Wolfgang und Juli von Akio21 (Begegnung im Park) ================================================================================ Kapitel 3: Die Geldbörse ------------------------ „Sei´s drum“, sagte ich zu mir selber. Wolfram hatte bestimmt genug Geld, der konnte warten. Wolfgang war wichtiger. Ich kam zuhause an, stellte das Rad ab, ging die Treppe hoch, machte die Tür auf, ging an Wolfgang vorbei, holte die Geldbörse aus meiner Jackentasche und legte sie auf den Wohnzimmertisch. Mir war heute nicht nach reden. Aber Wolfgang schien das nicht weiter zu stören. Ich schnappte mir also die Leine, spazierte mit ihm zum Park machte ihn los, während er sich, überhaupt nicht wie es sich für einen Hund gehört, ein Gebüsch für sein Geschäft suchte, wo er unbeobachtet war. Ich setzte mich auf die Bank. Vielleicht nachher noch ein wenig Fernsehen, ach ja, Wolframs Geldbeutel, ich könnte ihn doch dem Chef geben, überlegte ich. Wer behauptete denn, dass man das was man findet dem Besitzer persönlich bringen muss? „Shibuya“, hörte ich eine mir allzu vertraute Stimme meinen Namen rufen. Ohne mich umzudrehen hob ich nur die Hand, zum Zeichen, dass ich ihn bemerkt hatte. „Shibuya, was machst du hier?“ fragte Murata, als er neben mir stand. „Was ich hier mache, ich geh mit Wolfgang spazieren.“ „Ich meine, wie siehst du denn aus, Shibuya?“ Überrascht sah ich meinen Freund an. „Hm? Wieso?“ Murata setzte sich neben mich, sah mich an und schob dann seine Brille zurecht. Das bedeutete, erzähl mir was passiert ist, mein Freund, bin ganz Ohr. Ich seufzte, und erzählte ihm dann von Wolfram und Juli. Angefangen von der ersten Begegnung im Park bis hin zum Geldbeutel in meinem Apartment. Murata grinste mich fröhlich an. „Klingt nach dir. Irgendwie.“ „Was meinst du?“ ich hatte ehrlich keine Ahnung, aber das war bei Murata keine Seltenheit. Er dachte oft schon tausend Gedanken weiter, als meine gerade waren, bevor er was sagte. „Dieser Juli. Ein schwarzer Retriever, so nett wie du, ein golden Retriever, so versnobt wie Wolfram.“ „Einen schwarzen Retriever nennt man Labrador, bitte Murata, sag nie wieder schwarzer Retriever, das ist furchtbar. Genauso gut könntest du sagen, ein schwarzer Panther oder ein weißer Schimmel.“ Ich schüttelte mich. Murata lachte. „Würdest du Wolfgang denn gegen Juli tauschen wollen?“ Empört fragte ich: „Bist du verrückt?“ „Na ja, man sagt ja, wie der Hund, so das Herrchen, bei euch beiden Pärchen ist es wohl genau anders herum, aber – du kommst irgendwie mit deinem dämonischen Wolfgang klar und - „ „Du sollst ihn nicht immer dämonisch nennen“, unterbrach ich Murata. „ - und Wolfram mit Juli, alsoooo...“ „Also?“ „Könnt ihr bestimmt Freunde werden.“ „Murata, wer hat dir denn ins Hirn geschissen? Ich gebe ihm seine Geldbörse und lass mich krankschreiben, wenn er in ein paar Wochen wiederkommt. Was machst du überhaupt hier?“ „Das frag ich dich, und wie du aussiehst.“ Murata schüttelte den Kopf. „Oha.“ Wir wollten ja heute mit unserem Freund Antoine in so einen Gayclub gehen. „Sorry, ich hab es total vergessen. Aber – geh doch du mit ihm, ich meine, ich muss ja nicht unbedingt dabei sein.“ „Kommt nicht in Frage. Wir sind die drei Musketiere, einer für alle, alle für einen. Ernsthaft, Shibuya, du weißt doch, wie lange Antoine für sein Coming Out gebraucht hat. Wegen seiner Familie und die Nachbarn haben ihn auch abgelehnt. Und du weißt, er hatte große Angst uns zu sagen, das er schwul ist. Also müssen wir ihm nun zur Seite stehen.“ „Das weiß ich alles Murata. Ist mir vollkommen klar. Aber wenn ich mich richtig erinnere, wollte Antoine uns gar nicht dabei haben, weil er sich Sorgen macht, vollkommen zu Recht, wenn du mich fragst, dass es uns da nicht gefällt. Du hast doch darauf bestanden, mitzugehen. Ich wurde überhaupt nicht gefragt.