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Saka Sama no Sekai

The inverted world
von

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Prolog

Die nassen Blätter klatschten gegen mein Gesicht. Die scharfen Grashalme schnitten mir die Beine auf. Meine Lunge brannte. Irgendwo hinter mir hörte ich meine Verfolger. "Nur nicht aufhören, zu rennen", sagte ich mir immer wieder. Ich durfte nicht anhalten. Nicht, wenn meine Verfolger mich nicht erwischen sollten.

Wer weiß, was die mit mir anstellen würden....

Plötzlich verfing sich mein Fuß in einer Wurzel. Verzweifelt versuchte ich das Gleichgewicht zu halten, aber ich strauchelte und stürzte. So schnell ich konnte rappelte ich mich wieder auf, aber meine Verfolger holten mich ein. Ich blickte zurück und sah...

Kapitel 1

Es schüttete in Strömen als ich mich von der Arbeit auf den Weg nach Hause machte. Und ich hatte keinen Regenschirm dabei. Großartig. Ich zog meinen Kragen nach oben und den Kopf zwischen die Schultern, um weniger nass zu werden.

Leider half es mir nicht viel. Deshalb suchte ich Unterschlupf in der nächsten offenen Ladentür. Und es war die Bibliothek. Mein zweites zu Hause, wie ich es gerne nannte.

Hier fühlte ich mich wohl. Hier konnte ich mich immer nach Belieben zurückziehen. Und so tat ich es auch diesmal. Ich schnappte mir ein Buch und verzog mich in meine Lieblingsecke, um darin zu versinken.
 

Als ich nach mehreren Stunden das Buch zuschlug und an seinen angestammten Platz zurückbrachte, hatte der Regen zwar noch nicht aufgehört, aber dennoch genug nachgelassen, um mich nicht vollkommen durchnässen zu lassen. Ein typischer Mittwochnachmittag in New York City.
 

Ich stoppte kurz bei einem McDonald's, holte mir etwas Marschverpflegung und setzte dann meinen Heimweg fort. Zu Hause knallte ich erst mal meine Tasche in die Ecke und setzte mich an meine XBox 360. Halo. Mein absolutes Lieblingsspiel. Zum 10-jährigen Jubiläum ist ein Remake des ersten Teils rausgekommen. Ich hatte es zwar schon durch, machte mich aber noch daran, die Erfolge freizuspielen. Und das trieb mich oftmals zur Weißglut.
 

"Verkackte Scheisse!", brüllte ich, als ich erneut meinen Controller in die Ecke pfefferte. "Doppelter Verrat auf Heldenhaft oder höher abschließen ohne einen Grunt zu töten...das ist doch nahezu unmöglich." Ich seufzte schwer. Der Vorteil an diesem Level war, dass die Feinde sich gegenseitig angriffen. Das erleichterte den Erfolg. Der Nachteil: recht früh öffnet sich eine Tür aus der ausschließlich Grunts herausströmen. Und man kann diese Tür einfach nicht umgehen. "Ach verdammt", maulte ich, speicherte das Spiel und griff mal wieder zu einem guten Buch. Tintenherz. Es ging darum, dass jemand Personen aus Geschichten herauslesen kann. Dabei wird aber automatisch eine Person in das Buch hineingelesen. Ich für meinen Teil würde gerne mal in das ein oder andere Buch eintauchen.
 

Ich sah auf den Wecker. 03:43. Na, zum Glück hatte ich keine Spätschicht sonst würde ich jetzt noch weitere fünf Stunden schuften. Ich las das Kapitel zu Ende und mümmelte mich auf meiner Couch ein.

Kapitel 2

I'm awake, I'm alive, now I know what I believe inside. Now it's my time, I do wha...
 

Ich schaltete meinen Wecker aus und blickte auf die Uhr. 8:38. "Leck mich doch...", nuschelte ich als ich mich aus dem Bett zwang. Wenn ich mich jetzt nochmal hinlege, schlafe ich den restlichen Tag. Es gab wirklich bessere Wege einen Samstag zu beginnen, aber bevor ich ihn verschlafe...
 

