Bis dass der Tod uns scheidet... von Galenhilwen ================================================================================ Kapitel 8: Herausforderung angenommen ------------------------------------- Schweißgebadet und panisch nach Luft schnappend schoss Sasori aus dem Schlaf auf, sah sich verwirrt, aber durch die Schwärze der Nacht ergebnislos im Zimmer um und wischte sich anschließend über das Gesicht. Kerzengerade saß er im Bett und suchte in der Dunkelheit auf dem Glastisch neben sich nach seinem Handy. Als er es endlich ertastet und zu sich geholt hatte, drückte er wahllos einen der Knöpfe und das Display leuchtete blendend hell auf. 5:13 Uhr. Er seufzte. Diese Nacht war auch nicht länger gewesen, als die letzte. Oder die davor... oder die davor... Seit 2 Jahren jede Nacht immer wieder dieser Albtraum, der ihm ein Weiterschlafen unmöglich machte. Rasch wischte er sich die Tränen aus dem Gesicht, die jedes Mal beim Aufschrecken sein Gesicht benetzten. Seit 2 verdammten Jahren versuchte sein Unterbewusstsein jede verfluchte Nacht ihm durch diese Bilder klar zu machen, dass ein Teil seines Herzens noch immer in seiner Brust ruhte und absolut totunglücklich mit dem Verlauf der Dinge war; viel lieber in die Arme Deidaras zurückkehren wollte, als noch einen Tag länger so unter eisigen Schichten begraben zu liegen. Etwas irritiert sah Sasori auf. Erst jetzt wurde ihm klar, dass Deidara ihm gestern in die Augen gesehen UND gewusst hatte, dass er bezüglich seines Befindens gelogen hatte. Doch so schnell diese Erkenntnis gekommen war, so schnell schüttelte er diesen Gedanken wieder von sich. Falls es etwas zu bedeuten haben sollte, so war es ein paar Jahre zu spät. Er speiste sein Herz mit der Erklärung ab, dass es sich vermutlich nur wichtig machen wollte und Nichtigkeiten zu bedeutsam bewertete. Zufall. Mehr nicht. Deidara gab es nicht mehr! Ein „wir“ gab es nicht mehr! Und sein Verstand würde einen Teufel tun, diesem Phantom erneut nachzujagen. Er ließ sich von der Schlafcouch gleiten und lächelte. Phantom war das richtige Stichwort. Er hatte eines zu jagen, das deutlich höhere Chancen auf Erfolg versprach und Teil der Realität war, nicht ein naiver Traum aus vergangenen Zeiten. Rasch zog er sich eines seiner Bandshirts über, ehe er in Richtung Badezimmer ging. So früh es auch sein mochte, so wenig Lust hatte er darauf, dass irgendjemand das sehen würde, was er seinem Körper angetan hatte. Die Narben auf den Armen brachten schon viel zu viele Fragen mit sich, doch die auf seinem Rumpf erklärten sich weit weniger routiniert und einfach. Er verließ das Zimmer und stockte, als Deidara ihm aus der Küche, die am Ende des Flurs lag, entgegenkam. Natürlich mit einer Tasse Kaffee in der Hand. Auch der Blonde hielt inne und starrte sein Gegenüber überrascht an, ehe er mit gedämpfter Stimme raunte: „Auch einen?