Dreams and Reality von Innocentia (One Shots über meine Rollenspielcharaktere) ================================================================================ Kapitel 1: Vater und Sohn ------------------------- Erschöpft und müde erreichte der Blutgeist jenen Ort, dem er vor langer Zeit Lebewohl gesagt hatte. Eigentlich wollte er gar nicht hier an diesem düsteren Ort sein. Die Gegend war kahl, tot und vermittelte ein bedrückendes Gefühl. Und das konnte er eigentlich nun gar nicht gebrauchen. Vor ihm erstreckte sich der Blutsee. Der junge Mann hatte keine Ahnung, wie dieser unnatürliche See entstanden war, dennoch war es der einzige Ort, der ihm in den Sinn kam, wo er überhaupt hin konnte. Stumm trat er neben den toten Baum, der nahe dem Ufer stand und starrte auf die rote Flüssigkeit hinaus. Der Wind wehte ihm durch sein weißes Haar und ihm fröstelte es leicht. Nach einer Weile setzte er sich ins trockene Gras und zog die Beine an seinen Körper an. Den Kopf auf die Knie gelegt, starrte er auf den See und tauchte hinab in seine Gedankenwelt. Er musste an jenen Tag denken, an dem er nervös im Zimmer auf und ab ging. Erst die Sache mit seinem Sohn, der zurückgekehrt war und Rache wollte, dann diese durchgeknallte Vampirin, die es auf die gesamte Familie abgesehen hatte… und dann jenes Geständnis, das seine Verlobte mitbekam. Lange schon hatte er die Wahrheit zu verstecken versucht und einige Zeit lang lief es gut. Bis dann sein Sohn gekommen war und im Beisein seiner Verlobten Andeutungen gemacht hatte, wer denn für den Tod ihres ehemaligen Gemahls verantwortlich war. Daraufhin erschreckte der Blutgeist sehr. Er wollte diese Wahrheit nicht aussprechen, da er befürchtete, dass seine Verlobte ihn hassen würde. Wo er doch so lange um ihr Vertrauen gekämpft hatte, ihr bewiesen hatte, dass er schon längst mit seiner Vergangenheit abgeschlossen hatte…! Doch so sehr es zu vertuschen versuchte, irgendwie liess ihn das seit diesem Tag nicht mehr los. Und er beschloss schweren Herzens, ihr die Wahrheit zu sagen. Kaum hatte er jene schweren Worte ausgesprochen, stand seine Verlobte zunächst starr vor Entsetzen vor ihm und blickte ihn mit geweiteten Augen an. Immer und immer wieder stammelte sie „Das kann nicht sein… Das kann nicht sein!“, worauf der Blutgeist nichts erwidern konnte. Immerhin war er es doch gewesen, der ihren ehemaligen Gatten von ihr getötet hatte. Ihre Augen füllten sich mit Tränen aus Blut, ehe ihre Augen einen feindseligen Ausdruck annahmen und sie ihm eine solche Ohrfeige verpasste, dass ihm schwarz vor Augen wurde. „Verschwinde…“, raunte sie. Der Blutgeist sah sie erschrocken an. „HAU AB!!“, kreischte sie mit mehr Nachdruck. So wütend hatte er sie noch nie erlebt, dennoch tat es ihm unendlich weh, sie so sehen zu müssen. Ohne ein Wort und nun ebenso mit Bluttränen in den Augen befolgte er ihre Anweisung und rannte aus dem Zimmer, hinaus ins Freie. Er hatte sich nicht mehr umgedreht, die Tränen nahmen ihn seine Sicht. So floh er… hier her an den Blutsee. Wieder spürte er, wie Tränen in ihm hochkamen, während er immer noch wie ein Häufchen Elend am Ufer des Sees saß und in die Ferne blickte. Er war weiterhin so in seine Gedanken vertieft, dass er nicht die Schritte eines Mannes hörte, der immer näher kam. „Grüße Euch… Ich hoffe, ich störe Euch nicht?“ Vor Schreck zuckte der weißhaarige Mann zusammen und sah sich nach der Stimme um. Er erkannte einen Mann mittleren Alters, vom Beruf her wohl ein Barde, da er eine Laute trug. Der Fremde hatte langes braunes Haar, einen Bart und trug einen großen Hut. „N-nein. Ich habe mich nur erschrocken.