Das Müsli schmeckte heut irgendwie furchtbar. War die Milch schlecht? Ich schnüffelte an der fast leeren Packung. Es roch schon etwas säuerlich, aber schätzungsweise noch nicht verdorben. Egal. Ich aß zu Ende und zog mich an. Heute ging es zu Amy, meiner besten Freundin. Naja für mich war sie mehr als das, aber das würde sie nie erfahren. Unsere Freundschaft war mir zu wichtig, als sie für eine Beziehung aufs Spiel zu setzen. Ich hatte endlose Szenarien in meinem Kopf durchgespielt. Wie sie höflich ablehnt. Wie sie lang herumzureden versucht, dass es keinen Sinn hat, und sehr erpicht darauf mich nicht zu verletzen und daher mir irgendeine Ausrede auftischt. Wie sie einfach aus dem Zimmer geht und nie wieder ein Wort mit mir redet.

Ja, ich weiß, das sind jetzt sehr pessimistische Beispiele. Natürlich habe ich mir auch positive Ausgänge ausgemalt. Aber das war es einfach nicht wert, solange eines der schlimmeren Szenarien noch möglich war.
 

"Weißt du, es wäre wirklich einfacher für dich, wenn du die Tür nehmen würdest", sagte Amy als sie mich (wieder einmal) ihre Efeuranke hochklettern sah.

"Und mir den Spaß nehmen, bei dir durchs Fenster einzusteigen? No way." Sie war 2 Jahre jünger als ich, wohnte aber noch bei ihren Eltern. Ihr Vater könnte ihr Studium zwar locker finanzieren (er ist Anwalt), aber sie zog es vor, sich das ganze selbst zu verdienen und jobbte ab und zu in derselben Bar wie ich. Dort haben wir uns auch kennengelernt.

Amy lächelte mich an. "Lust auf etwas spannendes?"

Im nu war ich bei der Xbox, warf sie an und grinste blöd zu Amy. "Ich bin First Player."

"Das denkst aber auch nur du."

Eine Weile rangelten wir um den Controller - letzten Endes gab ich nach (das Vorrecht der Frauen).

Wir spielten Halo Anniversary. Miteinander. Gegeneinander. Und wir fluchten. Verdammt viel und verdammt vulgär. Meistens zickten wir uns gegenseitig an, weil wir Granaten oder Schüsse falsch platzierten. Oder weil wir uns gegenseitig die Gegner vorwegnahmen.

Nach einiger Zeit stand Amy auf, um uns etwas zu Essen zu machen. Solange sie das tat, ging ich auf die Toilette. Als ich mir die Hände wusch, blickte ich in den Spiegel. Sofort kamen mir die typischen Verse über Spiegel in den Sinn. Spiegel seien das Tor zur Seele oder in eine andere Welt. Manche Leute glauben an Paralleluniversen, die man durch Spiegel betreten kann. Irgendwie gefielen mir diese Vorstellungen. Ich legte den Kopf schief und beobachtete, wie mein Spiegelbild es mir gleichtat. Ich grinste. Nein. Halt. Mein Spiegelbild grinste. Ich tastete meine Wangen ab. Meine Gesichtsmuskeln waren ganz locker. Ich grinste nicht. Mein Spiegelbild griff sich an sein unteres Augenlied und zog es herunter. Gleich würde er mir sicher die Zunge herausstrecken. Aber stattdessen rollte sein Auge nach oben und mir wurde schwarz vor Augen.

Kapitel 3

Seltsame Bilder zuckten an meinem inneren Auge vorbei. Warme, friedliche und schöne Bilder. Aber es waren auch unheimliche dabei. Bilder von Blut, Gewalt, Verstümmelung und Leid. Menschen, die ich nicht kannte, kämpften, litten und starben. Und da sah ich auch Menschen, die ich kannte. Meine Familie, Freunde, Lehrer, meine Chefin und...Amy. Irgendwo bei diesen Bildern sah ich Amy dabei, ihre Kehle aufgeschlitzt, ihr ganzer Körper übersät von blauen Flecken, Schnittwunden, Schmutz...

