenigen gefürchtet, die nichts gesagt hatten. Die einfach nur an einem Fleck standen und sie angesehen haben, durch sie hindurch gesehen haben, als würden sie bis tief in ihr Innerstes schauen. Als würde sich ihre menschliche Haut abpellen und die Schlange, die ihre Häutung vollzogen hatte, sich durch ihren Mund in ihre Kehle schlängeln und sie von oben bis unten mit Tod füllen. Ohne, dass sie jemals hätte sterben können. Fuchs hatte es gefühlt, als wäre sie es selbst gewesen, die jenes Schicksal getroffen hätte. Und es waren die wenigen Augenblicke in Fuchs Leben gewesen, in denen sie erleichtert gewesen war, dass jemand getötet wurde. Denn keiner dieser "Menschen" erreichte wirklich das Wasser des Meeres - die Bewohner erschlugen sie noch auf der Stelle. Zu groß war die Furcht, dass der Antagonist sie als Spione gebrauchte, dass sie kamen um zu morden und den Einfluss seiner Schatten noch weiter auszudehnen.

Doch selbst die Angst, die sie damals an der Küste vor diesen "Menschen" gehabt hatte, war nichts im Vergleich zu dem, was sie jetzt befiel. Sie wusste nicht genau woher sie kam, aber sie war ständig hinter ihr, war zu ihrem Schatten geworden und ließ sie nachts nicht mehr schlafen, flüsterte immer wieder dieselben unverständlichen Worte in ihr Ohr, die sie frösteln ließen. Sie wusste, dass etwas vor ihnen lag, das sie zerstören würde, dass sie in die Tiefen der menschlichen Seele hinab steigen würden, vielleicht um niemals wieder das Tageslicht zu sehen. Und wenn doch, dann niemals mehr mit den gleichen Augen wie zuvor.
 

Die Landschaft machte das Ganze nicht besser. Je weiter sie sich auf den äußersten Ring zubewegten, desto öder wurde es, desto grauer wurde das Grün der Bäume und der Wiesen, desto fahler und trüber das Wasser in den Seen und desto kälter das Wetter. Einige der Bäume waren nur noch karge Zweige im Wind und knarrten bei jeder Böe wie die Dielen auf einem Schiff im Sturm. Nebel füllte in den Morgenstunden die Luft und versperrte die Sicht, Wolken verdunkelten am Tag den Himmel und ließen keinen einzigen Sonnenstrahl hinab auf die vertrocknete Erde.

In all den sechs Tagen ihrer Reise hatten sie zumindest das Glück gehabt keinem Wesen des Antagonisten mehr zu begegnen. In der Tat trafen sie nichts und niemanden. Keine Vögel oder Schlangen, keine Mäuse oder Hasen, nicht einmal Spuren im Staub konnten sie erkennen. Das einzige, das sie ab und zu sahen, war ein Schwarm schwarzer Vögel über ihren Köpfen, die nach ihnen krächzten.

Der Proviant wurde langsam knapp, aber es war nicht so, dass Fuchs Hunger nicht gewöhnt war. Sie begnügte sich mit einem kleinen Stück Brot und etwas getrocknetem Fleisch am Tag - sie konnte sowieso kaum etwas herunter bringen. Nicht wenn sie dem äußeren Kreis so schnell näher kamen.

Zwischen Zaphir und dem Rest der Gruppe herrschte noch immer eisige Kälte. Zwar hatte Sajid Verona mit Müh und Not überzeugen können, dass der Schwarzmagier ihnen lebend mehr brachte als tot, aber das ließ die Anführerin nicht freundlicher ihm gegenüber werden. Die meiste Zeit über versuchte sie ihn zu ignorieren, doch wenn sie ihn ansah, dann nur mit einer noch schlimmeren Verachtung in den Augen, als sie es sonst hatte.

Jede Nacht, wenn sie das Lager aufschlugen, machte Verona unmissverständlich klar, dass er gehörigen Abstand halten solle, wenn ihm sein Leben lieb sei. Fuchs war das nur allzu recht, da auch sie ihm in den letzten Tagen nicht mehr Vertrauen entgegen hatte bringen können. Nein, vielleicht war es wirklich eher die Angst die sie hinderte sich ihm neutral zu nähern. Auch wenn Sajid ihr erklärt hatte, dass er kein böser Mensch sein musste, nur weil er schwarze Magie beherrschte, konnte sie diese Gedanken nicht abschütteln. Etwas war dort in seinem Herzen, das die Magie hervor brachte, etwas das sie frösteln ließ. Andererseits musste sie oft an sich selbst denken. Sie sollte offensive Magie beherrschen, aber sie war alles andere als der offensive Typ. Davon ausgehend konnte es tatsächlich sein, dass Zaphir eine gute Seite hatte. Und wenn er sich gegen den Antagonisten auflehnen wollte, war das nicht schon Grund genug ihm zu vertrauen? Zumindest so weit, dass sie keine Angst davor haben musste nachts im Schlaf ermordet zu werden?

Sie wollte nicht länger darüber nachdenken. Mit jedem Tag waren die Schattenländer näher gekommen und das was dort verborgen lag war viel Schlimmer als alles, was Zaphir vollbringen konnte. Niemand besaß eine Macht wie der Antagonist. Seine Fähigkeiten waren einzigartig. Die meisten Schwarzmagier konnten Feuer und Blitz beherrschen, doch dort endete meist ihre Macht. Antagonist hingegen hatte alle Grenzen gesprengt und eine Magie produziert, die schwärzer war als die Nacht. Oft unterschieden sich die Kräfte von Schwarzmagiern nicht so stark von den Menschen, die offensive Magie beherrschen konnten. Die Macht des Antagonisten jedoch hatte etwas hervor gebracht, was niemand sonst jemals gesehen hatte. Tiefschwarze, brodelnde Lava, Krankheiten, lebende Tote, Monster und Orte, an denen man den Verstand verlor. Niemand wusste genau woher diese Magie kam und ob dieser eine Magier wirklich so stark war das ganze riesige Gebiet seiner Magie beeinflussen zu können, aber eines stand fest: es existierte und es war sein Werk allein.

Der Gedanke daran ließ Fuchs frösteln. Sie hob den Kopf an und bemerkte mit einem harten Schlucken, dass das Gebirge, auf das sie die letzten Wochen zugehalten hatte, näher gekommen war. Sie waren fast da. Auf dieser Seite des Kontinents markierte das Gebirge den äußersten Ring und wenn man es durchquerte, kam man bis zu innersten Ring, wo der Antagonist lebte. Sie hatten keine Wahl gehabt, dies war der einzige Weg zu ihrem Ziel. Doch allein der Anblick ließ das rothaarige Mädchen ein weiteres Mal frösteln. Vor ihnen, nur wenige Kilometer entfernt, lag der "Eingang" zum Berg. Ein großes in den Stein gehauenes Portal, dessen linker Rahmen abgestürzt war und dessen Trümmer den Boden säumten. Es führte in das Innerste des Berges, durch Tunnel in eine der ältesten Städte des Kontinents. De lira die unterirdische Stadt in Bauche des Bergs Xephirot.
 

Niemand wusste, ob es die Stadt überhaupt noch gab, ob die Tunnel funktionierten und was in seinem Innersten lag. Niemand hatte seit sieben Jahren einen Fuß hinein gesetzt, denn sein Eingang war gleichzeitig der Eingang zu den Schattenländern. Der Pfad, den sie nun dorthin nahmen, war eine enge Schlucht, an dessen obersten Hängen karge Bäume sich im Wind drehten und ächzten, an deren Ästen Geier saßen und auf sie hinab blickten und an dessen Seiten Steinbrocken hinab bröselten. Es war totenstill auf ihrem Weg und der Eingang kam immer näher.

Immer wieder sah Fuchs aus dem Augenwinkel zu den anderen. Sajid wirkte vollkommen unberührt, er hatte schon seit Tagen diesen apathischen Blick auf seinem Gesicht, den sie einfach nicht zu deuten wagte. Er hielt alles zurück, was die anderen beunruhigen könnte, das wusste sie. Und obwohl Fuchs sich Sorgen machte und es ihre Angst nicht auch nur ein Stück minderte, schöpfte sie doch aus seiner Kraft ihre eigene. Sie hatte ein wenig geübt, doch ihre Fähigkeit wollte noch immer nicht das tun, was sie wollte. Erschöpft blickte sie weiter, zu Verona, deren Blick so kalt und eisig war wie an jedem anderen Tag. Sie blickte nur nach vorn, reagierte nicht auf Worte, nicht einmal auf ihren Namen. Alles was sie sah, war der Eingang, der sie ihrer Rache ein Stück näher brachte.

Monada sah ihrem Weg direkt entgegen, der Ausdruck ruhig, ein bisschen ängstlich, aber zuversichtlich. Sie war nicht so weit gekommen, um jetzt umzukehren. Und ganz ähnlich wirkte Berry. Seine Hände zitterten fast vor Tatendrang. Die Angst, die unterschwellig in ihm pochte, wurde gänzlich ignoriert. Er zertrümmerte wirklich alles, was ihm im Weg war. Und wenn es seine eigenen Unzulänglichkeiten waren. Völlig unberührt hingegen war Zaphir. Er kam ihr so vor, als unternehme er einen Sonntagsspaziergang.
 