“ Viel Licht fiel von der Küche aus nicht in den Flur, aber es reichte, um Sasoris Arme sehen zu können. Deidara schluckte schwer. Er konnte sich auch daran mal wieder nicht erinnern. Seit wann hatte Sasori bloß diese Narben? Er überlegte einen Moment lang, doch ihm war es, als seien sie bis zu ihrem Gespräch in dem Café nicht da gewesen. Aber darauf vertrauen konnte und wollte er bei seinen immer deutlicher werdenden Erinnerungslücken auch wieder nicht. Sasori bemerkte den Blick. Er hatte ihn schon oft gesehen, bei so vielen Leuten. Doch so komisch es ihm in diesem Augenblick vorkam: er hatte das Gefühl, dass Deidara ihn zum ersten Mal in diesem Zusammenhang so betrachtete. Mitfühlend. Fragend. Besorgt. Und darüber nachdenkend, ob dieser nun Fragen stellen sollte und durfte, oder nicht. Er war einem Kaffee ohnehin nicht abgeneigt, wenngleich er diesen auch nicht unbedingt mit Deidara zusammen zu trinken gedacht hatte. Aber irgendwie erschien ihm dieser Gedanke plötzlich nicht mehr so ganz abwegig, so dass er leicht nickte: „Wenn es keine Umstände macht... dann gerne.“ Die blauen Augen leuchteten auf, während sich ein Lächeln auf Deidaras Lippen stahl: „Aber nicht doch. Ich mache dir einen.“ - „Ähm... danke. Ich komme sofort, ich... mache mich nur eben fertig...“ - „Klar. Du weißt ja wo das Bad ist. Komm dann einfach in die Küche, wenn du fertig bist.“ Strahlend wie der Sonnenschein drehte der Blonde sich herum und kehrte in die Küche zurück, während Sasori das Badezimmer betrat. Er wusch sich das Gesicht und seufzte. Er begann schon wieder weich zu werden, was er doch unter allen Umständen vermeiden wollte. Er war doch nicht auf den Kopf gefallen, wieso also lernte er in diesem einen speziellen Fall einfach nicht dazu? Es mochte vielleicht nur ein Kaffee sein, aber es war auch ein Schritt auf Deidara zu, den er gar nicht machen wollte. Sasori lehnte seine Stirn gegen den Spiegel und beobachtete, wie das Wasser von seinem Gesicht ins Waschbecken tropfte. Aber dieses Glänzen in diesen verfluchten blauen Augen... War es nur Einbildung gewesen? Wunschdenken? Oder war hinter dem Blau zum ersten Mal seit Jahren wieder SEIN Deidara aufgetaucht? Der Deidara, der sich wirklich einfach über einen gemeinsamen Kaffee freute, auch wenn es eine unbedeutende Kleinigkeit zu sein schien? Abermals seufzte er und griff nach seinem Kulturbeutel, kramte Zahnbürste und Zahnpasta hervor und versuchte sich auf das Zähneputzen zu konzentrieren. Er durfte sich jetzt keine Träumereien erlauben. Deidara existierte nicht mehr! Fertig! Aus! Immerhin hatte es den Blonden in die wohl oberflächlichste Gegend der Welt, vielleicht abgesehen von Hollywood, verschlagen: nach Miami! Er selbst war hier, weil in dieser Stadt niemand einem Menschen wie ihm große Beachtung schenkte und er sich in den Schutz der Anonymität und Nichtigkeit begeben konnte. Doch für Deidara war es wohl das Mekka der künstlerischen Träume. SEIN Deidara hätte diese Stadt genauso gehasst, wie er es selber tat. In der Küche röchelte der letzte heiße Wasserdampf aus der Düse, den der Künstler abwesend betrachtete. So schlagartig wach hatte er sich ewig nicht mehr gefühlt, so beschwingt und wohl genauso lange nicht mehr. Er konnte gar nicht aufhören zu lächeln. Es mochte vielleicht nur ein Kaffee sein, eine winzig kleine Geste. Aber für Deidara bedeutete diese kleine Geste so viel mehr. Sie sagte ihm klar und deutlich, dass nicht alle Hoffnung verloren war. Dass da irgendwo hinter Sarkasmus und Coolness noch Zuneigung, zumindest Sympathie gab. Das konnte ihm niemand ausreden, selbst Sasori nicht. Er nahm die Tasse an sich und ging mit dieser zur Bar, als der Rothaarige hereinkam. Völlig in Gedanken vertieft murmelte Deidara beim Hinsetzen: „Schwarz, wie immer?“ Sasori hielt urplötzlich in der Bewegung auf den Hocker inne und nickte langsam: „Ähm... ja. Richtig... Aber woher...?