Wonderland of Steam and Rust von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 5: bloody nails and broken hearts ----------------------------------------- "Wir warten bis Tagesanbruch, dann machen wir uns auf den Weg." Malik folgte dem Treiben in der Hütte schon seit einer geraumen Zeit und seine Augen wurden dabei immer größer. Der Hutmacher hatte einen Schrank geöffnet, in welchem sich ein ganzes Arsenal an verschiedensten Waffen befand. Er war sich nicht ganz sicher, ob es ihn beunruhigen, oder beruhigen sollte, dass der Märzhase sich gerade mit einem irren Funkeln in den Augen das Patronenhalfter eines altmodischen Maschinengewehrs umschnallte und dann mit fahrigen Fingern die Waffe selbst an sich nahm. Er meinte sich erinnern zu können, dass Bakura früher schon immer ein Faible für Schusswaffen gehabt hatte und das war keine sonderlich angenehme Erinnerung, denn einmal hatte er ihn mit einem alten Colt zu Tode erschreckt. Dass das Ding zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr benutzbar gewesen war, hatte er Malik damals natürlich verschwiegen. Während Maliks Augen auf Grin ruhten, welcher ganz nach der Katzenart einigermaßen gelangweilt mit einer Handgranate herumpfötelte, was auch vom Weißen Kaninchen mit nervösem Blick betrachtet wurde, meinte der Hutmacher, an Malik gewandt: "Wir töten den Jabberwocky. Das wird Alice herauslocken." Dabei griff er nach mehreren Pistolenhalftern, zwei davon drückte er Malik in die Hand. "Wenn das so einfach ist, wieso braucht es da erst mich dazu?" "Der Jabberwocky ist eine Sache. Alice, die Wahnsinnige eine ganz andere." Malik schnallte sich zögernd die Halfter um. Ganz wohl war ihm dabei irgendwie nicht - andererseits vermittelte das Gewicht ein Gefühl von Sicherheit. Er runzelte die Stirn. "Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, wieso ein Mädchen schlimmer sein soll, als ein riesiges, geflügeltes, scharf bezahntes, feuerspuckendes Monster." Ein keckerndes Lachen kam aus Richtung des Märzhasen, wie als lache er ihn ob dieser dummen Frage aus, doch Malik ignorierte es einfach. Und dann warf der Hutmacher ihm einen Blick zu, einen Blick, der Malik vor einer langen Zeit schonmal begegnet war und ihn für einen winzigen, unbedachten Moment verunsichert und schwach gemacht hatte. "Das war damals schon dein Fehler", sagte er und er klang fast sanft dabei. "Nur aus diesem Grund ... konnte ich dich verführen. Auf die eine und auf die andere Art." Malik sah ihn verständnislos an. Doch dann dämmerte es ihm langsam. Das war wohl die Lektion, die er zu lernen hatte. Gerade, die Dinge, die harmlos erschienen, sollte man nicht unterschätzen, nicht in ihrer Wirkung und nicht in ihren Folgen. Nebenbei wurde Malik mit einer teilweise neuen Garderobe ausgestattet. Er erhielt eine braune, abgewetzte Lederjacke, mit allen möglichen Wappen und Flugsymbolen darauf und – eingetrockneten Blutflecken, besäumt mit irgendeinem hellen Pelz, aber das Leder war kein gewöhnliches Leder, es war dreimal feuerfester, dazu Stiefel mit Stahlkappen und, warum auch immer Kompassen auf den Spitzen und zu guter Letzt einen Fliegerhelm, mit dem er sich erst etwas albern vorkam, es aber dann stillschweigend hinnahm, denn er hatte gerade andere Sorgen als lächerliche Klamotten. "Wie werden wir eigentlich reisen?", fragte Malik schließlich und schielte wieder zu Ryou. Der Hutmacher antwortete: "März hat eine Maschine gebaut, sie ist groß und schnell. Sie wird uns alle zum Schloss der Königin bringen. Sie kann uns sagen, wo sich der Jabberwocky versteckt." "Wäre ... es nicht einfacher, ihn herauszulocken?", erwiderte Malik zögerlich, dem sich die Logik dieses Vorhabens ein wenig verschloss. Der Hutmacher lachte, wurde aber dann abrupt wieder ernst. "Bitte. Er ist ein Monster, aber er ist nicht dumm." Das war die einzige Erklärung, die Malik erhielt. „Ich weiß, dass du mit Akefia geschlafen hast …“, sagte Ryou leise und sah auf die Mitte des Tisches, an welchem sie beide gerade saßen, um ihn nicht direkt ansehen zu müssen. Maliks Blick war bitter. Eine ganze Weile sagte er nichts, nachdem Ryou dieses Gespräch begonnen hatte, das schon längst überfällig gewesen war. „Und was ist mit dir und Mariku?