Es dauerte nur noch etwa eine halbe Stunde, ehe die Gruppe endlich vor dem Portal zum Stehen kam. Von Nahem was es noch viel kolossaler als aus der Ferne. Die Bögen des Portals schienen an die zehn Meter hoch, obwohl wenn man hinein sah sogleich klar war, dass der Tunnel in den Berg kleiner gebaut worden war. Das Tor zur antiken Stadt sollte imposant sein und von der Stärke seiner Bewohner zeugen. Als die Magier die Köpfe allerdings in den Nacken legten um sich den Stolz eines untergegangenen Volkes anzusehen, spürten sie kaum etwas von dem antiken Glanz einer längst vergangenen Zeit. Die Gänge, die hinter dem Tor im Dunkeln lauerten, waren so undurchdringlich, dass sie nicht einmal mehr die Hand vor Augen sehen würden. Und aus dem Innersten des Berges trat ein kühler Lufthauch, der sie zu sich ziehen versuchte. Man konnte beinahe etwas hören, wie ein Tropfen, wie Schritte und ein leichtes Bröseln von Sand.

Zaphirs höhnisches Grinsen schnitt sich tief zwischen seine Zähne, als er der Gruppe einen scharfen Blick zuwarf. »Also schön. Wer noch mal aufs Klo muss, sollte jetzt gehen. Die Gefahr, dass ihr euch in die Hosen macht, ist ja deutlich hoch.« Als er zufrieden feststellte, dass der braungebrannte Mann – sein Lieblingsopfer – bereits zu kochen begann, richtete er den Blick zum unscheinbarsten Mitglied der Partie. »Und die, die sich nicht sicher sind, sollten besser wieder nach Hause laufen.«

»Pfff, du kannst dir deine lockeren Sprüche sparen. Halt doch einfach ganz den Mund.«

»Er hat Recht. Wir sollten uns wirklich sicher sein. Ich glaube nicht, dass wir dann noch einmal umkehren können.« Die Stimme der Vernunft oder besser das Mädchen mit Pfeil und Bogen schaffte es wie immer die Wut des Speerkämpfers zu mindern.

Dieser verschränkte daraufhin angespannt die Arme. »Ja, ja. Wir sind uns sicher. Ich für meinen Teil wäre sonst gar nicht hier.«

Fuchs hingegen, die den Blick des Schwarzmagiers nur zu sehr spürte, ließ sich mit Absicht die Haare ins Gesicht fallen und starrte die ganze Zeit über zu Boden. Sie versuchte mit aller Macht seine Worte zu ignorieren, sich nicht über ihre Bedeutung im Klaren zu werden. Es war sowieso zu spät wegzulaufen. Wo sollte sie auch hin? Es gab keinen Ort für sie mehr.

»Hmpf.« Ohne noch einmal auf die anderen zu reagieren, drehte sich Zaphir um und blickte dem Tunnel entgegen.

»Oi! So ein aufgeblasener...« Doch ehe Berry weiter knurren konnte, hielt Monada seinen Arm fest und versuchte sich an einem Lächeln, selbst wenn ihr die Knie schlotterten.

»Lasst uns gehen. Ich will nicht länger darüber nachdenken. Das führt zu nichts, außer Zweifeln.«

Stumm nickte der Riese ihr zu, sah dann zu Verona. Sie war noch immer die Anführerin und er nahm solche Bindungen ernst. Veronas Blick war so eisig wie die Kälte, die aus dem Innersten des Berges drang. Sie starrte den schwarzhaarigen Mann an, die Stimme von Hass getränkt.

»Hey... mach dich nützlich und leuchte uns den Weg, Schwarzmagier.«

»Aber sicher doch Prinzessin.« Eben noch grinste er ihr spöttisch entgegen, im nächsten Moment stand er in Flammen. Das Feuer breitete sich langsam von seinem Brustkorb über seine Arme aus, kroch über sein Gesicht bis in seine Haare. Noch immer grinste er, funkelten seine Augen noch gefährlicher als zuvor. Er gab ein wirklich groteskes Bild ab, aber es bereitete ihm keinen Schmerz, versengte nicht einmal seine Kleidung, geschweige denn seine Haut oder sein Haar. Überheblich streckte er die Arme etwas aus, so dass die Flammen noch etwas höher schlugen. »Wie hättest du es denn gerne? Zimmertemperatur oder magst du es eher heiß, Schätzchen?«
 

»Tsss...« Ohne ihn weiter zu beachten, wandte sie sich von ihm ab und lief ohne auch nur ein weiteres Wort in das Dunkel hinein - viel schneller als Fuchs es wahrhaben wollte.

Beinahe kicherte Zaphir ihr hinterher. Sein Blick glitt erneut über den Rest der Gruppe, ließ Fuchs diesmal aus. »Also dann, auf in die Dunkelheit. Es sei denn ihr habt Angst vor ein bisschen Finsternis.«

»Grr, kannst du nicht einfach das Maul halten?« Berry kam ein bisschen näher, aber Zaphir lachte ihn nur wieder aus, trat schließlich hinter Verona nach, erleuchtete seine unmittelbare Umgebung. »Ich dachte nur, ein paar von euch wären vielleicht nicht so erpicht darauf, sich in ihr Unglück zu stürzen.«

»Wir können auf uns aufpassen.« meinte Monada etwas kühler als sonst. Zaphirs Verhalten kümmerte sie nicht, Veronas hingegen schon. Es gefiel ihr gar nicht, dass ihre Schwester sich so kopflos ins Nichts stürzte. Es war beinahe so, als wäre ihr Hass schon viel höher gewachsen, als ihr Verstand und ihre Vorsicht. Wollte sie ihre Rache so sehr, dass ihr alles andere egal geworden war. Wer musste hier nun wen beschützen? Sie kam ihm nach und versuchte ihre große Schwester nicht aus den Augen zu lassen.

Zurück blieben nur Fuchs und Sajid. Er hatte sich in Bewegung gesetzt, ehe er erneut stehen geblieben war um sich nach ihr umzudrehen. Das rothaarige Mädchen stand wie angewurzelt da und starrte zu Boden. Sie spürte sie wieder, die Angst die sie so lange begleitet hatte, fühlte sie wie sie ihr den Rücken hinauf schlich und sich durch ihre Ohren in ihr Innerstes schlängelte. Ihr wurde eisig zumute.

Als sie den Blick des Weißmagiers auf sich spürte schüttelte sie den Kopf. »Ich komme... keine Angst... ich komme ja schon.«

Der blonde Mann bewegte sich einen langen Moment lang nicht, ehe er leise seufzte und auf sie zukam. »Fuchs...«

»Nein.« Ihr Kopf schüttelte sich heftiger. »...Ich... es ist nur... ich... ich beherrsche meine Magie nicht... Ich bin euch keine Hilfe... wenn ich dort hinein gehe... dann... dann...«

»Fuchs.« Dieses Mal hatte seine Stimme mehr Nachdruck und sie spürte seine warmen Handflächen auf ihrer Schulter. »Ich glaube an dich. Ich habe etwas in dir gespürt, ein großes Potential. Und ich beschütze dich... solange bis du selbst kämpfen kannst. Vertrau mir. Und vertrau dir... du schaffst das. Das weiß ich.«

Bei diesen Worten kam sie den Tränen sehr nahe. Hilflos drückte sich ihr Kopf nach oben, suchten ihre Augen nach seinem Blick, der ihr stets so viel Halt geben konnte. Und auch dieses Mal war es nicht anders. Sie fand in seinen Augen Ruhe und Stärke und die leise Hoffnung an sich selbst glauben zu können. Mit zusammengebissenen Zähnen nickte sie und er schenkte ihr darauf dieses warme Lächeln, das ihre Angst in den Hintergrund verscheuchte.

»Gut.« Noch einmal klopfte er ihr auf die Schultern und drehte sich dann um. »Komm, sonst verlieren wir die anderen.«
 

Es dauerte noch einen langen Moment, ehe Fuchs ihre Beine wirklich in Gang bringen konnte und den anderen nach eilte. Als sie durch das große Steinportal ging und von der Finsternis des Berges verschlungen wurde, glitt ihr sogleich ein eisiger und fauliger Gestank in die Nase, der sie für einen Moment taub machte. Es roch nach altem Wasser, nach abgestandener Luft und nach Tod.

So schnell wie es ihr vergönnt war, holte das rothaarige Mädchen mit den anderen auf und konnte erst wieder aufatmen als sie den Feuerschein ihres ungebetenen Gastes sah, der an dem harten Stein des Tunnels widerhallte wie ein Echo. Es dauerte eine ganze Weile, ehe sich ihre Augen an das Licht gewöhnen konnten und selbst als sie es taten war es noch immer so schwarz, dass man ohne das Feuer nichts sehen konnte.

Niemand sprach mehr seit sie im Dunkeln herum wateten, die Kälte hatte sich schweigend auf sie gelegt und hielt sie am Boden, machte sie aufmerksam für jedes Geräusch und jede Bewegung. Doch noch war der Gang eng und klein und führte unerlässlich in eine einzige Richtung.

Fuchs verlor das Gefühl für Orientierung und für die Zeit. Sie konnte längst nicht mehr einschätzen wo sie waren, wie weit und wie lange sie gegangen waren, als sich vor ihnen das Licht zu verändern begann.

Als sie das Ende des Tunnels erreichten, standen sie in einer großen Halle, die Ihresgleichen suchte. Eine breite, runde Glaskuppel hing an Scharnieren an der Decke fest und ließ etwas des trüben Sonnenlichtes hinein, das sich draußen hinter den Wolken versteckte. Es war so hell, dass man auch ohne Feuer etwas erkennen konnte, selbst wenn es auch dann nur Schemen und Schatten waren.