“ Nun fiel auch dem Künstler auf, was er soeben gesagt hatte, überlegte kurz und lächelte dann aufgeregt: „Na, deine Kaffeegewohnheiten kenne ich ja viel länger, als diese Gedächtnislücken zurückreichen! Als ob ich das vergessen würde!“ Sasori setzte sich noch immer ziemlich irritiert auf seinen Hocker und nickte abermals langsam und nachdenklich: „Klingt... logisch. Ja. Ähm... danke für den Kaffee.“ Rasch hielt er sich an seiner Tasse fest und versuchte sich darauf zu konzentrieren, sich beim Trinken nicht noch den Mund zu verbrühen. Nur ganz nebenbei nahm er seinen Verstand wahr, der ihm erklärte, wie dämlich er sich gerade benahm. Er brauchte ein einfaches, aber ablenkendes Gesprächsthema! Ein paar Minuten überlegte er, während Stille wieder das Haus beherrschte. Dann jedoch fiel ihm etwas ein. Er sah Deidara flüchtig aus den Augenwinkeln an: „Weißt du schon, was du mit dem Rosenquarz machen willst? Vielleicht sollten wir ihn Caine ins Labor schicken, um mögliche Fingerabdrücke zu nehmen, auch wenn das wahrscheinlich nichts mehr bringen wird, weil wir das Ding alle angefasst haben und es nicht zu unserem Unbekannten passen würde...“ Deidaras Blick wurde aufmerksam und spitzbübisch, ehe er schmunzelte: „Unserem?“ Verflucht! Seit wann achtete der Blonde bloß wieder auf solche Details? Sasori räusperte sich und wich dem amüsierten Blick aus: „Nenne ihn, wie du willst und lenk nicht vom Thema ab!“ Deidara grinste innerlich über sein eindeutiges 1:0. Doch er versuchte sich nichts anmerken zu lassen und erklärte statt dessen: „Außerdem könnte es schwierig werden, weil ich das Ding gestern Abend noch in die Mülltonne befördert habe. Ich meine... mal ehrlich?! Es kommt von einem Geisteskranken! Und es ist ein blöder Stein! Da kann Hidan noch so oft sagen, dass ich die gesammelt habe... Mich interessieren die Dinger nicht. Punkt.“ - „Du... hast noch nie lange gefackelt, wenn du erst einmal einen Entschluss gefasst hast...“ Der Blonde lächelte: „War das ein Kompliment?“ Sasoris Gesicht verformte sich genervt und er zischte zwischen zwei Schlucken: „Übertreib es nicht. Das war eine Feststellung. Nicht mehr und nicht weniger.“ - „Du siehst gut aus. Äußerlich zumindest.“ Der nächste Schluck landete zum Teil auf dem Tisch, zum Teil im Magen und zum Teil in Sasoris Luftröhre. Hustend stellte er die Tasse ab, nahm von der bereitstehenden Rolle ein Papiertuch ab und wischte den verschütteten Kaffee knurrend auf: „Großartig, jetzt kann ich nicht einmal mehr trinken...“ Viel schlimmer war, dass er spürte, wie eine verlegene Röte ihm ins Gesicht stand, die Deidara dreist und höchst amüsiert musterte. Er sah den Blonden an und fauchte gereizt: „Was sollte der Spruch? Was willst du von mir?“ Die blauen Augen funkelten vergnügt und der Künstler schmunzelte: „Ich will nichts. Ich habe nur eine Feststellung gemacht. Nicht mehr und nicht weniger.“ BÄM, der hatte gesessen! Sasori verschränkte die Arme beleidigt vor der Brust und knurrte. Was sollte er denn jetzt sagen? Darauf eingehen? Oder business as usual? Zweiteres erschien seinem Verstand deutlich angebrachter, so dass er versucht desinteressiert murmelte: „Dann können wir das Thema ja zu den Akten legen.“ - „Nicht ganz.“ - „Wie? Nicht ganz?