"...gan! Logan! Hey! Was ist los?!" Ich blinzelte. Irgendwie bin ich auf dem Boden gelandet. Amy war über mir gebeugt, die Augen und Mundwinkel vor Sorgen verzogen.

"Mir gehts gut, mir gehts gut" Ich bemühte mich so schnell wie möglich vom Boden hochzukommen und setzte mich erst mal auf den Badewannenrand. Diese Bilder hatten mir einen gehörigen Schrecken eingejagt. Was war das? Eine Halluzination? Wahnvorstellungen? Oder einfach nur eine Art Tagtraum?

Keine Ahnung, was das war...Aber es hatte mir ernsthaft Angst gemacht. Und Amy war auch ganz schön verstört.

"Hey, alles in Ordnung", sagte ich während ich sie in den Arm nahm. "Bin wohl einfach zusammengeklappt."

Amy sah mich plötzlich ganz merkwürdig an. Ich versuchte ihren Blick zu entschlüsseln, aber ich konnte nicht erkennen, was in ihr vorging.

In der Küche klingelte eine Eieruhr. "Hast du vorhin nicht was von Essen gesagt?".
 

Das Essen verging ziemlich unangenehm. Keiner von uns sagte einen Ton. Ich wollte versuchen, ein Gespräch irgendwie anzukurbeln, als Amy das Schweigen brach.

"Warst du deswegen schonmal beim Arzt?"

"Beim Arzt?" Wieso um alles in der Welt sollte ich wegen sowas zum Arzt gehen? Gut, diese Bilder waren schon sehr beunruhigend, aber Amy konnte ja nicht wissen, was ich gesehen hatte. "Wegen sowas gehe ich doch nicht zum Arzt."

"Logan, du hättest dich sehen müssen. Du hast dich am Boden gewälzt und irgendwas vor dich hingestammelt, aber es war nichts in unserer Sprache."

"Nicht in...und in was für einer Sprache war es dann?"

"Latein. Du hast lateinisch gesprochen."

"Was? Aber ich kann doch nicht einen Satz auf Latein."

"Und trotzdem hast du lateinisch gesprochen. Naja, wohl eher gestammelt. Es klang ziemlich gezwungen und deine Stimme klang ziemlich verzerrt."

Meine Kehle schnürte sich zu. Was zur Hölle ist mit mir passiert? "Na und? Dann hab ich halt kurz das Bewusstsein verloren und dabei etwas Latein gemurmelt. Was soll daran schon...?"

"Verdammt, Logan, nimm die Sache mal ernst!" Amy klopfte mit der Faust auf den Tisch. "Irgendwas stimmt hier nicht und du solltest dich zur Sicherheit mal durchchecken lassen."

"Hey, nur weil du jetzt ein Psychologiestudium angefangen hast, musst du noch lange nicht meinen Hausarzt spielen."

Ohne ein weiteres Wort stand sie auf und verlies den Raum. Ich blieb stur sitzen und stocherte in meinem Gemüse herum. Nach einigen Minuten stand ich auf und suchte sie.

Sie war im Wohnzimmer. Und sie sprach mit wem.

"...schicken Sie bitte ein Ärzteteam vorbei. Ich glaube er hat Epilepsie und hatte soeben einen Anfall. Er will sich nicht untersuchen lassen, aber das wäre wichtig, um..."

Epilepsie? Ich? Spinnt sie jetzt völlig?

"Bitte. Er soll einfach nur untersucht werden und...Hallo? Hallo, sind Sie noch dran? Keine Verbindung?"

"Ich habe das Kabel gezogen" Ich hielt das gezogene Telefonkabel hoch. "Wie kannst du das tun? Amy, ich dachte wir sind Freunde."