Die Gruppe befand sich in einem kreisrunden Raum, an dessen Rändern Arkaden aus massiven Säulen die Fläche zierten und hinter ihren Fingern auf breiten Steinbänken zum Rasten einluden. An den Köpfen der Arkaden konnte man Efeu erahnen, doch alles was von ihm übrig geblieben war, war das knöchrige Gerippe und das zerkleinerte Laub auf dem Boden. Dieser Ort schien ein Marktplatz gewesen zu sein, denn hinter den Arkaden säumten sich kleine Räume, deren Innerstes nun zerfallen oder zerstört war. Das Licht war einst durch einen großen Tunnel an der Decke gekommen und auf die Glaskuppel geschienen, doch nun war ein großer Teil davon mit Asche und Erde bedeckt. Zu ihren Füßen lag noch etwas des zerbrochenen Glases und einige Knochen.

Was Fuchs jedoch noch mehr irritierte war die Atmosphäre im Raum. Es war nicht so schlimm wie sie es sich vorgestellt hatte. Es fühlte sich nicht so an, als würde sie noch im selben Moment attackiert werden. Sie schmeckte keine Gefahr in der Luft, alles was hier war, war stumme Geschichte, staubige Zerstörung und eine fast andächtige Ruhe. Verwirrt blickte sie sich um und musste zugestehen, dass es fast friedlich wirkte. Wie auf einem Friedhof an einem trüben Sonntagmorgen. Es war beinahe beruhigend.
 

»Gemütlich. Ein bisschen wie zu Hause.« kam es kalt vom feuerspeienden Magier.

»Ja, kann mir vorstellen, dass es bei dir genauso staubig ist.« Berry ging einfach unbeeindruckt weiter. Das hier war nicht einmal halb so übel, wie das, was er sich heimlich ausgemalt hatte. »Und dreckig. Gibt sicher vieles, was man unter den Teppich kehren muss, wenn man schwarze Magie verwendet. So ein paar Leichen im Keller sorgen da auch für den passenden Geruch, was?« fügte er hart hinzu. Dieser Magier ging ihm schon jetzt gehörig auf die Ketten und dabei war er noch gar nicht lang bei ihnen. Vor allem das dumme Gerede zehrte an seinen Nerven. Nerven, die er sich für den Antagonisten aufheben hatte wollen.

»Du hast ja keine Ahnung.« lachte Zaphir ihm nach, ehe sein Blick sich erneut verdüsterte. »Gar keine Ahnung.«

»Sajid.« Rief ihn Verona mit harter Stimme und drehte sich nur halb zu ihm um. »Spürst du etwas?«

Nur ein Kopfschütteln seinerseits. »Hier ist nichts.«

»Gut, dann gehen wir weiter.« Sie verschränkte die Arme und musterte Zaphir einen langen Moment. »...Du gehst vor.«

Diesmal zuckte sein Mund nur kurz, als wollte er schmunzeln, überlegte es sich aber noch einmal. »Jawohl Boss.« Ohne weitere Worte setzte er seinen Weg voran.
 

Es dauerte eine ganze Weile, ehe Zaphir einen Ausgang aus dem Raum fand. Einige der Tunnel, die von hier heraus führten, waren verschüttet, andere wirkten so instabil, dass er es lieber sein ließ. Den Tunnel, für den er sich schließlich entschied, war enger als derjenige, durch den sie hinein gekommen waren. An seinem Rand erzählten ihm unbekannte Zeichen und Runen von dem Ziel, an das sie kommen würden, doch Zaphir schenkte ihnen nicht allzu viel Beachtung. Nur wenige Sekunden nachdem er in den Gang getreten war, folgten die anderen.

Er konnte kaum zwei Meter nach vorne blicken, so verschlingend war die Dunkelheit hier. Und selbst wenn er sein Feuer schürte und die Flammen höher lodern ließ, konnte er kaum etwas ausmachen. Alles was ihm also blieb war sich auf seinen magischen Instinkt zu verlassen. Und dieser schwieg noch immer, als gäbe es hier unten nichts außer Stein und Trümmer.

Hinter sich hörte er das Schallen der Schritte, die ewig in der Länge des Tunnel nachschallten. Konnte den Atem der anderen hören, ein Tropfen in der Ferne und spürte wie sich der Blick der Anführerin eisig in seinen Rücken bohrte, jeden Moment bereit zuzuschlagen. Der Boden unter ihm war eigenartig fest und doch knirschte er wie Sand unter seinen Schuhen. Für eine halbe Ewigkeit veränderte sich daran nichts. Der Tunnel schien nur immer und immer weiter zu gehen und sein Ende nicht zu enthüllen.

Dann jedoch, als sie die wohl hundertste Biegung genommen hatten, spürte er etwas. Er spürte es, als schäle es sich unter seine Haut, als sickere es tief in ihn hinein. Und doch konnte er nicht ausmachen, was es war. Sobald er es bemerkt hatte, verschwand es wieder und alles war so wie zuvor.

Zaphir ließ sich nicht beirren und blieb nicht stehen. Er hatte keine Angst vor dem Antagonisten. Alles, was er mit seinem Schwert und seiner Magie zerstören konnte, konnte ihm keine Angst machen. Nach einer Weile jedoch, als er noch ein ganzes Stück gelaufen war, spürte er es wieder. Es drückte sich auf ihn, stach ihn wie eine Nadel und versuchte ihn niederzuringen. Und doch war es nichts physisches, war es nichts Körperliches. Nein, es war wie etwas ganz anderes. Er fühlte sich beobachtet und es waren nicht die Blicke der anderen, die er spürte. Im gleichen Moment hörte er etwas. Etwas von sehr weit weg, leise und dumpf. Definitiv etwas menschliches. Wie ein Lachen, wie ein Scharren, wie ein Klatschen. Doch es war zu weit weg, um es klar auszumachen.

»Hm.« gab er kompromisslos von sich und ging weiter. Es brachte ihm kaum etwas jetzt hier stehen zu bleiben. Rückkehr kam für ihn nicht in Frage und je schneller er sich bewegte, desto schneller würde er herausfinden, was hier vor sich ging. Ganz gleich wie heftig sein Instinkt ihm davon abriet.
 

Je schneller er ging, desto schlimmer wurde das Gefühl beobachtet zu werden, desto heftiger wurde der Druck auf seiner Haut, desto lauter die verzerrten Geräusche aus der Ferne. Und dann, als er von weiten das Ende des Tunnels erahnen konnte, hörte er plötzlich eine Stimme, die ihn anhalten ließ. Es war eine zärtliche, liebevolle weibliche Stimme, die seinen Namen rief. Sie sagte ihn auf solch eine vertraute Weise, dass er tatsächlich ins Stocken geriet.

Zaphir... Zaphir...
 

So langsam machte ihn das wütend. Lieber hätte er auf einen sichtbaren Gegner eingeschlagen, als diese Psychospielchen zu spielen. Er fragte sich, ob auch Blondie und das Mädchen etwas spüren, hören konnten. Allerdings war er nicht dazu bereit einen neugierigen Blick hinter sich zu werfen. In jedem Fall hätte er bloß das erboste Gesicht der Anführerin gesehen und fragen wollte er auch nicht. Ganz egal, man nach ihm rief. All das war eine List, ein Spiel. Realität, aber was spielte es schon für eine Rolle, wenn eine körperlose Stimme zu ihm sprach? Zumindest versuchte er sich so weiter voran zu treiben. Geister waren keine Gegner für ihn.

Was ist? meinte die warme Frauenstimme kichernd. Willst du nicht zu mir kommen?
 

Als würde er jetzt auch noch darauf eingehen. Das letzte Mal, als er eine solche Stimme gehört hatte, zumindest annähernd so einladend, war schon zwei oder drei Jahre her. Und diese hatte genauso falsch geklungen, wie diese hier. Stumm, nur etwas mit den Zähnen knirschend ging er weiter.

In dem Moment, als er durch das Ende des Tunnels trat, fand er sich in einer weiteren Halle wider. Dies war längst nicht De lira die unterirdische Stadt. Dies waren nur die Ränder, einige "Dörfer" inmitten des Berges. Und er befand sich inmitten eines dieser. Vor ihm breitete sich eine kleine Höhle aus, an dessen Decke eine ähnliche Konstruktion wie im vorherigen Raum angebracht war. Hier jedoch war die Glaskuppel vollkommen eingestürzt und dicke Steinklumpen bedeckten den Schacht aus dem einst Sonnenlicht geströmt war. Neben ihm und vor ihm erstreckten sich kleine Häuser, die meisten mit eingefallen Türen und Fenster und von herabgefallenen Steinen zertrümmerten Dächern. Das Gefühl beobachtet zu werden war hier noch stärker und er hörte das Lachen aus einem der Häuser.

Zaphir bemühte sich tief ein und aus zu atmen. Die Zeiten, in denen der hitzköpfig durch Wände hatte gehen wollen, waren längst vergangen. Er versuchte es zu ignorieren, behielt das Gebäude aber im Blick.

»Stimmt etwas nicht, Zaphir?« kam es etwas schüchterner als zuvor hinter ihm. Modana trat etwas näher.

»Nichts.« meinte er nur kurz, eisig. »Die Stimme der Toten, nichts weiter.«

»Der Toten? Drehst du jetzt schon am Rad? Wer macht sich jetzt in die Hosen, huh?«

Mit einem Satz war Zaphir bei ihm, das Feuer sprang Berry nun fast ins Gesicht. »Willst du es herausfinden?«

»Keh, komm doch her, Streichholzmännchen!«

»Hört doch auf zu streiten!« Wieder war es Monada, die Berry am Arm zurück zog. »Das bringt überhaupt nichts.«

»Wenn er es nicht lassen kann?!«

»Ihr verhaltet euch beide wie Kinder.« meinte sie kühl, ein bisschen wie Berrys alte Oma, an die er sich noch aus Tagen erinnerte, in denen er kaum laufen konnte.