“ - „Na, immerhin konnte ich bisher nur deine äußere Erscheinung feststellend in Augenschein nehmen.“ - „Zu mehr wird es auch nicht kommen! Ein falsches Wort und ich gehe!“ Seufzend stützte Deidara sich auf der Bar mit den Ellbogen ab: „Schön. Es würde mich trotzdem interessieren wie es dir geht. Aber wenn du nicht willst...“ Wie ein in die Ecke gedrängtes Tier fauchte der Rothaarige plötzlich: „Deidara, hör auf damit! Es hat dich schon lange nicht mehr interessiert, was du EIGENTLICH wissen solltest! Dafür weißt du es jetzt aber... und außerdem, wie ich bereits sagte, geht es mir hervorragend, prima, toll, wie auch immer!“ Deidara fixierte den Profiler und schüttelte den Kopf: „Belüge dich so viel du willst. Ehrlich! Aber ich WEIß, dass das nicht wahr ist. Ich weiß zu meinem Bedauern nur einfach nicht mehr warum...“ Sasori starrte auf seine Tasse und seufzte: „Du hast wirklich keine Ahnung, oder?“ - „Das versuche ich dir schon seit Längerem zu sagen, ja.“ - „Tu uns beiden einen Gefallen und belasse es dann einfach dabei.“ - „Aber... wieso? Wir haben uns mal alles erzählt... was ist passiert?“ - „Deidara! Hör auf! Ich meine es Ernst!“ - „Verdammt, nun sag es doch! Das wird dir schon nicht weh tun!“ Wütend richtete Sasori sich auf und fixierte den Blonden: „HÖR AUF!“ Auch Deidara erhob sich und hielt dem wütenden und leicht flehenden Blick stand: „NEIN! WAS IST PASSIERT?“ Entfernt ertönte aus dem Wohnzimmer ein wütendes Gemurmel, dann das „Bing“ des Aufzugs, ehe es wieder ruhig wurde. Er trat an den Rothaarigen heran, bis nur noch wenige Zentimeter sie trennten. Doch der Profiler bellte wieder nur: „LASS ES SEIN! LASS! ES! SEIN!“ - „NEIN! WAS?! IST?! PASSIERT?!“ - „HIMMEL: WIR! WIR SIND PASSIERT!“ Unsanft wurde Deidara von Sasori wieder auf Abstand geschubst. Der Blonde starrte den Rothaarigen mit offenem Mund an. Die Worte steckten unangenehm in seinem Hals fest, sein Mund war mit einem Mal staubtrocken und sein Verstand ließ ihn in diesem Augenblick nur ein Wort formen: „...Was...?!“ Sasori sah ihn nicht an, auch wenn die gesamte Wut mit einem Mal völlig verflogen war. Die Stimme klang in Deidaras Ohren unglaublich verletzt, auch wenn der Profiler sich um seine gewohnte Monotonie bemühte: „Ja. Bist du jetzt zufrieden?“ Er seufzte. „Dieser Auftrag war eine dumme Idee... ich... ich sollte besser gehen. Ich lasse einen anderen Ermittler schicken und...“ Der Rothaarige wandte sich zum Gehen, als Deidara sich mit ein paar schnellen Schritten in die Küchentür stellte und ihm den Weg versperrte: „Nein. Du gehst nicht... Du... Sasori, wie soll ich verstehen und wiedergutmachen, wenn du mir nicht hilfst mich zu erinnern?!“ Abrupt blieb Sasori stehen. Wieder trennten nur Zentimeter die beiden. Doch dieses Mal bemerkte er diese Nähe viel mehr. Sie fuhr ihm weit mehr durch Mark und Bein, als die Tatsache, dass der Blonde seinen einzigen Fluchtweg versperrte. Er sah in die azurblauen Augen und hauchte: „Weil es zu spät ist, Deidara. DU hast es beendet, nicht ich. Und nun lass mich durch, ich gehe...“ Er versuchte weiterzugehen, doch Deidara rührte sich nicht einen Millimeter, sondern sah ihm weiterhin in die Augen und flüsterte: „Oh nein! Noch einmal lasse ich dich nicht gehen! Du. Bleibst.“ Er beugte sich ein wenig vor, berührte Sasoris Nase mit seiner eigenen. Er spürte, wie der Rothaarige zitterte, während dieser hauchte: „Nicht... berühren...