Ein Kinderspiel von Glasschmetterling (Goose-Story für Alexielsama) ================================================================================ Kapitel 6: Kapitel 6 -------------------- Ein Kinderspiel – Kapitel 6 „Merkwürdig. Das scheint dich zu ärgern, und das, obwohl es doch gut für dich – und deinen Geldbeutel – ist.“ „Natürlich ärgert es mich nicht.“ „Ich bin nicht dumm, Severus.“ „Und was hast du dann in Gryffindor verloren?“ So sehr sie sich auch bemühte, aus der Art und Zusammensetzung der Süßigkeiten Erkenntnisse zu ziehen, egal, ob sie Listen schrieb, die Häufigkeit einzelner Bonbons nach Prozent aufschlüsselte oder die vorhandenen Naschereien mit den Präferenzen ihrer Mitschüler verglich, nichts brachte sie zu einem Ergebnis. Und nichts frustrierte Hermine Granger mehr, als keine Lösung zu einem Problem zu finden, das direkt vor ihrer Nase hing. Wenigstens war sie mit diesem Gefühl nicht alleine, auch Madame Pomfrey beschwerte sich zusehends über die immer häufiger auftretenden Zahnprobleme unter Schülern und selbst Ginny, die immerhin in einem Haushalt mit Fred und George aufgewachsen war, wirkte genervt, als sie einige Zischende Zauberdrops in ihrem Kürbissaft fand. „Willst du es nicht doch noch einmal bei Snape versuchen?“, fragte sie schließlich nach einem besonders langen Montag, an dem sie sich zweimal mit einem schnellen Sprung vor herabfallenden Lebkuchen hatte in Sicherheit bringen müssen. Für einen Moment überlegte Hermine, dass ihre Freundin noch vor einigen Tagen darauf bedacht gewesen war, Snape nicht zu reizen, doch eine reibungslose Zaubertränkestunde am Freitagnachmittag gepaart mit einem strafarbeitsfreien Samstag schienen ihre Prioritäten verschoben zu haben. Hermine zuckte nur mit den Schultern, so sehr das Problem auch an ihr nagte – und das hätte es auch getan, wenn sie sich nicht zu jeder Mahlzeit in Lebensgefahr begeben hätte – wollte sie sich doch nicht vor Snape die Blöße geben und bekennen, dass sei im Grunde nichts wusste. „Und wenn er danach wieder so ist wie vor zwei Wochen?“ Dieses Argument brachte zumindest Ginny für einige Tage zum Schweigen, allerdings konnte sie ihr Unterbewusstsein damit nicht dazu überreden, endlich die Klappe zu halten. Störrisch behauptete es, dass sie etwas übersah, dass die Lösung ihres Problems doch eigentlich ganz einfach wäre, und in ihren dunkleren Momenten hatte es dieselbe Stimme wie Snape. Allerdings war Ginny nicht die einzige Schülerin, der der Süßigkeitenhagel irritierte, ganz im Gegenteil. Im Gryffindor-Gemeinschaftsraum schien Charles der einzige zu sein, der der Situation einen positiven Aspekt abgewinnen konnte, denn Hermine sah ihn in so gut wie jeder Pause mit vollen Taschen und vollem Mund durch die Gänge laufen. Als Tochter von zwei Zahnärzten wusste sie, welche Auswirkungen in näherer Zukunft auf ihn warteten, doch ganz abgesehen davon fragte sie sich, ob er sich nicht langsam an allen seinen Lieblingssorten satt gegessen haben musste. Selbst Ginny, die vernarrt war in Süßigkeiten und sie ohne schlechtes Gewissen aß, da sie viel Quidditch trainierte, betrachtete die Bonbons in der Großen Halle mittlerweile mit Abscheu. Trotz der zunehmend schlechten Stimmung, die sich im Schloss ausbreitete und die auch Hermine nicht verschonte, überstand sie die nächste Woche einigermaßen, doch freitags, in der Doppelstunde Zaubertränke, fühlte sie sich so aufgekratzt und ruhig, dass sie sich kaum auf den Trank konzentrieren konnte, den sie brauen sollte, und gleich zweimal von Ginny auf drohende Fehler hingewiesen wurde. Zu ihrer eigenen Überraschung entgingen ihre Probleme Snape allerdings völlig, selbst als sie gehacktes Eis mit einem Gelbnatterei verwechselte und Ginny ihr dafür den Ellbogen in die Seite rammte, beschränkte er sich darauf, den Trank ihres Schulsprecherkollegen Harper als „viel besser als die wässrige Suppe von Miss Granger“ zu loben und sie ansonsten in Ruhe zu lassen. Als es klingelte, fühlte sie sich so erleichtert wie schon lange nicht mehr, und doch hielt sie etwas zurück, das Bedürfnis, eine Erklärung für das Unmögliche zu finden oder vielleicht der Wunsch, das Rätsel Snape noch einen Moment länger in freier Wildbahn zu beobachten. Sie ließ sich absichtlich Zeit beim Einpacken ihrer Schulsachen, doch zu ihrer Erleichterung fragte Ginny nicht, sondern warf ihr nur einen kurzen Blick zu, bevor sie aus dem Kerker hetzte. Wahrscheinlich dachte sie, dass Hermine einen neuen Versuch wagen wollte, denn am Morgen hatte sie die Bücher über Schwarze Magie, das