“, gestand der Blutgeist. Der Barde kam näher. „Geht es Euch nicht gut? Ihr seht etwas mitgenommen aus.“ So wirklich wusste der Blutgeist nicht, was er dazu sagen sollte. „Es… ist nicht der Rede wert.“, sprach er dann nach kurzer Bedenkzeit aus. „Ich verstehe.“ Der Musiker blickte zum Blutsee hinaus. Für einige Zeit war es still zwischen ihnen geworden. Vorsichtig schielte der Blutgeist immer wieder zum Barden hin, der stumm neben ihm stand und sehnsüchtig den See betrachtete. Auf einmal hob dieser wieder seine Stimme an. „Dieser See ist schon recht eigenartig. Sein Wasser ist keines zum Trinken, sondern besteht vollends aus Blut.“ „Ja…“, war das einzige, was der Blutgeist dazu antworten konnte. Nun liess sich der Barde ins Gras nieder, so dass er neben dem weißhaarigen Mann saß. „Ich besuche ab und zu den See, damit ich mich an die Vergangenheit erinnern kann.“ Wehleidig kniff der Blutgeist seine Augen zusammen. „An meine Vergangenheit möchte ich mich nicht erinnern. Schon gar nicht, was ich hier an diesem Ort getan habe.“ Er spürte die Blicke des Barden auf sich. „Ah, also hat der See auch für Euch eine Bedeutung.“ „Kann man so sagen…“, seufzte der Blutgeist und versteckte sein Gesicht in seine Knie. „Er wird wohl das Letzte sein, was ich sehen werde…“ „Ihr habt wohl Eure Gründe, um so etwas zu sagen…“, begann der Barde, der seine Blicke immer noch zu dem Blutgeist gerichtet hatte. „Aber habt Ihr denn niemanden, der Euch vermissen würde?“ Über diese Worte musste dieser einige Zeit überlegen. Würde seine Verlobte ihn vermissen, nachdem sie nun wusste, dass er ihren Gemahl getötet hatte? So wütend, wie sie auf ihn war… Würde sie da überhaupt einen einzigen Gedanken an ihn verschwenden? „Ich… ich bin mir nicht sicher.“, war daher die Antwort des Blutgeistes und er erhob seinen Kopf ein bisschen. „Ich habe… ihr Vertrauen verloren.“ „Verloren…“ Der Barde sah wieder zum Blutsee. Er senkte leicht den Blick. „Auch ich habe jemand Wichtiges verloren. Genau hier. An diesem Ort.“ Etwas überrascht sah der weißhaarige Mann nun den Barden an. Dieser hatte seinen Hut tiefer ins Gesicht gezogen, sodass man die Augen des Mannes nicht mehr erkennen konnte. Dennoch… konnte der Blutgeist sehen, wie eine Träne an der Wange des Musikers hinunter lief. Und mit einem Mal hatte der Blutgeist ein seltsames Gefühl, als er diesen Mann so weinen sah. Dieser Barde… er kam ihn so… vertraut vor. Doch würde er nie erfahren, wer dieser Mann in Wirklichkeit war. Nantes und Valtur Kapitel 2: Am Ende des Wegs --------------------------- Es war ein langer, erbitterter Kampf gewesen, der sehr an den Kräften der beiden Männer gezerrt hatte. Mit zittrigen Beinen standen sie sich gegenüber, keuchten beide nach Luft. Unzählige blutende Wunden zierten ihre Körper. Der Kleinere von ihnen ballte vor Wut seine Faust zusammen. „Du… du dreckiger Bastard!! Du hast kein Recht der Welt mehr, hier noch zu existieren!!“, schrie er aus Leibeskräften. Der Größere antwortete nicht. Er keuchte immer noch erschöpft und hielt sich mit der rechten Hand seine verletzte linke Schulter fest. Dass er keine Antwort erhielt, machte den Kleineren noch wütender. „Verdammt noch mal, sag endlich was, verfluchter Scheißkerl!!“ Jedoch hatte sein Gegenüber das immer noch nicht vor. Nein, eher zeigte er einen wehleidigen Ausdruck in seinen Augen. So, als wollte er sagen: „Es tut mir Leid.“ Genau dieser Ausdruck war es, was dem Kleineren dazu verleitete, vor bebenden Zorn die Zähne aufeinander zu beissen. „Du… verdammtes Arschloch!!