“ - „Nicht... gehen...“ Sasori wusste nicht, was soeben alles über ihm einzustürzen drohte. Es war eine Menge. Ein verdammt große Menge. Wieso stieß er den Blonden nicht einfach von sich? Wieso trat er keinen Schritt zurück? Wieso um alles in der Welt verharrte er nur so, obwohl er so viele Möglichkeiten diese Farce zu beenden? Er war diesem Moment völlig ergeben. Ein Moment so voll von Spannung und einem längst vergessenen, idyllischen Gefühl. Glück. Deidara. Hoffnung. Sein Verstand driftete ins Nichts ab. Wurde in weiter Ferne zum Schweigen gebracht. Sein Herz wollte nicht wissen, dass das hier nicht richtig war. Es wollte glauben, dass es viel zu lange gedauert hatte und eine Erlösung aus einem Martyrium war. Der warme Atem des Blonden duftete noch nach Kaffee. Ja oder nein? Herz oder Verstand? Hoffnung oder Vernunft? Torheit oder besseres Wissen? Ja... oder nein? „BING“ Das Geräusch beförderte Sasori augenblicklich in die Realität zurück. Er trat zurück und fauchte: „Tu. Das. Nie. NIE! Wieder!“ Süffisant lächelte Deidara und fixierte den Rothaarigen mit seinem Blick: „Wenn du bleibst, dann lasse ich es...“ - „Gut, von mir aus. Jetzt habe ich genug Anreiz, um den Kerl schneller als möglich zu kriegen.“ Hinter Deidara latschte Hidan auf die beiden zu. Die Haare zerzaust, nur in Shorts und mit einem tödlichen Blick in den Augen. Verschlafen keifte er: „Alter! Ihr zwei geht mir gehörig auf den Sack! Wenn ihr morgen wieder so früh meint euch anbrüllen zu müssen, dann mische ich mal mit! Verstanden?“ Sasori setzte sich wieder an die Bar, von wo aus er einfach nur grummelte: „Tu doch, was du willst...“ - „Fuck! Dein dämliches Getue geht mir auf die Nüsse!! Wenn ihr nicht aufhört euch ständig zu zoffen, dann gibt’s Hackfleisch für mich zum Frühstück!“ Er schob Deidara unsanft in die Küche zurück, um sich an der Kaffeemaschine zu schaffen zu machen. „Dämliche Sitzpisser... alle beide! Ihr könnt mich mal!“ Während die Maschine zum dritten Mal an diesem frühen Morgen ratterte und röchelte, warf der Manager die Tageszeitung vor Sasori auf die Bar und knurrte: „Beschäftige dich lieber mal damit, statt hier einen auf keifendes Arschloch zu machen. Das ist mein Job! Also mach du deinen!“ Der Rothaarige schlug die Zeitung auf und antwortete bewusst gelangweilt und monoton: „Das muss ich mir von keinem Manager sagen lassen, der es nötig hatte Nachhilfe bei einem Schüler zu nehmen.“ Hidans missmutiges Knurren war ihm Antwort genug. Er wusste, wie man diesen reizen konnte. Je weniger er sich aufregte, umso mehr regte Hidan sich auf. So einfach war das. Innerlich musste Sasori sogar lächeln. Er hatte ganz vergessen, wie viel Spaß das immer gemacht hatte Hidan auf die Palme zu bringen. Der Titelbericht, den er allerdings aufschlug, ließ jede Spur von Freude oder Spaß sofort wieder verschwinden. „Kunstkritiker Sam McNeil tot aufgefunden Miami. In der Nacht wurde der renommierte Kunst- und Literaturkritiker Sam McNeil tot in seiner Wohnung aufgefunden. Ersten Vermutungen zufolge wurde er durch Fremdeinwirkung erstickt. Post mortem wurden ihm Zunge, Augen und Ohren entfernt, die bis jetzt noch nicht aufgefunden werden konnten. Die Polizei tappt weiterhin im Dunkeln und beantwortete keine Fragen, ob es einen möglichen Zusammenhang zu bisher verübten Morden geben könnte, die Künstler und Kritiker zum Opfer hatten. Bis genaue Ergebnisse vorliegen verweigern die örtlichen Polizeibehörden jeden Kommentar. Wir halten Sie auf dem Laufenden.