Von Sonnenblumen und Rosen von __Grinsekatze__ (Masumi Sera X Shiho Miyano) ================================================================================ Kapitel 3: Dunkle Seele ----------------------- „Brauchst du eine Decke?“, Masumi sieht mich fragend an und springt im nächsten Moment auch schon auf. Wir haben es uns in meinem Zimmer auf dem Bett gemütlich gemacht; der Fernseher läuft und zeigt das flackernde DVD-Menü. Die letzten Sonnenstrahlen stehlen sich durch das Fenster und tauchen den Raum in einen rötlichen Schimmer, der mich unwillkürlich erschauern lässt.  Ich nicke und bevor ich etwas nachsetzen kann, ist sie aus dem Zimmer gesprintet und ich höre, wie sie sich im Wohnzimmer am Wandschrank zu schaffen macht. Als sie mit einer großen, flauschigen Decke wieder ins Zimmer kommt, meine ich lachend: „Du kennst dich mittlerweile aber gut aus bei uns!“  „Ach komm, tu doch nicht so überrascht. Es ist ein Wunder, dass Professor Agasa noch keinen Adoptionsantrag für mich ausgestellt hat, so oft wie ich hier bei euch rumhänge“, erwidert sie mit einem Zwinkern und breitet die Decke über mich aus. Dann huscht sie darunter und ich merke, wie ihre Schulter sich an meine lehnt und habe das Gefühl, als würden viele kleine elektrische Funken zwischen unseren Körpern hin und her springen.  Sie startet die DVD, doch ich merke, dass meine Konzentration zu wünschen übrig lässt. Ihre Hand liegt direkt neben meiner und ich kann die Wärme spüren, die davon ausgeht. Ob sie mein seltsames Verhalten wohl bemerkt? Ich schiele zu ihr herüber, doch sie scheint ganz von der Action des Films eingenommen zu sein und ich atme erleichtert auf.  Der Abspann läuft und ich muss ehrlich zugeben, dass ich keinen Schimmer habe, um was es in diesem Film eigentlich ging. Die Sonne ist mittlerweile untergegangen und die kleine Lampe in der Zimmerecke sorgt nur für eine spärliche Beleuchtung, sodass der ganze Raum in einem schummrigen Halbdunkel liegt. Ich will etwas sagen, da spüre ich eine fließende Bewegung neben mir und im nächsten Moment ruht Masumis Kopf auf meiner rechten Schulter. Ist sie etwa eingeschlafen?  Ich drehe mich vorsichtig zur Seite und mein Blick fällt auf ihre geschlossenen Augen und ihren Mund, auf dem ein sanftes Lächeln liegt. Wie süß sie aussieht, wenn sie schläft. Kaum schießt dieser Gedanke durch meinen Kopf, fühle ich mich peinlich berührt und mir entfährt ein heiseres Kichern. Masumi schreckt leicht auf, erwacht jedoch nicht, sondern murmelt nur etwas Unverständliches. Bevor ich mir überlegen kann, was ich jetzt machen soll, merke ich, wie sie sich auf einmal weit zu mir herüber lehnt und ehe ich mich versehe, ruht ihr Kopf auf meiner Brust und ihr Arm verweilt an meiner Hüfte.  Mit einem Mal breitet sich eine ungeheure Hitze in meinem ganzen Körper aus und das wohlbekannte Kribbeln fühlt sich an, als würden Millionen von Ameisen gleichzeitig meine Brust stürmen. Warum stößt du sie nicht einfach weg?, fragt die vertraute Stimme mit einem unverkennbar ironischen Unterton. Weil es viel zu schön ist, um es jetzt zu beenden. Diese Erkenntnis taucht unvermittelt in meinem Bewusstsein auf und ich weiß genau, dass es stimmt. Ich greife nach der Fernbedienung, schalte den Fernseher aus und lösche auch das kleine Licht.  