Nix Rubra von genek (- Roter Schnee -) ================================================================================ Kapitel 1: Kälte ---------------- Es war immer dasselbe, dachte Shirō Fujimoto grimmig, als er den ersten gewaltigen Kälteschock überwunden, sich aufgerappelt und anschließend den Schnee soweit es ging von sich abgeklopft hatte. Das Reisen mittels der magischen Schlüssel mochte zwar an und für sich bequem sein und einem viel Zeit sparen, doch wusste man nie so genau, wo man letztendlich auf der anderen Seite der Tür enden würde. Es wäre durchaus hilfreich gewesen, zu wissen, dass das Kapellenportal, das ihm als Ausgang zugeteilt worden war, mit einer hohen Stufe direkt nach außen in die tief verschneite Wildnis führte – das hätte ihm seinen wenig eleganten Fall in das kalte Weiß erspart. Wenigstens hatte ihn niemand bei dem misslungenen Auftritt gesehen, stellte er erleichtert fest, als er sich nun gründlich in der Umgebung umsah. Die kleine Kapelle, aus der er soeben getreten oder vielmehr gefallen war, stand auf einer Anhöhe, von der aus er eine gute Sicht auf die Landschaft hatte. Nahezu zu allen Seiten hin erstreckte sich ein unendlich scheinender, düsterer Nadelwald, der sich noch über die nächsten Hügel weiterzog, unterbrochen lediglich von dem breiten, eisgrauen Band eines halbzugefrorenen Flusses. Zu seiner Rechten konnte er in einer Senke die Stadt sehen, wegen der er überhaupt hierher gerufen worden war, ihre Häuser schienen unter der gewaltigen Schneelast auf ihren Dächern fast im Boden zu versinken. Hier gab es eindeutig zu viel von dem weißen Zeug, beschloss Shirō frustriert, ehe er seine Tasche schulterte, seinen Schal um sein Gesicht wickelte, die Hände soweit es ging in die Ärmel zurückzog und sich an den Abstieg Richtung Tal machte. Eine gute dreiviertel Stunde später hatte er die Ausläufer der Stadt erreicht, und erkannte nun, dass die Häuser nicht halb so zwergenhaft waren, wie sie von oben vielleicht ausgesehen hatten. Auch wenn man hier doch recht weit ab vom Schuss lag, war die Modernisierung auch hier nicht spurlos vorbei gegangen, die Stadt hatte nur mehr wenig von einem der malerischen Winter-Postkartendörfer, die man wohl zuerst mit dieser Gegend verbunden hätte. Die meisten Häuser sahen recht neu aus und waren nur noch mit Holz verkleidet und nicht mehr reine Holzhäuser wie vielleicht früher einmal. Die Straße, auf der er sich befand, war von den Schneemassen befreit worden, zu beiden Seiten der Bürgersteige türmten sich die durch den Schneepflug entstandenen Wälle. Außer ihm selbst schien niemand unterwegs zu sein, und so blieb ihm nichts anderes übrig, als die ihm gegebene Adresse selbst zu suchen. Shirō überlegte, ob man ihn jemals zuvor so spontan abkommandiert hatte, konnte sich aber nicht erinnern. Er war morgens ins Büro seines Vorgesetzten gerufen worden, welcher ihm eine Akte in die Hand gedrückt und ihm eröffnet hatte, er solle sich noch innerhalb der nächsten Stunde auf den Weg machen. Es war gerade noch genug Zeit gewesen, das Nötigste zu packen und einen oberflächlichen Blick auf die Akte zu werfen, ehe er sein warmes Zimmer durch die Tür in dieses klirrend kalte Winterwunderland verlassen hatte. Sein Job konnte manchmal wirklich nerven. Natürlich, als Exorzist hatte man keine geregelten Arbeitszeiten und keine festgelegten Urlaubstage, aber war ein wenig mehr Rücksicht auf seine Angestellten denn wirklich zu viel verlangt? Immerhin war er erst gestern von einem sehr ermüdenden und frustrierenden mehrtägigen Einsatz aus der Hauptstadt zurückgekehrt. Er konnte Naberius und ihre Meister generell nicht leiden, und noch weniger mochte er es, ihnen ewig hinterherjagen zu müssen, nur um dann einen toten Meister und einen freien und amoklaufenden Naberius vorzufinden. Wenn man schon einen Dämon dieser Klasse heraufbeschwor, sollte man doch wenigstens in der Lage sein, ihn mit der eigenen Willenskraft unter Kontrolle zu halten. Sollte man zumindest meinen. „Wie war das gleich, “die ich rief, die Geister, werd’ ich nun nicht los“?