Wonderland of Steam and Rust von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: sudden movements --------------------------- Es tropfte. Malik kniff die Augen zusammen und wandte das Gesicht zur Seite. Dieses schreckliche, nervtötende Geräusch. Er wollte schlafen. Dann wurde ihm mit einem Mal klar, dass hier etwas nicht stimmte und mit einem Schlag riss er die Augen auf. Er lag auf dem Boden. An der Decke standen ein Tisch, ein Stuhl, ein Bücherregal und … Moment. An der...? Plötzlich kippte die Welt und mit einem erschrockenen Aufschrei stürzte Malik in die Tiefe, um mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden aufzuschlagen, die Luft presste sich ihm aus den Lungen und für einen Moment sah er schwarze Punkte vor den Augen tanzen. Er stöhnte leise und versuchte sich aufzurichten. Wo zur Hölle war er hier? Hatte er nicht vorhin noch …? Die Umgebung wirkte wie eine unterirdische Höhle, wie ein Kaninchenbau, oder … Ein nervöses, abgehacktes Lachen entfuhr ihm. „Alter, das ist ja wie bei Alice im Wunderland“, verstummte aber augenblicklich, weil seine Stimme gruselig an den feuchten Wänden widerhallte. Ein dumpfes Klappern drang an sein Ohr: War hier noch jemand? „Hallo?“, rief er, nachdem er sich langsam aufgerappelt hatte. „Ist hier jemand?“ Er ging in die Richtung, aus der er das Klappern vernahm, nicht ohne seine Blicke immer wieder neugierig über die Wände gleiten zu lassen. Die Wände waren aus feuchter Erde, zwischendrin marodes Gestein und hin- und wieder konnte man ein rostiges Rohr erkennen. Daher auch das Tropfen. Plötzlich verstummte das Klappern, ein lautes „Oh weh!“, war zu hören und schließlich näherten sich ihm Schritte und ehe Malik sich versah, wurde er über den Haufen gerannt, schlug mit einem überraschten Aufschrei rücklings auf den weichen Boden des vermeintlichen Kaninchenbaus. Als er die Augen wieder öffnete, blickte er direkt in zwei schokoladenbraune, unschuldige Augen, eine Stupsnase und Schnurrhaare, die merkwürdig fremd in dem ansonsten menschlichen Gesicht wirkten. Das Gesicht, welches an Schneeblässe kaum perfekter hätte anmuten können, wurde von weißen Fransen umrahmt und als Malik den Blick leicht hob, erkannte er zwei lange, weiß-rosafarbene Kaninchenohren, welche aus dem Wuschelkopf sprossen . Moment mal, das war… Malik blieb keine Zeit, zu reagieren, denn das ominöse Wesen, das ihm so merkwürdig bekannt vorkam, sah ihn plötzlich tadelnd an und rief schließlich aus: „Da bist du ja endlich!“ Damit zog es ihn auf die Beine und fügte hinzu: „Wir sind schon viel zu spät!“ Ein Anflug von Panik zuckte über das ebenmäßige Gesicht und ohne eine Antwort abzuwarten packte ihn der Kaninchenverschnitt am Handgelenk und zerrte ihn energisch hinter sich her. „Malik, wir haben keine Zeit!“ Stirnrunzelnd und keine Worte findend ließ Malik sich hinter ihm herziehen, ehe es ihm zu bunt wurde und er einfach stehen blieb. Das Kaninchen hatte wohl nicht damit gerechnet, stolperte und wäre beinahe hingefallen. „Was ist denn?“, fragte es ungeduldig. „Also, ich weiß nicht, auf was für einem Trip ich da gerade bin, aber was zur Hölle ist hier eigentlich los? Bist du Ryou, oder bist du‘s nicht? Und wo zur Hölle müssen wir hin? Ich weiß noch nicht mal, wo ich hier bin!“ „Ach, du Dummerchen“, erklärte das Ryou-Kaninchen sanft, „Ich bin das weiße Kaninchen. Weißt du nicht mehr? So hast du mich früher manchmal zum Spaß genannt. Du bist im Wunderland-“ „Na, das wundert mich jetzt gar nicht mehr“, erwiderte Malik sarkastisch. „- und wir sind eingeladen auf‘s Schloss der Herzkönigin. Wir müssen uns beeilen, sonst kommen wir zu spät.