Wiedersehen von LadyOfDeath ================================================================================ Kapitel 1: Wiedersehen ---------------------- Hitomi stand am Bahnsteig und sah verträumt auf das Meer hinaus. Sie sog die salzige Luft ein und schloss einen Moment lang ihre Augen. Mittlerweile waren 50 Jahre vergangen, seit sie aus dieser wundersamen Welt namens Gaia wiedergekehrt war. Damals war sie gerade einmal 15 Jahre alt gewesen. Diese Zeit hatte sie stark geprägt und ihr späteres Leben in vielen Bereichen beeinflusst. Sie war durch diese Zeit stärker geworden. Es war kaum ein Tag vergangen an dem sie nicht an Van, Allen, Merle und all die anderen Gedacht hatte. Besonders oft dachte sie an ihre Kameraden, wenn sie hier am Bahnsteig stand. Dort wo sie Van, ihre große Liebe, das letzte Mal gesehen hatte. Wie er dort drüben auf der Mole gesessen und sie angelächelt hatte. Sie hatte ihm gesagt, dass es ihr gut ging und das war damals nicht gelogen. Seitdem hatte sich viel geändert, aber ihrer Liebe zu ihm hatte die Zeit nichts anhaben können. Anfangs hatte sie gedacht, dass sie sich niemals einem anderen Mann hingeben konnte. Doch drei Jahre nach ihrer Rückkehr hatte sie Makoto kennen gelernt. Ihn hatte sie lieben gelernt, auch wenn diese Art von Liebe sich von der zu Van unterschied. Bis zu seinem Tod vor drei Jahren war er ihr stets ein guter und treuer Ehemann gewesen. Er verstand, dass es für sie Dinge gab, die sie niemandem anvertrauen konnte. Noch nicht einmal ihm. Nach seinem Tod hatte sie wieder viel an Van gedacht. Wie es ihm wohl ging? War er überhaupt noch am Leben? Sie schüttelte den Kopf und ein sanftes Lächeln legte sich auf ihr Gesicht. Er lebte noch und es ging ihm gut. Da war sie sich sicher. Sie würde es spüren, wenn er starb. Es hatte einmal eine Zeit gegeben in der sie ganz verzweifelt gewesen war. Sie hatte es immer fühlen können, wenn Van in Gefahr gewesen war und zu dieser Zeit hatte er um sein Leben kämpfen müssen. Doch er hatte die Ereignisse überstanden und so war die Verzweiflung wieder von Hitomi gewichen. Ein kräftiger Husten unterbrach Hitomi in ihren Gedanken und führte sie zum eigentlichen Thema wieder zurück. Sie war alt geworden und eine Krankheit wütete in ihrem Inneren. Sie wusste nicht wie lange sie noch leben würde. Sie war ein wenig traurig, denn trotz ihrer glücklichen Ehe hatte sie niemals Kinder bekommen. Irgendwie hatte immer die Zeit dazu gefehlt. Das tat ihr nun Leid. Sie hätte ihren Kindern gerne von ihrer Zeit auf Gaia erzählt. Aber das war ihr nie vergönnt gewesen. Allerdings hatte sie ihre Geschichte niedergeschrieben. Das Buch war zu einem Bestseller geworden und wurde sogar verfilmt. Wieder musste sie lächeln. Es war eine ganze Menge Energie nötig gewesen, um den Produzenten immer wieder von seinen absurden Ideen abzubringen. Sie wollte kein Fantasyepos aus diesen Ereignissen machen. So hatte sie immer wieder ihre Meinung durchgesetzt und nun hielt sich der Film sehr nahe an der Realität. Darauf war sie stolz. Wieder wurde ihr Körper von einem heftigen Hustenanfall geschüttelt. Diese verdammte Krankheit. Ihre Lungen schmerzten bei jedem Atemzug, doch sie hatte sich bereits daran gewöhnt. Schmerzen waren unvermeidbar. Die Krankheit zerfraß sie immer weiter. In den letzten Tagen wurden die Schmerzen jedoch immer stärker und Hitomi spürte, dass sie nicht