“ Sasori warf die Zeitung ruppig beiseite und riss Hidan den Stapel Briefe aus der Hand, den dieser noch immer festhielt. Beschriftete Umschläge und Werbeflyer warf er achtlos auf die Bar, bis ein völlig unbeschrifteter Umschlag zwischen den anderen auftauchte. Den Rest warf er zu den anderen und sah Deidara an: „Darf ich?“ Dieser verdrehte genervt die Augen: „Ja, um Himmels Willen! Und auch alle anderen, so lange der Fall läuft!“ Ungeduldig öffnete der Rothaarige den Umschlag und holte den Brief hervor, faltete diesen auseinander und las vor: „Liebster Deidara! Du wirst dich fragen, wieso ich einen Kritiker tötete, der kein schlechtes Wort über dich verloren hat... Nun, wie erkläre ich es? Ich weiß schon! Da dieser Stümper noch immer bei dir seine sogenannte Arbeit macht, werde ich ein kleines Rätsel daraus machen! Du wirst sehen, dass ich viel besser bin als er! Ja, Sasori! Ich weiß wer du bist! Und ich hasse dich!! Nie wirst du mich kriegen! Ich fordere dich heraus! Ein Duell. Ab sofort wirst du herausfinden müssen, wieso ich meine Opfer ausgewählt habe! Die Symbolik bei McNeil ist zum Einstieg einfach, ich will dich ja nicht sofort entmutigen! Deidara gehört mir! MIR! Mir allein!!! ~XX~“ Wütend ließ Sasori das Blatt Papier auf die Bar fallen und stürmte in sein Zimmer. Er musste den Tatort besichtigen. Sofort! Sein Verstand arbeitete auf Hochtouren. Wieso um alles in der Welt kannte dieser Kerl ihn? Würde ER diesen Kerl kennen, wäre er sicherlich durch das Profil bereits auf einen Verdächtigen gekommen. Doch so sehr er auch nachdachte, es kam einfach niemand dabei herum, der wirklich passen würde. Kiba war absolut auszuschließen. Wer sich von Deidara in Unterwäsche vor die Tür setzen ließ, der war ganz sicher kein hochintelligenter und gestörter Psychopath! Eiligst zog er sich Hose, T-Shirt, Schuhe und seinen Mantel an. Deidara saß in der Küche und starrte aus dem Fenster. So langsam verzweifelte er an seinem Halbwissen. Alles lag so dunkel in seinem Kopf herum, ohne dass er bewusst auf die Erinnerungen zugreifen konnte. Woher nur kannte er diesen Unbekannten wohl? Und wusste dieser, dass er sich nicht erinnern konnte? Wieso schaffte es Sasori immer wieder, dass er sich erinnerte, aber dieser dumme Stein nicht? Und, die für ihn wichtigste Frage, was war zwischen ihnen beiden passiert? Wieso hatte ER etwas beendet, was er sich insgeheim über alles wünschte? Er hörte, wie Sasori das Arbeitszimmer wieder verließ und kehrte mit seinen Gedanken wieder zurück ins Hier und Jetzt. Er sprang auf und folgte dem Rothaarigen, den er am Aufzug einholte. Fragend sah er den Profiler an: „Was hast du vor?“ Sasori räusperte sich: „Ich werde mir den Tatort ansehen. Wenn dieser Kerl meint mich herauszufordern, dann soll er das haben. Ich mag es nicht, wenn mir jemand dumm kommt, den ich nicht einmal kenne!“ - „Der WILL dich doch nur provozieren!“ - „Und wenn schon. Wichtig ist, dass ich möglichst viele Informationen über ihn gesammelt kriege. Es nervt mich ohnehin schon, dass er sich nicht auf eine Technik festlegt. Ich erkläre euch das später... Ruf du Caine an und sage ihm, dass ich mich mit ihm am Tatort treffen werde.“ - „Woher weißt du denn, wo der ist, bitteschön?