“ „Ja, das sagtest du bereits“, brummte Malik, dem das alles immer spanischer vorkam. Allerdings, so dachte er sich, was hab ich zu verlieren, wenn ich mit ihm komme? Während Malik nun schweigend neben Ryou herging, dessen sinnlich schwingender Gang noch derselbe war, wie früher, ließ er verstohlen seinen Blick über den Jungen gleiten. Die Kleidung, die er trug, mochte irgendwie nicht so recht zu der zarten Erscheinung eines Kaninchens passen – eine rostfarbene, zerschlissene Steampunk-artige Fliegerhose mit dunkelbraunen Streifen, eine Fliegerbrille mit riesigen, trüben Gläsern und schartigem Leder an der Fassung saß schief auf seinem Kopf vor den Ohren mit dem seidigen Fell. Der Oberkörper war nackt, nur um den Hals und dem oberen Teil der Brust war seidiges, schneeweißes Kaninchenfell, ebenso an den Handgelenken und die Füße waren bar. Und nicht zu vergessen der plüschige, kleine Kaninchenschwanz, welchem man hinten einen Schlitz in der Hose gelassen hatte. Um den Hals baumelte eine riesige Taschenuhr mit römischen Ziffern. Malik öffnete die Lippen leicht und schloss sie dann wieder. Wie lang war das her? Wann war er glücklich gewesen? Hatte Ryou so unbeschwert diesen Spitznamen gegeben? Ihn immer wieder damit aufgezogen? Seine Augen blickten bitter zu Boden. Zu lang her. Zu weit weg. Zu gefährlich. Er sah wieder auf. Sie liefen inzwischen einen langen Gang entlang, an der Decke Mienenlampen, im Abstand von je etwa zehn Metern. Doch bald wurde es heller. Bald wurde auch der Gang weitläufiger, die Decke ging in die Höhe, die Wände weiter auseinander und als Ryou stehen blieb, wäre Malik fast in ihn hineingelaufen. Fragend sah er ihn an. Ryou war vor einem Tor stehengeblieben und hatte sich zu ihm gedreht. „Malik … bevor wir durch diese Tür gehen, musst du etwas Wichtiges wissen...“ Die dunklen Augen Ryous blickten ihn bekümmert an. „Das Wunderland ist nicht mehr das, was es einmal war, als du … weggegangen bist, ist etwas Schreckliches passiert...“ Die Stimme fast ein Flüstern und Malik bildete sich ein, die langen Ohren hingen ein wenig niedergeschlagen Richtung Erde. „Was … ist denn passiert?“, hakte er misstrauisch nach und irgendwie wurde die Sache ihm immer weniger geheuer. Ryou seufzte. „Alice ist plötzlich übergeschnappt. Oder die Alice, die wir zu kennen glaubten. Sie zerstört das Wunderland immer mehr und sogar die Herzkönigin hat Angst vor ihr.“ „Und was … hat das jetzt alles mit mir zu tun?“, murmelte Malik, dem das alles gar nicht behagte. Hoffnung schimmerte plötzlich in den Augen des Kaninchens. „Du bist der einzige, der es mit ihr aufnehmen kann.“ „Bitte - WAS?“ Malik stöhnte und fuhr sich durch die Haare. „Also, im Groben, eure Alice ist verrückt geworden, zerstört das Wunderland und ich bin der Held in der schimmernden Rüstung, der sie besiegen soll?“ Er lachte trocken auf. „Das ist verrückt, das weißt du, oder? Ich weiß nicht, ob du dich erinnerst, aber ich hab ... hatte ... nicht mal mein eigenes Leben im Griff, wie soll ich dann … andere retten?“, das Letzte kam nur genuschelt über seine Lippen. Dann schüttelte er den Kopf. „Was für eine Auswahlmöglichkeit habe ich?“ „Leider keine.“ Abermals ein Stöhnen. „Nun dann, ich fürchte, was sein muss, muss sein.