"Sind wir doch auch. Logan, ich mache mir wirklich nur Sorgen um..."

"Ach und wegen deiner rührenden Fürsorge willst du mich wegsperren lassen? Deswegen willst du mich einweisen lassen? Na, wer solche Freunde hat braucht keine Feinde mehr!" Ich wusste es war falsch, was ich da von mir lies, aber ich konnte mich nicht stoppen. Mein Blick fiel auf den Wandspiegel direkt hinter Amy. Mann, sah ich schlimm aus. Das Gesicht wutverzerrt, richtig unheimlich. Und diese schwarzen Augen erst. Schwarze Augen?

Schwarze Augen sahen mich im Spiegel an. Um die Augen waren kleine schwarze Äderchen. Beim näheren Hinsehen bemerkte ich, dass das nicht ich war. Oder? Das Bild sah mir verblüffend ähnlich, aber einige Unterschiede waren da. Über dem rechten Auge zog sich eine Narbe herunter. Die Haare waren anders geschnitten und waren viel dunkler als meine, fast schwarz. Und er grinste. Grinste vor...Triumph? Ja, so sah es irgendwie aus. Wie jemand, der kurz vor seinem Ziel ist.

Amy schien meinen Blick bemerkt zu haben. "Hey, Logan! Sieh mir in die Augen, wenn du mit mir redest und guck nicht woanders hin. Hör mal, ich will dich nicht in eine Klapse oder so einweisen, ich will nur...was zum...?!"

Plötzlich schossen die Hände meines Spiegelbildes aus dem Spiegel heraus und packten Amy um die Schultern. Sie schrie und schlug um sich, aber der andere war zu stark. Ich sprintete nach vorne und wollte sie gerade am Arm packen, während ich mein Spiegelbild nicht aus den Augen lies. Er murmelte etwas vor sich und plötzlich hob mich eine unsichtbare Kraft von den Füßen und schleuderte mich an die gegenüberliegende Wand. Putz bröckelte ab und ich hustete, während ich mich von dem Schlag und dem Schock zu erholen versuchte. Nein, das kann nicht sein. Ich musste seine Worte falsch verstanden haben. Ich rief es mir nochmal ins Gedächtnis, aber es gab keinen Zweifel. Er sagte: Shinra Tensei. Das konnte nicht sein, rief ich mir immer wieder im Kopf.

"Logan, bitte! Hilf mir", kreischte Amy voller Panik, während mein Doppelgänger sie immer weiter richtung Spiegel zerrte. Ich rappelte mich auf und stürzte nach vorne, aber ich war zu langsam. Mit einem starken Ruck zog er sie in den Spiegel hinein, eine Sekunde bevor ich ihren Arm zu fassen bekommen hätte. Ich prallte gegen den Spiegel und sah beide darin verschwinden.

Kapitel 4

Ich stolperte zum Spiegel und tastete ihn ab. Von oben bis unten. Versuchte eine Lücke zu finden, einen Weg hinein. Presste mein Gesicht dagegen. Schlug meinen Kopf gegen mein Spiegelbild. Dann vergrub ich das Gesicht in den Händen. War das alles nur ein Traum? Oder werde ich jetzt wahnsinnig? Menschen verschwinden nicht in Spiegeln. Und sie werden erst recht nicht von Psycho-Ichs hineingezerrt. Denk nach, es muss eine logische Erklärung dafür geben. Ich strengte mich an und...fand keine. Ich wusste nicht, was da eben passiert ist, aber ich konnte zweifelsfrei sagen, dass es echt war. Der heruntergebröckelte Putz an der Wand gegenüber bestätigte, dass ich mir hiervon nichts eingebildet hatte. Mal abgesehen davon, dass mir der Rücken schmerzt, als ob mich ein Zug überrollt hätte.