“ murmelte er sich bitter selbst zu, während er weiter die Straße hinabging. Mittlerweile hatte er das Gefühl, als würden seine Ohren bei der kleinsten Berührung einfach zerbröckeln. Vielleicht waren sie das auch schon, fühlen konnte er sie jedenfalls nicht mehr. Dann endlich kam ein Gebäude in Sicht, das aussah, als könnte es auf die Beschreibung in seinen Instruktionen passen – namentlich das einzige Wirtshaus mit Gästezimmern in der Stadt. Erleichtert, nun aus der Kälte entkommen zu können, beschleunigte er seinen Schritt, bis er direkt vor der schweren Holztür stand. Gerade, als er die mittlerweile schon gefühlslose Hand nach der Klinke ausstreckte, wurde die Tür schwungvoll von innen geöffnet, so dass er einen Satz nach hinten machen musste, um nicht getroffen zu werden. „Oh- Entschuldigen Sie vielmals, Sir! Ist alles in Ordnung?“ Shirō starrte sein Gegenüber eine Sekunden perplex an, bis sein kältestarres Gehirn endlich das Gesamtbild zusammengesetzt hatte. Im Türrahmen stand ein junger Mann Anfang zwanzig, mit strubbeligen, schwarz-braunen Haaren, etwas kleiner als er selbst, aber in einen identischen schwarzen Mantel gekleidet. Am linken Revers schimmerte das goldene Abzeichen des True Cross Ordens. Sein akzentgefärbtes Englisch verriet Shirō den Rest. „Ähm… geht es Ihnen nicht gut?“ Endlich löste er sich aus seiner Starre. „Eh, alles klar, danke der Nachfrage. Du musst der Kollege vom russischen Orden sein, richtig?“ Der junge Mann strahlte ihn begeistert an. „Jawohl, Sir! Mein Name ist Nikita Beljajew, es ist mir eine Ehre, Sie kennen zu lernen Sir!“ Shirō winkte unbehaglich ab. „Um Himmels Willen, wegen mir braucht’s die ganzen Förmlichkeiten nicht. Fujimoto wäre völlig ausreichend, bitte spar‘ dir das „Sir“, ja?“ Er machte einen Schritt auf die Tür zu, und dankenswerterweise verstand Beljajew sofort und trat eilig zurück. „Entschuldigen Sie, natürlich, kommen Sie erst mal herein. Ich hoffe, Sie hatten keine Probleme, herzufinden? Normalerweise hätte unser Orden selbstverständlich Sorge dafür getragen, dass jemand Sie abholt, aber wir sind im Moment noch ziemlich unterbesetzt“, er lächelte ihm entschuldigend zu, „und ich selbst bin nur kurz vor Ihnen hier eingetroffen. Es kam alles sehr… kurzfristig.“ „Das kannst du laut sagen“, schnaubte Shirō amüsiert. „Wie sieht es jetzt aus, haben wir noch Verstärkung zugeteilt bekommen?“ „Was das angeht…“ Aufgrund des plötzlichen Klimawechsels waren Shirōs Brillengläser komplett beschlagen und die ersten Schritte folgte er Beljajew quasi im Blindflug. Als sich seine Sicht halbwegs wieder aufgeklart hatte, stellte er fest, dass sie mittlerweile einen recht gemütlich anmutenden Wirtsraum mit einer niedrigen Decke, vertäfelten Wänden und einem großen dunkelgrünen Kachelofen auf einer Seite des Zimmers betreten hatten. Von einem Tisch nahe dem Tresen hatte sich ein weiterer Mann im schwarzen Mantel erhoben und kam ihnen entgegen. Er mochte um die vierzig sein, ungefähr gleich groß wie Shirō selbst, mit dunkelblondem Haar und Bart. „Shirō Fujimoto nehme ich an? Es ist mir ein Vergnügen. Mein Name ist Cyrill Langley, ich wurde vom englischen Orden geschickt, um bei der Aufklärung dieses Falles zu helfen.