“ „Nein, nein, das siehst du vollkommen falsch, Shibuya. Wir unterstützen ihn damit.“ Wolfgang kam zufrieden zu mir. „Wenn du meinst. Aber warum soll ich mich – ähm – schick machen? Ich bin schließlich nicht gay.“ „Weil wir ihn nicht blamieren wollen, natürlich. Soll er sich etwa wegen uns schämen?“ Dagegen hatte ich keine Argumente mehr. Ich legte Wolfgang wieder die Leine an. „Also gut, immerhin bedeutet das, wir fahren mit dem Wagen. Dieser Schuppen, er liegt auf dem Weg, wir könnten kurz anhalten, ich geb Wolfram seinen Beutel und muss ihn nie wieder sehen.“ Murata grinste nur seltsam und nickte mir zu. Zwei Fliegen mit einer Klappe. Wer weiß, vielleicht war der Tag doch nicht so schlecht. Neunzig Minuten später klingelte es pünktlich. Keine Ahnung warum, aber ich hatte mich richtig ins Zeug gelegt und war mit meinem Spiegelbild mehr als zufrieden. „Komme“, rief ich in die Sprechanlage, ermahnte Wolfgang nochmal brav zu sein und ging dann die Treppe nach unten. Antoine stand neben dem Fahrersitz. Murata war auch ausgestiegen. Ich fragte mich warum, wollten die etwa zuerst noch hochkommen? „Wow“, Antoine war beeindruckt. Ich konnte wirklich zufrieden sein. Nach dem Duschen und Haare waschen hatte ich sie mir ein wenig neckisch geföhnt und mein langes Pony hing mir nun über die Augen, dazu hatte mich Mutter Natur nicht nur mit schwarzen Haaren und schwarzen Augen gesegnet, sondern auch mit dichten langen Wimpern die ich, genauso wie die Augenbrauen mit einer alten Zahnbürste gekämmt hatte. „Für wen hast du dich so hübsch gemacht, Shibuya?“ Murata legte den Kopf schief. „Murata, sag nicht hübsch, aus deinem Mund klingt das komisch.“ „Nur weil es ungewohnt ist Shibuya, nur weil es ungewohnt ist. Also?“ „Nichts also. Du hast doch selbst gesagt, das Antoine...“ Muratas Blitzen in den Augen hatte mich zum Schweigen gebracht, klar ich durfte nicht sagen, Antoine würde sich mit uns schämen, er wäre bedrückt gewesen und zwar für den Rest der ganzen Woche. „Was ist mit mir?“ hörte ich ihn fragen. Aber mir fiel partout keine Ausrede ein. „Ich habe gesagt, dass du und wir Spaß haben wollen. Warum sonst sollten wir ausgehen?“ „Seid ihr sicher, dass es euch dort Spaß macht.“ „Sicher sind wir sicher“, sagte ich sofort freudig um meinen Patzer wieder auszubügeln. „Eine Bar ist eine Bar, ich will heute richtig abtanzen und trinken, morgen ist Wochenende.“ Ich zwinkerte ihm zu. Ganz überzeugt schien er noch nicht zu sein. Murata fragte plötzlich: „Shibuya, überprüf nochmal, ob du alles hast. Zumindest das Wichtigste.“ Ich griff nach der Beule in meiner Jackentasche. „Ja“, ich nickte. „Ist da Wolframs Geldbeutel drinnen?“ „Äh – ja, wieso?“ „Nur so.“ Murata sah zu Antoine. Die beiden grinsten sich an. Gab es da etwas, das ich nicht wusste oder wissen sollte? „Na dann, kann´s ja los gehen.“ Antoine stieg ein. Murata setzte sich neben ihn, ich quetschte mich auf den engen Rücksitz. Wir fuhren in einen Bezirk in dem ich nie zuvor gewesen war. Die Häuser hier gehörten reichen Leuten, ebenso die Autos. BMW, Porsche und Mercedes. Es überraschte mich nicht. Was mich überraschte war, das Antoine wusste, wo Wolfram wohnte, denn er parkte vor einem großen Haus, oder sollte ich sagen, einer kleinen Villa, mit einem gepflegten Garten, ohne dass ich den Namen, die Straße geschweige denn, die Nummer gesagt hatte. Vielleicht war es besser, nicht zu fragen. Wolfram hatte einen guten Geschmack, das musste man ihm lassen. Plötzlich kam ich mir mit meinem Aussehen überhaupt nicht mehr zufrieden vor. Die Jeans waren nicht mehr die Neusten, und auch der Pullover war nicht im jetzigen Modetrend. Unsicher stieg ich aus. „Bringen wir´s hinter uns“, sagte ich zu mir selbst. Murata fühlte sich wohl angesprochen, denn er stieg auch aus. „Murata, ich kann das alleine.