Aber was soll ich jetzt tun? Ich rannte erst einmal nach Hause und überlegte, was der nächste logische Schritt wäre. Es gibt also einen Weg, Spiegel als eine Art Tor zu benutzen. Das heißt ich musste alles über Spiegel herausfinden, was es herauszufinden gab. Somit führte mich mein nächster Weg in die Bibliothek. Dort holte ich mir allerlei Bücher zu dem Thema Spiegel. Von Ratgebern über Badezimmerdekoration über Horrorbücher bis hin zu alten Überlieferungen und Mythologien - angefangen mit letzterem, weil das am vielversprechendsten war.

Ich fand selbstverständlich viele Informationen die recht interessant, aber leider wenig hilfreich waren. Da war die Sage von Narziss, der sich zu lange in seinem Spiegelbild ansah und zu einer Narzisse wurde. Dann gabs da die Geschichten, dass in Spiegeln alternative Universen sind, dass dort die Gegenstücke zu den jeweiligen Menschen leben oder es wurde ausführlich erklärt, wofür es sieben Jahre Pech bei zerbrochenen Spiegeln gab.

"Zerbricht man einen Spiegel gibt es sieben Jahre Pech? Und was ist mit: Scherben bringen Glück?"

Ich schüttelte nur den Kopf und blätterte weiter. Da tippte mir die Bibliothekarin auf die Schulter und sagte mir, dass sie bald schließen würden. Ich räumte einige Bücher zurück und lieh mir die vielversprechenderen Bücher aus.

Als ich mich auf dem Weg nach Hause machte, um weitere Recherchen zu betreiben, wurde ich aus einer Nebengasse angeflüstert.

"Psst", zischte es aus der Dunkelheit. "Du, komm her"

Ich wagte einige Schritte in die Gasse, brach jedoch ab. Wenn man in eine dunkle Gasse gerufen wird, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, vergewaltigt oder ausgeraubt zu werden. Vor ersterem hatte ich weniger zu befürchten. Ich entsprach nicht wirklich dem typischen Vergewaltigungopfer. Auf letzteres hatte ich jedoch nur wenig Lust, also drehte ich mich wieder um. Jedoch kam ich nicht weit, da mich eine korrige, alte Frauenhand an der Schulter packte und herumriss. Ich blickte in das Gesicht einer Frau um die sechzig. Ihr Haar war schon ergraut und hing ihr zerzaust von ihrem Kopf herunter. Überall waren Talismane, Amulette, Ringe und sonstiger okkulter Schmuck an ihrer UKleidung befestigt. Sie sah aus wie diese typischen Hellseherinnen, die man auf der Straße trifft. Und wie es sich herausstellte war sie auch eine.

"Bleib doch gefälligst stehen, wenn man schon nach dir ruft. Diese jungen Leute heutzutage..."

Ich machte Anstalten, mich aus ihrem Griff zu befreien, aber sie packte umso fester zu. Für eine alte Schachtel hatte sie erstaunlich viel Kraft.

"Nanana, nicht so eilig, Bürschchen. Komm erst mal mit." Mit diesen Worten schubste sie mich nach hinten, tiefer in die Gasse hinein. "I-ich fürchte, hier liegt ein Missverständnis vor. Ich habe nicht vor ihre... 'Dienste' in Anspruch zu nehmen."

"Ach, spar dir dein Gewäsch, ich bin nicht hier, um dich abzuzocken." Sie bugsierte mich in ein Zelt, durch einen Vorhang hindurch und lotste mich in Richtung eines Stuhles. Ich nahm erst mal Platz und beschloss, die Frau anzuhören und dann so schnell wie nur möglich zu verduften. Vor mir befanden sich typische Wahrsagerutensilien: eine Kristallkugel, Karten und Traumfänger. Ich verdrehte die Augen.

"Du musst gar nicht mit den Augen rollen, ich sagte doch schon, ich zieh dir das Geld nicht aus der Tasche. Du würdest mir die Nummer ohnehin nicht abkaufen."

"Dann geben Sie also zu, dass Sie eine Betrügerin sind?"