Zaphir schien den beiden gar nicht zuzuhören, wandte den Kopf nur wieder um und ging weiter.

»Monada hat Recht. Jetzt ist nicht die Zeit zum Streiten... etwas ist hier.« Der Weißmagier blickte sie nicht an als er mit ihnen sprach. Seine Miene wirkte ernster als sonst.

Nur einen kurzen Moment blickte Verona ihn an, ehe sie Monada zu sich winkte. »Wir erkunden die Gegend. Falls ihr wichtige Dinge findet, sagt Bescheid. Wir haben keine Zeit zu verlieren.«

»Also schön.« Berry wurde langsam ungeduldig. Es juckte regelrecht unter seiner Haut.
 

Nur widerwillig sah Fuchs dabei zu wie sich auch die anderen von ihr entfernten, dass nur noch sie allein vor dem riesigen Trümmerhaufen stand, der wohl einst der Marktplatz gewesen sein musste. Ein kalter Schauer lähmte sie und machte sie unfähig sich zu bewegen.

Aus der Ferne hörte sie wie sich etwas entzündete - Verona hatte aus herumliegenden Ästen, Tüchern und Öl aus einer Laterne Fackeln gemacht und händigte sie Berry und Monada aus. Dann entfernten sich die Schritte weiter von ihr.

Mit rasselndem Atem blickte sie sich um und spürte ihre Angst näher als je zuvor. Etwas war hier, das spürte auch sie. Nichts jedoch dessen sie sich gewappnet fühlte. Es war wie eine schlimme Vorahnung, wie ein saurer Nachgeschmack, der so bitter wurde, dass ihr die Galle hochkam. Sie wurde beobachtet. Ja genauso fühlte es sich an. Als würden hunderte Blicke auf ihr lasten und sie mustern. Sie fühlte sich klein und schwach, als wäre sie ein Kind, das etwas falsch gemacht hatte und dessen Eltern es anschrien.

Panisch setzte sie sich in Bewegung und entfernte sich von dem tiefschwarzen Tunnel, aus dem sie gekommen waren. Sie suchte nach den anderen, aber es kam ihr so vor als wären sie verschwunden. Alles, was sie hörte war ein leises Scharren, ein Kratzen und ein dunkles Kichern, das aus einem der Häuser zu kommen schien.

Ihr Herz begann zu stottern allein bei dem Gedanken sich diesem Geräusch zu nähern. Noch immer sah sie kaum etwas in der schwieligen Dunkelheit, die sich kalt und nass auf ihre Haut legte und sich bis in ihr Innerstes fraß. Sie wollte nach ihnen rufen, doch stattdessen drehte sie um und lief davon, in der Hoffnung einen Feuerschein zu sehen.

Gélōs - Die Erniedrigung

Zaphir war nicht der Typ, der hastig das Weite suchte. Wenn jemand mit ihnen verstecken spielen wollte, bitte sehr, aber nicht auf seine Kosten. Mittlerweile leuchtete nur noch seine rechte Hand und ein Teil seines Unterarmes, als er sich dem Haus näherte, aus dem die Stimmen kamen. Er würde schon herausfinden, was so lustig sein sollte.

Als er näher zu dem halb eingestürzten zweistöckigem Haus kam, bemerkte er, dass die Tür ein wenig offen stand. Die Klinge war halb herausgebrochen und hing verstaubt in dem Loch, in das sie einst geschient worden war. Die Stimmen redeten nun leiser, gedämpft. An seinem Ohr hörte er erneut die Stimme aus dem Tunnel, wie sie sich an ihn schmiegte, ganz so wie es eine Frau getan hätte. Wie sie in seinem Ohr leckte und ein kaltes Gefühl hinterließ, das nichts mit der Wärme zu tun hatte, die sie ausstrahlte.

Hab keine Angst, mein Junge...
 

»Kch, ich bin schon lange kein Junge mehr.« Ohne sich davon weiter beeindrucken zu lassen, drückte er die Tür weiter auf.

Das alte Knarren der Tür, die bei dieser Bewegung fast aus den Angeln gefallen wäre, wurde von einem kehligen Glucksen begleitet.

Ach wirklich?
 

Das Innere des Raumes war eng und zugestellt. Vor ihm stand ein alter aus hartem, sprödem Holz geschnittener Tisch, dessen Stühle zu Boden geworfen worden waren, einige nur noch in Stücken. An den Regalen und Tischen, welche am Rand standen, lagen noch alte Bücher, standen Lampen und Kerzen und Teller mit Essensresten darauf. Es roch so sehr nach Staub, dass er für einen Moment nicht atmen konnte.

Auch hier spürte er, dass er beobachtet wurde, hörte die Stimmen aus dem obersten Geschoss und konnte die Treppe erahnen, die dorthin führte - der Weg zu ihr versperrt von umgeworfenen Möbeln und zerrissenen Kleidungsstücken. Damit machte er kurzen Prozess. Eine heiße, bläuliche Flamme schlang sich seine Arme herab und presste sich auf den Unrat, der ihm im Weg war. Nichts würde ihn aufhalten können. Zumindest nichts, was sich so leicht verbrennen ließ. Den Rest trat er einfach aus seinem Weg, als er voran schritt.

Hinter sich, ganz dicht an seinem Ohr hörte er die Stimme lachen, leise und verführerisch und mit einem gedrungenen Unterton. Zaphir... oh Zaphir... ahh...
 

»Pff, ist das schon alles?« Er trat brüsk auf die Stufen. Nicht kopflos allerdings. Beim Alter des Hauses wollte er nicht Gefahr laufen einzustürzen.

Das Lachen hinter ihm wurde spitzer, kroch sich wie eine Spinne in sein Ohr hinein und nistete sich dort ein, vermischte sich mit den Worten der oberen Etage. Das Holz unter seinen Füßen schien stabil.

Kinderkram, dachte er nur. Stimmen hatten ihm das letzte Mal Angst gemacht, als er ein halbes Baby gewesen war. Das reichte heute nicht mehr aus, ihm Furcht einzuflößen. Dazu hatten seine müden Augen zu viel gesehen, zu viel gespürt. Vorsichtig erklomm er die knarrenden Treppen und fuhr mit seinen Fingern über das staubige Geländer. Als er die zweite Etage erreicht hatte, sah er vor sich nur Trümmer. Das eingestürzte Dach und Steine hatten die folgenden Räume unter sich begraben. Doch die Stimmen kamen nicht von dort, sie kamen aus den hinteren Räumen.

Komm, Zaphir... Komm... Die weiche Stimme verzerrte sich zu einem gehässigen Lachen. ...Wenn du dich traust, kleiner Junge...
 

»Sehr geduldig bist du ja nicht gerade.« Unberührt kam er seinem Ziel näher. »Wir werden sehen, wie lange du meinen Namen noch so freudig ausspuckst.«

Das Lachen begann sich zu verzerren, als verdrehe es sich selbst in sich und würde brechen. Es klang hoch und hysterisch und es kam ihm näher, als er auf den hinteren Raum zulief. Er musste einige halb eingestürzte Deckenteile überbrücken und einiges an Schutt zur Seite treten, um endlich dort anzukommen, woher die Stimmen zu kommen schienen. Als er jedoch in das Zimmer trat, verstummten alle Stimmen.

Nichts war hier außer eine Sackgasse. Das Licht seiner Hand warf nur Schatten an die Wände. Eine eingeschlagene Kommode, Bilder deren Glas zersprungen und auf dem Boden gesplittert war, der Tisch in der Mitte und umgeworfene Stühle rings herum. Niemand war hier und er spürte auch nichts. Nichts außer dem Gefühl beobachtet zu werden. Hier war es so penetrant, dass es ihm unweigerlich kalt den Rücken hinab lief. Er spürte die Blicke als schnitten sie sich in seinen Rücken, als schälten sie ihn wie eine Mandarine. Keine Stimmen mehr, nicht einmal Atmen. Nichts außer endloses Schweigen.

»Geister, huh?« meinte er leicht angesäuert und wandte sich im Raum, sah sich genauer um, in der Hoffnung ihm würde irgendetwas Ungewöhnliches auffallen.

Doch er bemerkte nichts, rein gar nichts. Nur dieses unangenehme Gefühl beobachtet zu werden. Die Blicke waren so schwer und so intensiv, dass er sich nackt vorkam. Hilflos und schuldig. Aber die Stimmen waren gänzlich verstummt. Nur ein Knurren aus seiner Kehle, dabei brodelte es in ihm. Er hatte es nicht gern, wenn man mit ihm spielte. Widerwillig trat er wieder aus dem Raum heraus, machte sich auf den Rückweg. Wenn das Alles war, was dieses Etwas fertig brachte, würde er sich damit nicht länger beschäftigen.

Als seine Füße jedoch die Schwelle der Tür berührten, krachte es über ihm zusammen. Die Stimme, die ihn bis jetzt begleitet hatte, schrie so laut, dass er heftig zusammen zuckte. Der Schrei endete in einem hysterischen Lachen und zog an ihm, drückte ihm die Kehle zu und ließ ihn dann wieder los.

Ahahahahahaha! Willst du schon gehen? Wie erbärmlich.
 

Im Hintergrund wurden die anderen Stimmen wieder laut. Ein Murmeln umkreiste ihn, schwemmte sich zu ihm und versuchte ihn zu Boden zu ziehen. Die Stimme, die überall zugleich zu sein schien, lachte nur weiter, immer höher, immer abwertender, immer gehässiger.

Ich wusste, dass du zu nichts taugst. Alles, was du kannst ist zu glauben du wärst jemand. Zu hoffen, dass du jemand wärst! Aber du bist niemand, Zaphir. Du bist nichts! Nichts weiter als heiße Luft. Ahahahaha!
 

