Wonderland of Steam and Rust von abgemeldet ================================================================================ Prolog: rusted from the rain ---------------------------- Die Spätnachmittagssonne knallte heiß durch die dreckigen Fensterscheiben, als er den Gürtel um seinen Oberarm zurrte. Die Flüssigkeit war bereits in die Spritze aufgezogen. Routine. Es war alles Routine. Malik kannte es. Es war kein Nervenkitzel mehr da, keine Vorfreude. Die Wohnung, in der er lebte, war verfallen. Eine verlassene Wohnung, derart, wie man sie in den Ghetto- und Bandenvierteln der Stadt des Öfteren sah. Hier lebten höchstens Hausbesetzer, wie er selbst einer war. Der Putz war von den Wänden abgebröckelt und die Wand dahinter war rau und spröde und genauso rau und spröde war sein Leben. Genauso abgebröckelt. Die Fensterscheibe war zerschlagen, er hatte ein Blatt Papier über das Loch geklebt, das nur noch an einem halben Klebestreifen hing und gelegentlich flatterte. Malik hob die Spritze vor seine Augen. Die lavendelfarbenen Iriden waren stumpf und verbittert. Er war entschlossen. So hatte es begonnen, so würde es enden. Er würde es bestimmen. Er hatte es in der Hand. Von draußen erscholl das verlorene Geräusch einer Polizeisirene, es wand sich die Wände der leeren Häuser empor, bis es sich zerschlug und nur mehr gedämpft an sein Ohr drang. Er zitterte nicht und er hatte keine Angst. Die schmutzig-bräunliche Flüssigkeit schimmerte in der Spritze, sie war voll bis zum Anschlag. Ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. Nicht entrückt, nicht traurig. Einfach nur ein Lächeln darüber, dass er all das nun hinter sich lassen durfte. „Pump ein letztes Mal dein schweres Öl in mein bitteres Herz“, sagte er. „Ich hab keine Angst mehr vor dir. Ich fliehe nicht mehr.“ Er floh nicht mehr. Vor niemandem mehr. Er ließ sich einholen, verschlingen. Irgendjemand schrie im Treppenhaus. Eine Frau. Ein Kind weinte. Türen schlugen. Putz bröckelte von der Decke. Es war stickig und unerträglich heiß und die Sonne schien so blutrot. Regnete es nicht normalerweise, wenn jemand starb? Oder war es das warme Licht, das ihn bald umfing? Eine Wehmut beschlich sein Herz, als er plötzlich an seine Jugendliebe dachte. Ryou, der Junge mit der hellen Haut, dem schneeweißen Haar und diesen sanften, tröstend-warmen Augen, die ihm immer das Gefühl gegeben hatten, Zuhause zu sein. Er war nicht mehr. Und würde nie mehr sein. Die Droge war Maliks neue Geliebte geworden. Die Hure, die ihm seinen Kick gab und ihn tröstete, wenn er weinend in ihren Armen lag. Und nun brachte sie ihn ein letztes Mal fort. Die Hand ließ er wieder sinken, stupste gegen das Glas, setzte die Nadel an. Sie fühlte sich kalt an auf der schwitzigen, dunklen Haut. Wie der Zahn der Schlange, ihr Gift, das er willkommen hieß. „Apophis“, summte er, „Erfüll mir nur einen Wunsch für meine verdorbene Seele, einen letzten ...“ Langsam schob er die Nadel unter die Haut, in die Vene und den Schmerz, den spürte er nicht. Und dann drückte er den Kolben herunter. Langsam. Alles. Das schwere Gift schoss in seine Venen und er wusste, die Dosis war endgültig, sobald sie sein Herz erreichte. Malik ließ sich zurück gegen die Wand sinken, lächelte dabei und weinte nicht: Er weinte schon lange nicht mehr. Dieses bekannte Gefühl, es hüllte ihn langsam ein. Alles wurde heller, alles wurde angenehmer. Er wurde ruhig. Sein Blick hob sich durch das Fenster zu dem glutroten Ball, den die Sonne am Himmel beschrieb. Er starrte hinein, bis die Augen schrien vor Schmerz. Doch das Schreien wurde leiser. Der Schmerz wurde leiser. Und bald … tat es nicht mehr weh. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)