Im nächsten Moment ist der Raum in Dunkelheit gehüllt und es gibt nur noch mich und Masumi, deren gleichmäßige Atemzüge eine wundersame, beruhigende Wirkung auf mich haben und mich gleichzeitig so durcheinander bringen. Ohne richtig zu verstehen, was ich eigentlich mache, lege ich meinen Arm um sie, lasse meinen Kopf auf das Kissen sinken und merke, wie sich ein seltsam träumerisches Lächeln auf meine Lippen schleicht. Gedanken machen kann ich mir morgen, das Einzige was gerade zählt, ist dieser Moment. Als ich erwache, ist das Erste, was ich bemerke: Stille. Das Einzige, was ich höre, sind meine eigenen Atemzüge. Ich blinzel und mein Blick fällt neben mich aufs Bett.  Es ist leer. Wo ist Masumi? Ob sie sich einfach aus dem Staub gemacht hat? Schon im nächsten Augenblick kommt mir dieser Gedanke albern vor und ich fahre nervös durch meine Haare, die wie rotblondes Stroh in alle Richtungen abstehen. Ich seufze. Ein Königreich für einen Spiegel.  Auf einmal höre ich ein lautes Rumpeln und das plötzliche Geräusch treibt jegliche Müdigkeit aus meinem Hirn; ich lausche angestrengt. Auf einmal habe ich eine Vision. Eine schwarze Gestalt, die auf leisen Sohlen durch das Haus schleicht, wie ein Geist oder ein Todesengel. Auf der Suche nach seinem wehrlosen Opfer. Auf der Suche nach mir. Ein erstickter Schrei entkommt meiner Kehle und ich versuche krampfhaft, die Bilder aus meinem Kopf zu verdrängen. Ich höre Schritte, immer näher kommend. Sie ist hier. Ganz nah. Und sie kommt, um mich zu holen.  Wie erstarrt sitze ich auf dem Bett und mein Blick ist auf die Tür gerichtet. Ich will schreien, will weglaufen, doch ich fühle mich wie gelähmt. Die Tür schwingt auf und ein grauenhaftes, beklemmendes Gefühl in meiner Brust scheint meine Seele zum Zerspringen zu bringen. Ich habe verloren. Sie hat mich gefunden. Ich fühle, wie mein Blick neblig wird und mir mit einem letzten verzweifelten Atemzug die Sinne schwinden. „Shiho, Shiho! Wach auf!“, höre ich eine vertraute Stimme rufen und ich spüre ein kräftiges Rütteln an meinen Schultern. Mit einem Schlag reiße ich die Augen auf und blicke in Masumis besorgt dreinblickende Augen, die sich auf einmal mit tiefer Erleichterung füllen. Das Deckenlicht leuchtet unangenehm hell in meine Augen und ich muss sie unwillkürlich zusammen kneifen. „Mensch, was machst du denn? Bist du zu schnell aufgestanden oder wieso liegst du hier bewusstlos am Boden?“, sie hat ihre Selbstsicherheit wiedergefunden und sieht mich neckisch von der Seite an.  Ich setze mich mit ihrer Hilfe auf und murmel mit erstickter Stimme: „Vermouth ... ich, ich konnte sie spüren. Sie war hier, in diesem Raum.“ Ich ärgere mich darüber, wie meine Stimme zittert und doch kann ich einen angsterfüllten Blick Richtung Tür nicht verbergen.  Sie schaut mich etwas hilflos an und sagt dann langsam: „Aber ... Vermouth ist im Gefängnis, das weißt du doch. Sie kann nicht hier sein.“  Ich merke, wie ich wütend werde. Unglaublich wütend. Ich schiebe ihre Arme mit voller Wucht von mir weg und auf einmal bricht es aus mir heraus: „Du verstehst nichts, gar nichts! Du kannst vielleicht jeden Tag lachen und fröhlich sein, als wäre nie etwas gewesen! Ich kann meine Vergangenheit nicht einfach so abschütteln wie einen Mantel. Schön für dich, wenn du das kannst. Aber dein Bruder ist ja auch noch am Leben, im Gegensatz zu meiner Schwester und meinen Eltern!“ Kaum ist dieser letzte Satz ausgesprochen, bereue ich es. Wie konnte ich so etwas sagen?  