Er verschränkte die Arme vor der Brust. Das Feuer brodelte regelrecht über seinen Körper, aber sein Gesicht zeigte keine Emotion. Kein Wort kam über seine Lippen, er wartete nur ab. Er spürte, dass die Stimme grinste, sich ihm näherte und sich kalt in seine Ohren kroch, als wäre es eine Schlange. Das Murmeln um ihn herum wurde stärker und er hörte Lachen.

Was machst du hier, huh? Was glaubst du zu erreichen? Du hast schon einmal gegen ihn verloren. Du kannst nichts! Du bist nichts! Du bist nur ein schwacher Schwarzmagier, der hofft, dass ihn jemand akzeptiert. Egal wer, Hauptsache irgendjemand! Ohhh, du armer Junge.
 

Ein leichtes Grinsen schlich sich auf deine Lippen. »Du musst dir schon etwas Besseres überlegen, wenn du mich klein kriegen willst. An solches Gerede habe ich mich schon zu sehr gewöhnt.«
 

Ahh, wie immer. Es ist immer das gleiche Spiel mit dir, Zaphir. Die Stimme lachte amüsiert, während die Geräusche um ihn herum immer lauter wurden. Er hörte das böse Lachen, das sich in seinen Körper stach und schwer auf seine Schultern legte. Er glaubte einige der Stimmen zu kennen, und er kannte diese Art ausgelacht zu werden. Aber das Lachen wurde immer lauter und lauter und die Stimmen stimmten ein. Versager! Feigling! Elender Dreckskerl!

Die Stimme war nun ihn ihm und brachte sein Blut in Wallung als sie sprach, stach ihm in den Magen als wäre sie ein Messer. Glaub ruhig daran, Zaphir. Wir wissen es besser. Wir kennen dich. Wir wissen, wie oft du geweint hast... wie oft du dir gewünscht hast jemand anders zu sein... wie sehr du dich hasst... wie ängstlich du bist... wie sehr du dir wünschst die Vergangenheit ändern zu können... Du bist nichts, Zaphir. Sie lachte so laut, dass es ihm Kopfschmerzen brachte. Du weißt dass du ihn nicht besiegen kannst... und trotzdem tust du so als könntest du es.

Wir kennen dich, Zaphir... flüsterte eine andere Frauenstimme an sein Ohr.

Du bist noch immer der kleine Junge von früher, ob du es dir eingestehen willst oder nicht. quietschte eine andere bösartig.

Jedes Wort aus deinem Mund ist gelogen. Du glaubst, dass du den Leuten weiß machen kannst, dass du stark und unbarmherzig bist... ohhh aber Zaphir... Ein schreiendes Lachen stieß ihm in die Magengrube, als wäre es eine Faust gewesen. Wir Wissen Wer Du Bist!!!
 

»Und woher wollt ihr das wissen, wenn nicht mal ich selbst das weiß?« kam es kalt.

Das bösartige Lachen sprudelte daraufhin stürmischer auf, begrub ihn fast unter einer Sturmflut aus Gehässigkeit und Erniedrigung. Inzwischen war es so laut, dass es kaum noch etwas anderes hören konnte.

Und was willst du jetzt tun, Zaphir, hm? kicherte die Stimme. Was machst du mit einem Gegner, den du nicht sehen kannst? Was wirst du tun? Weglaufen? So wie immer?
 

»Oh, wirft man mir Feigheit vor? Ich bin es nicht, der sich hinter einfältigem Gerede und körperlosen Stimmen verbirgt.«

Ahahahahaha du bist SO einfältig! Hahahahahaha! Das Lachen stach ihn, als wären es Nadeln, in den Magen und brachten Schwindel in ihm auf. Die Frau begann wieder zu flüstern und doch konnte er sie unter dem Rauschen des Gelächters ganz klar hören. Wir verstecken uns nicht. Wir sind wir. Glaubst du etwa wirklich wir hätten eine Gestalt, die du platt machen könntest? Oh, du weißt so wenig über ihn. Du weißt so wenig über seine Magie. Hahaha... und DU willst ihn umbringen? Hahahahaha!
 

Er würde dem nicht erliegen, sagte er sich. Worte, Stimmen, selbst Schwindel und dieses unangenehme Gefühl, all das konnte ihm nichts anhaben. Schon so lange nicht mehr. »In der Tat. Gott schützt die Dummen und die Kinder.«

HA! Der Schrei fraß sich durch sein Gehör und zerfetzte ihn fast das Trommelfell. Er spürte das Innere seiner Ohren ringen. Dieser Schmerz war mehr als nur echt und je lauter das Lachen wurde, desto mehr prallte der Schmerz gegen ihn. Wir haben Zeit, Zaphir. Wir haben ewig Zeit. Und du wirst schon bald zu uns gehören. Ahahahahaha!
 

»Was habt ihr denn vor? Wollt ihr mich taub machen?!« Seine Stimme wurde lauter, weil er sich selbst kaum noch hören konnte.

Oh, höre ich da etwa... ANGST? Ein gehässiges Kichern folgte und lähmte kalt seinen linken Fuß. Hahaha so erbärmlich. Wir können dein Blut rasen hören... hör auf es zu leugnen... du hast Angst... Angst vor so vielem... ohh... tief vergraben in dir...
 

»Das stimmt vielleicht. Aber ihr gehört nicht dazu.« Er richtete sich gerade auf und versuchte erneut aus der Tür zu gehen. Und wenn er springen musste oder rennen musste. Waren sie tatsächlich körperlos, konnten sie ihn nicht aufhalten.

Hah! Ich wusste es! Er will fliehen! Hahahaha!

Was dachest du denn? Hast du geglaubt er wäre etwas Besonderes? Er ist genauso feige wie alle anderen!

Nichts als Gerede!

Er schaffte es aus dem Raum, doch als er die Schwelle überschritten hatte, spürte er das Lachen bis in sich hinein, bis in seine Knochen, wie sie ihn zermahlten, wie sie sich durch seine Blutbahn durch seine Muskeln fraßen - wie ein Virus. Der Schmerz machte ihn für einen Moment blind.
 

Ohh Zaphir... du willst es dir nicht eingestehen... Ihre Stimme klang fast mitleidig, ehe er das böse Grinsen wieder hören konnte. Armer Junge...

Lauter knurrte er unter dem Schmerz, doch er hielt ihn nicht davon ab, weiter zu gehen, die Treppen hinab zu stolpern. Erst dort, nur wenige Meter vor der Eingangstür ging er in die Knie, wischte sich den Schweiß von der Stirn. Es waren nicht die Worte. Nein, das tat nicht mehr weh. Aber es war mehr als nur Gerede. Es war dunkel, schwarze Magie.

Der Schmerz hielt ihn am Boden, kreiste ihn ein und drückte ihn weiter hinab, schmerzte in jedem einzelnen Punkt seines Körpers. Das bösartige Lachen war überall um ihn herum, in ihm und die so bekannt gewordene Stimme umzingelte ihn, als wolle sie ihm den Todesstoß geben. Ihre Stimme war sanft, so weich und vertraut wie am Anfang. Nur unterschwellig spürte man den Hohn, die Hochmut und die Schadenfreude.

Du bist nichts gegen IHN. Du bist nichts gegen UNS. Du bist nur ein kleiner Junge, der nicht weiß, wofür er lebt. Spürst du es? SEINE Macht? Du kannst ihm nichts anhaben... niemand kann das. Du bist niemand gegen ihn. Du wirst niemals gegen ihn ankommen... Du kannst gegen seine Magie nicht ankommen. Das Lachen wurde schlimmer. Hier! Im letzten und schwächsten Kreis der Schatten und schon liegst du im Staub und winselst! Hahahaha!
 

Wieder schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen, als er sich mit aller Macht auf die Beine zerrte. »Ihr habt eine Kleinigkeit vergessen.« Mit einem Mal sprudelte das Feuer nur so um ihn, als hätte er sich selbst mit Öl eigerieben und angezündet. Wie eine lebende Fackel. Im nächsten Moment brachen Blitze aus ihm heraus, umrundeten ihn wie ein Schutzschild. Für einen Moment spürte er seine Magie, spürte er seine innere Macht und für einen kurzen Augenblick war das Dröhnen verschwunden. »Antagonist ist ein Mensch, kein Gott. Und jeder Mensch hat Schwächen. Ihr seid der beste Beweis für seine. Nur jemand, der weiß wie das ist verlacht und gedemütigt zu werden, kann so etwas Erbärmliches wie euch in die Welt setzten!«

Hahahahahaha! Blitz und Feuer gegen schwarze Magie? Bring uns nicht zum Lachen!!! Er sah nur noch wie ein Gesicht auf ihn zuraste und den Mund so weit aufspannte, dass es seinen Kopf mit einem Mal umschlang. Dann spürte er einen so heftigen Schmerz in seinem Bauch, dass er gänzlich in die Knie ging. Du bist niemand!
 

~ ~ ~
 

Der Schrei ließ Monada nur halb so sehr zusammen schrecken, wie das, was ihre Schwester nun zu tun begann. Die schwarzhaarige Anführerin begann wütend nach ihren Waffen zu greifen und schoss auf das, was sie in diesem Haus heimsuchte. Ihre Stimme bebte und schrie. Sie schreie so sehr, wie sie es noch nie von ihrer Schwester gehört hatte.

»Hört auf damit! Lasst das! HÖRT AUF!«

Die Kugeln trafen die Augen, die sich um sie herum Zentimeter um Zentimeter gereiht hatten und sie anstarrten. Sie zerplatzen und spritzen ihr schwarzes Blut entgegen, nur um sich erneut zu öffnen und sie anzustarren. Die Stimme im Raum begann zu lachen.