sie von Dumbledore „ausgeliehen“ hatte, ganz unten in ihre Tasche gepackt, um Ginnys Überredungsversuche zum Schweigen zu bringen – ohne je die Absicht zu haben, wirklich mit Snape zu sprechen. Jetzt war sie ironischerweise sehr froh darüber, diese Vorsichtsmaßnahme getroffen zu haben, denn der Gedanke, dass sie einen Plan und die Möglichkeit hatte, ihn auszuführen, verlieh ihr zumindest ein wenig Sicherheit im Angesicht des Unberechenbaren. Vage bemerkte sie, wie auch der letzte Slytherin durch die Kerkertür huschte, dann herrschte für einen Moment fast vollkommene Stille – und dann hörte sie, wie Snapes Schritte über den Steinboden flüsterten. „Miss Granger, gibt es einen besonderen Grund, wieso Sie Ihre Tasche so langsam packen wie eine Schildkröte im Winterschlaf?“ Sie erzitterte unter dem Gewicht seines Blickes, der an ihr hinunterwanderte, bevor er mit Abscheu in der Stimme hinzufügte: „Eine haarige Schildkröte.“ Heftig biss sie die Zähne zusammen, zwang sich, ganz still an ihrem Tisch zu stehen – in diesem Moment verstand sie, wieso Ginny bei Snape so leicht die Beherrschung verlor, obwohl er sie doch vor den Carrows beschützt hatte... „Ich...“ Sie wollte schon ansetzten, ihn nach einem neuen Hinweis zu fragen, da besann sie sich eines besseren – zweimal dieselbe Taktik gegen einen Slytherin zu verwenden wäre ein unverzeihlicher Fehler gewesen. „Ich wollte Ihnen meine Schlussfolgerungen zu dem... Problem in der Großen Halle vortragen, Sir.“ Das Wort Bonbons passte nicht zur Umgebung, es klang zu freundlich, zu positiv, als dass sie es in Snapes Gegenwart in den Mund nehmen wollte, doch ihre Überlegung verlief schnell im Sand, als ihr die Stille bewusst wurde, die in dem Klassenzimmer herrschte. Sie hatte damit gerechnet, dass er sie hinauswarf, dass er sie mit abfälligen Bemerkungen überhäufte, dass er Gryffindor Punkte abzog – aber nicht mit dieser minimalistischen Bewegung seiner Hand, die sie aus dem Augenwinkel erkennen konnte und die sie zum Weitersprechen aufzufordern schien. Für einen Moment war sie sich unsicher, zweifelte. Doch nachdem Snape nichts sagte, sondern nur neben ihrem Platz stand wie eine dunkle Statue, nahm sie ihren Mut zusammen und erzählte ihm von ihren Erkenntnissen, ihren Überlegungen, ihren Vermutungen. Das hieß, eigentlich erzählte sie nicht ihm davon, sondern der geschwärzten, zerschnittenen Oberfläche ihres Arbeitstisches, denn sie war sich nicht sicher, ob sie seinem Blick trotzen konnte. Da war es einfacher, ihn nicht anzusehen und all ihre Gedanken aus ihr heraussprudeln zu lassen, bis sie sich – egal, was für eine Reaktion er zeigen würde – zumindest ein wenig besser fühlte, weil sie sich alles von der Seele geredet hatte. Erst als sie geendet hatte und spürte, wie ihr vor Verlegenheit und aus Angst, etwas Dummes gesagt zu haben, das Blut in die Wangen kroch, wagte sie es – paradoxerweise – ihre Augen auf sein Gesicht zu richten. Zu ihrer Überraschung sah er aus wie immer, keine Veränderung an ihm zeigte an, dass er gerade etwas getan hatte, das für ihn vollkommen untypisch war – und auch sein Verhalten hatte sich nicht grundlegend gewandelt, das merkte sie einen Moment später. „Wie immer benötigen Sie viel zu viele Worte, um einen im Grunde einfachen Sachverhalt darzustellen, Miss Granger.“ Er hielt inne und Hermine spürte, wie ihr das Herz in die Magengegend rutschte, für einen Augenblick hatte sie geglaubt, dass er sie vielleicht – nur vielleicht – sogar ein kleines Bisschen ernst nahm. „Bedauerlicherweise kann ich jedoch nicht abstreiten, dass Sie die entscheidenden Aspekte der Situation erfasst haben.“ Aus irgendeinem merkwürdigen, ihr unerklärlichen Grund freute sie sich über seine Worte, und doch war da dieser Teil von ihr, der mit ihnen nicht zufrieden sein wollte – nicht zufrieden sein konnte, zu perfektionistisch war sie veranlagt. „Aber Sir – irgendein Teil meiner Analyse muss falsch sein, sie passt einfach nicht zu dem, was wir in der Großen Halle sehen!“ Wo sie vor einem Moment noch geglaubt hatte, wenigstens einen Funken von Anerkennung in seinen Augen zu sehen, blieb jetzt nur noch Verachtung übrig. „Dann müssen Sie sich eben mehr anstrengen, Miss Granger!“ „Du siehst zufrieden aus, Severus.“ „Wieso sollte ich zufrieden sein? Deine kleine Lieblingsschülerin hat mich nach ihrem Unterricht belästigt – gerade als ich dachte, sie bis nach Weihnachten nicht mehr sehen zu müssen.“ „Und womit?“ „Mit ihren unsäglichen Theorien und Überlegungen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)