“, stellte er schließlich die Gegenfrage. Denn das lenkte von der eigenen Schuld ab. Die Küchenuhr tickte. Das Ticken war das einzige Geräusch, das zu vernehmen war. „Ich habe nichts mit Mariku angefangen“, sagte Ryou vorwurfsvoll. „Aber ich will nicht bestreiten, dass ich ernsthaft darüber nachgedacht habe, zu ihm zu gehen.“ Maliks Lippen kräuselten sich. „Was hält dich davon ab?“ Warum war er so gemein? Er wollte das nicht. Aber die letzten Monate hatten ihn bitter gemacht. Bitter und hart. Ryou sah ihn nun direkt an. „Ich wollte immer um uns kämpfen, ich … Ich hab sogar versucht, dir bei deinem Drogenproblem zu helfen, aber ich bin gescheitert und das tut mehr weh, als zu wissen, dass du mich betrogen hast.“ Ryous Worte klangen sachlich. Viel zu sachlich. Malik ahnte, worauf das hinaus lief. Und er wollte es nicht hören. Wollte die Konsequenzen nicht für seine Fehler tragen, wollte sie sich nicht eingestehen. Er war so stolz. „Ich habe kein Problem“, sagte Malik nachdrücklich. „Ich hab das unter Kontrolle, Ryou.“ „Selbst, wenn du das hättest, wäre immer noch die Sache mit Akefia. Und weißt du, was das schlimmste ist?“ Ryous Stimme brach. „Es tut dir nicht leid. Behaupte nichts anderes, ich weiß, dass es dir nicht Leid tut. Weißt du, ich bin nicht blöd, mir war klar, dass jemand wie du immer auf der Suche nach Abenteuer ist und von dem … vom Verbotenen angezogen wird, aber … für mich ist da kein Platz. Wir haben uns in der letzten Zeit so weit voneinander entfernt, dass es nicht mehr weg zu argumentieren ist.“ Ryous Stimme war gegen Ende immer leiser geworden. Malik schnaubte. „Ryou, du hast einfach keine Ahnung. Du weißt nicht, wie das ist, ich zu sein. Du hattest immer ein schönes Leben, während ich mich immer durchschlagen musste. Du sagst immer, du wüsstest, wie es in mir aussieht, dabei weißt du es nicht. Kein Stück.“ Und sagte damit eigentlich das Gegenteil von dem, was er hatte sagen wollen. Tat Ryou weh und wusste nicht, warum. Vielleicht aus Selbstschutz? Weil er Ryou zuerst wehtun wollte, bevor dieser es tat? „Malik, ich mache Schluss.“ Und die Finsternis brach über sein Leben herein. Malik, was ist los mit dir? Hast du jetzt nicht das, was du wolltest? Ein Leben ohne Grenzen, ein Leben aus Spaß, Partys und Sex und der Illusion, dass die Leute, die dich jetzt umgeben deine Freunde sind? Glaubst du, wenn Akefia mit dir schläft, hat er Gefühle für dich? Oder bringt er dich nur dazu, es zu tun, um dich in eine kranke Abhängigkeit zu ihm zu stürzen? Ist er es nicht, der dich immer wieder mit dem Horse versorgt? Der dir die Droge zuwirft, wie ein Herrchen seinem Hund ein Leckerli, wenn du die Beine für ihn breit, oder ihm den Schwanz gelutscht hast? Und war er es nicht … der dich fallen gelassen hat, als du schließlich so abgefuckt warst, so abgemagert und wirr und süchtig, dass sogar er sich vor dir geekelt hat? Ha. Du wirst es niemals schaffen, meinen Jabberwocky zu erschlagen. Du wirst mich niemals besiegen, denn dazu bist du zu feige. Ich bin das Mächtigste, das für dich existiert, ich bin deine Herrin, deine Mutter, deine Hure, deine Schöpferin … Malik riss die Augen auf. Seine Handflächen waren schwitzig geworden. Das regelmäßige Stampfen und Zischen der Maschine, auf der sie sich fortbewegten war das einzige Geräusch, das den dräuenden Morgen durchdrang. Malik hatte nicht schlecht gestaunt, als er die Maschine das erste Mal