Der Wahnsinn des Herzoges von Venomania von -Yunami- (Chroniken der sieben Todessünden - die Wollust) ================================================================================ Kapitel 2: Lukana Octo ---------------------- Lukana Octo Alter: 20 Jahre Schneiderin Mit ihr sollte es beginnen. Geräuschlos tropfte das Blut von ihren Händen auf die alte Holzdielen und befleckte ihr weißes Gesicht, das abgetragene Kleid und die nackten Füße mit einer Farbe, die sich in einer krankhaften Harmonie mit der zerschlissenen, scharlachroten Robe auf dem Schneidertisch verband. Als er in die Heruntergekommene Werkstube trat; den Hut tief ins Gesicht gezogen – lohten ihm förmlich die glühenden Flammen des Ekels aus ihren schattenumworfenen Augen entgegen, ihrem abgrundtiefen Hass auf die Welt. Diese Frau. In den Momenten konnte er einfach nur verharren und sie wortlos betrachten. Dann tat er einen Schritt. Sie ebenfalls. Die beiden umkreisten einander wie scheue Tiere, die sich zum ersten Mal mit gebleckten Zähnen beschnupperten – die Blutschlieren auf dem Boden Nachdrücke eines eigenartigen Tanzes. Ihr Blick streifte stumpf den seinen, seine Augen waren unablässig auf ihr, doch gelang der Versuch nicht, in ihr inneres zu dringen und die Frau zu ergründen. In ihren Augen lag nichts. Leerwaren sie, zwei leblose Irden von einer undefinierbaren Farbe. Genau wie er selbst. Ihre schmalen Lippen pressten sich zu einem dünnen Strich zusammen, als sie endlich zu sprechen anhob. „Willkommen in unserer Schneiderei, mein Herr. Was ist ihr Begehr?“ Ihre Stimme, von einem gar feinen Klang, war brüchig und heiser, als hätte sie seit langem kein Wort mehr geäußert. Ihre Finger, glitschig vor Blut, krampften sich fest um die Schneiderschere. „Mein Begehr..“ Er ließ seinen Blick zu den Leichen auf dem Boden hinunter wandern, und er schürzte die Lippen mit einem süffisant anmutendem Grinsen. „Nun..“ Mit einer geschäftigen Routine stieg die junge Frau über die Toten hinweg und wandte sich ihrem Nähtisch zu, als hätte sie vom einen auf den anderen Moment vergessen, dass sich außer ihr noch jemand im Raume befand. Sie schickte sich an, einen feinen Bortenstoff von Azaleenrosa aus einer der Schubladen ans Licht zu fördern, dabei schmierte sie alles mit halb angetrocknetem Blut ein, was sie währenddessen mit den Fingern berührte. „Was für ein schöner Stoff, “ murmelte sie in einem schwingenden Singsang; „…Schöner Stoff. Schere, Schere.. Schnipp, Schnipp, Schnapp…“ Vielleicht war es das Mitleid, das ihn übermannt hatte. Vielleicht aber auch einfach nur die Gier, dieses Weib zu besitzen, welches das Gefühl kannte das einen beim morden durchrann - Dahingestellt, ob es aus Vorsatz oder Notwehr geschah. Und das Verlangen nach ihr packte ihn und füllte ihn aus bis in die letzte Pore seines Körpers. Er wollte sich an ihr besaufen, sie sich zu Eigen machen. Sie sollte keinen anderen Mann mehr kennen – diese Frau, die so wunderschön hassen konnte. Dieses wahrlich einzigartige Weib. Er nahm den Hut vom Kopf und blickte sie unvermittelt an, ließ die Worte mit ihrem Gewicht im Raum schweben. „Lukana Octo. Du sehnst dich nach jemandem, der dich festhält. Dich vor dem Zerfall… bewahrt. Ich kann dir geben, was du suchst. “ Mit langsamen, wankenden Schritten kam sie auf ihn zugelaufen, die Schere fiel klirrend auf die rutschigen Dielen. Jeder Schritt ihrer baren Füße verursachte ein hörbares Klatschen auf dem Boden. Zitternd schmiegte sich ihr Körper an den seinen, er konnte unter dem dünnen Kleid jede ihrer Konturen fühlen – Brüste, Hüften und Rippen – und bemerkte erst jetzt, was das Stück Stoff eigentlich verhüllte. Zu verhüllen versuchte. Doch dann löste sie plötzlich die Umarmung, sodass der Herzog sie vor Verwunderung fast aus den Armen ließ. Fiel kreischend auf die Knie. Robbte auf Knien durch den Raum, hinüber zu einem der Leblosen… Und klammerte sie sich wie eine irre an den leblosen