Deadly Desire von Kyat (When desire is your drug) ================================================================================ Kapitel 2: Filth ---------------- Kapitel 2: Filth Mein Körper erteilt mir durch unheimliche Schmerzen ein grausame Lektion. Ein Warnruf, dass ich so nicht weitermachen sollte. Der kalte Wind, der durch das offene Fenster weht, lässt mich kurz zusammenzucken und zaubert mit seiner eisigen Hand eine Gänsehaut auf meinen nackten, gemarterten Körper. Ich könnte es schließen, doch dann würde der Gestank von Alkohol und Sex nicht schnell genug verfliegen. Ich versuche die aufkommende Übelkeit bei dem Gedanken an die letzten Stunden zu unterdrücken und drehe mich mit einem leisen Stöhnen auf die Seite. Ein kleines Bündel mit Geldscheinen liegt auf dem befleckten Laken meines Bettes und gibt mir wenigstens für einen kurzen Moment das Gefühl, dass sich meine Erniedrigung gelohnt hat. Immerhin reicht das Geld für die nächsten Tage. Essen, Wohnung, Schule, Schulden. Ja....diese verdammten Schulden. das ist das einzige was ich noch von ihnen hab. Von Mom und Dad. ich schließe meine müden Augen und es dauert nicht lange bis die ersten Tränen wie kleine Bäche über meine eingefallenen Wangen rollen. Diese verdammten Bilder wollen einfach nicht aus meinem Kopf gehen. Seit 5 Jahren spielen sie sich jeden Abend wie ein Film vor meinen Augen ab. Wann wird er endlich abgesetzt. Das Publik hat sich schon längst leid gesehen. Das zerstörte Auto, welches nur noch durch einzelne Fragmente als solches identifiziert werden konnte. Das Blut meiner Eltern, auf dem blau lackierten Metall, auf dem grauen Stoff der Autositze und auf dem sonnengelben Kleid welches ich trug. Die dunklen spritzer formten ein Muster was mich immer an Felder mit roten Mohn erinnert. „Nein!“ Meiner Kehle entkommt nur ein leises Keuchen. Erneut wische ich mir die Tränen aus den Augen. Ich schließe sie erneut und kann endlich der Grausamkeit meines Lebens entkommen. So müde....so unendlich müde. Bitte lass mich einfach nicht mehr aufwachen. Seit 3 Minuten schrillt mein Wecker so heiser als hätte er die letzten Nächte durchgefeiert. ich versuche meine trägen Augen zu öffnen um dem neuen Tag eine faire Chance zu geben. Doch nur 2 Sekunden später nennt auch er mich Feind und schlägt mir mit voller Wucht in den Magen. Ich schaffe es kaum meine Hand auszustrecken um den Wecker in seinen wohlverdienten Feierabend zu schicken. Er hat sein Tagwerk vollbracht. Ich bin wach. Meine Glieder sind fast wie steif gefroren. Ich hatte vergessen das Fenster zu schließen und nun straft mich meine Gedankenlosigkeit mit Schmerz. Nicht neues an diesem grausamen Montag morgen. Mein Körper klebt, von Schweiß, Bier und Sperma meines gestrigen Kundens. Wiederlich. Selbst die heiße Dusche, in der ich mich nur mühevoll aufrecht halten kann, hilft nicht den Schmutz zu entfernen. Nicht von ihm und auch von keinem anderen. Ich müsste mir eine neue Haut anziehen können um den Dreck der letzten 5 Jahre abzuschütteln. Ich fasse meine Haare, ziehe die rosa Perücke vom Kopf und lasse sie auf die vergilbten Fliesen fallen. Es wird Zeit wieder Jill zu sein. Cherry darf jetzt schlafen gehen, sie hat es sich verdient. Langsam wanke ich zurück ins Schlafzimmer und schließe endlich das Fenster. Meine braune Mähne trockne ich schnell und binde sie notdürftig zu zwei Zöpfen zusammen. Dann ziehe ich mit ein klein wenig Freude meine Uniform an. Das einzige Kleidungsstück, indem ich wie andere sein kann. In dem ich normal sein kann. Ja....Normalität bestimmt nur einen kleinen Teil meines Lebens. Schnell packe ich meine Tasche und greife mir beim hinausgehen ein Waffel aus der Küche. Die Sonne scheint doch trotzdem ist die Luft so kalt, dass mir für einen Moment das Atmen schwerfällt. Meine warme Kehle brennt als sie die eisige Luft inhaliert. Der Herbst verliert langsam aber sicher seinen Kampf gegen den Winter. Vielleicht ist dies der letzte sonnige Tag in diesem Jahr. Trotzdem kann ich den hellen Strahlen nur geringe Freude entgegnen. Mein Weg führt durch die dreckigen Gassen meines Wohnblocks. Kein schöner Ort. Ein Ort an dem Träume zerbrechen und Existenzen zerstört werden. 