gesehen hatte. Zuerst hatte sie ihn an einen riesigen Teekessel, mit seltsamen Auswüchsen, an allen Möglichen und unmöglichen Stellen erinnert, dann hatte März ein paar Hebel und Schaltflächen betätigt und das unförmige Sing hatte sich verändert, hatte an seinen Seiten „Füße“ ausgefahren, ähnlich, wie man sie bei Robotern kannte, oben hatte sich eine Kuppel geöffnet und eine Plattform war freigeworden und Schornsteine, drei um genau zu sein, waren in die Höhe geschossen. Er hatte nur einen kurzen Blick auf die ganzen Schaltflächen werfen können. „Alles in Ordnung?“ Malik erschrak fast, als Ryou ihn so unschuldig ansprach. Irgendwie konnte er ihm gerade nicht in die Augen sehen. „Ja, alles in Ordnung …“, murmelte er und kratzte sich abwesend am Oberarm. Sein Mund war trocken. Hatte da jemand zu ihm gesprochen? Wer war das gewesen? Eine Frau? Er schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich hatte er sich das nur eingebildet. Ryou schien ihm nicht so ganz zu glauben, doch da Malik keinerlei Anstalten machte, weiter etwas zu sagen, beließ er es dabei. Eine der Sonnen ging gerade auf. Fahl und kalt und sie mochte nicht so rechtes Licht bringen. Malik fiel einmal mehr auf, wie trostlos dieses Land war. Ein Jammer, dass man etwas, das einst so schön gewesen war, so verkommen ließ. So etwas sollte man nicht zulassen. „Im Grunde ist das alles ein Widerspruch in sich, so ein Leben…“ Malik sah auf, sah den Hutmacher an, welcher an seiner Seite an einem eisernen Pfahl gelehnt hatte, auf der Plattform, auf der sie sich befanden. „Es war in deinen Augen perfekt, ist es nicht so? Zu perfekt, als dass du es weiter ertragen hättest. So etwas Schönes und Perfektes … sag mir, wie willst du es beschützen, ohne dabei Böses zu tun?“ Malik wurde nachdenklich. „Ich habe böse Dinge getan. Ich habe ihm wehgetan, ihn belogen und betrogen …“ „Ich rede nicht vom Weißen Kaninchen.“ Malik verstand erst nicht und sah ihn fragend an. „Ich verstehe nicht ganz…“ „Es waren nicht die richtigen bösen Dinge.“ Malik zog eine Augenbraue hoch. „Ganz ehrlich, ich frag mich, wer von euch beiden verrückter ist, du, oder dieser Wahnsinnige, der da oben zwischen den Dampfabzügen herumturnt. Wenn der mal abrutscht, gibt’s Hasenbraten.“ Dabei sah er, die Augen mit einer Hand abschirmend an einem der Rohre nach oben. Der Hutmacher folgte seinem Blick und lachte. Der Märzhase war eifrig damit beschäftigt, für ihr Vorankommen verschiedene Ventile zu drehen; Regler hoch- und wieder herunterschieben und an schweren Hebeln zu ziehen und vor sich hinzumurmeln und zu fluchen, wenn etwas nicht gleich so funktionierte, wie es sollte. „Feuerfester Pelz. Glaub mir, wenn er wie jetzt mit seinen Ventilen und Schrauben beschäftigt ist, ist er am harmlosesten und läuft nicht in Gefahr, sich oder andere durch irgendeinen Blödsinn zu verletzen.“ Ein amüsiertes Grinsen in dem dunklen Gesicht. Von oben ertönte eine meckernde Stimme: „Hutmacher, laber nicht so viel Scheiße und zeig dem Burschen lieber, was er zu tun hat, falls dieses Vieh uns findet, bevor wir es finden!“ Malik spürte plötzlich das kalte Metall wieder an der Hüfte. Richtig, da war ja noch was. Er hatte noch nie zuvor so ein Ding bedient und irgendwie wagte er auch zu bezweifeln, dass ihm zwei Schusswaffen gegen so ein riesiges Monster helfen würden. Er äußerte diesen Gedanken. „Das sind keine gewöhnlichen Revolver“, belehrte ihn der Hutmacher leicht tadelnd, „Du hast immer noch nicht gelernt, richtig hinzusehen. Es ist die Munition, mit der er geladen ist. März hat die Kugeln selbst gemacht. Hat sie mit einem speziellen Gift versehen und so verstärkt, dass sie Drachenhaut mühelos durchdringen, wenn man richtig zielt. Wenn du einmal damit schießt, dann-“ „Ich will euer Teekränzchen ja nicht stören, aber ich glaube, wir kriegen Besuch!