mehr lange hatte. Ein paar Tage, vielleicht auch nur noch Stunden. Wieder blickte die alte Frau aufs Meer hinaus. Sie wüsste wirklich zu gern, was aus all ihren Freunden geworden war. War Dryden zurückgekehrt und nun glücklich mit Milerna zusammen? Hatte Merle einen Freund gefunden oder hing sie immer noch an Van? Was war aus Allen und Serena geworden? Am allermeisten interessierte sie jedoch was aus Van geworden war. Hatte er wie sie eine neue Liebe gefunden oder war er unglücklich? Sie wusste auf all diese Fragen keine Antworten. Doch sie wusste, dass sie gern noch einmal nach Gaia gehen würde. Sie würde vor ihrem Tod gern noch einmal ihre alten Freunde wieder sehen und sich bei ihnen verabschieden. In ihrer Welt war ihr schließlich niemand mehr geblieben. Yukari und Amano waren kurz nach ihrer Rückkehr von Gaia ins Ausland gegangen. Sie waren verheiratet, dass wusste Hitomi aus der Postkarte, die sie kurze Zeit später bekommen hatte. Seitdem hatte sich die beiden nicht mehr gemeldet und auch sie hatte nichts dazu beigetragen den Kontakt aufrecht zu erhalten. Die beiden hatten nie verstanden warum sie verschwunden war. Sie hatte ihnen zwar von Gaia erzählt, aber sie hatten ihr nicht geglaubt. Heute tat es ihr ein wenig Leid, dass sie sich auseinander gelebt hatten. Der einzige verbliebene Halt war Makoto gewesen, doch dieser hatte sie ja nun auch verlassen. Wenn auch nicht freiwillig. Aber vielleicht war es besser so. Er würde nur Leiden, wenn er mit ansehen musste, wie sie starb. Die Einsamkeit quälte sie und manch einer mag sich fragen, warum sie nicht einfach aufgegeben hatte und diesen sinnlosen Kampf gegen die Krankheit führte. Doch wer Hitomi kannte wusste, dass aufgeben für sie keine Option war. Ein Zug fuhr ein und verwehrte ihr die Sicht auf das Meer. Es dauerte einige Minuten, dann fuhr er wieder ab und Hitomi konnte wieder die schöne Aussicht genießen. Ihre Augen waren mit dem Alter schlechter geworden und so glaubte sie zuerst, dass ihr kranker Körper ihr einen Streich spielen wollte, als sie Van auf der Mole sitzen sah. Nach wenigen Augenblicken erhob Van sich, breitete seine Flügel aus und flog auf sie zu. Sein Haar wurde von grauen Strähnen durchzogen und sein Gesicht wies eindeutige Zeichen des Alters auf. Über seinem rechten Auge verlief zudem eine langgezogene Narbe. Um seinen Hals trug er immer noch ihren Anhänger, der im letzten Sonnenlicht des Tages glitzerte. Das alles konnte doch keine Einbildung sein. Van landete leichtfüßig vor ihr und sah sie einen Moment lang einfach nur an. „Van?“, fragte Hitomi ungläubig und ging einen Schritt auf ihn zu. Van kam ihr entgegen und nahm sie sanft in den Arm. „Bist du wirklich hier?“, fragte Hitomi, die immer noch nicht fassen konnte, dass er wirklich hier war und sie nun im Arm hielt. „Ja, ich bin gekommen um die abzuholen“, antwortet Van sanft. Im nächsten Augenblick wurden die beiden von einem gleißend hellen Licht umschlossen und Hitomi spürte, wie sie in die Höhe gezogen wurde. Es war genauso wie damals. Wenig später waren sie auf Gaia. Die Nacht war hereingebrochen und Hitomi sah am Himmel den Mond und den Mond der Illusionen. Van hielt sie immer noch im Arm und hob nun sanft ihr Kinn an. Als sich seine Lippen auf ihre legten, vergaß sie für den Moment all ihre Sorgen. Ihre Krankheit, die lange Zeit, die seit ihrer letzten Begegnung vergangen war. Sie vergaß einfach alles. Als er sich von ihr löste, sah sie ihn mit Tränen in den Augen an. „Wieso bist du erst jetzt gekommen?