“ Shirō schüttelte die angebotene Hand. „Damit wären wir auch schon komplett“, schaltete sich nun wieder Beljajew ein, „zur Zeit sind einfach nicht mehr Exorzisten Ihres Ranges erreichbar.“ Shirō seufzte. Sie waren also zu dritt, gut, dass war weniger, als er gehofft hatte, aber er hatte schon unter schlechteren Bedingungen arbeiten müssen. „Wie dem auch sei, wir sollten keine Zeit verlieren. Je eher wir diese Sache aufklären, desto besser.“ „Ich denke, es wäre am besten, ahm, also wenn ich Ihnen eine kurze Zusammenfassung gebe, wenn Sie einverstanden sind“, begann Beljajew, etwas nervös lächelnd angesichts der Aufgabe, die zwei ranghöheren Kollegen informieren zu müssen. Mittlerweile befanden sie sich in einem der Zimmer, das Beljajew ihnen als eine Art provisorischen Konferenzraum eingerichtet hatte. Sie saßen an zwei zusammengeschobenen Tischen, auf denen verschiedene Aktenkladden und Karten auslagen. Beljajew hatte zudem zu Shirōs Freude zwei Kannen Kaffee von unten aus der Küche geholt, und nach dem zweiten Becher hatte er langsam gefühlt, wie die Symptome der Kältestarre nachließen. Beljajew tippte auf die Aktenkladde vor sich und fing an, die Fakten zu rekapitulieren. „Also, innerhalb der letzten vier Monate sind in der näheren Umgebung dieser Stadt insgesamt acht Personen spurlos verschwunden. Dabei handelte es sich hauptsächlich um Durchreisende, deren Verschwinden nicht sofort bemerkt wurde, in zwei Fällen aber auch um Einheimische. Zunächst hat sich die Polizei des Falls angenommen, die haben alles Mögliche angenommen, von Drogenhändlern über Organschmugglerringen bis zu Serienmördern, aber sie kamen zu keinerlei Ergebnissen, die Personen blieben wie vom Erdboden verschluckt, und quasi direkt unter der Nase der Polizei verschwand ein weiterer durchreisender Arbeiter. Zwischen den Opfern bestanden keinerlei Verbindungen oder Gemeinsamkeiten.“ Langley räusperte sich. „Ich verstehe, dass die Polizei nicht weitergekommen ist, aber warum wurde der Orden eingeschaltet? In den uns zugeschickten Berichten war nichts von einer Bitte um Unterstützung vermerkt.“ Beljajew zog aus einer der Aktenmappen vor sich ein Blatt und schob es Shirō und Langley zu. Es war ein auf Englisch verfasster Bericht, der von einigen Tabellen ergänzt wurde. Shirō überflog den Text und sah dann überrascht auf. „Eine Untersuchung über das absolutes Fehlen jeglicher Dämonen in dieser Gegend?“ „Ein Mitglied des russischen Ordens hat diese Untersuchung angestellt. Er stammte hier aus der Gegend und war sich sicher, dass irgendetwas nicht stimmte.“ Beljajew zog ein weiteres Blatt aus der Akte, diesmal war es eine Karte der Umgebung. Von der Stadt als Mittelpunkt ausgehend war mit dem Zirkel ein Kreis gezogen worden, der mehrere Quadratkilometer abdeckte. „Innerhalb dieser Zone findet sich kein einziger Dämon – weder Coal Tar noch Geister.“ Langley schnalzte beeindruckt mit der Zunge. Shirō starrte nachdenklich auf die Karte. Von einem solchen Fall hatte er noch nie gehört. Natürlich gab es Möglichkeiten, Barrieren gegen Dämonen zu errichten, die gesamte Stadt True Cross war beispielsweise mit solchen Schutzzaubern gesichert, aber zu welchem Zweck sollte hier jemand in dieser Abgeschiedenheit eine solche Mühe auf sich nehmen? Und wenn es niemand aktiv herbeigeführt hatte, würde das bedeuten, dass - „Ist ein extrem starker Dämon in der Gegend, fliehen oft die Schwächeren“, sprach Langley in diesem Moment seinen Gedanken aus. Er trommelte angespannt mit den Fingern auf die Tischplatte. „Bei dieser Größe des evakuierten Gebietes wäre es nicht unwahrscheinlich, dass es ein direkter Untergebener einer der Könige der Hölle ist. Ich nehme an, deswegen wurde die unverzügliche Order ausgegeben, hier herzukommen?