“, knurrte Grin plötzlich und sie blickten seinem Blick folgend in die Ferne. „Ich sehe nichts…“, sagte Malik zögerlich und voller Unbehagen, dabei vergessend, dass ein Paar Katzenaugen dreimal soweit sah wie ein Menschenauge. Doch dann hörte er es. Schwaches Flügelschlagen in der Ferne. „Sieh mal einer an“, knurrte der Hutmacher neben ihm boshaft, „Da hat wohl jemand mitgekriegt, dass wir auf dem Weg zu ihr sind…“ Maliks Herz begann, zu rasen. War es jetzt soweit? Sein Blick flackerte nervös zu Ryou. Konnte er ihn beschützen, wenn es darauf ankam? Konnte er es diesmal? „Lass dich nicht von Gefühlen zu ihm ablenken“, knurrte der Hutmacher, „Konzentrier dich ganz auf den Jabberwocky“ Und dann hörte er es wieder in der Ferne. Das Flügelschlagen. Ganz schwach, doch es kam näher. Bald war es soweit, da würde er ihm das erste Mal in die Augen sehen. Malik straffte die Gestalt. Der kalte Stahl der Waffe fühlte sich plötzlich sehr beruhigend an auf seiner Haut, denn die Kälte durchdrang auch die Kleider. „Macht euch bereit!“, schrie Bakura von oben herab, „Festhalten, sonst wird’s gleich ziemlich ungemütlich und wers nicht macht, landet eben als blutiger Matsch auf dem Geröll, ist mir auch ralle!“ Das reichte Malik aus, um sich instinktiv an einen der Dampfabzüge zu klammern, an welchem seitlich Handgriffe (zumindest glaubte Malik, dass es Handgriffe sein sollten) angebracht waren und die anderen taten es ihm gleich. Und kaum hatte er einen dürftigen Halt gefunden, riss Bakura mit einem energischen „HAH!“ zwei der vielen Hebel hinunter und daraufhin ertönte ein ohrenbetäubendes Quietschen und Knirschen und Malik spürte, wie sich die Maschine um sie herum veränderte, ein Vibrieren ging durch den Boden und mit einem ziemlich hässlichen Geräusch schossen seitlich zwei doppelte Trageflügel heraus, wie früher bei den ersten Flugzeugen der Marxbrothers und noch ehe sich Malik fragen konnte, wie um alles in der Welt zwei riesige Tragflügel aus einem offensichtlichen Gestell aus Eisen, bespannt mit abgewetztem und löchrigem Segel-Leinen eine Maschine in der Luft halten sollten, die vermutlich mehrere Tonnen wog, tönte ihm das Fauchen von zündenden Triebwerken in den Ohren und er fühlte sich mit dem Rücken so stark gegen den Dampfabzug gepresst, dass ihm für einen Moment der Atem stockte und er musste die Augen schließen, weil der Wind so hart und scharf war, dass ihm sonst womöglich die Kapillaren in den Augäpfeln geplatzt wären. Dieses Gefühl des Zusammengepresstwerdens hielt in etwa nur 30 Sekunden an, doch Malik kam es vor, wie eine Ewigkeit und als er wieder Luft schnappen konnte, fiel er kurz vornüber auf die Knie. Malik konnte sich gerade noch so aufrappeln, als er auch schon ein markerschütterndes Brüllen hörte, wie wenn Metall über Metall schrammte und als er aufsah, sah er das Monster, es näherte sich ihnen mit kräftigem Flügelschlagen und Malik befürchtete fast einen Zusammenprall, dann hörte er, wie Bakura Ryou etwas zurief, was er nicht verstand und Ryou, welcher sich die Fliegerbrille zum Schutz vors Gesicht geklemmt hatte, sprang aus seiner kauernden Haltung auf und fasste Malik am Handgelenk. „Komm mit!“ „W-wa-?“ Es war keine Zeit, um Fragen zu stellen, das spürte Malik, so hielt er einfach die Klappe und ließ sich von Ryou mitziehen, einmal halb um einen der Schornsteine herum. Auf der anderen Seite waren Leitersprossen aus Metall, welche Ryou vor ihm flink begann nach oben zu klettern und er tat es ihm ohne zu zögern gleich, auch wenn es kein sonderlich beruhigendes Gefühl war, in schwindelerregender Höhe auf einer ständig ruckelnden und bockenden Flugmaschine herum zu klettern. Oben endeten die Sprossen bei einer kleinen Plattform und als das Weiße Kaninchen schließlich flink zu einem Gestell huschte und anfing, verschiedene Einstellungen daran vorzunehmen, schrie Malik gegen den Wind an: „Was bitte wird das, Ryou?