Körper des jungen Mannes und küsste seinen bleichen Mund unablässig, wobei sie in einem Fort etwas von Schuld lispelte. Und dem Herzog offenbarte sich die ganze Geschichte. Es war ihr Verlobter, den sie in den Armen hielt. Seiner Kleidung nach zu urteilen war er ein Sohn aus gutem Hause. Sie eine Schneiderstochter. Die Zusammenhänge waren erschreckend Banal. Die Frau am Fuße der Treppe besaß das gleiche Haar wie das Mädchen. An ihrem Finger fand sich kein Goldring, kein Abdruck, ls ob sie je einen besessen hätte. Sie hätte ihn auch aus Armut verkauft haben können, doch die Stoffe in dem Geschäft waren von erlesener Qualität... Es war anders gewesen. Der junge Mann hatte der Familie regelmäßig teure Aufmerksamkeiten zukommen lassen, um die Gunst des gar schönen Mädchens zu erwerben, wovon ihre Frau Mutter sehr angetan war. Sie gaben ohne das Zutun der Eltern einander ein Eheversprechen. Der Vater des Freiers wollte die Schuldige für den Strick alsbald finden um seiner angesehenen Familie die Schande zu vertuschen. Er beauftragte eine Magd ihm nachzugehen und diese gewahrte, wie er mit des Fräulein Schneiderins Mutter in der Kammer verschwand. Der junge Herr schlief in Seelenruhe – sein Vater hatte seine Schuldige, er seine Buhle. Das die Schlinge dem falschen, wesentlich zärteren Hals anlag, tangierte ihn nicht im geringsten. Doch die junge Magd war eine alte Freundin Lukanas und hinterbrachte ihr den gesamten Anschlag. Sie waren tatsächlich gut befreundet gewesen, bis sie ihrem Herren das frevelhafte Treiben ihres Sohnes dargelegt hatte, um eine stattliche Lohnsumme zu erhoffen. Und vielleicht für ihre Genugtuung. Liebe ist manchmal grausam. Armes Kind. Du bemitleidenswertes, bedauernswertes, schwaches Mädchen. Lukana schrie und schrie, schlug um sich wie eine Furie; immer aufs neue ihre Unschuld beteuernd, die Tränen der Verzweiflung in ihren Augen. Ihr Geist war zu gelähmt, alsdass bloße Blicke sie hätten erretten können. Als sie ihren Mund abermals von den kalten Lippen hob, waren die Seinen auf ihren, wortlos, verlangend und heiß. Es fühlte sich an, als würde er ihr mit seinem Atem das pure Leben zurück in den kalten Körper pressen. Sie ließ es geschehen und erstickte die Tränen auf den blutigen Wangen mit dem warmen Umhang, den er um ihre bebenden Schultern legte. Doch er wischte ihr das Blut nicht aus dem Gesicht. Das musste sie selber tun. Er wartete bis zur Dämmerung, ehe er sie aus dem Laden führte. Auf der Straße achtete niemand auf die beiden – in dieser Gottlosen Stadt war jeder froh, wenn er sich zu diesem Tageszeitpunkt in einer warmen und sicher geschlossenen Stube befand. Ihm blieb in Erinnerung, wiesehr das Mädchen sich an ihn klammern musste, um nicht zusammenzubrechen. Außer den nunmehr geräumigen Schlafkammern aus der sie sich eine zur ihrer wählte, besaß das Landhaus ebenfalls ein großes Thermalbad; in dem Lukana fast die ersten zwei vollen Tage verbrachte. Als würde das heiße Wasser jegliche Sünde so einfach aus ihrer Seele waschen wie das Blut von Körper und Haaren, welches sie immer noch an sich glaubte. Das konnte es nicht, doch er brachte ihr bei, jene Laster zu vergessen – Nacht für Nacht. Der Fall des grausamen Mordes in der Schneiderstube - mit drei bis zur Unkenntlichkeit zugerichteten Toten, von der man einen als die alte Dame Octo indentifizieren konnte - wurde nach einer knappen Woche als ungelöst deklariert und zu den abgeschlossenen Ermittlungen gelegt. Man besann sich des allgemeingültigen Mittel des Totschweigens und sprach in der Öffentlichkeit nicht mehr über die Tragödie. Ab und zu gab es nach außen hin nur noch ein leises Murmeln darüber, wie man einer alten und kinderlosen Frau so etwas antun konnte. Hinter verschlossenen Gardinen jedoch war man jedoch insgeheim froh, an dem Falle ein gefundenes Fressen für Gerüchte gefunden zu haben. Das Leben ging weiter. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)