“ „Es ist nicht nur das.“ Beljajew seufzte schwer, und zum ersten Mal an diesem Nachmittag verschwand sein Lächeln vollkommen. „Der Exorzist, der diese Untersuchung angestellt hat, tat dies auf eigene Initiative hin vor Ort. Er kam vor acht Tagen hierher, vorgestern erreichten uns im Hauptquartier diese Unterlagen per Post. Aber er selbst ist seit fünf Tagen verschwunden. Laut Aussagen der Wirtsleute kam er abends nicht hierher zurück, und wir haben seitdem kein einziges Lebenszeichen von ihm erhalten. Wir müssen also davon ausgehen, dass der Second First Class Exorzist Sergej Chekov ebenfalls zum Opfer dessen geworden ist, was dort draußen lauert.“ Shirō trat zum zweiten Mal an diesem Tage hinaus in die Kälte. Mittlerweile war es draußen schon dunkel, die vereinzelten Straßenlaternen versuchten vergeblich, die Straße völlig zu erhellen. Sie hatten den gesamten Nachmittag damit verbracht, die Profile der verschwundenen Personen und den Polizeibericht durchzugehen, was sich für Shirō selbst als schwierig herausgestellt hatte, da er kein Wort Russisch lesen konnte. Langley hatte erklärt, dass er deswegen geschickt worden war, weil er die Sprache perfekt beherrsche, tatsächlich war er zu den Zeiten, als der russische Orden noch nicht existiert hatte, zusammen mit einigen anderen international zusammengewürfelten Exorzisten hauptsächlich dafür zuständig gewesen, in Sowjetunion Dämonen zu vernichten. Shirō hatte insgeheim jubiliert, dass die Einsatzleitung tatsächlich einmal mitgedacht hatte, doch trotzdem gestaltete sich das Unterfangen anstrengend und zeitaufwändig, da effektiv nur zwei Berichte gleichzeitig gelesen werden konnten, und auch nicht zuletzt deswegen, weil Beljajew es sich nicht hatte nehmen lassen, Langley ein ums andere Mal freundlich über die richtige Übersetzung eines Wortes aufzuklären. Langley war zunehmend entnervt über den Übereifer des jungen Kollegen gewesen, Shirō selbst fand die Situation ehrlich gesagt extrem amüsant. Schließlich waren sie jedoch zu dem frustrierenden Schluss gekommen, dass sie vorerst zu keinem Schluss kommen konnten und hatten beschlossen, eine kurze Pause einzulegen. Shirō lehnte sich gegen die Hauswand, seufzte tief und begann in den Taschen seines Mantels nach seiner Schachtel Zigaretten zu kramen. „Das klingt ja herzergreifend unglücklich.“ Shirō fuhr herum als hätte ihn ein elektrischer Schlag erwischt. Aus Richtung der Hauptstraße kam jemand völlig entspannt den Bürgersteig entlang geschlendert, der zwei Sekunden zuvor garantiert noch nicht dort gewesen war. Er wusste es, noch bevor die Gestalt in den Lichtkegel einer der Straßenlaternen trat. „Du?!“ Johann Faust der Fünfte, oder eigentlich eher Mephisto Pheles, hauptberuflich Dämon und Kundschafter Gehennas, in seiner Freizeit Doppelagent für den True Cross Orden und seit einigen Jahrzehnten Leiter der True Cross Academy, stand nunmehr keine zwei Meter von ihm entfernt. Seitens der Exorzisten des Ordens wurde ihm vermutlich mehr Animosität und Misstrauen entgegengebracht als Satan höchstpersönlich, und Shirō hatte nach ihrer ersten Begegnung vor vielen Jahren eigentlich versucht, den Kontakt auf Minimum zu halten. Das hatte sich allerdings als ein Ding der Unmöglichkeit erwiesen, denn offenbar hatte Mephisto damals ein gewisses Vergnügen daran gefunden, ihm auf die Nerven zu fallen. „Aber, aber, etwas mehr Enthusiasmus von deiner Seite hätte ich da schon erwartet, immerhin bin ich extra hierhergekommen, um dich zu besuchen!