"Teilweise. Ich bin eine echte Hellseherin. Ich erzähle den Leuten nur nicht die Wahrheit. Sondern das, was sie hören wollen. Glauben sie eher, stimmt sie zufrieden und geht am schnellsten. Hey, wir müssen alle irgendwie unser Brot verdienen. Und jetzt gib mir deine Hand." Ohne abzuwarten, zog sie meine Hand heran, dass mir fast die Bücher aus dem Arm gefallen wären. Ich legte sie mit meiner freien Hand erst mal auf den Boden ab.

Sie studierte die Hand eine geschlagene Minute lang. Dann wurden ihre Augen weit.

"Du bist markiert. Er hat dir schon einen Besuch abgestattet. Und er hat dir etwas wichtiges gestohlen."

Sie konnte nur von meinem Spiegel-Doppelgänger reden. Aber woher zum Teufel...ach, ich wollte es eigentlich gar nicht so genau wissen. Sie könnte vielleicht aber was über das Spiegeltor wissen.

"Ja, er hat mich bereits besucht", gab ich zu. "Und egal was es kostet, ich werde mir zurückholen was er mir genommen hat."

Sie grinste mich an. "Weißt du auch schon, wie?" Ich nickte zu den Büchern auf dem Boden.

"Ich bin zurzeit noch dabei, den Schlüssel zu finden."

"Nun, dann wird es dich vielleicht freuen, dass ich ihn für dich habe." Sie zog einen Briefumschlag unter dem Tisch hervor.

"Aber den werden Sie mir wohl nicht so einfach aushändigen, oder?"

"Erraten. Ich verlange eine Gegenleistung."

"Und die wäre?"

"Das wirst du zu gegebener Zeit erfahren. Jetzt nimm den Umschlag und geh nach Hause. Darin stehen alle wichtigen Instruktionen, die du zum Öffnen der Tür brauchst."

Kapitel 5

Kaum war ich zu Hause, öffnete ich den Briefumschlag. Heraus fielen zwei Blätter. Das erste war eine Zutatenliste. Eine recht merkwürdige Liste. Ich las dort hauptsächlich Pflanzennamen. Das zweite war eine Liste mit Anweisungen, wie mit den Zutaten zu verfahren war.

Ich saß kopfschüttelnd über dem Zeug und fragte mich, wie es dazu beitragen konnte, dass ich Amy retten konnte. Aber ich verließ sofort die Wohnung, um es herauszufinden.

Die Zutaten bekam ich glücklicherweise alle beisammen. Sie waren zwar nicht alle im Handel erhältlich, aber im Internet konnte ich recherchieren, wo die Kräuter wild wuchsen und sie kamen zum Glück im näheren Umkreis von New York vor.

Wieder zu Hause folgte ich den Anweisungen. Ich zerdrückte, stampfte, kochte, siedete und verbrannte die verschiedenen Pflanzensorten exakt nach Anweisung.

Plötzlich bemerkte ich, dass ich eine Zeile übersprungen hatte. Die ganze Prozedur musste vor dem Spiegel stattfinden, in den Amy hineingezogen wurde. Das durfte problematisch werden. Ich konnte schlecht die ganzen Sachen in die Wohnung schleppen, ihre Eltern wüssten sicher den ein oder anderen Grund dagegen. Ich wollte mir gar nicht ausmalen wie krank sie schon vor Sorge sind. Also blieb nur noch Plan B. Der Spiegel musste zu mir.

Ich wartete noch einige Stunden bis drei Uhr morgens, bevor ich ins Auto stieg. Ich wollte sicher gehen, dass Mr. und Mrs. Breeze tief schliefen, wenn ich einen knapp zwei Meter große Spiegel aus ihrer Wohnung bugsierte.