Hahaha, ist die Wahrheit so unerträglich für dich? Du weißt es bereits, Verona. Du weißt es! Du kannst es dir nur nicht eingestehen.
 

»Schnauze! Ihr habt keine Ahnung!« Der Lauf ihrer Waffen knackte und ergoss immer mehr Kugeln auf die Augen, die sie umzingelten. Doch es brachte nichts – die Augen wurden immer mehr und ein Lachen füllte den Raum.

Jaa, genauso! Mehr davon! Mehr! Hahahahaha!
 

Monada stand wie angewurzelt nur wenige Meter hinter ihrer Schwester. Bewegungslos hielt sie den Bogen in der rechten Hand, während die linke noch immer ohne ihr bewusst zu sein über die weichen Pfeilenden in ihrem Köcher strich, den sie auf ihren Rücken gespannt hatte. Als wollte ihr Körper endlich kämpfen, aber ihr Verstand ließ es nicht zu. Die böse Stimme lachte noch immer.

Ohh, die Wahrheit ist so hart, nicht wahr? Aber du wusstest es immer. Du hast es immer gespürt! Sieh sie dir an! Sie weiß nichts davon und du hast solche Angst davor, dass sie es erfährt. Dass sie dich genauso ansieht wie alle anderen auch! Hahahaha!
 

»Nein! Hör auf!«

Soll ich es ihr sagen?

»NEIN! Hör auf!« Panisch schüttelte Verona den Kopf und sank in die Knie. »Bitte nicht! Hör auf!«

Aber du willst es doch! Du willst es ihr sagen! Hahahaha! Du willst, dass sie Schuldgefühle hat! Du willst das Mitleid! Den Ekel! Du willst die Verachtung! Du willst, dass sie es weiß! Du willst es!!!

»NEIN!« schrie sie so laut, dass sie sogar die Stimme übertönte.
 

Nun ging Monada vor ihr in die Knie und legte die Arme um ihre zitternde Schwester. »Lasst sie in Ruhe!«

Doch noch in dem Moment, indem sie ihre Finger auf sie legte, wirbelte Verona um und stieß sie von sich, hielt ihrer kleinen Schwester die Pistole entgegen. Den Finger am Abzug, die Augen voller Tränen, die Lippen zitternd. »Nein! Sieh mich nicht an! Sieh mich nicht so an!«

Mit großen Augen starrte Monada der Pistole direkt in den Lauf und schluckte hart, spürte Tränen auch in sich aufwallen. »Was...was soll das denn?«

»Hör auf mich so anzusehen! Hör auf!« Die Hand, die die Pistole hielt begann heftig zu zittern, doch der Ausdruck auf ihrem Gesicht wurde noch hysterischer, noch panischer. »Geh weg! Hör auf!«
 

Hahahaha, sieh sie dir an... was für ein Schwächling sie ist. Solche Angst... dabei siehst du sie doch nur an. Hahahaha...

Das Mädchen ignorierte die Stimmen völlig. Sie konnte nur voller Verwirrung zu ihrer Schwester blicken. »Verona... bitte... beruhige dich.«

»Nein... Nein... NeinneineineineineineineinNEIN!!!« Ihre Augen füllten sich mit Tränen und sie schrie so laut, dass man den Schuss, der folgte, kaum wahr nehmen konnte. »LASS MICH IN RUHE!«
 

~ ~ ~
 

Sajid blickte dem Gesicht entgegen, das sich vor ihm in der Wand zu bilden begann. Es war ein sehr vertrautes Gesicht und doch so verzerrt, dass man es kaum erkennen konnte. Eine Stimme hatte sich in sein Ohr eingenistet, doch kein Lachen war zu hören. Nur das sanfte Reden der Frau in seinem Kopf.

Was machst du hier, Sajid? Glaubst du etwa, du kannst die Vergangenheit rückgängig machen? Du konntest ihn damals nicht retten und selbst wenn du Antagonist besiegst wird er nicht wieder kommen. Du lebst zu sehr in der Vergangenheit. Du kannst einfach nicht los lassen. Du bist zu egoistisch dazu. Artak ist tot, Sajid. Nichts wird sich daran ändern... rein gar nichts.
 

Der Körper des blonden Mannes war stocksteif. Er betrachtete das Gesicht vor ihm eindringlich, musterte jede Eigenheit, jede Strähne und jede Kontur. Sein Blick war ernst und doch so leer, dass er gar nicht mehr anwesend schien. »Ich kann es wieder gut machen.«

Hahahaha, bring mich nicht zum Lachen! Du bist daran schuld! Nur du allein! Und es ist zu spät es zu richten.
 

»Ich weiß.« Langsam schlossen sich seine Augen. »Das weiß ich längst.«

Du bist so erbärmlich, Sajid. Alles dreht sich immer nur um dich. Immer bist du es, der über andere entscheidet. Du kannst nicht los lassen. Du bist einfach zu schwach dafür.

»Nein...« Er atmete tief durch als er seine Lider wieder öffnete und Entschlossenheit seinen Blick trübte. »Dieses Mal ist es anders. Dieses Mal tue ich es nicht für mich.«

Hahahahahaha, das werden wir ja sehen!
 

In diesem Moment brach ein angstverzerrter Schrei durch das Gelächter zu ihm und zog seine Aufmerksamkeit von dem Gesicht weg. Sofort klärte sich sein Blick. »Fuchs...«

Ohh, das Mädchen. Hahahaha... du wirst sie nicht retten können... dafür ist es längst zu spät.

»Tut mir leid...« Er lächelte dem Gesicht voller trauriger Erinnerungen entgegen und konzentrierte seine Magie in seinen Fingerspitzen. »Aber dieses Mal werde ich es schaffen.«

Was glaubst du wer du bist?! Niemand kann sich uns entziehen!

Das Lächeln wurde zu einem Grinsen und der weiße Schein breitete sich über seinen Körper aus, bis die Stimme unterbrochen wurde. Er konnte nichts mehr hören außer seinen eigenen Atmen. »Mit etwas defensiver Magie geht alles.«
 

~ ~ ~
 

Schreiend wurde Fuchs zurück gestoßen und landete unsanft im Dreck. Sie war kopflos in die Dunkelheit gerannt und gegen etwas geprallt, das noch kälter war als die Luft im Berg. Ihr Puls war bereits auf hundertachtzig, aber was sie nun sah setzte ihr Herz fast aus.

Etwas bewegte sich vor ihr, schwappte im Schwarz des Tunnels hin und her und kroch auf sie zu. Dünne, zittrige Beine schwangen sich durch die Luft und gruben sich in den Boden. Das eine schneller als das Andere, bis das Wesen sich ihr gänzlich zugedreht hatte. Wie eine Spinne wirkte es, mit einem riesigen, tiefschwarzen Hinterteil und spindeldürren, behaarten Beinen. Doch es hatte keine Augen. Nein, dort wo der Kiefer und die Zangen und der Kopf sein sollten, war ein Gesicht. Waren ein duzend Gesichter. Die Gesichter eines jungen Mädchens, nicht älter als Monada es gewesen wäre. Und die Augen ruhten auf ihr, einige ängstlich, einige schmerzverzerrt und irr, einige hungrig und noch mehr starrer als Eis. Die Münder öffneten sich, um zu schreien, doch nichts kam er heraus außer einem so hohen Ton, dass Fuchs glaubte ihr Trommelfell platze gleich.

Das brünette Mädchen im Spinnenkörper stampfte auf sie zu und begann zu kreischen. »Was machst du hier?!«

Fuchs spürte die Paralyse sich durch ihre Muskeln schlängeln. Wie sich ihr der Atem abschnürte und die Tränen in ihre Augen trieb. Sie japste verzweifelt nach Luft und kroch rückwärts nach hinten. Doch als sie versuchte sich mit ihren Händen von dem Mädchen wegzubewegen, spürte sie Fleisch unter ihren Fingern.

Erschrocken starrte sie zu Boden und sah das Gesicht des Mädchens unter ihrer Hand kleben. Neben ihrer Hand, überall auf dem Boden war das kindliche Gesicht, das sie anstarrte, sie umzingelte.

»Du hast hier nichts zu suchen! Geh! Geh!«

»Nein! Bitte geh nicht!« wimmerte eines der Gesichter am oberen Ende des Pulkes. »Bitte lass mich nicht allein... Ich habe solche Angst... Bitte...« Sie schluchzte verzweifelt und so panisch, dass Fuchs der Atem wegblieb.

»Alle Eindringlinge werden beseitigt!« zischte eine nicht-menschliche Stimme scharf und ehe Fuchs sich noch einen Millimeter zurück bewegen konnte, spürte sie wie sich der messerscharfe Arm der Spinne in ihren Oberarm stach, bis er auf der anderen Seite hervor lugte.
 

Fuchs schrie - sie schrie so laut wie sie es noch nie in ihrem Leben getan hatte. Niemals zuvor hatte sie solchen Schmerz erlebt, nicht einmal etwas annähernd so kaltes. Der Schmerz blendete für einen Moment das Bildnis des Monsters vor sich aus. Es war keine Spinne, das wusste sie. Es war wirklich ein Mensch. Dieses Mädchen hatte es wirklich gegeben. Diese Erkenntnis nahm ihr alle Kraft und ließ sie zu Boden sinken. Sie hatte geglaubt Angst zu kennen. Doch sie hatte nie gewusst, dass Verzweiflung viel schlimmer war als alles, wovor man sich fürchten konnte.