“ „Komm her!“ Kaum hatte Ryou ihm das zugerufen, war er an seiner Seite. „Pass auf – die Maschinenkanone hat März gebaut, sie ist fest im Boden verankert – siehst du diese Riemen mit den Patronen?“ „Ja-“ „Da sind immer 150 Schuss am Stück drin, wenn du ein Klicken hörst, musst du mit ziemlicher Kraft diesen Hebel hier herunter drücken, dann kommt die nächste Spule!“ Malik blieb keine Zeit mehr zu antworten, diese kurze Instruktion musste reichen, denn fast im selben Moment, in dem Ryou auf den Pilotensitz sprang, der mit dieser Konstruktion verbunden war, und in Windeseile die letzten Einstellungen justierte, sah er wie der Jabberwocky, und bei Gott, dieses Vieh war wirklich hässlich, jetzt konnte er ihn genau erkennen, den langen bezackten Hals in einer Art S-Form nach hinten beugte, wie eine Schlange, die jeden Moment zuschnappen würde. Malik ging in Position, wie Ryou es ihm angeordnet hatte und er spürte, dass er ihm einfach vertrauen musste in diesem Moment. Ryou betätigte schließlich den Abzugshebel und das Dröhnen der Schüsse übertönte das Rauschen des Windes noch um Einiges. Malik konnte in seiner gebeugten Position nicht erkennen, ob das Vieh getroffen worden war und er musste dem Drang widerstehen, hinzusehen, er hatte hier eine Aufgabe und die war wichtiger. Erstaunlich schnell ertönte das Klacken und Malik brachte immens viel Kraft auf um den Hebel zu bewegen, den Ryou ihm vorhin gezeigt hatte – dann sah er seitlich auf, zu Ryou, welcher den Blick durch den Sucher gerichtet hatte, der Gesichtsausdruck war verbissen und grimmig und Malik wurde mit einem Mal klar, dass er Ryou noch nie zuvor so gesehen hatte, dass er immer nur den zarten schutzbedürftigen Jungen in ihm gesehen hatte, doch eigentlich war es Ryou gewesen, der ihn immer beschützt hatte, nicht umgekehrt und als er ihn so sah, so wild entschlossen und furchtlos, da wusste er, dass er ihn auch jetzt beschützte, er schickte dem Jabberwocky so zielsicher diese scharfen und unmenschlich schnellen Eisenkugeln, weil er ihn beschützen wollte, weil er nicht zulassen wollte, dass Alice ihn wieder bekam und ihm wurde ebenso klar, endlich klar, was für einen wundervollen Menschen er damals einfach hatte ziehen lassen und- Eine so starke Erschütterung war plötzlich an der Flugmaschine zu spüren, dass Malik seinen Halt verlor, ebenso wie Ryou, welchen es seitlich von dem alten Pilotensitz herunterhaute und Malik griff instinktiv nach seinem Handgelenk, denn für einen kurzen Augenblick fanden sie sich in der Horizontale wieder – er hörte nebenbei den Märzhasen fluchen, die anderen, wie sie sich etwas zuschrieen, dann nahm das Schiff wieder eine einigermaßen normale Position ein und Malik meinte schnaufend: „Alles in Ordnung?“ Das Weiße Kaninchen wirkte leicht benommen, doch es nickte und rappelte sich schließlich schneller, wieder auf, als Malik schauen konnte und stürzte an das Geländer der Plattform – Malik, der es ihm im nächsten Moment gleich tat, sah plötzlich mit demselben Entsetzen, wie das Monster sich mit seinen Klauen tief in die Schnauze des Schiffes gegraben hatte, er sah, wie Bakura verbissen das Ruder versuchte, zu halten, während Grin im selben Moment von einer der Handgranaten den Sicherheitsbolzen mit den Eckzähnen herauszog und ihn mit ungeheurer Präzision dem Monster entgegenschleuderte, das drauf und dran war, näher zu ihnen zu gelangen und während sie sich aufgrund der kleinen Explosion kurz duckten, schrie Malik Ryou zu: „Warum hat das Ding eigentlich nach diesen ganzen Schüssen, die du drauf abgefeuert hast, nicht den geringsten Kratzer?“ „Hat es!“, schrie Ryou zurück, während ihm wie Malik das Haar wild ums Gesicht flatterte: „Das Problem ist nur, dass das die Sorte von Kratzern war, die ein Wesen, wie den Jabberwocky eher wütend machen, als ihm schaden!