“, fragte sie ein wenig vorwurfsvoll. Van sah sie traurig an. „Erst heute hast du mich aus vollem Herzen gerufen.“ Sie konnte es nicht fassen. War sie Schuld, dass sie sich die ganzen Jahre nicht sehen konnten. Hitomi dachte einen Moment lang über seine Worte nach. Er hatte recht. Sie hatte immer irgendeinen Grund gehabt auf der Erde zu bleiben. Egal wie nichtig dieser Grund war. Immer hatte sie sich eingeredet nicht nach Gaia zurückkehren zu können und heute hatte sie es sich zu ersten Mal gewünscht. Als ihr das bewusst wurde, sank sie auf die Knie und fing an bitterlich zu weinen. Es dauerte einige Zeit, bis sich Hitomi wieder beruhigt hatte. Nun unterhielt sie sich mit Van über ihre alten Freunde. Dryden war immer noch viel auf Reise und nicht zu Milerna zurückkehrt. Diese hatte nach einigen Jahren die Ehe aufgelöst und war nun mit Allen glücklich. Sie hatten drei Kinder. Serena war wieder ganz gesund geworden und wohnte nun in Pallas, um in der Nähe ihres Bruders zu sein. Chid war zu einem weisen Herzog geworden und sein Volk verehrte ihn über alle Maßen. Er wusste mittlerweile, dass Allen sein richtiger Vater war und besuchte diesen oft in Asturia. Merle hatte ihre große Liebe gefunden und war zurzeit mit ihrem Mann auf Reisen. Hitomi sog all diese Informationen in sich auf und freute sich für die anderen. Es war spät geworden und Van hatte Hitomi in ihrem Zimmer alleine gelassen, seit langem war sie wieder einmal richtig glücklich. Zufrieden schloss sie die Augen und schlief ein. Als sie am nächsten Morgen aufwachte, erwartete Van sie schon zum Frühstück. Heute wollte er von ihr erfahren, was sie all die Jahre gemacht hatte. Hitomi erzählte ihm alles was ihr einfiel, auch von ihrer Ehe mit Makoto und ihrer Krankheit. Sie wollte Van keine falschen Hoffnungen machen, dass sie nun noch viele glückliche Jahre haben würden. Van fühlte einen Stich in seinem Herzen, als er von dem anderen Mann erfuhr, doch er konnte sie verstehen. Sie war einsam gewesen. Ihre Krankheit jedoch versetzte ihm einen Schock. Er hatte vielleicht nur noch ein paar Stunden mit seiner geliebten Hitomi. Dieser Gedanke stimmte ihn sehr traurig. Hitomi jedoch lächelte ihn zuversichtlich an und sagte dann: „Sei nicht traurig. Wir sollten die Zeit, die uns noch geschenkt wird nicht ungenutzt verstreichen lassen. Lieber sollten wir sie genießen und dafür dankbar sein.“ Van stimmte ihr zu und in diesem Moment kam ein kleiner Junge um die Ecke geschossen. „Onkel Van!“, rief er laut. Hitomi sah den kleinen erstaunt an. „Onkel?“, fragend sah sie Van, der den kleinen Jungen nun auf seinen Arm hob, an. „Ja. Onkel“, antwortete dieser und fuhr kurz darauf fort, „kurze Zeit nachdem alles vorbei war, kam eine junge Frau mit einem Baby zu mir und sagte, dass dies der Sohn von Folken sei. Du kannst dir sicherlich vorstellen wie erstaunt ich darüber war.“ Hitomi nickte zustimmend. Es war wirklich erstaunlich, was sie alles verpasst hatte. Van riss sie aus ihren Gedanken als er weitersprach. „Ich ließ die Frau im Schloss wohnen, doch kurze Zeit später war sie wieder verschwunden. Das Baby hatte sie hier gelassen. Ich wusste erst nicht was ich davon halten sollte, doch ich glaubte ihr, da das Baby wirkliche Ähnlichkeit mit Folken hatte. Es war übrigens ein Junge.