“ Schließlich grinste er schief. Das Ryou-Kaninchen nickte und holte dann einen bronzefarbenen Schlüssel aus einer seiner Hosentaschen hervor, den er kurz darauf in das Schloss der großen Tür schob. „Scheiße, Malik, die waren doch sauteuer!“ Der 17-jährige Ryou Yagizawa starrte ungläubig auf die beiden Konzertkarten, die er in der Hand hielt. Malik lächelte. „Mir fiel einfach nichts Gescheites ein und bevor ich irgendeinen Müll kaufe, greif ich lieber einmal tief in die Tasche.“ Ryou fiel ihm um den Hals und murmelte: „Du Verrückter...“ Malik schloss die Augen und sog den Duft der weißen, weichen Haare auf, welcher ihm in die Nase stieg. Er schauerte. Wie konnte jemand nur so verboten süß und sinnlich riechen? Er roch nach … Liebe. Malik schluckte. Löste sich dann. Nach dem Konzert. Da würde er es Ryou sagen. Die riesenhafte Tür schwang mit einem unangenehmen Knirschen auf und Malik musste für einen Moment die Augen zusammenkneifen, weil die glutrote Nachmittagssonne ihn so abrupt blendete. Malik blinzelte, seine Augen gewöhnten sich nur langsam an das Licht. Die Sonne stand als roter Feuerball tief am Himmel. Nun, das war nicht ganz richtig. Es waren drei Sonnen. Die rote, eine weiße und eine fast schwarze. "Starr nicht so in die Sonne, das tut deinen Augen nicht gut." Malik hatte es gar nicht bemerkt. Abermals blinzelte er, ließ dann seinen Blick über die Landschaft schweifen. Der Mund ging ihm auf. Das war ... Rostig und welk waren wohl die ersten Begriffe, die ihm in den Sinn kamen. Viele Bäume waren nicht übrig geblieben, nur ein kleines Grüppchen, das wohl mal ein Wald gewesen sein mochte in weiter Ferne, die Blätter waren verdorrt und wohl auch krank, ansonsten erstreckte sich eine Steppe, das Licht war drückend heiß, kein Vogel sang und kein Insekt war in der Luft und Malik verschlug es mit einem Mal den Atem, als ihn für den Bruchteil einer Sekunde das Leben überrollte, das er eigentlich hatte zurücklassen wollen und dieser Staub, der grässliche, heiße Staub, der beim ersten Einatmen wie Partikel von heißem Glas in der Lunge brannte, war allgegenwärtig. Malik schüttelte entsetzt den Kopf. Selbst, wenn er noch nie hier gewesen war, spürte er, dass das so nicht richtig war. Er wandte den Kopf zu Ryou, wie als wollte er von ihm hören, dass das alles hier nur Einbildung war und er nichts zu befürchten hatte, aber auch Ryous sanfte, dunkle Augen konnten ihm diesmal nicht die Angst nehmen. "Wie sollen wir hier reisen?", fragte er schließlich. Er bezweifelte, dass es hier Automobile gab ... Ryou lächelte. "Komm. Halt dich an mir fest." Maliks rechte Augenbraue zuckte in die Höhe und zweifelnd sah er die schlanke, beinahe schmächtige Gestalt Ryous an. "Nimm‘s mir nicht böse, aber ich bezweifel irgendwie, dass du ..." Ungefragt umfasste Ryou seine Hüfte. "Das war schon immer dein Fehler", sagte er sanft. "Ich war nie so schwach, wie du es immer geglaubt hast." Dann umgriff er mit der freien Hand die Taschenuhr, die ihm um den Hals baumelte, drehte dann geschickt mit Daumen und Zeigefinger an dem Rädchen. "Perfekt", seine Schnurrhaare zuckten keck. "Wir schaffen es noch zum Tee, bevor wir endgültig weiter müssen." "Ach, jetzt plötzlich haben wir Zeit für-" Die Empörung ging unter in der rasenden Geschwindigkeit der Zeit, die Füße des Kaninchens berührten kaum den Boden und irgendwann musste Malik die Augen schließen und konzentrierte sich nur noch darauf, sich an dem anderen Körper festzuhalten, da er ansonsten endgültig den Halt verloren hätte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)