“ Seufzend stieg Sasori in die Kabine: „Ich fahre vorher im Büro vorbei. Bis später.“ Er drückte den Knopf und Deidaras Antwort wurde von der sich schließenden Tür verschluckt. Die Tür der Detektei wurde ohne Vorwarnung oder Anklopfen aufgestoßen und Sasori stürmte herein. Kisame, der mal wieder in seinem Bürostuhl eingenickt war, fiel vor Schreck mitsamt Stuhl hintenüber und landete unsanft auf dem Boden. Während Itachi schadenfroh kicherte, die Tür wieder ins Schloss flog und Sasori durch den Raum eilte, sah Kisame auf und keifte: „Dir auch einen schönen guten Morgen, Arschloch!“ - „Keine Zeit für Komplimente.“ Ehe der Umgefallene etwas antworten konnte, war Sasori auch schon in Nagatos Büro verschwunden. Kisame rappelte sich wieder auf und knurrte Itachi an: „Hör auf so blöde zu lachen! Man ey, der ist frühmorgens schon unruhig wie ein Hornissenschwarm. Jemand sollte ihn mal auf Koffeinentzug setzen.“ Abwehrend hob Itachi seine Hände und schüttelte energisch den Kopf: „In der Zeit mache ich meinen Jahresurlaub!“ - „Nix da! Wenn ich leide, dann leidest du mit! Entweder du kommst zur Arbeit oder ihn nehme mir auch Urlaub und zeige dir jeden Tag meine Dias von den Küstenreisen, die ich bisher gemacht habe.“ - „Pah! Ich lasse mir doch nicht von dir drohen! Ehe du was merkst bin ich irgendwo auf einer karibischen Insel und schlürfe Cocktails.“ - „Kameradenschwein.“ - „Für dich: immer gerne...“ Sasori sah Nagato an und wartete darauf, dass dieser ihm die gewünschte Adresse heraussuchte. Doch auch nach 5 Minuten tauchte sie nirgendwo auf. Resignierend seufzte der Chef: „Ich habe keine Ahnung, wo die schon wieder ist. Konan hat Urlaub, weißt du und...“ - „Verstehe schon. Ich weiß wie du ohne sie 'Ordnung' hältst. Such in Ruhe.“ Irritiert sah der Vorgesetzte auf: „In Ruhe?!“ - „Ja! Sprech ich Kisuaheli oder was? Such in Ruhe, ich wollte ohnehin noch kurz zu Madara...“ - „Achso. Gut. Mach das. Ich bringe sie dir, sobald ich sie gefunden habe.“ - „Danke. Aber lass dir, bitte, nicht ZU viel Zeit.“ Der Profiler wandte sich ab und verließ das Büro wieder, um ohne große Umschweife in das links daneben zu gehen. Wieder klopfte er nicht an, sondern betrat einfach den kleinen Raum und schloss hinter sich die Tür. Madara war ein Mann mittleren Alters mit recht wilden, schwarzen Haaren und sehr viel Erfahrung. Er war es auch gewesen, der Sasori überhaupt erst in diese Detektei geholt hatte. Sie hatten sich damals während Sasoris Studium in Japan kennengelernt, wo Madara als Gastdozent Vorträge gehalten hatte über die Wichtigkeit von psychologischen Profilen in der Verbrechensbekämpfung. So war der Rothaarige schließlich auf den Geschmack gekommen und hatte die Ausbildung durchgezogen. Der Ältere sah auf und lächelte leicht: „Schon wieder zurück?“ Sasori schüttelte den Kopf: „Nein, nur auf kurzer Durchreise. Ich wollte mir dein Buch ausleihen über außergewöhnliche Profile.“ Madara nickte, stand auf und trat an ein Bücherregal heran, in dem unzählige Werke über Profile, Ermittlungsmethoden und verdeckte Ermittlungen standen: „Jetzt sag nicht, dass er dir Schwierigkeiten bereitet.“ - „Noch nicht. Aber auch wenn er versucht es zu verdecken... er ist hochintelligent. Kommt an Informationen, die einem normalen Bürger eigentlich unbekannt sind. Entweder er ist ein Eiferer oder ein Insider. Deshalb brauche ich das Buch.