“ Hitomi hörte fasziniert zu und wagte es nicht Van zu unterbrechen. Diese Geschichte war einfach zu spannend. Nur ab und zu musste er eine Pause machen, wenn Hitomi von ihrem Husten gequält wurde. Van erzählte, dass der Junge im Alter von fünf Jahren zum ersten Mal seine Flügel zeigte und somit jeder Zweifel beseitigt war. Der Junge wurde der Thronfolger und regierte heute erfolgreich Farnelia. Und der kleine Junge, den Van nun auf dem Arm hielt war der jüngste Sohn des Königs. Sein Name war Chiaki. Hitomi hatte lange Zeit zugesehen, wie Van und sein kleiner Neffe spielten. Auch hatte sie mittlerweile, die anderen Familienmitglieder kennen gelernt. Nun war sie müde von der ganzen Aufregung und begab sich in den Garten des Schloss. Dort wollte sie sich ein wenig entspannen. Ihre Schritte führte sie automatisch zu Folkens Grab und dem Versteck von Escaflowne. Andächtig blieb sie vor dem stählernen Riesen stehen und besah ihn sich genau. Sie konnte ihn zwischen den Bäumen kaum erkennen, da er von Pflanzen überwuchert wurde. Die alte Frau setzte sich vor Escaflowne auf den Boden. „Wie ich sehe ist die Zeit auch an dir nicht spurlos vorüber gegangen. Es freut mich jedoch, dass es scheinbar nicht mehr notwendig war, dich aus deinem Schlaf zu erwecken.“ Der Guymelef gab keine Antwort, aber das hatte sie auch nicht erwartet. Nachdem sie noch einige Zeit so da gesessen und nachgedacht hatte, war sie ins Schloss zurückkehrt. Auf dem Weg zu ihrem Zimmer traf sie auf Van, der sie besorgt ansah. Es ging ihr zunehmend schlechter, das konnte sie nicht verbergen, auch wenn sie es versuchte. Van geleitete Hitomi in ihr Zimmer, wo sie sich erschöpft in die Kissen sinken ließ. Ihr Ende kam rasend schnell näher und es würde sie wundern, würde sie die Nacht überleben. Van spürte das und ließ sie daher nicht mehr aus den Augen. Sie sprachen noch eine Weile, doch irgendwann übermannte Hitomi die Müdigkeit und langsam schloss sie die Augen. „Ich liebe dich Van. Ich habe dich immer geliebt. Du warst mein Leben und wirst es immer sein. Wir werden uns irgendwann wiedersehen. Daran glaube ich fest.“ Hitomis Stimme war mit jedem Wort schwächer geworden und nun schloss sie für immer ihre Augen. Van stiegen die Tränen in die Augen. Er hielt ihre Hand fest und dankte dem Drachengott für die kurze Zeit, die er noch mit ihr hatte verbringen dürfen. Sie war nicht einsam gestorben. Einige Tage später wurde Hitomis Leichnam beigesetzt. Ihr Grab befand sich auf derselben Lichtung wie Folkens und nur wenige Monate später wurde auch Van dort begraben. Er war bis zu seinem Tod jeden Tag hierhergekommen und hier war er auch gestorben. Sein Gesicht zierte dabei ein sanftes Lächeln genauso wie es bei Hitomi gewesen war. Der kleine Chiaki kam oft zu dieser Lichtung, um seinen Onkel und diese geheimnisvolle Frau zu besuchen. Er hatte sie zwar nur kurze Zeit gekannt, doch es war lange genug gewesen, um sie lieb zu gewinnen. Oft fragte er seinen Vater nach ihrer Geschichte und dieser erzählte sie seinem Sohn allzu gerne. Als Chiaki erwachsen wurde und eigene Kinder hatte, erzählte er ihnen diese Geschichte, denn so würden Hitomi und Van auf ewig weiterleben. Noch heute kam er regelmäßig zur Lichtung, um dort mit Van zu sprechen und an manchen Tagen schien der Wind leise zu antworten. Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)