»Nein... Nein... NEIN! Lass sie in Ruhe! Lass sie in Ruhe!« Das Gesicht des Mädchens verzerrte sich schmerzhaft und begann zu kreischen. Panik schwang in ihrer Stimme mit und erbebte fast den Boden. »Sie hat dir nichts getan!«

»Halt dein Maul!« schnitt ihr anderes Gesicht sie ab und riss das Bein wieder aus ihrer Haut, dass Fuchs noch lauter zu schreien begann. »Sie hat hier nichts zu suchen! Sie hat ihren Tod wissend gewählt!«

»Nein... bitte... hör endlich damit auf... du bist nicht ich... du bist nicht wie ich...«

»Ich bin du! Sieh es endlich ein! Hahahahahaha!« Der Spinnenkörper hob sich an und das mittige Gesicht zog eine diabolische Fratze, als sie ihr messerscharfes Bein erneut auf Fuchs niedergehen ließ, während die anderen Gesichter neben ihr nur apathisch und leblos in die Dunkelheit starrten.
 

Doch ehe Fuchs erneut den Schmerz spüren konnte, wirbelte das Spinnenwesen mehrere Meter davon. Schnaubend und hievend richtete Berry sich zu seiner vollen Größe auf und trat zwischen Fuchs und was auch immer ihm da entgegen starrte. Das Gequatsche konnte man ja gerade so noch ertragen, aber auch Schwächere losgehen, na das hatte er gerne. »Wenn du einen Kampf willst, dann komm nur her. Oder traust du dich nicht mehr, wenn man sich wehrt, hä?!«

Sein Sperr wirbelte hinter seinem Rücken in seiner rechten Hand nur allzu bereit erneut zuzuschlagen.

Zischend richtete sich das Monstrum wieder auf und die Augen richteten sich allesamt auf ihn. Der Kopf in der Mitte hatte einen besonders bösen Blick. »Ich werde dich zerquetschen...«

»Dann mach mal hin. Hab nicht den ganzen Tag Zeit!«

Rasend schnell, die Beine in einem unübersichtlichen Takt auf ihn zusteuernd, wirbelte der Körper voran. Noch im Spring wuchsen dem Tier schwarze Arme, dessen Finger wie Nadeln von der Handfläche abstanden und nach ihm und Fuchs zugleich preschten.

Berry holte aus, mit so viel Schwung und Kraft, dass man regelrecht spüren konnte, wie der Wind hinter ihm wirbelte. Er drosch auf seinen Gegner ein, mit brutaler Gewalt. Zumindest hatte das bisher am besten bei diesen Monstern geholfen. Dabei brüllte er durch die Düsternis. »Oi, Fuchs! Mach dass du auf die Beine kommst!«

Der braungebrannte Mann hatte alle Mühe die zahllosen Schläge zu blocken und zu kontern und jede Sekunde, die er sich verteidigen musste, kamen die Gesichter des Mädchens ihm näher, bis die Nase des mittleren Gesichtes fast die seinige berührte. Er roch ihren Atem, der nach Schwefel und fauligen Eiern stank. Sie grinste irr und kicherte leise. »Was kann ein normaler Mensch wie du gegen Magie anrichten?«

»Wusstest du es noch nicht, Mädel?« hievte er immer schwerer. »Nur ein Mensch kann ein Monster besiegen!«

»Hahahaha, aber jeder Mensch IST ein Monster!« Mit einem gewaltigen Schlag zwang sie ihn in die Knie, dass er direkt auf Fuchs landete und sie unter sich begrub. Neben ihm begannen die Gesichter im Boden zu lachen.
 

Immer schneller ging sein Atem, aber sein Willen war noch längst nicht gebrochen, als er sich von Fuchs hochdrückte und ihr nur für den Bruchteil einer Sekunde besorgte Blicke zuwarf. »Hör endlich auf zu labern!«

Das Kichern wurde höher und endete in einem unmenschlichen hässlichen Gelächter. Der Körper krümmte sich vor Lachen, bog sich in unmöglicher Weise um sich selbst und knarzte bei jeder Bewegung. Das Mädchen holte tief Luft und wetzte ihre nadelscharfen Beine und Finger. »Krepiert endlich!«

»Berry!« hörte er jemanden aus der Ferne rufen und sah nur aus dem Augenwinkel wie ein blauer Lichtball auf ihn zu flog, gegen seine Haut traf und ihn endlich gänzlich mit einem dünnen Film überzog. Blauer Schein schütze ihn vor physischen Attacken und allzu harten Aufprallen. Es brachte Berry zum Grinsen.

»Hey, danke Kumpel.« Es wurde wirklich Zeit, dass das Gequatsche ein Ende hatte. Berry drückt seine gesamte Kraft in seine Beinmuskeln und sprang behände auf seinen Gegner zu.

Erschrocken wich das Wesen zurück und begann zu zischen. »Was? Grr...« Wütend stach sie auf den Mann ein, doch jeder ihrer Angriffe prallte zurück und stach in ihren Fühlern. »Du mieser...«

»Jetzt hast du nicht mehr so ne große Klappe, was?« Ab und zu wich Berry dem Monster aus, ab und an ließ er zu, dass es ihn traf. Es schien das Wesen nur noch wütender zu machen. Von Weitem hätte man denken können, sie spielten ein eigenartiges Fangspiel oder befänden sich in einem tödlichen Tanz. Der große Mann nutzte seinen Speer als Ruder, um seine Balance zu halten, anstatt damit anzugreifen. Immer wieder gelang es ihm an seinem Speer herumzuwirbeln, um Schwung zu holen und dem Monster mit aller Macht und Körpereinsatz in den Körper zu stoßen.
 

Zu gleichen Zeit erreichte Sajid Fuchs und ließ sich neben ihr nieder, starrte atemlos auf ihrem Arm und schließlich in ihr Gesicht. Doch sie sah ihn gar nicht. Ihre schmerzverzerrte, tränenüberströmte Miene hatte sich nur dem Gesicht vor sich im Boden zugewandt, dessen tote Augen sie flehend ansahen und ihr etwas zuflüsterten.

Bitte... bring mich endlich um...

Sajid sah wie Fuchs den Kopf schüttelte und sich in sich selbst zusammen kauerte, vor Angst zitterte und das Loch in ihrem Arm, aus dem immer mehr Blut rann, komplett ignorierte. Er biss sich auf die Lippen und wandte sich von ihr ab. Sie hatte einen physischen Schutz, das müsste sie für den Moment beschützen. »Fuchs, bitte bleib bei Verstand. Ich suche die anderen!«

Doch sie hörte ihn nicht einmal, ihr Blick war gefangen in den Augen des Mädchens, aus denen nun ebenfalls Tränen flossen.
 

Berrys Atmung wurde langsam schwerer. Das Ding war wirklich ziemlich schnell, auch wenn es langsam nachließ. Das nun wiederrum nicht schnell genug. Er musste sich etwas überlegen und zwar bald. Eine Spinne. Was fiel ihm zu Spinnen ein? Gar nichts. Er hatte nicht einmal etwas gegen die Achtbeiner und zerquetschen konnte er das Monster nicht. Berry war aber auch kein Taktiker. Er handelte nach Instinkt. Beim nächsten Angriff schwang er sich mit einem starken Satz vom Boden und wirbelte in der Luft, wich zwei Beinen aus, ließ drei weitere an seiner Schutzmauer abprallen. Die Glöckchen an seinem Speer rangen heftig, als er den Stab zwischen den Fingern herumwirbelte. Man hörte ein Knacken und sah schließlich das untere Ende glitzern. Metall. Berry machte einen Salto in der Luft, streckte schließlich alle Glieder von sich und ließ Gravitation den Rest erledigen. Mit allem Schwung und allem Gewicht, das er aufbringen konnte, kam er auf das Monster herunter und stach durch den fetten Rumpf, bis er die Vibration spürte, die der Speer in seinem Arm hinterließ, als er durch die Spinne auf den Boden stieß.

Berry spürte das Fleisch sich hartnäckig gegen den Speer winden, spürte wie die Klinge in ihm stecken blieb, eisigkaltes, schwarzes Blut aus der Wunde hervor sprudelte und seine Füße darin bedeckte. Das Wesen krachte unter dem Gewicht zusammen und zuckte heftig, versuchte den Mann auf seinem Rücken herunterzuwerfen. Das Kreischen wurde so heftig, er sich die Ohren zuhalten musste. Es klang nicht einmal mehr menschlich und doch war es menschlicher als alles andere, das in diesem Raum auf sie gelauert hatte.
 

Die Gesichter drehten sich ihm zu, die Hälfte davon schreiend, die andere Hälfte genauso tot wie zuvor. Nur der Kopf in der Mitte des Wesens spuckte ihm schwarzes Blut entgegen und fauchte. »Das bringt dir nichts... Selbst wenn du das Mädchen rettest, kannst du deinen Freunden nicht helfen... Ihr werdet alle sterben...«

»Und schon wieder...« Er zerrte den Speer brutal aus ihrem Fleisch und stach erneut zu. »...laberst du einfach zuviel!«

»Hehehehe... ihr werdet schon sehen...« Das Wesen sank in sich zusammen und aus seinem Bauch floss ein schwarzer Teppich aus Blut über den Marktplatz. Die Augen des Mädchens schlossen sich eines nach den Anderen, bis selbst das Gesicht in der Mitte erschlaffte und erneut die eisige Stille über den Platz schwebte.

Noch immer heftig atmend, trat Berry ein wenig zurück und legte den Stab über seine Schultern. »Das war es schon, hm? Ich hoffe Antagonist hat noch mehr zu bieten, sonst komme ich mir echt blöd vor, weil ich so aufgeregt war.«
 

Nur aus dem Augenwinkel und mit nicht wenig Erleichterung hatte Sajid bemerkt wie Berry das Monster erledigt hatte. Doch er wusste, dass das noch nicht das Ende bedeutete. Er hastete voran, um die anderen zu finden. Es dauerte eine Weile, ehe er das richtige Haus gefunden hatte. Kopflos sprintete er hinein und blieb endlich keuchend stehen, als er Monada und Verona sehen konnte.