An der Wohnung angekommen, nahm ich erst einmal das Wohnzimmerfenster ins Auge. Gut. Niemand zu sehen. Ich zog eine Rolle Klebeband hervor und klebte mehrere Schichten auf dieselbe Stelle der Glasscheibe. Dann ein kurzer gezielter Schlag und ich hatte ein faustgroßes Loch in die Scheibe geschlagen - und das unter minimalsten Geräuschepegel.

Als ich in der Wohnung war, lauschte ich zunächst. Es war niemand zu hören. Die Eltern schliefen womöglich noch. Ich öffnete die Balkon, packte den Spiegel und bugsierte ihn in Richtung Tür.

"Wo willst du hin?" Eine starke Hand packte mich am Armgelenk. Vor Schreck ließ ich den Spiegel fallen, der fiel zum Glück nur auf den Rand, das Glas blieb somit heil. Vor mir stand Mr. Breeze. Scheisse, er musste doch aufgewacht sein.

"Mr. Breeze, hören Sie, sie verstehen nicht..."

"Logan? Was zur Hölle machst..." Sein Blick wechselte vom Spiegel zu mir und wieder zum Spiegel. "Amy ist verschwunden. Hast du etwas damit zu tun? Weißt du wo sie steckt?" Er rüttelte mich so heftig das mir schlecht wurde.

"Bitte, Mr. Breeze, es ist nicht so einfach...."

"Oh das glaube ich weniger, mein Junge. Du bleibst schön hier, ich rufe die Polizei." Er drehte mir den Rücken zu und stapfte in Richtung Telefon.

Keine Minute später hörte ich ihn auch schon sprechen. "Hallo Officer? Ja, Breeze hier, ich glaube ich habe einen Verdächtigen gefunden, der wissen könnte, wo meine Tochter ist. Würden Sie bitte he..." In dem Moment zog ich die nächstgelegene Blumenvase über seinen Hinterkopf. Er landete mit dem Gesicht voraus auf dem Boden. Dort breitete sich ein dunkelroter Fleck neben seinem Kopf aus und wurde immer größer. Ich schnappte mir den Spiegel und fuhr nach Hause.

Dort richtete ich alles her für die Prozedur. Als alles fertig war, kehrte ich zum letzten Schritt auf dem Papier zurück. Ich musste eine Beschwörungsformel sprechen. Also dieser Zettel war schon sehr suspekt. Es war hier auch die Rede von einem Dimensionsportal, den Zutaten und der genauen Zubereitung, was mich alles schon denken lies, ich wäre in einem schlechten Fantasyroman. Und jetzt auch noch Beschwörungsformeln und Portale. Wenn die Lage nicht so ernst wäre, hätte ich glatt lachen müssen. Ich kehrte zur Formel zurück und musste zunächst stocken. Ich konnte das nicht lesen. Es war in einer mir unbekannten Sprache verfasst. Ich las den Satz noch einmal. Und noch einmal. Ich wusste zwar nicht wie man das ausspricht, aber die Worte kamen mir irgendwie bekannt vor. Und dann dämmerte es mir. Latein.

Kapitel 6

"Sie sind mir eine Erklärung schuldig", sagte ich als ich wieder vor der alten Wahrsagerin stand. Es war mittlerweile früher Morgen und ich war heilfroh sie wieder hier anzutreffen. Die Alte sah mir mürrisch in die Augen. Ich hatte sie wohl am Ausschlafen gehindert.

"Gab es Probleme", schnauzte sie mich an.

"Allerdings. Und zwar mit der Beschwörungsformel. Ich kann kein Wort Latein."

"Und doch wusstest du, dass es Latein ist? Kluger Junge."

"Also man muss echt keine Intelligenzbestie sein, um die Worte als lateinisch zu entziffern."

"Nein, du warst klug, es nicht alleine zu versuchen. Wenn du die Worte falsch ausgesprochen hättest, wärst du wer-weiß-wo gelandet. Und wie ich sehe hast du auch schon alles mitgebracht." Sie warf einen Blick an mir vorbei zum Auto, wo ich den Spiegel aufgeladen hatte. "Schnell komm rein und bau hier alles auf."