40 Minuten zu Fuß. Mit dem Bus würde es um einiges schneller gehen, doch die Fahrt ist so teuer wie eine Mahlzeit. 10 Minuten vor Schulbeginn biege ich um die Ecke zur Jefferson High. Die Straßen sind gefüllt mit Schülern, die sich zu Gruppen zusammenfinden. Sie lachen, erzählen sich Geschichten vom Wochenende. Über Partys, Tanzen und Alkohol. darüber könnte ich auch Geschichten erzählen, allerdings würden sie darüber nicht so ausgelassen lachen. Zwei Schritte noch und ich betrete das Schulgelände. Das nächste was ich spüre ist der eisige Asphalt unter meinem Körper. Ein unsanfter Zusammenstoß hat mich zu Boden gerissen. Mein Gesäß schmerzt und meine Handflächen brennen als sich kleine Steinchen in die frisch enstandenen Schürfwunden drücken. Ich versuche meinen Blick schnell wieder zu fokussieren um zu sehen wer mir das angetan hat und blicke in zwei grüne Augen. Nein! das kann nicht sein! Ich spüre wie mein Herz anfängt schneller zu pulsieren. Mein Körper fängt an zu zittern. Könnte es das gewesen sein? Fliegt mein wohl gehütetes Geheimnis jetzt auf? Wie kann es sein, dass dieser Typ von gestern Nacht auf meine Schule geht? Ist diese Stadt denn nicht groß genug? Seattle....zu groß um jemanden zu finden den man finden will, aber zu klein um jemanden aus dem Weg zu gehen den man nie wieder sehen will. „ Eisblaue Augen!“ Seine Stimme reißt mich unsanft aus meinen Gedanken. Er starrt mich an. Hat er etwas bemerkt? „Ähm...ähm...ja?!“ Es ist mehr Stottern als Reden was ich herausbringe. Bin immer noch zu überrascht. Nein...geschockt ist der richtige Ausdruck für meinen Zustand. -Super Jill! Jetzt reiß dich mal zusammen!- ermahne ich mich innerlich. Ich merke zwei starke Hände die mich an den Armen ergreifen und mich wieder auf die Beine hiefen. „Es tut mir echt leid! Hast du dich verletzt? Soll ich dich ins Krankenzimmer bringen?“ Ein Hauch von Sorge schwingt in seiner Stimme mit. Was soll der verdammte Scheiß? Ich weiß genau, dass du kein Prinz in strahlender Rüstung bist, sonder nur ein kleiner Perversling der sich ständig an Stripperinnen aufgeilt! „N-Nein! Es ist alles in Ordnung. Das kann ja mal passieren.“ Ich klopfe mir den Staub von der Uniform und hebe meine Tasche auf. Ich lächle ihn noch einmal freundlich aber distanziert an und gehe dann in Richtung des Hauptgebäudes. Obwohl ich dem Unterricht kaum folgen kann, bemühe ich mich wenigstens das Tafelbild abzuschreiben.-Hat er etwas gemerkt? Was ist wenn er der Schulleitung alles sagt? Wird er mich vielleicht erpressen? Muss ich die Schule wechseln? Oder noch schlimmer die Stadt verlassen?- Seattle verlassen? Meine Stadt? Die Stadt in der ich aufgewachsen bin und glücklich war? Die mir alles gegeben hat und mir dann mit einem Schlag alles genommen hat? Die mir jeden Abend mein Seele herausreißt? Stück für Stück, für Stück! Die jede Nacht mein Herz in der Hand hält und ein Messer? Und das Messer sticht und es sticht und es sticht! Die Stadt die ich so sehr liebe und doch so abgrundtief hasse! Mein Magen krampft bei diesen Gedanken und ich spüre die Galle meine Speiseröhre hinaufklettern. Langsam durchatmen. An etwas anderes denken! Hey was könnte ich mir denn heute zu essen kaufen? Zwanghaft richte ich meinen inneren Monolog auf ein anderes belangloses Thema. Die ersten 4 Stunden ziehen sich wie ein zähes Kaugummi. Dann endlich die erlösende Klingel zur Mittagspause. Ich suche mir ein ruhiges Plätzchen auf dem Schulhof. Unter einem knorrigen Baum setzte ich mich hin, etwas Ruhe könnte mir ganz gute tun, denn Schlaf kam in den letzten Tagen an letzter Stelle. Mit Counting Crows‘ „Colourblind“ döse ich vor mich hin. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)