“ „Kann mich nicht daran erinnern, dich darum gebeten zu haben“, erwiderte Shirō ehrlich verwirrt und musterte den Mann vor sich. Er war sich ziemlich sicher, dass Mephisto nicht vom Orden geschickt worden war um zu helfen, seine Position war über solch triviale Aufgaben wie Dämonenjagden absolut erhaben. Und dass Mephisto ihn aus reiner Herzensgüte besuchen kam, bezweifelte er ebenso. „Weißt du“, erwiderte Mephisto amüsiert, „wenn ich dich nicht so gut kennen würde, könnte ich glatt denken, du wärest nicht erfreut darüber, mich zu sehen.“ Er tippte spielerisch zum Gruß mit zwei Fingern an die Hutkrempe seines lächerlich großen lindgrünen Zylinders. Das war überhaupt der andere Grund, welcher viele der Exorzisten des Ordens dazu veranlasste, einen großen Bogen um diesen Mann zu machen: sein überaus flamboyanter Kleidungsstil. Diesmal hatte er sich neben genannten lindgrünen Zylinder mit grell pinkem Hutband für einen burgunderroten Gehrock, fliederfarbene Nappa-Leder-Handschuhe, eine mitternachtsblaue Nadelstreifenhose und cognacfarbene Oxford-Schuhe entschieden. Er stach mit seinem interessanten Kleidungsgeschmack stets aus der Masse der anderen Exorzisten in ihren schwarzen Mänteln hervor wie ein Pfau unter einem Schwarm etwas zerrupft aussehender Raben. „Sag mal… frierst du denn überhaupt nicht in dem Aufzug?“ Mephisto zuckte milde desinteressiert mit den Schultern. „Weißt du, im Vergleich zu da, wo ich eigentlich her komme, ist es für mich in ganz Assiah ziemlich kalt. Dreißig oder Vierzig Grad weniger machen da auch nichts mehr aus, ich habe mich schon vor langer Zeit an die Kälte hier gewöhnt.“ Die Nonchalance, mit der er von Gehenna sprach, nahm Shirō für einen Moment komplett den Wind aus den Segeln. Schließlich gab er nur ein recht klägliches „Ach so“ von sich. Mephisto lachte nur glucksend und lehnte sich neben ihn an die Hauswand, während Shirō sich nun wieder auf seine eigentliche Tätigkeit besann und eine Zigarette aus der Packung fischte. „Idiot, erschreck mich nächstes Mal nicht so, wenn du schon plötzlich auftauchen musst“, murrte Shirō, wenn auch etwas undeutlich, da nun mit Zigarette im Mundwinkel, während er alle Taschen seines Mantels nach einem Feuerzeug durchsuchte. Himmel, diese Mäntel hatten einfach zu viele Taschen. Schließlich gab er frustriert auf. „Du hast nicht zufällig Feuer?“ Mephisto warf ihm einen ungläubigen Was-ist-das-denn-für-eine-blöde-Frage-Blick zu, ehe er lässig mit den behandschuhten Fingern schnippte, damit eine kleine hellorange Flamme heraufbeschwor und diese einige Zentimeter über seiner Hand tanzen ließ. „Weißt du, Shirō“, meinte er und betrachtete gespielt nachdenklich das flackernde Flämmchen, „Rauchen schadet der Gesundheit. Ich bin mir nicht sicher, ob ich dieses Laster bei dir unterstützen sollte.“ Shirō verdrehte nur genervt die Augen, murmelte undeutlich etwas, das verdächtig nach „Hältst du dich jetzt für meine Mutter oder was?“ klang und lehnte sich nach vorn, bis das Ende der Zigarette die Flamme berührte. „Also“, meinte er dann und hauchte eine Wolke aus Rauch dem klirrend kalten und strahlend klaren Nachthimmel entgegen, „bist du nur hergekommen um mich zu ärgern oder willst du etwas Produktives zu diesem Fall beitragen?“ „Eigentlich Ersteres, aber wo ich schon mal da bin, gehe ich dir natürlich auch gerne zur Hand. Also, worum geht’s hier?