“ „Wo steckt denn da der Sinn dahinter?“, keifte Malik gereizt zurück, doch sie hatten keine Gelegenheit, diese Konversation zu vollenden, denn aus dem Augenwinkel war gerade noch zu sehen, wie ihnen eine Strahl von blauem Feuer von unten entgegenkam. Malik reagierte schnell – hastig hatte er die Arme schützend über Ryou gelegt, um ihn mit sich flach auf den Boden zu pressen, schirmte ihn mit seinem eigenen Körper ab und er spürte die sengende Hitze, die dabei über sie hinwegfegte. Dann schien sich etwas abzustoßen, gefolgt von den wütenden Aufschreien ihrer Gefährten auf dem unteren Teil des Schiffes und noch während Malik mit Schrecken erkannte, wie sich zwei paar gewaltige Vorder- und Hinterbeine vor ihnen mit einem ekelhaften Geräusch in das Metall des Bodens bohrten, neigte sich das Schiff bereits gefährlich nach rechts. Ryou noch immer umklammernd sah Malik langsam auf. Und seine Augen weiteten sich vor Entsetzen. Es war ein Art Drache, mit einem merkwürdig flachen Gesicht, das riesige Maul beständig offen und es hatte die längsten und bedrohlichsten Zähne, die Malik jemals in seinem Leben gesehen hatte, die Augen wie von Flammen durchtränkt, der Kopf war von einer Art Zackenkamm umgeben, die dunkelviolette Zunge schnellte hin- und wieder zwischen den Zähnen hervor, wie als nahm es damit ihren Geruch auf und es selbst verströmte den ekelhaften Geruch von Schwefel, Rauch und Leichen und Malik stellten sich die Nackenhaare auf, denn er war sich sicher, so musste es in der Hölle riechen. Der Hals ging lang hinauf, unnatürlich lang, darauf Stacheln, die schwarzen Schuppen glänzten wie frisches Pech und die Klauen, sie waren – Malik grauste es. Sie waren voller Blut. Wessen Blut war das? Wen von ihren Gefährten hatte es erwischt? Es war so still auf dem Rest des Schiffes. Entsetzlich still. Es taxierte sie. Schien bereit, jeden Moment mit seinen todbringenden Zähnen zuzuschnappen. „Malik …“, raunte ihm Ryou aus dem Mundwinkel zu, „Vertraust du mir …?“ „Ja…“ „Ich werde es jetzt ablenken und wenn ich los schreie, dann rennst du und springst.“ „Du weißt schon, dass das mein Tod wäre?“, zischte Malik nervös. „Ich dachte, du vertraust mir!“ „Das tu ich auch, verdammtnochmal!“ Plötzlich zog Ryou ihn an sich und küsste ihn flüchtig und doch lag in diesem flüchtigen Kuss alle Liebe dieser Welt. „Dann mach das gefälligst. LOS JETZT!“ Damit sprang Ryou auf, bewegte sich mit einer unglaublichen Geschwindigkeit, sodass der Jabberwocky gereizt seinen langen Hals in seine Richtung drehte, versuchte, ihn mit den schweren Klauen zu zerstampfen und Malik riss sich von dem Anblick und von seiner Sorge um Ryou los und rannte, rannte bis zum Ende der Plattform und als sich ihm das Geländer bei der schmerzhaften Bremsung in den Bauch bohrte, sah er, wie sehr sich das Schiff schon gen Erdboden neigte, er stieg über das Geländer und sprang, sprang in die Tiefe, noch immer Ryous Kuss auf den Lippen fühlend, und noch während er sprang, spürte er einen abermaligen Flammenstrahl in seinem Rücken und während seines Falls schossen ihm die Tränen in die Augen denn er wusste, dass es Ryou war, den es erwischt hatte. Ryou hatte sich für ihn geopfert und er fiel, fiel so rasend schnell und das Letzte, das er wahrnahm, ehe es schwärzer um ihn herum wurde, wie die schwärzeste Nacht, war der helle Feuerball, als das Schiff vollends in Flammen aufging und all jene zurück blieben, die ihm den Weg in sein neues Leben geebnet hatten. Er würde sie besiegen. Alice. Und dann … zurückkehren. And as in uffish thought he stood, The Jabberwock, with eyes of flame, Came whiffling through the tulgey wood, And burbled as it came! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)