Masumi sitzt einfach nur so da und sieht mich an, sie ist sprachlos. Ihr blasses Gesicht und die schwarzen Haare, die sanft an ihrem Gesicht anliegen bilden einen starken Kontrast zur roten Decke, die hinter ihr vom Bett herunter hängt. In ihren Augen sehe ich, dass sie tief verletzt ist und auf ihr Gesicht legt sich ein harter Gesichtsausdruck, der in mir ein mulmiges Gefühl hervorruft. Ich setze an, um etwas zu sagen, doch sie schneidet mir das Wort ab und sagt mit eiskalter Stimme: „Dann bin ich wohl ein dummes, kleines Mädchen, das nichts von der Welt versteht. Von deiner Welt schon mal überhaupt nicht. Entschuldige bitte, dass ich dir helfen will und für dich da sein will, um die Geister deiner Vergangenheit zu vertreiben.“ Sie steht abrupt auf, schnappt sich ihre Jacke und läuft zur Tür. Im Türrahmen dreht sie sich noch einmal um und sagt mit einem sarkastischen Unterton: „Achja. Dein Frühstück steht in der Küche. Lass es dir schmecken“, dann höre ich wie ihre Schritte immer schneller werden und bevor ich mich bewegen kann, hat sie das Haus verlassen.  Ich fühle mich schrecklich. Mein Körper bewegt sich wie von ganz alleine und fängt an, sich fertig zu machen, anzuziehen und aufzuräumen. Mein Blick ist starr auf die altmodische Einrichtung gerichtet und doch nehme ich sie gar nicht richtig wahr. Meine Gedanken sind ein einziges Chaos, während ich in der Wohnung umherstreune, verzweifelt auf der Suche nach etwas, dass mich ablenkt, doch vergebens. Die Erinnerung an die Enttäuschung und Wut, die ich in ihren Augen gesehen habe, lässt ein unangenehm bohrendes Gefühl in meiner Brust aufkommen. Wie konnte ich sie nur so verletzen? Ich habe kein Recht, sie zu verurteilen und nieder zu machen, nur weil ich meine Ängste nicht in den Griff bekomme.  Meine Hände zittern, während ich die Decke bedächtig über dem Bett ausbreite. Hier haben wir gelegen. Aneinander gekuschelt, wie zwei Verliebte, merkt die Stimme in meinem Kopf an. Verliebt? Das Wort kommt mir in diesem Moment so unglaublich absurd vor. Mein Unterbewusstsein ist schon irgendwie merkwürdig, was an sich ja keine neue Erkenntnis ist, schließlich war es eben jenes, dass mir vorhin diese schreckliche Vision geschenkt hat. Ich versuche mich zu erinnern, was diese starke Wut in mir ausgelöst hat, als Masumi versuchte, mich zu beruhigen.  Du hast einfach Angst, dass dir jemand emotional nahe kommen könnte, stimmt‘s?, höre ich in meinem Kopf und ich frage mich, ob das stimmt. Ich möchte nicht, dass Menschen mir zu nahe kommen, weil mich bisher alle nur verletzt haben.  Bevor die nervige Stimme wieder anfängt zu sprechen, unterbreche ich selbst meinen Gedankenfluss. Das stimmt nicht. Seit ich damals als geschrumpfte Sherry bei Professor Agasa aufgetaucht bin, habe ich viele Menschen getroffen, denen ich vertrauen kann und die immer für mich da sind. Bei dem Gedanken muss ich lächeln und das Stechen in meiner Magengegend lässt etwas nach, trotzdem legt sich im nächsten Augenblick wieder ein dunkler Schleier über mein Gesicht. Ich habe keinen Grund, Masumi so von mir wegzustoßen. Sie ist liebenswürdig, aufopferungsvoll, hilfsbereit, positiv und zuverlässig, also wieso sollte ich mich ihr gegenüber nicht öffnen?  Weil sie zu einem Punkt in dir vorgedrungen ist, den du vor langer Zeit weggeschlossen hast, mit dem Ziel, ihn nie wieder zum Vorschein zu bringen?, fragt die Stimme und klingt dabei gar nicht höhnisch wie sonst, sondern einfach nur brutal ehrlich. Ich merke, dass ich eine Gänsehaut habe; der Gedanke an Masumi wirbelt Dinge in mir auf, von deren Existenz ich lange nichts mehr gemerkt habe: Gefühle. Bei dem gedanklichen Erwähnen dieses Wortes kann ich mir ein verächtliches Lachen nicht verkneifen. Die eiskalte Sherry und Gefühle? Wie grotesk. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)