Die ältere der beiden Schwestern saß noch immer an der gleichen Stelle und weinte bitterlich. Sie hatte das Gesicht hinter den Händen versteckt und schluchzte so hart, dass sie kaum Luft bekam. Er konnte nur wenige Worte ausmachen. »...Es tut mir so leid...«

Monada saß nicht unweit von ihrer Schwester entfernt, die Augen noch immer weit aufgerissen, in Schock gefroren. Sie war völlig sprachlos.

»Bitte... verzeih mir... bitte Monada... es tut mir so leid...« Verona sank noch mehr in sich zusammen und versteckte sich vor ihr, vor den Augen an den Wänden, die sie nur weiterhin stumm anstarrten. Die Stimme jedoch war verschwunden.

Sajid wagte nicht näher zu kommen, doch er wagte genauso wenig zu gehen. Niemand wusste, was sie erwarten würde.

Monada wollte etwas sagen, aber jedes Wort, jede Silbe blieb in ihrem Mund stecken. Sie konnte gar nicht beginnen zu verstehen, was eigentlich passiert war. Nur, dass ihre Schwester auf sie geschossen hatte, nur daran dachte sie und daran, dass es einfach nicht wahr sein konnte.
 

~ ~ ~
 

Plötzlich verstummte das Gelächter um ihn herum und wurde zu einem sanften Murmeln. Zaphir war blind von Schmerz und hatte unweigerlich zu husten begonnen. Dieser Schmerz war nichts Physisches. Er blutete nicht und es fühlte sich auch nicht so an als wäre etwas in ihm wirklich zerstört worden - der Schmerz jedoch war so niederstreckend als wäre es echt. Nur langsam ließ das Stechen in seinem Magen nach, gelangte er wieder zu etwas Orientierungssinn.

Zuerst versuchte er sich aufzurichten. Das im Dreck spielen war er wirklich leid. Er schaffte es, wenn auch kläglich. Sein Körper fühlte sich schwach und ausgelaugt an und seine Beine zitterten. Es fühlte sich fast so an als wäre sein Trommelfell zertrümmert. Leise knurrte er in sich hinein und stolperte nach vorne. Man hatte ihn oft angeschrien, aber er musste zugeben, dass das nie so extrem laut gewesen war, wie das hier. Eigentlich hätte das Glas hier zersplittern müssen. Er fühlte sich beinahe so, als wäre er in einer schlechten Oper eingeschlafen. Neben ihm wurde das Murmeln lauter, entfernte sich beinahe ein wenig, wirkte unsicher.

Hmpf. Er hörte die Stimme wieder in sich, wie sie langsam aus ihm heraus kroch und dabei eine kalte Spur von Einsamkeit in ihm hinterließ. Du kannst froh sein, dass wir dich am Leben lassen.
 

»Ich bin ja so dankbar. Wenn ihr mir eure Adresse gebt, schreib ich euch einen Dankesbrief.« kam es kaltschnäuzig, während er weiter voran trottete.

Nun hörte er wieder das hämische Grinsen. Es ist nicht dein Verdienst, dass du überlebst, Zaphir. Du wärst hier gestorben. Nicht du hast Gélōs besiegt. Du bist allein aus dem Grund frei, weil er euch testen will. Wir würden dich töten, auch ohne Gélōs.

Die Spur eines Grinsens waberte über sein Gesicht, wie Nebelschwaden. »Und du meinst, es interessiert mich, wer letztendlich den Tag gerettet hat? Ich muss kein Held sein.«

Hahaha... Die Stimme wurde leise und floss schließlich aus seinem Ohr, bis die Stille zurück kehrte und der Schmerz in ihm nur noch dumpf nach hallte. Wie du meinst Zaphir... aber du weißt, dass du hier gestorben wärst, hätte es die anderen nicht gegeben. Du weißt, dass du uns nicht besiegen kannst. Dass du ihn nicht besiegen kannst.

Er rieb sich erschöpft über das Nasenbein. »Da kann ich nur hoffen, dass die anderen Ebenen nicht so erzählfreudig sein werden.«
 

Als er ein paar weitere Schritte gelaufen war, konnte er zwei Gestalten am Boden ausmachen. Eine Große beugte sich über eine Kleinere. Beim Näherkommen konnte er auch erkennen, wer die beiden waren. Der Macho und der Rotschopf. Er konnte gerade noch das Gerede des Riesen hören.

»...ist tot. Komm schon Fuchs. Steh endlich auf.«

Das Mädchen schluchzte leise und raffte sich langsam auf, doch ihre Beine zitterten zu sehr um sie zu tragen.

Als er Zaphir näher kommen spürte, richtete er sich sofort auf und sah ihm entgegen. »Na sieh mal einer an. Kommst du auch mal vorbei? Du hast die ganze Action verpasst. Ich frage mich, wieso?« Berry hielt sie fest, dass sie nicht gleich wieder umkippte, doch sein Blick galt noch immer dem Schwarzmagier, der ihm nicht antwortete. »Was ist eh? Wirst du immer dann wieder auftauchen, wenn der Kampf vorbei ist?«

Zaphir reagierte noch immer nicht auf ihn, sah nicht ein einziges Mal zu Fuchs, sondern blickte zu Boden, dem Monster entgegen. Er hatte das Blut schon seit einer Weile gerochen.

»Hey! Ich rede mit dir!«

Doch der schwarzhaarige Mann hatte nicht die Muße ihm Aufmerksamkeit zu schenken, bis es Berry erneut wütend machte. Er konnte nicht auf ihn zustürmen, weil er Fuchs noch halb im Arm hielt, aber anbrüllen konnte er ihn gut.

»Was soll das?! Du musst das doch gemerkt haben, das hier was faul ist! Immerhin müsstest du dich hier ja wie zu Hause fühlen, Schwarzmagier!«

Im nächsten Moment musste Berry Fuchs hinter sich drücken, um sie vor der Flamme zu schützen, die ihm entgegen gesprungen kam, wie hungrige, brennende Finger. Sie züngelten bis kurz vor seine Haut und Berry konnte die Hitze durchaus spüren, wie sie sich in seinem Körper verteilte. Nur noch ein paar Zentimeter und er wäre wirklich ziemlich tot gewesen. Er konnte noch das tiefe, lauernde Flüstern hören, das Zaphir ausspuckte. »Halt den Rand. Ich habe heute genug gehört.«
 

Ein bisschen wie ein nach Luft schnappender Fisch, glotzte Berry ihm nach, als Zaphir sich wieder von ihnen entfernte. Erst viel zu spät viel ihm eine Antwort dazu sein.

»B-Berry...« keuchte es hinter ihm so schwach, dass er es kaum wahr nahm.

Es war ein bisschen wie ein elektrischer Schlag, der ihn ins Leben zurück holte. Ah ja, da war ja noch was Wichtigeres gewesen. Hastig wandte er sich Fuchs wieder zu und hielt sie erneut fest. »Hey hey, ganz ruhig. Ist wieder alles okay.«

Fuchs keuchte heftig und auf ihrer Stirn war heißer Schweiß ausgebrochen. Ihre Augenlider flimmerten unruhig auf und ab, während ihre Iris unstetig wirkte. Sie hielt verkrampft an ihrem blutenden Arm fest und sah so aus, als würde sie gleich das Bewusstsein verlieren. »...Bitte... Sajid...«

Ohne weiter Zeit zu verlieren, hievte er das Mädchen in seine Arme und setzte sich hastig in Bewegung. Er hatte nur eine ungefähre Vorstellung davon, in welche Richtung Sajid verschwunden war. Das Monster hatte ihn ein wenig abgelenkt.

Er fand ihn nur wenige Momente später am Eingang eines Hauses, aus dessen Inneren er leises Schluchzen hörte. Der blonde Mann bedeutete ihm nicht hineinzugehen und Fuchs festzuhalten, während er sich über sie beugte und ihren Puls fühlte.

Schwitzend und panisch öffnete das Mädchen ihre Augen und starrte in die grauen Seen seiner Iris. Er sagte etwas, das sie nicht mehr verstand, doch die Wärme seiner Worte reichte um sie sanft in die Bewusstlosigkeit sinken zu lassen. Dann spürte sie nichts weiter außer seine warmen Hände an ihrer Schulter.



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  Lianait
2011-11-23T21:41:38+00:00 23.11.2011 22:41
Wow. O_O
Ich bin per Zufall hierauf gestoßen und dachte mir, dass es ja nicht schaden kann, wenn ich einfach mal den Prolog lese. Und ich muss sagen, ich hbe es nicht bereut :D
Der Prolog setzt mitten in der Handlung ein und man hat zuerst überhaupt keine Ahnung, worum es geht, aber das hat mir sehr gefallen. Mit wenigen Worten stellst du die Situation schnell dar, schaffst es aber immer noch bildlich zu bleiben; sehr schön ;)
Das Ende hat mich umso mehr überrascht, nachdem ich - nach Betrachtung der Steckbriefe (sehr coole Bilder übrigens) - ja logischer Weise dachte (und auch immer noch denke), dass Fuchs der Hauptcharakter ist.
Es klingt zwar nach High Fantasy, was nicht mehr ganz so meins ist, aber dein Prolog hat mich stark genug gepackt, um es trotzdem weiterzuverfolgen ;) Ich hoffe, dass du bald weiterschreiben kannst :)
LG, Lianait ;)


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