“ Shirō starrte ihn perplex an. „Du bist den ganzen weiten Weg hier irgendwo ins Nirgendwo gekommen, ohne auch nur die geringste Ahnung zu haben, warum wir überhaupt hier sind?!“ „Ich bin lediglich der Staubwolke gefolgt, die die Kavallerie bei ihrem Aufbruch hinterlassen hat“, antwortete Mephisto gelassen. „Eine Mission, für die ein so erstklassiger Upper First Class wie du umgehend abgeordnet wird und ein Gesuch an alle Orden der Welt geht, wenn möglich Unterstützung bereit zu halten - so etwas bekommt man nicht alle Tage zu sehen. Außerdem, was die Entfernung angeht: du solltest wissen, dass selbst andere Kontinente für mich nur einen Katzensprung entfernt sind. Außerdem hatte ich eh grade nichts Besseres zu tun.“ Shirō grinste. „Okay, das glaube ich dir gern.“ Eine Weile standen sie im einvernehmlichen Schweigen nur da, dann berichtete Shirō Mephisto in Kurzfassung von dem Fall. „Klingt in der Tat merkwürdig. Und wenn tatsächlich einer meiner Brüder etwas dieser Größenordnung auf Assiah losgelassen hat, dann ist es bald nicht nur mehr diese Stadt, die Probleme hat“, resümierte Mephisto. „Herzlichen Dank für die aufmunternden Worte, mein Freund“, erwiderte Shirō sarkastisch. Sein Gegenüber lachte nur auf und schlug ihm kameradschaftlich auf die Schulter. „Aber nicht doch, kein Grund, das Ganze so schwarz zu sehen, konzentriere dich lieber auf die positive Seite der Dinge!“ „Die da wäre?“ „Von jetzt an habt ihr einen Joker in eurem Team.“ Er zwinkerte Shirō verschwörerisch zu. „Du willst freiwillig hier mitarbeiten?“ fragte Shirō skeptisch. „Ich lasse meine Freunde doch nicht ins offene Messer rennen. Und wenn, dann nur zu meiner Unterhaltung und in meinem Beisein. War dir das nicht klar?“ Shirō überging die offensichtliche Provokation. „Gerne, allerdings solltest du dann lieber deine… nunja, Erscheinung überdenken.“ Mephisto sah ihn fragend an. „Die Leute hier sind generell alles andere als aufgeschlossen gegenüber Ordensmitgliedern allgemein, noch sehr viel weniger welchen wie mir vom Vatikan“, er tippte mit dem linken Zeigefinger leicht gegen eins der kleinen Holzkreuze, die sein Brillenband verzierten, „da glaube ich kaum, dass sie jemanden wie dir auch nur annähernd über den Weg trauen würden. Nicht, dass das überhaupt jemand tun sollte.“ „Ach, ist das so?“ Shirō grinste nur. „Meinst du, du könntest deine wundervollen Zaubertricks zur Abwechslung auch mal für etwas Sinnvolles einsetzen?“ Als Shirō kurz darauf erneut das Konferenzzimmer betrat, hoben Beljajew und Langley simultan die Köpfe. Letzterer schaute eindeutig erleichtert drein, und Shirō fragte sich, ob Beljajew ihm wohl während seiner Raucherpause einen Kurzvortrag über die russische Translationswissenschaft gehalten hatte, dieser lächelte jedenfalls verdächtig vergnügt. Shirō räusperte sich Achtung heischend. „Gute Neuigkeiten, die Herren, Verstärkung ist soeben eingetroffen.“ Beljajew strahlte begeistert, Langley seufzte erleichtert und murmelte „Oh Wunder, hat der Orden doch einmal was auf die Reihe gebracht!“. Shirō trat von der Tür zur Seite, um eine weitere, sehr hochgewachsene Person in der schwarzen Uniform des True Cross Ordens einzulassen. Kaum hatte sie den Raum betreten, versank sie in eine definitiv überzogene und spöttische Verbeugung. „Gestatten die Herrschaften, Heinrich Wagner, stets zu Diensten. Es wird mir ein Vergnügen sein, mit Ihnen zu arbeiten.“ Er lächelte breit und zeigte eine Reihe blitzender und etwas zu spitz geratener Zähne. Shirō musste unwillkürlich grinsen. Diese Mission versprach eindeutig interessant zu werden. ---tbc--- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)