“ „Weiß ich doch, Shibuya. Ich will mir deinen Freund doch nur ansehen.“ Hatte er Freund gesagt? Entschieden wollte ich das gerade verneinen, als Murata auch schon auf die Türklingel drückte. „Vielleicht ist er ja gar nicht zuhause“, hoffte ich. „Ja bitte“, klang es metallen aus der Anlage. Anstatt zu antworten, machte Murata mir ein Zeichen. Mist auch. „Ja, hallo. Ich bin es. Der – der Juli gebadet hat. Aus der Tierklinik.“ „Ah, der Musikliebhaber. Besonders Mozart nicht wahr?“ Ich war jetzt schon angepisst. „Wollte dir nur deinen Geldbeutel vorbeibringen. Den hast du in der Praxis vergessen, ist dir wohl nicht mal aufgefallen was?“ Aber es summte schon und Murata warf sich schnell gegen das Gartentor. Zu meiner Überraschung kam uns Wolfram schon entgegen. Ich hielt die Geldbörse in der Hand und er griff sofort danach. Nein, er griff nicht danach, er grapschte. Ich spürte sogar seine manikürten Fingernägel auf meiner Handfläche. Ich meine, die waren sicher manikürt, dieser Fatzke. „Ganz schön geldgeil“, ich konnte es mir nicht verkneifen. Aber bevor ich weiter lästern konnte - „Danke, diese Tasche ist mir sehr wichtig, ein Geschenk meiner Mutter, bevor sie – bevor sie - „ „Oh.“ Ich fühlte mich plötzlich schlecht. Murata, der natürlich keinen Anstand und kein Feingefühl hatte, fragte zu meinem Entsetzen: „Bevor sie was?“ „Bevor sie auf die Malediven geflogen ist, um Urlaub zu machen.“ Ich realisierte, dass ich ein Idiot war und drehte mich um zum Gehen. „Komm, Murata.“ „Ah, aber sicher nicht alleine, oder?“ „Nein, natürlich nicht. Meine Mutter ist bei den Männern sehr beliebt. Sie sieht aus wie ich.“ Er lachte. „Nein, umgekehrt ist es, muss man wohl sagen, oder?“ „Murata“, ich stieß meinem Freund den Ellbogen in die Rippen, „Gehen wir.“ Aber der ging nur ein paar Schritte zur Seite. „Ist sie Fotomodell? Oder Schauspielerin.“ „Na ja, das könnte sie schon machen, aber wozu, wir haben ja Geld genug.“ Es war unerträglich. Ich starrte zum Wagen. Murata und Wolfram unterhielten sich noch weiter, in der Art und Weise wie vorher auch, und ich fragte mich langsam, was mit ihm los war. „Und – du gehst noch aus, wie ich sehe?“ fragte Wolfram gerade. Seine Stimme klang warmherzig, ganz anders, als wenn er sich mit mir unterhielt. „Hm ja, wir gehen noch mit einem Freund weg.“ „Verstehe.“ „Na, dann, wir sehen uns.“ Sie verabschiedeten sich, und ich lief los auf den Wagen zu, ohne mich umzudrehen. Mir war die Lust jetzt schon vergangen und ich hätte Antoine am liebsten gebeten, mich wieder nach Hause zu fahren, aber ich wollte ihn nicht kränken, er war schließlich mein Freund. „Sag mal, Shibuya, warum warst du so unfreundlich?“ Ich überlegte kurz, ob ich Murata ignorieren sollte, aber der ließ dann erst recht nicht locker. „Bauchweh“, knurrte ich nur kurz. „Trotzdem, du hättest ihm ruhig antworten können.“ „Wie?“ Überrascht betrachtete ich Muratas Augen, die mich durch den Rückspiegel fixiert hatten. „Na, er hat dich doch gefragt, ob du noch weggehst.“ „Mich? Ich dachte – dich, du hast doch auch gesagt, wir gehen weg?“ „Doch nur, weil du so unfreundlich warst und ihn nicht mal angesehen hast, obwohl er dich die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen hat. Als dein Freund ist es meine Pflicht, dich auf dein schlechtes Benehmen aufmerksam zu machen.“ Wolfram hatte mit mir geredet? Plötzlich ging es mir wieder besser. Ich fühlte mich aus unbekanntem Grund sogar auf einmal richtig fröhlich. „Los, Antoine, lass uns fahren.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)