“ Humpelnd rannte er auf seinen Gegner zu, holte mit seiner Hand aus, um ihn einen kräftigen Hieb zu verpassen… Doch so weit kam er nicht. Der Größere schien zwar genauso erschöpft zu sein, trotzdem schien er einiges mehr an Kraftreserven zu haben, als der Kleinere vermutet hatte. Dieser holte nun seinerseits aus und verpasste den Kleineren einen so kräftigen Faustschlag ins Gesicht, dass dieser im hohen Bogen zu Boden fiel. Schwärze machte sich vor seinen Augen breit, als er auf dem Grasboden aufkam. Und nicht nur das, auch spürte er einen stechenden Schmerz auf seiner linken Wange, wo ihn letztendlich der Faustschlag getroffen hatte. Röchelnd wollte er sich erheben, doch mit einer Handbewegung des Größeren, die er momentan dank des Faustschlages nicht sehen konnte, stiessen blutrote Säulen neben ihm hervor, die ihn zu Boden drückten. Nachdem der Kleinere ein paar Mal mit den Augen geblinzelt hatte, realisierte er, was der Größere getan hatte. Dieser stand in fester Position, die Arme so ausgestreckt, als würde er eine Marionette führen. Immer noch lag dieser wehleidige Ausdruck in seinen Augen, als er langsam die Arme senkte, den Kleineren vor sich einige Zeit ansah und dann mit langsamen Schritten näher kam. „Nein, komm nicht näher!“, fauchte dieser und versuchte, sich aus dem Griff dieser roten Säulen zu befreien, in dem er sich wie wild hin- und her wälzte, doch er kam nicht vom Fleck. Die Säulen hatten ihn so sehr im Griff, dass er sich nicht losreissen konnte. Der Größere stand nun über ihm und sah auf ihn herab. Der wehleidige Ausdruck war immer noch nicht gewichen. „Was willst du?!“, schrie der Mann am Boden, „Tu es doch endlich, dann hast du Ruhe vor mir!“ Doch anstatt den Todesstoss auszuführen, sank der Größere auf die Knie und legte seine Hand an die schmerzende Wange des Kleineren. „Es tut mir Leid.“ Das gebliebene Auge des Kleineren weitete sich. Er hatte damit aufgehört, sich zu wehren und starrte ungläubig den Mann an, der über ihm kniete. „Es tut mir alles so… verdammt Leid, Jinto.“ Die Stimme des Größeren zitterte; ja, auch sein Körper schien zu zittern. Er erhob seine Hände und der Kleinere kniff sein Auge zusammen, als dachte er, dass der über ihm irgendetwas Schlimmes tun würde. Doch es blieb aus. Er spürte nur, wie die Augenbinde, die er fast immer um sein rechtes Auge trug, nach oben geschoben wurde und sein blindes Auge freilegte. Verwundert sah der Kleinere auf und erkannte das Gesicht seines Vaters, der doch tatsächlich Tränen in den Augen hatte. „Du hast so verdammt viel mit mir durchgemacht, mein Sohn.“, flüsterte der Mann und eine Blutträne tropfte aus dem Augenwinkel. Mit seinen Fingern strich er vorsichtig die Narbe seines Sohnes, die sich von der Augenbraue hinunter zur Wange ihren Weg suchte, entlang. „Ich wünschte wirklich, ich könnte es ungeschehen machen.“ Er kam mit seinem Gesicht dem des Kleineren näher und berührte mit seinen Lippen das blinde Auge. Der Kleinere war immer noch starr, doch selbst wenn er wollte, hätte er sich nicht mehr bewegen können. Alle Kraft, die er noch bis eben gehabt hatte, war mit einem Mal weg. Er realisierte nicht einmal, dass der Mann über ihm sagte: „Ich wünschte, du könntest mir vergeben.“, und seine eigenen Bluttränen zu seinen Wangenknochen hinunterliefen, da er vor Erschöpfung die Augen schloss und so die Schwärze Überhand nahm. Und so schnell würde er auch nicht wieder erwachen... Nantes und Jinto Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)