“ Während er seine Finger suchend über die Buchrücken gleiten ließ nickte der Ältere: „Verstehe. Du hast Glück, dass du heute gekommen bist. Ab morgen bin ich verdeckt unterwegs. Im Westviertel macht eine Drogenbande Ärger.“ Schelmisch grinste Sasori: „Und die nehmen tatsächlich Senioren bei sich auf?“ - „Hey! Senioren, pah! Erfahren, mein Lieber, erfahren, nicht alt... Grünschnabel!“ Er verharrte auf einem Buchrücken, grinste zufrieden, zog es heraus und hielt es dem Rothaarigen entgegen: „Hier ist es, Grünschnabel. Weißt du denn, wie du es benutzen musst?“ Noch immer grinste er schelmisch, als der Jüngere antwortete: „Zur Not ruf ich dich an und lese dir daraus vor, wenn du deine Lesebrille mal wieder verlegt hast.“ Er nahm das Buch an sich und verbeugte sich: „Danke, Sensei-sama. Ich werde es unbeschadet zurückbringen.“ - „Natürlich. Wie immer.“ Madara nickte Sasori zu. „Kann ich dir noch irgendwie helfen, ehe ich vorerst nicht erreichbar sein werde?“ Kurz überlegte der Jüngere, ehe er mit den Schultern zuckte: „Falls du mir sagen kannst, wie ich jemanden finde, der über die Zielperson UND über mich Bescheid weiß, die ich allerdings nicht kenne und an die sich die Zielperson aufgrund ominöser Gedächtnislücken nicht erinnern kann, dann kannst du mir in der Tat helfen.“ Lachend klopfte Madara seinem Schüler auf die Schulter: „Dein Optimismus erstaunt mich immer wieder aufs Neue. Und dein Talent sehr persönliche Dinge so unsagbar trocken zu verpacken.“ Irritiert sah der Rothaarige auf: „Wie... kommst du darauf, dass es etwas persönliches ist?“ - „Dein Ausraster von neulich war kaum zu überhören gewesen.“ Grummelnd wandte Sasori den Blick ab: „Verdammt. Im Vordergrund ist und bleibt aber der Fall. So wie ich es gelernt habe.“ - „Wenigstens einer, der im Unterricht nicht geschlafen hat. Ich wusste schon, wieso ich dich damals nach Miami gebeten habe. Mach dir mal keine Sorgen. Du wirst schon noch Erfolg haben.“ - „Natürlich. Ich...“ Ein Klopfen unterbrach das Gespräch. Nagato öffnete von draußen die Tür und reichte Sasori stolz einen Zettel mitsamt Adresse: „So! Da ist sie. Habe sie gefunden!“ Skeptisch hob der Profiler eine Augenbraue: „Gib es zu: du hast bei der Zeitung angerufen und sie dir neu geben lassen.“ - „Verdammt, woher weißt du DAS schon wieder?“ - „Weil Konan andere Notizzettel benutzt, ganz einfach. Und die Sauklaue kann ja nur von dir sein.“ - „Habe ich schon einmal erwähnt, dass ich Profiler hasse?“ Grinsend nickte Sasori: „Jeden Montag, jedes Mal wenn du Zoff mit Konan zu Hause hattest, jedes Mal wenn ihr euch wieder 'versöhnt' habt, jedes Mal wenn...“ Nagato seufzte laut: „Schon gut! Und jetzt sieh zu, dass du diesen Kerl schnappst! Die anderen maulen schon, weil sie in deine Fälle nicht reinkommen.“ Nickend schob sich Sasori aus dem Büro: „Keine Sorge, ich beeile mich. Wie immer. Bis die Tage.“ Mitsamt Buch und Adresse verließ er die Detektei so fluchtartig, wie er sie betreten hatte. Grinsend nahm Madara wieder hinter seinem Schreibtisch Platz und fragte sich, wie sich sein Schüler wohl schlagen würde. Er war schon sehr gespannt darauf, wie es auch Nagato war, der jedoch viel eher hoffte, dass der Profiler bald wieder zurück sein würde, um die komplizierteren Fälle zu lösen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)