Ich schleppte also das ganze Zeug in das Zelt und baute alles auf. Dann wandte ich mich an die alte.

"So, dann schießen Sie mal los, Alte."

"Hmpf, das mit der Alten will ich mal überhört haben. Ich habe auch einen Namen. Ich bin Madame Mim. Und du bist Logan, also ersparen wir uns die Formalitäten." Ich war sichtlich überrascht, dass sie meinen Namen kannte, versuchte es mir aber nicht anmerken zu lassen. "So der lateinische Satz lautet: deum ac ianuamimbeat aperiri. Das heißt soviel wie: Im Namen Gottes, öffne diese Tür. Und du darfst hierbei nicht etwa an den christlichen Gott denken. Das ist ein altes druidisches Ritual, die beten ganz andere Gottheiten an. Aber gut du weißt jetzt wie man das Zeug ausspricht, jetzt knie dich hin und..." Madame Mim war plötzlich abgelenkt. Von draußen strahlte Blaulicht herein. Verdammte Scheisse, die Bullen mussten irgendwie von Amys Vater alamiert worden seien und mich irgendwie gefunden haben.

Ich beeilte mich und sprach den Satz. Deum ac ianuamimbeat aperiri. Und ich wartete, dass etwas passiert. Aber es geschah nichts. Ich wiederholte den Satz noch einmal. Verdammter Mist.

"Was kann ich für Sie tun, Officer?"

"Ma'am, wir suchen einen Mr. Logan Summers, haben Sie ihn gesehen? Etwa so groß, dunkelbraunes Haar, normale Figur."

"Nein, tut mir leid, sagt mir gar nichts. Und den Namen hab ich auch noch nie gehört. Und jetzt lassen Sie mich bitte wieder meinem Gewerbe nachgehen."

Ich drehte mich wieder zum Spiegel. "Komm schon, du beschissenes Stück Glas, mach irgendwas."

"Was macht dann sein Auto hier?", hörte ich wieder von draußen. "Wir sehen uns mal in Ihrem Zelt um."

Schritte kamen näher. Verdammt, jetzt war es aus. Ich hörte wie ein Beamter reinkam. Er rief irgendwas nach draußen. Ich hörte es nicht. Ich war wie gelähmt. Ich würde jetzt im Knast landen. Und dann würde ich Amy nicht mehr hinterher können. Starke Arme packten mich und zogen mich hoch, rissen mir die Arme auf den Rücken. Das rüttelte mich wach. Ich drehte mich um und trat nach dem Beamten. Der war so überrascht, dass er mich aprupt losließ. Ich hatte allerdings eine zu schnelle Drehung gemacht und torkelte. Auf den Spiegel zu. Nein, gegen den Spiegel. Verdammt, wenn er zerbricht, ist alles aus. Ich schloss die Augen und wartete auf den Sturz und das unvermeidliche Splittern von Glas. Doch ich hörte nichts und spürte auch nichts. Ich öffnete die Augen und bemerkte grade noch wie ich selbst im Spiegel versank und hineingezogen wurde. Das letzte was ich mitbekam, war das triumphale Gesicht von Madame Mim. Dann wurde alles schwarz.



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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von:  Izaya-kun
2011-12-26T22:40:55+00:00 26.12.2011 23:40
Hmmm der Prolog hat mir besser gefallen. Zudem beginnst du oft den Satz mit "Und" und mal schreibst du "er", mal "ich".
Grüße, Joe ^__^
Von:  Izaya-kun
2011-12-26T22:38:11+00:00 26.12.2011 23:38
Also das gefällt mir gut. Leider habe ich keine Ahnung, wer dort rennt, wie die Person aussieht oder wo sie lang rennt. Außerdem kommt mir das Wort "Verfolger" zu oft vor, genauso wie "ich", wenn man die Textlänge bedenkt.
Dafür ist die Spannung sehr gut aufgebaut. Auf zu Kapitel eins!


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